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Zwangsverrentung von Langzeit- Arbeitslosen ab dem 63. Lebensjahr

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KOS-Jahrestagung 2008

Zwangsverrentung von Langzeit- Arbeitslosen ab dem 63. Lebensjahr

Infos für die Beratungspraxis

Markus Wahle, AK Erwerbslose, IG BAU Berlin

(2)

Hintergrund:

SGB II, § 2 [Grundsatz des Forderns], Abs. 1:

Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfe- bedürftigkeit ausschöpfen. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maß- nahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungs- vereinbarung abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige eine ihm ange- botene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen.

SGB II, § 12a [Vorrangige Leistungen]:

Hilfebedürftige sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung oder Be- seitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist.

Abweichend von Satz 1 sind Hilfebedürftige bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.

Gesetzesbegründung dafür:

Hilfebedürftige im Sinne des SGB II haben vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Grund- sicherung für Arbeitsuchende andere vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen (sog.

Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Diese Pflicht wird bislang bereits in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzt.

Satz 1 der Neuregelung stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass zur Inanspruchnahme einer vorrangigen Sozialleistung nur verpflichtet ist, wer dadurch die Hilfebedürftigkeit beseitigen, vermeiden, verringern oder verkürzen kann.

Satz 2 schränkt die in Satz 1 geregelte Verpflichtung für den Fall der Altersrente ein. Als vor- rangige Leistung wäre sie vorbehaltlich der in § 65 Abs. 4 geregelten Fälle grundsätzlich ab dem frühest möglichen Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, also bereits dann, wenn sie vor dem für den Versicherten maßgeblichen Rentenalter bezogen werden kann (Rente mit Abschlägen). Nach Satz 2 muss eine (vorzeitige) Altersrente frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Damit wird einheitlich für alle Hilfe- bedürftigen ein Alter festgelegt, ab dem sie eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen haben.

Davon unberührt bleibt das Recht der Hilfebedürftigen, selbst einen Rentenantrag zu stellen, damit sie nicht mehr alle Möglichkeiten nutzen müssen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die erst zu einem späteren Zeitpunkt eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können, haben bis zu diesem Alter Anspruch auf Eingliederungsleistungen sowie auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

SGB II, § 13 [Verordnungsermächtigung], Abs. 2:

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahms- weise nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.

(3)

KOS-Jahrestagung 2008 Die beschlossene Zwangsverrentung

AlG II Bezieher/innen werden seit 1.1.2008 aus- drücklich verpflichtet eine – auch mit Abschlägen verbundene – Altersrente zu beantragen, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet haben, außer

sie beziehen AlG unter „erleichterten Be- dingungen“ (sog. 58er-Regelung) und bereits seit dem 31.12.2007 auch AlG II, oder

eine solche Verpflichtung wäre „unbillig“.

(4)

Hintergrund:

SGB II, § 65 [Allgemeine Übergangsvorschriften], Abs. 4:

Abweichend von § 2 haben auch erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunter- halts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglich- keiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden. Vom 1. Januar 2008 an gilt Satz 1 nur noch, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist und der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat. § 428 des Dritten Buches gilt entsprechend.

SGB III, § 428 [Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen], Abs. 1:

Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts des Achten Abschnitts des Vierten Kapitels haben auch Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Der Anspruch besteht auch während der Zeit eines Studiums an einer Hochschule oder einer der fach- lichen Ausbildung dienenden Schule. Vom 1. Januar 2008 an gilt Satz 1 nur noch, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist und der Arbeitslose vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat.

GG, Art. 3 [Gleichheit vor dem Gesetz], Art. 1:

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(5)

KOS-Jahrestagung 2008 Ausnahme: „Altfälle“

Bereits bisher rechtlich kaum strittig:

Ausnahme für Bezieher von AlG II, die dies schon vor dem 1.1.2008 unter „erleichterten Bedingungen“ (sog. 58er-Regelung) bezogen haben

Gleichgestellt (bezüglich der Zwangsverrentung) werden:

> Bezieher von AlG II, die dies bereits vor dem 1.1.2008 unter „erleichterten Bedingungen“

(sog. 58er-Regelung) beantragen konnten, dies aber nicht getan haben.

