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Halbgott in Weiß

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Academic year: 2022

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E

r kommt aus armen Verhältnissen, wächst nach dem Tod seines Vaters beim Großva- ter auf, der Schuhmacher ist.

Mutter und Schwester ermögli- chen dem begabten Jungen ein Medizinstudium, das er in Mar- burg, Jena und Göttingen ab- solviert und mit der Promotion 1902 abschließt. Anschließend arbeitet er als Volontärarzt an der Chirurgischen Universität Breslau.

Medizinischer Überflieger Er lernt viel und er lernt schnell in dieser Zeit. Innerhalb eines Jahres wechselt er gleich dreimal das Krankenhaus. 1905, drei Jahre nach der Promotion, wird er als Chirurg habilitiert – und lernt seine zukünftige Frau ken- nen. Adeline Schulz ist Tochter eines Greifswalder Geheimrates, arbeitet bereits wissenschaftlich mit dem Vater und wird später Sauerbruchs erste eigene Privat- klinik managen. Sie schenkt ihm vier Kinder.

Bereits 1904 stellt Sauerbruch eine bahnbrechende Neuerung in der Welt der Medizin vor:

Das von ihm entwickelte Druckdifferenzverfahren er- möglicht es erstmals, Patienten am offenen Brustkorb zu ope- rieren. Da es ihm in der Kam- mer gelingt, einen Druckaus- gleich herzustellen, fallen die Lungen nicht mehr in sich zu-

sammen – was bisher immer den sicheren Tod des Patienten bedeutet hatte. Die so genannte

„Sauerbruch-Kammer“ wird zum Vorläufer der Eisernen Lunge.

Zwischen Genie und Pri- madonna Stationen seines Berufslebens sind Marburg, Berlin, München und Zürich.

Einmal hat er gleich zwei Stel- len inne: Da nicht so schnell ein Nachfolger gefunden wer- den konnte, arbeitet er drei Tage die Woche als Univer- sitätsprofessor und Chirurg in München und vier in Ber- lin – ein schier unendliches Pensum. In einer Zeit, in der Ärzte noch als „Halbgötter in Weiß“ angesehen wurden, be- zaubert er die Menschen durch sein charismatisches Wesen.

Mitmenschen bescheinigen ihm ein hohes Ethos, der Kol- lege Paul Rosenstein lobt sei- nen „Charakter und Courage“

und eine ehemalige Mitarbeite- rin erinnert sich, dass er seine gesamte Umgebung in einen

„elektrischen Zustand erhöh- ter Aufmerksamkeit“ versetzte.

Gleichwohl sagt man dem be- rühmten Chirurgen bisweilen auch das Verhalten einer Pri- madonna nach – mit dem Hang zu theatralischen Gefühlsaus- brüchen. Manchmal verkennt er sogar andere medizinische Genies. Werner Forßmanns

PRAXIS WELCH EIN NAME

wiki / 1932 Liebermann: Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch

Halbgott in Weiß

Ferdinand Sauerbruch war ein berühmter Chirurg, der aufgrund seiner

Leistungen die moderne Medizin in großen Schritten voranbrachte. Doch auch wegen seiner Nähe zum NS-Regime bleibt er bis heute umstritten.

DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2017 | www.diepta.de

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2017 | www.diepta.de

Installation des ersten Herzka- theters bezeichnet er als „Zir- kusnummer“ (sein ehemaliger Mitarbeiter bekam dafür spä- ter den Medizin-Nobelpreis) und Gerhard Domagk, Erfin- der der Sulfonamid-Therapie, war für ihn ein „Trottel“.

Sauerbruch konstruiert eine neuartige bewegliche Unter- arm-Prothese, die vor allem den Kriegsversehrten hilft.

Dabei werden über eine Ver- bindung durch den Oberarm die Bewegungsreflexe genutzt.

Er ersinnt außerdem die so genannte „Umkipp-Plastik“:

Nach Entfernung eines kran- ken oder zerstörten Oberschen- kelknochens wird der Unter- schenkel in die Hüftpfanne eingesetzt. Zu Sauerbruchs un-

bestreitbaren medizinischen Leistungen gehört die erste er- folgreiche Operation eines Herz-Aneurysmas sowie die eines „Kalk-Herzens“, indem er den Kalkmantel herausnahm und dem Herz wieder Beweg- lichkeit ermöglicht.

