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Das große Pimmelrodeo. von Salat von Honk

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Academic year: 2022

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„Das große Pimmelrodeo“

von Salat von Honk

Zurück in der Stadt. Zurück im Rondell. Ich saß in meiner Zwei-Mann-Propellermaschine.

Um diese steuern zu können, hatte ich mir extra einen Pimmel angeklebt und einen Anhalter mitgenommen, einen verlausten Hippie mit grüner und blauer Farbe in seinem Rauschebart.

Er trug einen fleckigen Trenchcoat und eine Truckermütze, die für ein Vogelkundebuch warb.

Er sprach eine Sprache die mir gänzlich unbekannt war. Ich wusste auch gar nicht wo er hin wollte, doch wenn er in seiner Schnickischnacki-Sprache palaverte und Sorgenfalten zog, dann drohte ich ihm einfach mit einem langen Bambusstock, den ich zu diesem Zweck immer dabei hatte. Der Wind rauschte durch die roten Doppeldeckerflügel, die ich schon lange überstreichen wollte. Auf den Rumpf hatte ich schon Zeichnungen innerer Organe mitsamt Beschriftung gepinselt. Als Vorlage hierfür hatte mir ein Buch der Schulmedizin gedient, das ich noch zufällig im Schrank hatte. Es war ein Relikt meiner früheren Tätigkeit. Nachdem ich ein paar Mal operiert hatte, merkte ich damals, dass der Job als Chirurg einfach nichts für mich war. Es war immer das Gleiche. Ich fühlte mich geistig unterfordert. Der Drang nach einem neuen, einem anspruchsvolleren Beruf im Sinn, wurde ich letztendlich Makler – mein Traumjob.

Unter mir zog die grüne Landschaft vorbei. Hier tummelten sich alle paar Meter menschenfressende Burgen. Es war sehr gefährlich! Ich schaute auf solchen Reisen immer auf meine Tankanzeige und ließ einen fachkundigen Mechaniker und eine zurückgebliebene Hebamme vorher nochmal alles durchchecken. Nur wenn der fachkundige Mechaniker sein OK gab und die Hebamme, die natürlich keine Ahnung von nichts hatte, dieses saublöde Luder, mir vom Flug abriet, flog ich los. Durch dieses Prinzip hatte ich doppelte Sicherheit.

Ich kam gerade aus dem Ausland. Ich hatte Häuser verkauft und so Zeug. Maklerkram eben.

War aber toll, wirklich. Muss man sagen und da besteh ich auch drauf. Am Horizont tauchte das Rondell auf. Es glitzerte steril und weiß im Licht des Oculus-Ardens, dem brennenden und dauernd glotzenden Himmelsgestirn. Die einzelnen Stockwerke des imposanten Zylinders zeichneten sich ganz leicht ab. Ein hellgraues Muster. Mathematisch korrekt.

Der Anhalter brabbelte etwas und ich hielt ihn an, endlich sein blödes Maul zu halten. Ich musste mich schließlich konzentrieren, denn ein Autopilot war in meinem Budget nie vorgesehen gewesen, und ich musste die Schleuder, die den Anker warf, selbst justieren. Naja, man sollte ja auch nicht alles den Maschinen überlassen und außerdem hatte ich gehört, dass die besten Autopilotmodule auf Papageientechnik basieren und ich lasse ja auch keinen Frosch mein Auto fahren. Da sieht man mal wieder, wie blöd die Leute sind. Doch immerhin bin ich ja gescheit. Das ist ja wohl mal das Wichtigste.

Der Anker traf den Eingangsring und zerfte die Maschine mit einem Ruck durch ein schmales Loch ins Innere. Der Landeplatz war früher einmal ein Schlachthaus gewesen und eigentlich war er das auch heute noch, nur eben zusätzlich dazu noch ein Hangar. Die Zeiten waren eben hart und jeder musste gucken, wo er bleibt. Ein Mann schritt, würdevoll doch dezent, wie ein Kellner, zu der Maschine. Er hatte einen schwarzen Anzug an, über dem er eine mit Blut besudelte Plastikschürze trug. Um den Hals geschlungen lugte eine Krawatte hervor, deren Muster aus gegrillten Hähnchenflügeln mit lustigen Gesichtern bestand. Der heiße Motorblock dampfte in der Kälte. Rinderhälften hingen von der Decke herab. Das Ankunftsprozedere war immer das gleiche. Ich nannte dem Kerl einen komplizierten Code aus Zahlen, Buchstaben und eigentümlichen Gerüchen, woraufhin ich ausstieg und dabei zusah wie zwei vollkommen nackte und penetrant muskulöse Männer das Flugzeug

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hochhievten, um damit in der Dunkelheit zu verschwinden. Der Anhalter war längst verschwunden. Gleich nach der Landung war er schreiend und wild gestikulierend aus dem Hangar gerannt. Ein wirklich komischer Kauz. Doch was will man machen? Laufen halt allerlei seltsame Gestalten unterm Oculus-Ardens umher. Ich weiß noch, einmal, da hatte ich an einer offiziellen Hexenverbrennung teilgenommen. Eine Riesengaudi mit Feuer, Parolen die im Chor gerufen werden und Schnaps in Pappbechern. Einer der Gäste kam tatsächlich ohne Schuhe. Barfuß! Alles was recht ist – irgendwo hört die Toleranz auf. Dieser Unruhestifter wurde dann auch vom Scharfrichter raus vor die Tür geschickt. War ja auch richtig so.

