Prestel
München · London · New York
im Lenbachhaus München
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So oder so ähnlich könnte die Geschichte vom Blauen Reiter beginnen. Es ist die
Geschichte von einer Handvoll junger Künstler, die sich zusammentaten und ganz andere Bilder malten als die Künstler vor ihnen – Bilder, die die Menschen verwirrten, weil darin plötzlich Kühe gelb, Menschen grün, Bäume rot oder Pferde blau waren oder auch nur noch bunte Farbflecken. Natürlich gab es auch Streit mit andersdenkenden Künstlern darüber, wie Kühe und Menschen, Bäume und Pferde auszusehen hätten.
Wassily Kandinsky – so hieß der junge russische Künstler – war zu Beginn des
20. Jahrhunderts von Moskau nach München gekommen. Hier lernte er Gabriele Münter kennen, als sie bei ihm Malunterricht nahm, und verliebte sich in seine talentierte
Schülerin. Bald wurde Kandinsky der Anführer einer Gruppe von Malerfreunden, die ähnlicher Ansicht über die Kunst waren, viel zusammen unternahmen und auch gemeinsam Ausstellungen ihrer Bilder organisierten: Mit dem russischen Malerpaar Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin, die wie Kandinsky nach München gekommen waren, um hier Malerei zu studieren, waren Kandinsky und Münter zuerst befreundet. Dann schlossen sich ihnen Franz Marc und August Macke an, später stieß noch Paul Klee zu der Gruppe.
Kandinsky und seine Freunde erwählten sich den Heiligen Georg als Schutzpatron und nannten sich ‚Der Blaue Reiter‘, auch weil sie Pferde und die Farbe Blau mochten.
Ihre neue Kunst sollte im Galopp die Welt erobern.
Einige Jahre lang arbeiteten sie eng zusammen und malten ihre leuchtenden
Bilder, die heute in der ganzen Welt bewundert werden. Im Lenbachhaus
in München sind viele der schönsten zu sehen.
Franz Marc
Blaues Pferd I 1911
s war einmal ein junger russischer Künstler, der kam nach München, um das Malen zu lernen.
Er traf dort eine Frau, eine Künstlerin, und
verliebte sich in sie ...
Hier gibt es viel zu sehen: eine Burg am Berg, eine große Kirche
beim Friedhof rechts, eine kleine links, ein Ruderboot auf dem Fluss.
Und viele Menschen: Mütter mit Kindern, Liebespaare, weise alte Männer, einen Wanderer mit langem Bart.
Ein blauer Ritter sprengt durch das Bild, auch sein Schwert und sogar seine Haare sind blau.
Der Maler Wassily Kandinsky war Russe, und seine Figuren gleichen in ihren fantasievollen Gewändern
russischen Märchenfiguren. Das Bild ist mit vielen Tupfen wie ein kostbarer, leuchtend gemusterter Teppich gemalt.
Es wirkt fremd und unwirklich – wie ein Märchentraum vom bunten Leben.
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Der
Klang von Farben und
Formen
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Wassily Kandinsky Das bunte Leben 1907
Bei näherem Hinsehen erkennt man wieder die Burg auf dem Berg, einen Reiter im roten Gewand auf einem weißen Pferd. Und ist das rechts nicht wieder ein Liebespaar?
Kandinsky und seine Freunde wollten nicht einfach Berge, Burgen, Reiter und Liebespaare, die sie sahen, abmalen, sondern in ihren Bildern etwas ganz anderes ausdrücken. Die Farben, das sind Gefühle, Träume, Gedanken, Erinnerungen.
So löst Blau die Sehnsucht nach dem Himmel aus, Gelb zeigt die Freude an Licht und Wärme, Rot steht für Kraft und Lebensenergie.
„Die Welt klingt.“
Musik war Kandinsky sehr wichtig.
Die Farben bringen seine Bilder zum Klingen,
so wie die Töne aus Noten Musik erzeugen.
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Ein Farbenrausch in Blau, Rot, Gelb und Grün – das soll von dem gleichen Maler sein?
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Wassily Kandinsky Berg 1909
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Drei Reiter jagen im
wilden Galopp bergab,
als ob sie verfolgt würden.
Bäume, Berge, Felsen, Licht, Luft und Himmel verschwimmen um sie herum zu farbigen
Flecken und Streifen.
Oben strahlt ROT die Abendsonne.
Kandinsky war ein genialer Bilderfinder.
Seine Pferde und seine Landschaft sehen ganz anders aus als die in dem Bild des Malers Wilhelm von Kobell, der etwa hundert Jahre vor ihm gelebt hat.
Früher waren Pferde schwarz, weiß, grau oder braun, und ob sie sich bewegten, erkannte man an der Stellung ihrer Beine.
Bei Kandinsky sind auch
Luft und Bewegung
zu Farben und Formen geworden.
Wilhelm von Kobell
Nach der Jagd am Bodensee 1833
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Wassily Kandinsky
Romantische Landschaft 1911