Hinweis: Eine andere Rechtsauffassung von kommunalen

Trägern oder nicht „kooperativen JobCentern“ könnte

für Gleichgestellte eventuell problematisch werden.

(6)

Hintergrund:

Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorge- zogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - UnbilligkeitsV)

§ 1 Grundsatz

Hilfebedürftige sind nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre.

§ 2 Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld

Unbillig ist die Inanspruchnahme, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde.

§ 3 Bevorstehende abschlagsfreie Altersrente

Unbillig ist die Inanspruchnahme, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Alters- rente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können.

§ 4 Erwerbstätigkeit

Unbillig ist die Inanspruchnahme, solange Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Ein- kommen erzielen. Dies gilt nur, wenn die Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätig- keit den über-wiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nimmt.

§ 5 Bevorstehende Erwerbstätigkeit

(1) Unbillig ist die Inanspruchnahme, wenn Hilfebedürftige durch die Vorlage eines Arbeitsvertrages oder anderer ebenso verbindlicher, schriftlicher Zusagen glaubhaft machen, dass sie in nächster Zukunft eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 aufnehmen und nicht nur vorübergehend ausüben werden.

(2) Haben Hilfebedürftige bereits einmal glaubhaft gemacht, dass sie alsbald eine Er- werbstätigkeit nach Absatz 1 aufnehmen, so ist eine erneute Glaubhaftmachung aus- geschlossen.

(3) Ist bereits vor dem Zeitpunkt der geplanten Aufnahme der Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit anzunehmen, dass diese nicht zu Stande kommen wird, entfällt die Unbilligkeit.

(7)

KOS-Jahrestagung 2008 Ausnahme: „Unbilligkeit“

Die „Unbilligkeits-Verordnung“ des Bundesministerium für Arbeit und Soziales nennt vier Fallgruppen, für die zunächst keine Verpflichtung zur Beantragung einer Altersrente mit Abschlägen bestehen soll:

Alg II als „Aufstockung“ von zu geringem Alg (I), Ein bevorstehender (meint: „in nächster Zukunft“)

Anspruch auf eine abschlagfreie Altersrente,

Eine Tätigkeit mit einem Einkommen in sozialver- sicherungspflichtiger Höhe, wenn diese zumindest Halbtags ausgeübt wird,

Eine schriftliche Zusage eines Arbeitgebers für

eine nicht nur kurzfristige, sozialversicherungs-

pflichtige (mindestens Halbtags-) Arbeitsstelle.

(8)

Hintergrund:

SGB X, § 8 [Begriff des Verwaltungsverfahrens] :

Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.

Durchführungshinweis der BA zu § 5 Abs. 3 SGB II, Rdnr. 5.21 :

Der Hilfebedürftige ist schriftlich, unter Einhaltung einer Frist von höchstens 2 Wochen und mit Hinweis auf die Verpflichtung nach § 2 SGB II aufzufordern, einen Antrag bei dem vorrangigen Leistungsträger zu stellen.

SGB X, § 24 [Anhörung Beteiligter], Abs. 1 :

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

SGB X, § 41 [Heilung von Verfahrens- und Formfehlern], Abs. 1 :

Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,

2. die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird, 3. die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,

4. der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Ver- waltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,

5. die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird, 6. die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(9)

KOS-Jahrestagung 2008 Aufforderung zur Antragstellung

Die SGB II Träger („JobCenter“) werden zum Antrag auf eine vorgezogene also mit Abschlägen verbundene

Altersrente auffordern. Diese Aufforderung ist ein Verwaltungsakt mit zwei Teilbereichen:

Die eigentliche Aufforderung (mit Fristsetzung),

> Der Vorverlagerung des Ermessens zur Ausübung der gesetzlichen Prozeßstandschaft.