Ich stolzierte auf meinen Stöckelschuhen den äußeren Gang entlang zu meiner Schlafkabine.

Schlaf. Mnam, mnam. Das hatte ich mir verdient. Normalerweise trug ich immer eine weiche Strumpfhose unter meiner normalen Hose, was meine Haut ungemein schonte. Nun war es dafür zu warm und die Hose hatte meine einst so sanfte Beinhaut innerhalb weniger Meter zu mit Hornhaut überzogenem Leder zerscheuert. Daran puhlte ich noch ein wenig rum, bis ich einschlief.

Ich wurde langsam wach. Ein prickelndes Geräusch hatte mich geweckt, im Klang dem Surren einer elektrischen Schnake nicht unähnlich. Doch als ich das Licht hellkurbelte erkannte ich, dass es nur ein Äffchen war, das mit einer Stecknadel in einem goldglänzenden, metallischen Käfer stocherte. Ich packte meine Elefantenbüchse, die an einer Halterung an der Wand neben meinem Bett angebracht war. Ich schoss und der Affe floh durch ein breites Rohr nahe der Decke aus dem Raum. Ich hatte ihn natürlich nur verscheucht, hatte ich den kleinen Kerl mit der Zeit doch lieb gewonnen, auch wenn seine einzige Beschäftigung darin bestand, mir verfickt nochmal auf den Wecker zu gehen. Der Schuss hatte meinen Regenmacher erschreckt. Er zitterte am ganzen Leib. Ich kann am besten zu dem Geräusch von prasselndem Regen schlafen. Zu diesem Zweck hatte ich mir vor fast zwei Jahren einen privaten Regenmacher gekauft. Er war ein netter Kerl, stand nur in der Ecke rum und machte Regen, wenn ich es ihm befahl. Ich war mir sicher, dass er klaut, doch was machte das schon? Er war zu ehrlich, um etwas wirklich Wertvolles zu stehlen, auch wenn diese Ehrlichkeit ihn möglicherweise erst dazu trieb, mich zu bestehlen.

Ich schwang mich aus dem Bett und setzte mich an den Frühstückstisch. Jemand hatte mal wieder die Frühstücksmaschine angelassen und jetzt war der Akku fast leer. Ich wechselte ihn, doch kurbeln musste ich trotzdem. Die Maschine erzeugte ein künstliches schwarzes Loch das, wie jeder weiß, aus konzentriertem nicht vorhandenem Licht besteht. Die Dunkelheit wird quasi in einem langen, sich oft wiederholendem Prozess, destilliert – wie Schnaps.

Danach wandert das schwarze Loch durch ein System aus Rohren in einen Zerstäuber, von der Art, wie man ihn auch an ganz primitiven Parfümflakons kennt. Der Zerstäuber zerteilt das schwarze Loch in exakt 12 Milliarden Teile. Jedes dieser Teile saugt nun, über die Einstein-Rosen-Brücke, Partikel von der anderen Seite ein. Aus diesen Partikeln setzt ein Computer, der so groß war, dass er meine gesamte Speisekammer ausfüllte, ein Frühstück zusammen. Meist Rührei, Bohnen und Speck. An guten Tagen kalte Pizza mit Zwiebeln. Wer braucht da noch eine Speisekammer? Ich hatte die Frühstücksmaschine in der dritten Klasse konstruiert und damit den zweiten Preis im „urdeutschen Jungforscherwettstreit“ belegt. Den ersten Platz räumte natürlich die Klassenstreberin ab. Sie hatte sich beim Sex mit einem Nashorn gefilmt und das Material dann kunstvoll zusammengeschnitten, die Farben ganz billig invertiert und an, angeblich passenden Stellen, Zitate promovierter Schneckenforscher eingeblendet. So eine verfuddelte Kackmistkuh. Ich kurbelte und vor mir materialisierte sich – eine Burg aus Plastikbauklötzern. Das war die Spitze. Schon am Tag meiner Abreise hatte mir die Frühstücksmaschine nichts als eine Packung Hustenbonbons mit Minze-

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Knoblauchgeschmack serviert. Ohne Frage meine Lieblingssorte, doch ich musste die ganze Packung essen um satt zu werden. Als ich dann auf der Schüssel saß dachte ich, ich müsste meinen gesamten Körper, der sich in ein Drahtgeflecht verwandelt hatte, durch mein Arschloch quetschen. Furchtbar! Diesen Fehler würde ich nicht noch einmal machen! Ich verschmähte die Burg aus Plastikbauklötzern und betrat die Speisekammer. Was die wenigsten Menschen wissen ist, dass jeder als Speisekammer geplanter Raum eine Speisekammer wird und auch immer eine bleibt. Das ist das erste Axiom der Speisekammer, nach dem berühmten Prof. Dr. Joe Speisekammer jr. Das zweite Axiom ist: Eine Speisekammer definiert sich durch ihre Anziehungskraft auf Nagetiere, wie Mäuse, Ratten und in seltenen Fällen auch Hunde oder Katzen, die am Nagen Gefallen gefunden hatten. Da meine Speisekammer nur meinen Computer enthielt mussten sich die Nager anpassen und zu einer neuen Spezies evolutionieren, die selbst Plastik und Metall verdauen konnte. Ihr Körper veränderte sich natürlich dementsprechend, ganz nach der alten Devise – du bist was du isst!

Vor 12 Jahren hatte ich eine Maus gefangen und sie an eine Firma für Computerhardware verkauft. Sie wurde der Prototyp eines neuen Navigationsgeräts, dass sinnigerweise den Namen „Maus“ beibehielt.

