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Kmosko sah im Liber Graduum

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Von Peter Bäss, Zorge/Südharz

Göttmger Arbeitskreis für syrische Kirchengeschichte

Michael Kmosko entdeckte 1901 in emer HS des Britischen Museums

das Buch der Stufen. 25 Jahre später lag seine wissenschafthche Edition

vor. Kmosko sah im Liber Graduum (= LG) einen Wegbereiter des Messah-

anismus das Wort ergreifen. Von diesem Ansatz ausgehend interpretierten

Hausheee, Rothenhäüslee, Lietzmann und andere den Liber Graduum

noch schärfer : endhch glaubte man, außer dem bisher einzigen messahani-

schen Quellenmaterial erster Ordnung, den 50 geisthchen Homilien des Ma¬

karios, eine zweite Quellenschrift des Messahanismus in der Hand zu haben*.

Zwar hielten die emen den LG für gemäßigt (Rothenhäusler, Kemmer),

die anderen im radikal messahanisch (Lietzmann), aber in der grundsätz¬

hchen Zusthnmung zu Kmoskos Interpretationsansatz für den LG war man

sich m.W. einig.

Seit etwa 1950 nhnmt A. Vööbus diese Forschungsmeinung nicht mehr

ernst". Nach seinem Urteil hegt die kirchengeschichthche Bedeutung des

* Textausgabe: Liber Graduum (ed. M. Kmosko 1926), Patrologia Syriaca I.

tom. III, Paris 1926.

Literatur :

A. M. BuBO, Messahanische Schriften imd Lehren um das Jahr 400, Diss,.

Freiburg i. Br. 1943. - H. Dörbies, Symeon von Mesopotamien. Die Über¬

heferung der messalianischen „Makarios"-Schriften, Leipzig 1941 (= Texte

imd Untersuchungen, Bd. 55/H. 1). - Debs., Wort und Stunde I, Göttingen

1966. - S. Fbank, Angelikos Bios, Münster i. W. 1964 (= Beitr. z. Gesch. d.

alten Mönchtums u. d. Benediktinerordens, H. 26). - I. Haushebb, L'erreur

fondamentale et la logique du messalianisme, Orientaha Christiana Periodica

I (1935) 328 ff. - Debs., Quanam aetate prodierit Liber Graduum, Ebenda

496 ff. - A. Kemmeb, Charisma maximum. Eine Untersuchung zu Cassians

Vollkommenheitslehre und seiner SteUung zum Messahanismus, Eüisiedeln

1938. - H. Lietzmann, Geschichte der Alten Kü-che IV : Die Zeit der Kächen- väter, 2. Aufl. Berlin 1953. - M. Rothbnhäusleb, Zur asketischen Lehrschrift

des Diadochos von Photike, Heihge Überlieferung. Herwegen-Festschr. 1938.

* A. Vööbus, Liber Graduum. Some Aspects of its Significance . . ., Charisteria

Johanni Köpp. (= Papers of the Estonian Theological Society in Exile VII),

Holmiae 1954. - Debs., History of Asceticism m the Syrian Orient. Vol. I, The

Origin of Asceticism. Early Monasticism in Persia. (= CSCO 184, Subs. 14),

Louvaui 1958. - Debs., History of Asceticism in the Syrian Orient. Vol. II (=

CSCO 197, Subs. 17 Louvain 1960.

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Der Liber Graduum - Ein messalianisches Buch ? 369

LG woanders : das hier seine Stimme erhebende Mönchtum sei nicht messa¬

hanisch, viehnehr vertrete es gegen von Westen her eindringende Neuerun¬

gen die alten Überlieferungen des bodenständigen mesopotamischen Mönch¬

tums^. Sowohl Vööbus als auch Kmosko erfahren heute Zustimmung und

Ablehnung; welche der beiden Interpretationsmöghchkeiten die sachgemä¬

ßere ist, steht noch nicht fest*.

Für die Messahanerthese (Kmosko) spricht, daß sich tatsächhch verblüf¬

fende Beziehungen zwischen dem seit Ende des IV. Jh.s auf mehreren

Synoden verurteilten Messahanismus und dem Buch der Stufen auffinden

lassen. Unter diesem Gesichtspunkt soU die in diesem Buch tonangebende

Gruppe der ,, Vollkommenen" jetzt einmal näher in Augenschein genommen

werden.

Sie sind ehelos, besitzlos, geben keine Almosen, nehmen auch nichts zur

Verteilung an Bedürftige entgegen, sie ziehen ohne festen Wohnsitz als

Seelsorger und Prediger im Lande umher. Ihr Denken weilt - behaupten

sie - unabgelenkt beim Herrn im Himmel. Sie leben selbst unter den er¬

schwerten Bedingungen dieses Lebens schon wie die Engel. So verzichten

sie beispielsweise auf jede medizinische Hilfe, denn ihr Arzt sei der Herr.

Sie arbeiten nicht; denn sie wollen sich von aUer irdischen Sorge freihalten.