Dabei sind mehrere Probleme absehbar:

Die Aufforderung wird als rein vorbereitendes Handeln und nicht als Verwaltungsakt begriffen,

> Keine Anhörung vor Erlass der Aufforderung,

> Unangemessen kurze Fristsetzung.

(10)

Hintergrund:

SGB X, § 26 [Fristen und Termine], Abs. 7 :

Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 32 mit einer Neben-

bestimmung verbinden.

SGB III, § 428 [Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen], Abs. 2:

Die Agentur für Arbeit soll den Arbeitslosen, der nach Unterrichtung über die Regelung des Satzes 2 drei Monate Arbeitslosengeld nach Absatz 1 bezogen hat und in abseh- barer Zeit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente voraussichtlich erfüllt, auffordern, innerhalb eines Monats Altersrente zu beantragen; dies gilt nicht für Alters- renten, die vor dem für den Versicherten maßgebenden Rentenalter in Anspruch ge- nommen werden können. Stellt der Arbeitslose den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Tage nach Ablauf der Frist an bis zu dem Tage, an dem der Arbeitslose Altersrente beantragt.

SGB I, § 14 [Beratung] :

Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz- buch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

GG, Art. 103 [Grundrechte des Angeklagten], Abs. 1 : Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

SGB II, § 39 [Sofortige Vollziehbarkeit] :

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der

1. über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet oder 2. den Übergang eines Anspruchs bewirkt,

haben keine aufschiebende Wirkung.

(11)

KOS-Jahrestagung 2008 Erste Reaktionsmöglichkeiten

Antrag auf Verlängerung der (Verwaltungs-) Frist

Gründe: - Kürzer als vergleichbare gesetzliche Fristen - Aushebeln des Beratungs-Rechts,

- Kein Möglichkeit des rechtlichen Gehörs.

Widerspruch gegen die Aufforderung

Erste Möglichkeit die Ausübung der gesetzlichen Prozeßstandschaft zu behindern,

Aufschiebende Wirkung,

> Fristwahrender Widerspruch vor Ablauf der ur- sprünglichen Verwaltungsfrist,

> Begründung kann bis zu zwei Wochen nach Ablauf

der ursprünglichen Verwaltungsfrist nachgereicht

werden.

(12)

Hintergrund:

BSHG, § 91a [Feststellung der Sozialleistungen] :

Der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe kann die Feststellung einer Sozial- leistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Der Ablauf der Fristen, die ohne sein Verschulden verstrichen sind, wirkt nicht gegen ihn; dies gilt nicht für die Verfahrens- fristen, soweit der Träger der Sozialhilfe das Verfahren selbst betreibt.

SGB II, § 5 [Verhältnis zu anderen Leistungen], Abs. 3 :

Stellen Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die Leistungsträger nach diesem Buch den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Der Ablauf von Fristen, die ohne Verschulden der Leistungsträger nach diesem Buch verstrichen sind, wirkt nicht gegen die Leistungsträger nach diesem Buch; dies gilt nicht für Verfahrensfristen, soweit die Leistungsträger nach diesem Buch das Verfahren selbst betreiben.

SGB II, § 7 [Berechtigte], Abs. 4 :

Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder

ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder

2. wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen

Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.

(13)

KOS-Jahrestagung 2008 Juristischer Hintergrund

Der juristische Begriff der „gesetzlichen Prozeß- standschaft“ bedeutet im Wesentlichen:

> Leistungsberechtigte (hier: auf Altersrenten) bleiben zwar die Inhaber ihrer Ansprüche,

> Die Durchsetzung dieser Ansprüche geht aber auf einen Anderen (hier: den SGB II - Träger) über.

Einschränkungen des „Vorbilds“ (§ 91a BSHG) : Der Träger kann keine Status-Entscheidungen

herbeiführen,

> Die Durchsetzung einer Altersrente durch den Träger kann rechtsmissbräuchlich sein.

Unterschiedliche Ziele in BSHG und SGB II :

> Altersrente soll nicht mit weiter laufenden Sozial- leistungen verrechnet werden,

Altersrente führt zum Ausschluss von SGB II -

Leistungen !