Ich fand den Fehler schnell. Eins der Mistviecher hatte sich durch die Festplatte gefressen. Ich schloss eine neue an und musste den permutierenden Algorithmus der polyzyklischen Kotpimmel neu kalibrieren. Jawull! Schlau! Die Maschine spuckte nun einen Schwertfisch aus, der mit Thunfisch und Trauben gefüllt war – besser als nichts und das Schwert konnte mir sicher nochmal nützlich sein, wenn ich mal gegen die Heiden in den Krieg zog oder so.

Ich nagte noch an den Gräten rum und dachte darüber nach, was die Knochen der Fische wohl so besonders macht, dass sie einen eigenen Namen verdienen, da rief jemand, oder auch etwas, je nachdem, wo man die Grenze zum Menschsein zieht, ich würde in diesem Fall zu

„etwas“ tendieren, meinen Namen: „Hildegart!“ und nochmal: „Maike!“ Nein! Das wäre ja albern! Das würde gar nicht stimmen! Also nochmal: Blablabla… meinen Namen:

„Hildegart!“ und nochmal: „Hiiiildegart!“ Es war meine Sportlehrerin aus der Grundschule.

Sie hing kopfüber an der Vorhangstange, wie eine Fledermaus. Mit einem Satz spradotzte sie von der Stange und setzte sich an den Tisch. „Was willst du?“, fragte ich mürrisch und puhlte mit einer Gräte in meinen Zähnen rum. Ich würde mich bestimmt nicht rassistisch nennen, doch Sportlehrer sind eben ein Völkchen, dem ich schon immer missgünstig gegenüber gestanden habe. Das Ergebnis von 100% schlechter Erfahrung. „Fräulein! Nicht in diesem Ton!“, meckerte sie und drohte mit dem Zeigefinger, der mir gar keine Angst machte. Stumpf und klein – kein Vergleich zu einem Buschmesser, einem Flammenwerfer oder einem großkaliberigen Maschinengewehr. Eine ganz gefräßige Nähmaschine! Sie fing an, einen scheinbar endlosen Monolog in einer furchtbar keifenden Tonart zu halten. Dampfende Säure quoll zwischen ihren gelben Reißzähnen hindurch und ätzte tiefe Löcher ins Mobiliar, wo sie hintrielte. Sie war wahrscheinlich alleine, gezwungen sinnlos vor sich hinzuleben und zu wissen, dass sie zu nichts zu gebrauchen ist. Ich hatte fast Mitleid mit ihr. Sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass diese Aggression Ergebnis der Frustration war, die ihr Dasein mit sich brachte. Sie sehnte sich nach sozialem Kontakt, konnte diesen jedoch nur auf der Basis von Drohungen und prolligem Gebrüll herstellen. „Ich hab' letzt erst ein neues Spiel erfunden!“, nörgelte sie laut. „Ich nenne es >Falschball< das Ziel des Spiels ist das sadistische Amüsement des Sportlehrers, der rein willkürlich die Pfeife bläst und >Falsch!< brüllt. Dabei kann er seiner Fantasie freien Lauf lassen. Meist pfeife ich schon vor dem Spiel ab und beschuldige einige Spieler die falsche Kleidung zu tragen oder den falschen Ball gebracht zu haben. Später entwickle ich dann gerne eine gewisse Rhythmik indem ich Melodien aus dem Pfeifen und dem >Falsch!< schreien bilde.“ Bald schon hatte ich die Schnauze voll und jagte sie mit einem riesigen Gummipimmel auf den Rondellgang. „Und lass dich hier nie wieder blicken!“ brüllte ich ihr hinterher und schwenkte dabei drohend den Gummipenis, ein

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Geschenk meines Großvaters. Er war ein ganz schnieker Kapitän mit Uniform und Hut. Er hatte seinen eigenen Dampfer, der Snob.

Ich versuchte die ganze Sache zu vergessen und machte mit meinem Morgenritual weiter. Die Arbeit begann zu rufen und auch wenn ich „Ich komm‘ ja schon!“, zurückrief, beharrte sie darauf meine Ohren zum klingeln zu bringen, dass ich es auch ja nicht vergessen würde. Ich befüllte meine Thermoskanne. Cranberrysaft und Schafsblut. Die Thermoskanne war gewaltig. Sie war aus zweimeterdickem Panzerstahl, wog ungefähr 32 ¾ Tonnen und war an der Öffnung mit einem Sicherheitsschloss gesichert, das nur auf meinen Fingerabdruck reagierte. Ich leide an einer ziemlich zwanghaften Iophobie und bin deshalb darauf angewiesen, mich vor möglichen Giftattentaten zu schützen. Durch die enorme Größe passten natürlich nur zwei Zentiliter in die Kanne, doch das reichte mir auch für einen Tag. Das Gewicht hatte außerdem den Vorteil, dass mir gewaltige Muckies wuchsen. Am Wochenende machte ich immer Armdrücken mit einigen Piraten die sich in den unteren Hungerhallen und Spielgassen des Rondells tummelten. Um nicht erkannt zu werden, klebte ich mir immer einen Schnauzbart an, den ich mir zu diesem Zweck aus meinem eigenen Schamhaar flechte.

Auf diese Weiße habe ich eine passende Verkleidung und dazu noch einen aalglatten Schritt.