Forschung und Veröffentli- chungen Sauerbruch vergisst nie, wo er hergekommen ist: Er operiert die Prominenten seiner Zeit genauso wie die Mittello- sen. Im ersten Weltkrieg meldet er sich freiwillig, wird aber schon ein Jahr später beurlaubt:

1915 widmet er sich in Zürich wieder der Prothesen-For- schung, später dann in Marburg

den Möglichkeiten der Organ- transplantation.

In der Zeit zwischen den Welt- kriegen forscht und operiert Sauerbruch unermüdlich wei- ter, er schreibt diverse Fach- bücher, die große Beachtung finden. 1933 beginnt die schwie- rige Beziehung des Professors zum Nationalsozialismus. Im

Rückblick ist es wohl ein „Ja- Aber“: Einerseits wird er von den Nazis zum Staatsrat er- nannt; er verantwortet als Mit- glied des Reichsforschungsrates die Menschenversuche in den Konzentrationslagern mit - an- dererseits bezeichnet er Hitler öffentlich als „verrücktesten Kriminellen der Welt“. Der Professor nimmt auch den von Hitler gestifteten Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft entgegen. Einer von Sauerbruchs engsten Freunden ist der jüdische Maler Max Liebermann, der Medizi- ner lässt den Kontakt nie abrei- ßen. Beide verbindet die Liebe zu Pferden, sie sind passionierte

Reiter und reiten oftmals zu- sammen aus. Liebermann hat 1932 das berühmte Porträt von Sauerbruch im weißen Kittel gemalt; es hängt heute in der Hamburger Kunsthalle. Doch so sehr Sauerbruch sich auch manches Mal vom NS-Regime distanziert, er blieb doch stets verfügbar.

Die Demenz beginnt Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt der tragische Niedergang des berühmten Arztes. Sauerbruch leidet an Zerebralsklerose;

seine geistigen Fähigkeiten las- sen nach. Zunächst wagt kei- ner, ihn darauf anzusprechen.

Der Arzt ist so prominent, dass seine offensichtlichen Fehler noch keine Konsequenzen haben. Er selbst bemerkt seinen Verfall nicht. Als er bei einer Operation Magen und Darm nicht verbindet, sondern ein- zeln zunäht, wird er vor die Wahl gestellt: Entweder er zieht sich zurück oder er wird ent- lassen. Sauerbruch wählt die Emeritierung, operiert jedoch

in angemieteten Privaträumen heimlich weiter.

Er diktiert einem Journalisten seine Autobiographie „So war mein Leben“, die später mit Ewald Balser verfilmt wird. Der Film wie auch das Buch haben ein Millionenpublikum und prägen das Bild vom stets selbstlosen, genialen Arzt ohne politische Verstrickungen. Sau- erbruch, der 1939 nach der Scheidung von seiner ersten Frau noch einmal geheiratet hat, verarmt zusehends, hat er doch stets einen aufwendigen Lebensstil gepflegt und zudem seine erste Familie großzügig unterstützt. Er operiert trotz fortschreitender Demenz immer weiter, auch als die Be- hörden dahinterkommen und

es ihm untersagen. „Diese Schafsköpfe“, soll er gesagt und weitergemacht haben. Erst ein Schlaganfall kurz vor seinem Tod nimmt ihm das Skalpell aus der Hand. ■

Alexandra Regner, PTA/Redaktion ERNST FERDINAND SAUERBRUCH

… wurde am 3. Juli 1875 in Barmen bei Wuppertal geboren. Er erfand das Druckdifferenzverfahren, das Operationen am offenen Brustkorb ermöglichte. Auch von ihm konstruierte spezielle Prothesen für Kriegsver- sehrte waren zu seiner Zeit bahnbrechend neu. Sauer- bruch wurde sechzigmal für den Medizin-Nobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn aber nie. Der berühmte Arzt starb krank und verarmt am 2. Juli 1851 in Berlin.

Ferdinand Sauerbruchs zweite Ehefrau Dr. Margot Grossmann war eine Kollegin.

In ihrem Geburtsort Großröhrsdorf in der Lausitz

wurde später eine Schule nach ihm benannt.

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