(14)

Hintergrund:

SGB X, § 20 [Untersuchungsgrundsatz], Abs. 1 und 2 :

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

GG, Art 2 [Freiheitsrechte], Abs. 1 :

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

GG, Art 2 [Freiheitsrechte], Abs. 2 :

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(15)

KOS-Jahrestagung 2008 Begründung von Widersprüchen

Inhaltliche Begründung von möglichen Widersprüchen

> Keine Mitwirkungsaufforderung zur vorherigen Klärung aktuell bestehender Rentenansprüche,

> Unterlassene Anhörung vor der Aufforderung, Fehlende Prüfung aktuell bestehender Renten-

ansprüche durch die Verwaltung vor Aufforderung,

> Keine Prüfung auf „Unbilligkeit“ nachvollziehbar, Vorwegnahme der Status-Entscheidung zwischen

Rentner/in oder Arbeitssuchend,

Diese Status-Entscheidung greift in die allgemeine (zutiefst persönliche) Handlungsfreiheit ein,

> Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs.

(16)

Hintergrund:

Durchführungshinweis der BA zu § 5 Abs. 3 SGB II, Rdnr. 5.24 :

Stellt der Hilfebedürftige den Antrag auf vorrangige Leistungen nicht bzw. ist ein solches Unterlassen aufgrund der bisherigen Erfahrungen zu erwarten oder sind Ausschluss-/Erlöschensfristen zu verhindern, ist der Antrag vom Träger zu stellen; die Antragstellung kann formlos erfolgen.

(17)

KOS-Jahrestagung 2008 Die Behörde als Prozeßstandschafter

Beginn der gesetzlichen Prozeßstandschaft:

> SGB II - Träger stellt formlosen Rentenantrag beim RV-Träger

> RV - Träger verschickt Antragsformulare an

„Zwangszuverrentende/n“ und setzt Frist zur Rücksendung

Rücknahme des Rentenantrags des SGB II - Trägers beim RV - Träger beantragen

Einstweilige Anordnung gegen den SGB II - Träger beim SG beantragen

Gründe: keine Handlungsgrundlage des SGB II - Trägers, da Widerspruch / gerichtliches Verfahren aufschiebende Wirkung

haben.

(18)

Hintergrund:

Durchführungshinweis der BA zu § 5 Abs. 3 SGB II, Rdnr. 5.25 :

Die Mitwirkungspflichten (z. B. formeller Antrag, Beibringung von Unterlagen) des Hilfebedürftigen gegenüber dem vorrangigen Leistungsträger sind zu über- wachen. Dazu ist ein ständiger Kontakt sowohl mit dem Hilfebedürftigen als auch mit dem vorrangigen Träger erforderlich. Fehlende Mitwirkung gegenüber dem vorrangigen Träger wirken nicht gegenüber der ARGE/dem GT; eine Ver- sagung von Leistungen nach dem SGB II nach § 66 SGB I ist daher nicht

möglich. Die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II ist gemäß § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 2 SGB II aufzuheben, da der Hilfebedürftige nicht alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpft. Wegen der Bedarfsdeckungsfunktion der SGB II-Leistungen besteht die Möglichkeit, Leistungen in Form von Lebensmittelgutscheinen oder als Darlehen auszuzahlen.

SGB II, § 31 [Absenkung und Wegfall ...], Abs. 1 :

Das Arbeitslosengeld II wird unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maß-

gebenden Regelleistung abgesenkt, wenn

1. der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, a) eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen,

b) in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,

c) eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen, oder

d) zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 auszuführen,

2. der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumut- bare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat.

Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.

(19)

KOS-Jahrestagung 2008 Zwangsverrentung als „Papiertiger“ ?

Der SGB II - Träger hat keine finanziellen Sanktions- möglichkeiten bei mangelnder Mithilfe

> Die Gründe in § 31 & § 32 SGB II sind abschließend

> Mitwirkungspflichten nur gegenüber dem RV-Träger

> Nicht-gezahlte Rente ist kein „fiktives Einkommen“

Aber: Es gibt kein „Zurück“ aus der Altersrente !!!