Clever, ney? Das Armdrücken war mit der Zeit zu einem netten Nebenverdienst geworden, denn verlieren war mit diesen Oberarmen unmöglich. Vom Erlös bezahlte ich Obdachlose dafür, sich zu meiner Unterhaltung zu prügeln. Das war jedes Mal ein großer Spaß, zu dem ich auch Freunde, Familie und Arbeitskollegen einlud. Teilen macht Spaß und Ereignisse wie diese festigen den sozialen Zusammenhalt ungemein. Um in die Maklerei zu gelangen, musste ich mit der U-Bahn fahren. Dort traf man immer allerlei interessante Leute. Vorm Fahrplan, zum Beispiel, stand ein großer Typ in einer braunen Lederjacke. Er biss hin und wieder von einem Stück Pizza ab, auf dem sich der Thunfisch türmte und schmatzte dann hingebungsvoll.

Mit der freien Hand fingerte er die Linien am Fahrplan entlang. Am Gleis standen drei Chinesen, von denen zwei an einem provisorischen Tisch Karten spielten und einer so schön Geige spielte, dass um ihn Gräser aus dem Beton wuchsen.

Die Bahn rutschte an den Bahnsteig heran und ich marschierte schnurstracks in die erste Klasse. Ich wollte mich auf keinen Fall mit dem Proletariat herumschlagen. Nicht auszudenken, wie die Leute über mich denken würden, insbesondere der Adel. Mit der Zeit hatte ich einen Kronprinzenfetisch entwickelt, der bedingte, dass ich, wenn ich ein intaktes Sexualleben haben wollte, mich um einen guten Ruf bemühen musste. Ein Kellner brachte mir einen Chardonnay und ich schickte ihn zurück. Er war zu warm. Ich wusste natürlich, dass das ein Test gewesen war und der Kellner nickte mir unterschwellig und wissend zu.

Wahrscheinlich war nicht einmal er der Initiator gewesen. Er war sicher nur ein Handlanger der Prüfstelle für gutes Benehmen.

Mir gegenüber saß ein Hippie mit einer Brille, deren Gläser durch Gitter geteilt waren. Ich ahnte, dass das wohl nicht nur pseudoästhetische Stilgründe, sondern auch eine gesellschaftskritische Provokation zum Zweck hatte. Ich fragte mich, was dieser Rebell hier wohl zu suchen hatte. Ich nippte an meinem Chardonnay und sah ihn ganz giftig an. Ganz giftig! Doch auf einmal ergriff er das Wort: „Wussten sie, dass Essig ein frühes Mittel war, um den Pestbazillus abzutöten? Nicht am Menschen direkt, jedoch in der Umgebung, quasi als primitives Desinfektionsmittel. Die Säure bot dem Bazillus eine solch letale Umgebung, dass es ihm nicht mehr vergönnt war sich auszubreiten.“ Da war ich baff, denn das hatte ich noch nicht gewusst und noch ehe ich reagieren konnte, nutzte der Hippie meine Verwirrung und streckte mir seine Hand hin, die ich, noch total perplex, ergriff. „Maxwell-Jonathan Dycson- Dinsmore Earl of Extinction, freut mich ihre Bekanntschaft zu machen Frau…“

„Hühnerhals!“, schnaufte ich erregt „Hildegard Hühnerhals!“ Ich reagierte wie an Fäden

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gezogen. Ich war eine Marionette; er war der Puppenspieler. „Was für ein schöner Name! Sie sind nicht adelig? Bei einer solch schönen Haut könnten sie glatt die Welt regieren!“

„Aaaach…“, machte ich und wurde rot. Vor lauter Nervosität schüttete ich mir den restlichen Chardonnay in den Rachen, um die Kehle etwas anzufeuchten. Da offenbarte er sich auch noch als Weinkenner! „Ein ausgezeichneter Jahrgang, Madame Hühnerhals. Schade dass sie ihn nicht richtig genießen können…“ „Aber warum?“, stammelte ich verwundert. „Nun, ich will ihnen meine Theorie erklären. Die Zunge und der gesamte Mund besitzen, wie alles andere auch, einen Eigengeschmack. Ich nenne ihn, der Einfachheit halber, Mundgeschmack.

Dass heißt, man kann nie den reinen Geschmack von etwas genießen, da jeder geschmackliche Eindruck durch den eigenen Mundgeschmack verunreinigt wird. Aus diesem Grund habe ich mir schon vor langer Zeit den Mund operativ entfernen lassen.“ Als er sein Plädoyer beendete, wusste ich, dass ich mein Herz an dieses Goldstück von einem Mann verschenkt hatte. Wie der erste Eindruck doch täuschen kann! Da kam der Schaffner ins Abteil und verlangte die Fahrscheine. Ich zeigte meinen natürlich brav vor, hatte ihn sogar, zum Schutz vor Beschädigungen in eine Schatulle aus zusammengehäkeltem Engelshaar gepackt, doch Maxwell entgegnete nur: „Ich unterstütze bestimmt keine Einrichtung die nichts für ihr Geld tut und dabei noch das moderne Kastensystem unserer verkorksten Gesellschaft unterstützt!“ Wie sehr der zweite Eindruck doch täuschen kann! Er war doch ein rebellischer Kommunist mit nichts als Marijuana und Rockmusik im Kopf! Dank dieser Erkenntnis war es auch überhaupt nicht schwer für mich, zu verkraften, dass der Schaffner sogleich ein Beil aus seiner Hosentasche zog und Maxwell in 1000 Teile hackte. Ein rebellischer Hippie weniger! So ist‘s recht!

Es ist wirklich wunderlich, wie schnell die Stimmung dann doch umschlagen kann. Ich wurde ganz betrübt und begann verträumt das Futter aus dem Sitz zu reißen, um dieses dann zu verspeisen. Vielleicht war ich nur enttäuscht. Enttäuscht von Maxwell und von mir, da ich mich ja von ihm hatte täuschen lassen. Ich stieg träge aus der U-Bahn und sah ihr hinterher, wie sie im rosaroten Nebel vor den Toren des Außenbezirks-12 verschwand. In der Ferne grollte der Donner eines künstlich angelegten Ökosystems. Es roch nach Kiefernnadeln, Harz, Zuckerwatte, frisch gepressten Zitronen und einem Hauch von verbranntem Haar, durch das Drähte verliefen. Eine Gruppe halbnackter Wikinger unterhielt sich gerade mit einem Schaffner als ich vorbeilief. Sie schienen sich nach dem Weg ins örtliche Naturkundemuseum zu erkundigen. Ich rief ihnen absichtlich die falsche Richtung zu und schlurfte weiter zur Maklerei. Ich brauchte das. Es war böse, doch jetzt ging es mir besser. Ich entschloss außerdem die Musik zu wechseln, die ich über einen Entertainment-Chip wahrnahm, den ich mir schon vor Jahren implantiert hatte. Er sendete elektrische Signale direkt an den Hörnerv – ohne Umwege. Von depressiver Musik auf fröhliche Musik umzusteigen half dann etwas, doch dann kam mir eine noch viel bessere Idee. Ich stellte furchtbar nervtötende Musik ein und wurde wütend. Die Wut war noch viel besser. Auf dem Weg brüllte ich alle möglichen Passanten an und prügelte mich mit einigen betrunkenen Physikstudenten, die durch ein schreckliches Selbstexperiment zu Wesen, halb Mensch, halb Ameise, mutiert waren. Doch dank meiner unglaublichen Kraft und der Schicht Blei, die ich mir subkutan verabreicht hatte, erreichte ich die Maklerei unversehrt. Dort angekommen wurde mir bewusst, dass mein Unmut wohl seinen Ursprung in der Erkenntnis hatte, dass die Geschichte an diesem Punkt wohl eine dramatische Wendung erfahren würde. Genug mit ha-ha-lustig, der Ernst beginnt!

Ich leitete die Maklerei ganz alleine. Um das bewerkstelligen zu können, musste ich mich furchtbar schnell bewegen können und trotzdem war es immer noch nur mit Tricks zu schaffen. So hatte ich unter anderem eine Puppe von mir selbst aus Petersilie angefertigt und an den Empfang gesetzt, das Telefon beantwortete ein Papagei. Leider konnte ich nur an zwei Orten gleichzeitig sein. Natürlich hätte ich mich noch schneller bewegen können, doch hätte

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ich das getan, wäre meine Kleidung direkt am Körper verglüht und nackt hätte ich mich dann doch etwas geschämt, was ja auch wichtig ist! Eine Gesellschaft, die den Status der Menschlichkeit erreichen will, sollte sich generell für alles Natürliche und Animalische schämen. Das hatte schon mein Vater gesagt. Er vertrat seinen Grundsatz so treuherzig, dass er sich für seinen Lidschlag schämte. Schornstein, Backstein, Brunnenstein. Wasser tropfte von der Decke, die Rohre waren defekt.

Der Vorsitzende des Amts für Parzellenverteilung saß im Wartezimmer. Er las eine Zeitschrift die so alt war, dass sie für das Feuer hätte werben können. Er hatte seine Angelausrüstung dabei, da er aus einem unerfindlichen, scheinbar zwanghaften Grund, ständig am Fischen war.

Niemand wusste, wo er das tat, man nahm an, dass er sich zum Angeln in eine Paralleldimension zurückzog, die in seine Hosentasche eingenäht war. Das machte ihn in meinen Augen zu einem Faulpelz, dem seine Arbeit egal war, was ihn, in Kombination zu dem Amulett des heiligen Kalkulatron, das er um seinen Hals trug, zu dem wohl größten Heuchler jenseits von Heuchelberg machte. „Ah, Herr Vorsitzender! Guten Morgen!“, begrüßte ich ihn. „Ruuuuhe!“, trötete dieser und pfefferte das Magazin in die Ecke. Trotz meiner generellen Antipathie zu ihm, sah ich davon ab, ihn zurechtzuweisen. Auf dem Magazin war Pfand drauf. Doch der Herr Vorsitzende war ein mächtiger Mann und ich war auf seine Gunst angewiesen. Meinen Frust konnte ich ja später noch an einem meiner Lakaien auslassen. Der Herr Vorsitzende wies mir ein Dutzend Räumlichkeiten, die über das ganze Rondell verteilt waren, zu. Dafür tauschte ich eine Zebraherde ein, die ich in einer Schrumpfkapsel von meiner Geschäftsreise mitgebracht hatte.