Es gibt keinen Rentenantrag „unter Vorbehalt“

Ergehen im Rahmen einer unbestrittenen gesetzlichen Prozeßstandschaft Renten-

bescheide (auch solche aufgrund fehlerhafter Angaben der SGB II - Trägers), dann sind

diese nur noch der Höhe nach (aber nicht

mehr wegen der ab dem Datum der Antrag-

stellung berechneten Abschläge) angreifbar.

(20)

Hintergrund:

Bezüglich der Arbeit wird diese Verordnung zu grotesken Ergebnissen führen:

Beispiel 1: Eine Arbeit von 20 Std. je Woche bei einem Lohn von 4,62 € je Std.

(monatlich 401,02 € Brutto) ist sozialversicherungspflichtig (sog. Midi-Job in der „Gleitzone“) und da sie Halbtags ausgeführt wird, auch als „Härtefall“

anzusehen.

Beispiel 2: Eine Arbeit von 15 Std. je Woche bei einem Lohn von 14,34 € je Std.

(Durchschnittsstundenlohn der Rentenbeitragszahler 2006; monatlich 933,53 € Brutto) ist sozialversicherungspflichtig (und in der Lohnsteuer- klasse 1 auch steuerpflichtig). Da sie aber nicht Halbtags ausgeführt wird, wäre dies nach der Verordnung nicht als „Härtefall“ anzusehen.

(21)

KOS-Jahrestagung 2008 Engstirnige „Unbilligkeit“

Die „Unbilligkeitsverordnung“ enthält teilweise un- sinnige Regelungen:

> Die Frist von lediglich 3 Monaten bis zu einer ab- schlagfreien Rente ist zu kurz bemessen.

Mini-Jobs über dem Regelsatz (347 € je Monat) er- fordern nur wegen des weiterhin unzureichenden Wohngelds SGB II - Leistungen.

Obwohl befristete Einstellungen inzwischen eher die Regel sind, schützen wiederholte Einstellungs- zusagen nicht vor der Zwangsverrentung.

Die Forderung von de facto mindestens Halbtags-

Jobs „schützt“ Beschäftigte mit Hungerlöhnen und

benachteiligt anständig entlohnte Teilzeitarbeit mit

weniger als der Hälfte der regulären Arbeitszeit.

(22)

KOS-Jahrestagung 2008 Ungeklärte Härtefälle

Nicht „unbillige“ Härtefälle nach der Verordnung sind :

> Der Verlust des Anspruchs auf andere (beitrags- finanzierte) Sozial-Leistungen, auf die Altersrentner keinen Anspruch mehr haben (wie z.B.: Reha, Über- gangsgeld, Krankengeld,...)

> Der Bezug des befristeten (Armutsgewöhnungs-) Zuschlags, einer Nachfolge-Leistung des voran- gegangenen Alg (I) Bezugs.

> Der Bezug von Einkommen aus häuslicher Pflege- tätigkeit (im SGB II eigentlich ein „privilegiertes Einkommen“).

> Vorgezogene Altersrenten, die allein wegen der damit verbundenen Abschläge nicht einmal die Höhe der Grundsicherung im Alter erreichen.

> Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, deren Einkommen ausreicht um ihren eigenen Bedarf zu decken.

> Fälle, in denen erst der Alg II - Bezug mit seinen

minimalen Rentenbeiträgen dazu führt, dass über-

haupt eine vorgezogene Altersrente in Anspruch

genommen werden kann.

(23)

KOS-Jahrestagung 2008 Worauf es zukünftig ankommt

Die Zwangsverrentung wird ein dauerhaftes Problem;

daher wird die Kontinuität entscheidend werden.

Vorschläge:

Möglichkeiten der Erwerbslosen-Inis:

> Allgemeine Information und politische Bildung Möglichkeiten der gegenwärtigen Beratung:

Konkrete Vorab-Informationen für alle von Zwangsverrentung bedrohten

Möglichkeiten der KOS:

> Informations-Material, evtl. Schulung der Berater

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