Die meisten Räumlichkeiten wurde ich schnell los, doch bei einer, der Räumlichkeit 307, schienen sich Probleme aufzutun. Natürlich nannte man diesen Ort eher scherzhaft Räumlichkeit 307. In Wirklichkeit hieß er Sא12AXX, doch durch die Findigkeit eines besonders albernen Kartographen, hatte sich 307 eingebürgert. In Räumlichkeit 307 spukte es angeblich. Ich traf mich, um der Suche nachzugehen, mit dem Vormieter zum Kaffee. Wir saßen uns gegenüber und er tunkte zitternd eine Mettwurst in seinen Kakao. Er wollte sich diesem Informationsgespräch entziehen und da hatte ich kurzerhand seine Schildkröte entführt und gedroht sie zu fressen. Jetzt ging ihm natürlich der Arsch, doch das hätte er sich früher überlegen müssen. Zur Sicherheit hatte ich meinen Protokollanten mitgebracht, ein halbwegs zugedröhntes Medienopfer, das sämtliche Nachmittagsshows, die es je gegeben hat und geben wird, auswendig kann. Er war früher mein Drogendealer gewesen, bis er mir spaßeshalber Opium, gestreckt mit männlichen Hormonen, verkauft hatte. Die Schande, die ich ertragen musste, als mir vor den entsetzten Augen meiner 15 Ehemänner plötzlich ein Vollbart wuchs, ließ mich meine Drogensucht überwinden. Zum Dank stellte ich ihn dann als meinen Protokollanten ein, auch wenn er saumäßig störte.

„Sie sagen also in Räumlichkeit Sא12AXX würde es spuken?“, begann ich das Gespräch.

„Bitte! Meine Schildkröte! Lassen sie mich mit ihr reden! Ich will Gewissheit, dass sie noch lebt!“, jammerte der Vormieter. „Wusstet ihr, dass Andy, dieser Macho, dem Hans die Jennifer ausgespannt hat um sich an Agban, dem Bruder von Joes Neffen, der vorher mit Mindy verlobt war, zu rächen?“, warf mein Protokollant ein. Ich ignorierte ihn. „Reden Sie! Oder ihre Schildkröte liegt heute Abend mit Knoblauchkruste paniert auf meinem Teller!“ „Schon gut! Ein Geist erscheint, wenn man die Klospülung drückt! Er ist gutartig, doch er hat meine Frau gebumst!“ „Das ist wie in Episode 13 von >unser gelbes Krankenhaus<, als Jeffrey von Dr. Dorfmeyer entlassen wird und dann seine Frau bumst ohne zu wissen, dass diese früher ein Kerl war!“ „Was ist das für ein Geist? Reden Sie weiter!“ „Bitte… meine Schildkröte! Sie braucht ihr Medikament! Ohne ihr Mathemazin kann sie nicht rechnen und das tut sie doch so gerne!“, plärrte der Vormieter. „Als damals dann Candy von Dr. Fischer geschwängert

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wurde…“, und da platzte mir der Kragen: „Ruhe!“, brüllte ich meinen Protokollanten an. „Ist Dir eigentlich bewusst, dass mir dein Geschwätz links und rechts an dem Körperareal vorbeigeht, das noch behaarter ist als mein Kopf?“ „Das ist doch keine Kunst! Du hast eine Glatze!“, entgegnete mein Protokollant frech. „Nein habe ich nicht!“, erwiderte ich. „Ich habe eine wunderschöne Dauerwelle…“ „Das ist deine subjektive Wahrnehmung.“ Ich hatte genug und orderte einen pferdekopfgroßen Kaugummi, der meinem Protokollanten das Maul stopfte.

Wirsing – sein Lieblingsgeschmack und so tippte er brav und bis auf ein sabberndes Schmatzen auch still.

Viel mehr bekam ich nicht aus dem Vormieter raus, doch er erzählte mir noch eine ganze Menge urkomischer Frauenwitze und wir beschlossen Brieffreunde zu bleiben. Seine Schildkröte bekam er natürlich zurück. Ich bin ja kein Unmensch. Ich hatte ja eigentlich auch nie vorgehabt, sie zu fressen. Ich bin ja total lieb, von daher… ja. Ich musste also auf eigene Faust dem Geheimnis des Geistes auf den Grund gehen. Ich schlurfte also die Korridore entlang, bis ich vor der Tür von Räumlichkeit 307 stand. Ich kitzelte sie an den Seiten und sie öffnete sich mit hydraulischem Schmatzen. Grünlicher Dampf zischte mir entgegen. Das war jedoch ganz normal. Es handelte sich um Kühlflüssigkeit, die eingesetzt wurde um die Tür kühl und frisch zu halten. Für was denn auch sonst? Ganz ehrlich! Diese Unwissenheit geht mir ja sowas von auf den Keks! Räumlichkeit 307 war aufgebaut wie jede andere Parzelle im Rondell. Eine kleine Wohnung mit 2 Zimmern, also einem Wohnzimmer und Schlafzimmer mit angrenzendem Badezimmer. Farblich dominierten selbstverständlich weiß und verschiedene Töne hellen Blaus, wie auch im Rest des Rondells. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass diese Farben am beruhigendsten auf den Bevölkerungsdurchschnitt der verschiedenen Spezies, die im Rondell vertreten waren, wirkten. In der Mitte des Hauptraums stand ein großes Doppelbett mit dunkelblauem Bettzeug, in der Ecke eine Stehlampe. Auch im Badezimmer ließen sich keine Besonderheiten erkennen und das will was heißen, denn mein durch jahrelange Erfahrung geschultes Auge fand im Normalfall jede noch so kleine Ungewöhnlichkeit. Es schüttelte also den Kopf, sofern der Korpus des Auges auch als sein Kopf bezeichnet werden kann und hopste zurück in seine Höhle. Über der Badewanne war, wie in jeder Parzelle ein Mosaik angebracht, das einen Zauberer und eine Seeschlange beim Liebesakt darstellte. „Das nenn ich einen Zauberstab!“, dachte ich mir jedes Mal, wenn ich dieses Kunstwerk sah. Ich war eine der wenigen die dieses noch genießen konnte, da ich es aus meiner Parzelle herausgebrochen hatte. Dadurch sah ich es seltener und war nicht so sehr an seinen Anblick gewöhnt. Als Tochter der Kronprinzessin der unteren Kanäle der nuklearen Freuden konnte ich mir ein solches Verhalten natürlich erlauben. Ich belegte schließlich auch über 30 Parzellen, zwischen denen ich die Wände eingerissen hatte. Ein Basketballplatz lässt sich eben schlecht in einer Standardparzelle unterbringen. Ich legte eine Hand auf den Schalter der Klospülung, hielt jedoch inne und überlegte. Sollte der Knopfdruck tatsächlich einen Geist beschwören war ich in größter Gefahr. Ich entschloss mich also, das Ganze besser testen zu lassen, anstatt es selbst zu testen. Wenn man so lange im Geschäft ist wie ich, weiß man genau wie man das ganz einfach bewerkstelligt. Ich zog eine Tube Echsenspeichel aus meiner Hosentasche und schleimte mir damit die Haare zurück. Dann setzte ich mir eine Sonnenbrille auf, deren Ränder die Form von zwei Herzen andeutete. Zum Schluss ließ ich mir noch, nur durch Kraft meiner Gedanken, einen Pickel auf der linken Wange wachsen. Ich musste schmierig aussehen um jemandem ein weniger seriöses Angebot machen zu können, denn sonst merken selbst die dümmsten Leute, dass da etwas nicht stimmt.

Ich lehnte mich neben der Tür an die Wand, begann Jo-Jo zu spielen und tat so als wäre ich einfach zu cool für diese Welt, was bis zu einem gewissen Grad ja auch der Wahrheit entspricht. Eine Blondine schlenderte den Gang entlang und ich passte sie ab. „Hee, Mädchen!“, raunte ich verschwörerisch. „Ich bin von der dreizehnten Föderation zur

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Förderung von experimentellem Wohnungsbau. Gegen ein geringes Entgelt kannst du schon jetzt in der Wohnung von morgen schlafen! Interesse?“ und verdammt noch mal, sie ließ sich tatsächlich darauf ein. Ich versprach ihr eine Geld-zurück-Garantie, falls sie nicht zufrieden sein sollte und sie zahlte tatsächlich den unverschämten Preis, den ich als erstes nannte. Ich hatte erwartet sie würde mich runterhandeln, doch so war es mir natürlich auch recht. Der Rest des Tages verlief ruhig und normal. Ich konnte den größten Vulkan der Welt an den kleinsten Bastard vermieten, was wirklich eine beachtliche Leistung ist. Dennoch ließ sich nicht leugnen, dass keine Gefühlsregung meine Neugier übertönen konnte, was wohl mit dem Mädchen in Räumlichkeit 307 geschehen würde. Als die gesetzte Frist vorüber war, rannte ich zur Parzelle und sie wartete schon. Entgegen dem was ich erwartet hatte, mit einem Grinsen, das ihr ganzes Gesicht überdeckte. Ich musste ihr erst mal kräftig gegen das Schienbein treten um sie eindeutig identifizieren zu können. „Das war die beste Nacht meines Lebens!“

melodierte sie und zog ihre Ersparnisse aus den Taschen – zwei vergoldete Pferdeäpfel, einen Stapel wertvoller Comics mit seltenen Fehldrucken darin, eine Flasche Mouton Rothschild 1945 mit einem Autogramm von Adolf Hitler darauf, eine Fassung des Drehbuchs von „2001:

Odyssee im Weltraum“ überarbeitet von Jesus Christus und eine eigens von Charles Manson zubereitete Fettbömme. Das drückte sie mir in die Hand und kicherte: „Als Bonus! Stimmt so!“ Dann schlenderte sie pfeifend und verträumt wie ein Schulmädchen davon. Wenn ich mich recht entsinne, hatte sie sogar plötzlich Zöpfe und eine Schuluniform. Höchst mysteriös!

Doch ich witterte ein lukratives Geschäft, vermietete Räumlichkeit 307 tageweise und konnte mich nie über mangelnde Kundschaft beschweren. Die Liste der Reservierungen zog sich ins Unendliche. Den Geist hatte ich schon komplett vergessen. Mich interessierte auch nicht, warum all diese Leute so scharf auf Räumlichkeit 307 waren.

Doch eines Tages meldete sich eine alte Freundin bei mir. Wir hatten uns vor circa 20 Jahren einen Spaß daraus gemacht, Postkutschen zu überfallen, um uns von der Beute detailgetreue Spielzeugnachbildungen von uns und den betreffenden Postkutschen anfertigen zu lassen, um damit dann zu spielen. Was will man machen? Wir waren jung! Sie hatte Wind von der Sache bekommen und wollte sich nun, durch meine Bekanntschaft, einen Vorteil erschleichen. Doch das war OK. Ich lud sie zu Kaffee und Kuchen ein und danach gingen wir Weiber aufreißen.

Hoppla! Wir sind ja Frauen! Dann haben wir eben gemacht was Frauen so machen. Schuhe kaufen und solche Sachen. Ich setzte sie für den nächsten Tag auf die Liste, was sie mir schon mal damit dankte, dass sie mir ein paar Schlangenlederpömps spendierte. „Und? Wie ist er so?“, fragte sie und wurde ganz rotwangig. „Wer?“, fragte ich verwundert. „Der Preis? Der ist OK. Ich geb dir nen Rabatt, keine Sorge.“ „Naaaaain“, machte sie, wurde knallrot und rollte mit den Augen. „Du weißt schon… der Bewohner!“ „Bewohner? Da wohnt niemand.“ „Was soll das? Willst du mir sagen, du hast noch nicht in Räumlichkeit 307 genächtigt?“ Ich verneinte, entschloss jedoch in diesem Moment, dass ich das vielleicht wirklich mal tun sollte.

Wir setzten uns an einen Springbrunnen, der zu einer Käseraspel umfunktioniert worden war, atmeten das goldgelbe Aroma ein und lauschten eine Weile den Äffchen, die massive Käseklötze von oben in die Raspel warfen, um das geraspelte Endprodukt dann unten schubkarrenweise abzutransportieren. Schließlich begann sie zu erzählen: „Man sagt sich, sobald man die Klospülung in Räumlichkeit 307 betätigt, materialisiert sich ein Mann aus dem Strudel. Ein Mann, der perfekt auf den zugeschnitten ist, der ihn ruft. Dieser Mann soll jedem innerhalb einer Nacht so viel Glück bescheren, dass es für das ganze restliche Leben reicht.“ „Aha.“, machte ich und trug mich skeptisch einen Tag nach meiner Freundin ein.

Es sollte alles ganz anders kommen als geplant. Des Nachts pickte ein Rabe an mein Fenster.

Er erklärte mir ich müsse sofort zu Räumlichkeit 307, meine Freundin hätte Schwierigkeiten.

Er habe keine Zeit es mir zu erklären, denn er habe auf dem Weg hierher ein nettes Kakadumädchen kennengelernt und hole sich jetzt etwas Zucker. Männers! So typisch! Öhhh!

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Ich wollte zuerst etwas trotzen und als Protest einfach bleiben, wo ich war, doch dann wurde mir klar, dass ich damit nur meiner Freundin geschadet hätte, die vielleicht wirklich in Schwierigkeiten steckte. Ich stolperte ins Badezimmer, in dem mein alter Drahtesel stand. Er iahte mechanisch und ließ seine Lichtaugen rotieren. Er schien sich zu freuen mich zu sehen, falls er als Maschine dazu überhaupt in der Lage war. Vielleicht war er auch stinksauer, müde, gelangweilt, pappsatt oder er musste pinkeln. Ich wusste es nicht. Ich hatte die Gebrauchsanleitung verschlampt, kurz nachdem ich ihn von einem bedürftigen, ehemaligen Extremsportler erstanden hatte, dem nach einem Haibiss das Gesicht amputiert werden musste. Er verkaufte nun all seinen Besitz um für eine Gesichtstransplantation plus Adamantiumskelett, Kiemen und eine synthetische Erweiterung des gesamten Muskelsystems, mit dem er seine Füße dazu nutzen konnte sich einen runterzuholen, während er an seinen Silikontitten spielte, die im Programm inklusive waren, zu sparen. Er war der Meinung, wenn er sich schon unters Messer legte, musste es ein Rundumschlag sein.

Normalerweise nutzte ich den Drahtesel nur zum Melken. Er gab exzellente Batteriesäure, die ich in einem großen Pott sammelte. Einmal im Monat kam eine Bande seltsamer Heiden in gelben Kutten und kaufte den ganzen Pott. Der Erlös kam in mein Sparschwein, denn ich sparte für eine eigene Bohrinsel. Nicht jedoch, wie man vielleicht annehmen könnte, um Rinderfett zu fördern, oh nein. Ich wollte endlich einmal einen Cowboyhut tragen ohne mir dabei dämlich vorzukommen. Doch nun sprang ich mit einem Satz auf seinen Rücken und brüllte „Los!“ Die Maschine war so überrascht, dass sie trotz des falschen Befehls losgaloppierte. Innerhalb weniger Sekunden kamen wir vor Räumlichkeit 307 an, an dessen Tür der Drahtesel punktgenau feststellte, dass er auf den falschen Befehl geachtet und sich trotz fehlender Schaltkreise erschrocken hatte. Das verwirrte ihn, und er explodierte augenblicklich in 1000 Teile. Das machte mir nichts. Ich war vorher abgesprungen und hatte einen Schirm aus Laser zu meinem Schutz aufgespannt. Die Wrackteile verglühten, bevor sie mich erreichten. Ich hatte sowieso das Interesse an Cowboyhüten verloren. Schon vor mindestens 2½ Jahren! Ich stand jetzt mehr auf Bandanas und war zu diesem Zweck einer Gang beigetreten. Ich half jetzt zwei Mal in der Woche in einer Methküche aus oder erschoss ein paar Mitglieder einer rivalisierenden Gang. Gangsterkram eben…

Ich riss die Tür auf und erkannte meine Freundin, die über einem Mann mit eingeschlagenem Schädel kniete, in der Hand ein Felsbrocken, der sich mit Blut vollgesogen hatte. Von dem Augenblick an ging alles furchtbar schnell. Wir zerlegten den Körper in kleine Teile und spülten sie die Toilette runter. Dann ging meine Freundin. Sie schien sich sehr zu schämen.

Als ich am nächsten Tag erwartungsvoll die Klospülung drückte, oh Schreck, schossen nur weiße, blutleere Fleischstücke das Rohr empor. Ich fiel auf die Knie und begann zu weinen.

Das ist das Ende meiner Geschichte.

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