Sie meiden nicht strikt den Umgang mit dem anderen Geschlecht : sie spre¬

chen (als Prediger und Seelsorger) mit jedem Menschen, auch mit Frauen.

Sie behaupten, aufgrund ihrer asketischen Mühen würden sie von Gott mit

dem Parakletgeist beschenkt und instandgesetzt, die Wurzel der Sünde zu

töten. Sie wollen nichts weiter als das von Jesus und den Aposteln Gebotene in der imitatio Christi verwirkhchen. Zweifellos verstehen sie sich als Pneu¬

matiker. Sie behaupten, sie würden den Siim der Heihgen Schrift erfassen.

Daraus leiten sie den Anspruch her, andere Menschen in der von ihnen er¬

kannten Wahrheit zu unterweisen, ja selbst die Leitung der Kirche zu über¬

nehmen. Eines ihrer Hauptanliegen ist, daß niemand sage ,, Heide" oder

„Unreiner"*. Wie sie sich unter Berufung auf den Geistbesitz der knchhchen

Lehraufsicht entziehen, so halten sie sich auch nicht an die dmch Kirchen¬

zucht gezogenen Grenzen : sie halten Gemeinschaft mit Exkommunizierten ;

dem Vollkommenen könne das nicht schaden, dem Sünder nur nützen. Sie

fordern von der hierarchisch etabherten Kirche die äußerste Zurückhaltung

in bezug auf disziplinarische Maßnahmen. Mit der VoUkommenheit sind

das Zurechtweisen und Richten gar nicht vereinbar, mit der dieser nachge-

' Vööbus, Liber Graduum, p. 126. Hist. Asc. I, p. 181-194.

* Für Kmosko tritt ein : G. Quispel. Makarius, das Thomasevangelium und

das Lied von der Perle. (= Supplements to Nov. Test., vol. XV), Leiden 1967.

Für Vööbus tritt ein: A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas. Ebenda vol. V. Leiden 1962.

» LG/Ool. 40, 3f. Sermo II, vii.

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ordneten Gerechtigkeit nur in gewissen von den Pneumatikern festgestell¬

ten Grenzen. Gewiß müssen Lehre und Irrlehre in der Kirche geschieden

werden, gewiß dürfe allein die Wahrheit in ihr gelten; aber im Kampf dafür

sei keine andere Waffe als das Wort erlaubt, was darüber ist, das sei vom

Bösen. Im übrigen achten die Vollkommenen aber durchaus die Kirche

mit ihren Klerikern und Sakramenten als eine Stiftung des Herrn. Nur wer

der sichtbaren Kirche durch die Taufe angehört und ihre Liturgie als apo-

stohsch und wahr anerkennt, kann zur ,, Kirche der Höhe" gelangen und

sich dort vollkommener Seligkeit erfreuen.

Trotz vieler Parallelen zum Messahanismus fragt sich aber, ob man gut

damit beraten ist, nun mit Kmosko zu folgern, der LG sei ein den Messa¬

hanismus prägendes bzw. messahanisches Buch. Bei Clemens Alexandrinus,

in den Apophthegmen, bei Theodoret, Basihus, Afrahat, Philoxenos, in

syrischen Märtyrerakten, in den Thomasakten, den Pseudoklementinen,

aber auch bei Ephraem findet man für jedes der so messahanisch scheinen¬

den Merkmale der Vollkommenen eine hinreichende Zahl von Belegstellen,

so daß die Messahanerthese fraglich wird. Was aber im LG nicht durch

christhche Tradition gedeckt ist, hat vielleicht mehr manichäische als mes-

salianische Entsprechungen*.

Clemens erklärt Strom. IV,III,9', der Mensch gleiche einem Zentauros,

der aus Leib und Seele wie aus einem ,, unlogischen" und einem ,, logischen"

Teil zusammengesetzt sei; der Leib bearbeite die Erde und werde wieder zu

Erde, die Seele aber strecke sich nach Gott aus - natürhch nm sofern sie er¬

zogen werde Sia (fCkoaotfioLc; -rij? ä.'kfßo~j<; und abgelegt habe die Begierden

des Leibes und dazu Arbeit und Fmcht (ttovou xal <p6ßou). Aus solchen Ge¬

danken können strenge, einseitige Mönche ein Verwerfungsurteil gegen die

Handarbeit ableiten. Dafür, daß das geschehen ist, legen mindestens zwei

Apophthegmen Zeugnis ab*. Die Wüstenväter Ägyptens sind nicht bei die¬

sem Urteil stehen geblieben, sondern haben schheßhch die Arbeit bejaht.

Aber sie war ihnen eine Zeitlang im Vollzug ihres asketischen Lebens pro¬

blematisch. Basihus wendet sich reg. fus. 37,2" gegen einige, die unter dem

Vorwand, sie müßten allezeit beten, nicht arbeiten ; Messahaner kommen für

jene ,, einige" wohl kaum in Frage. Epiphanios weiß von orthodoxen Mön¬

chen zu berichten, die sich aufgrund von Joh 6,27 zu demselben drohnen-

haften Verhalten haben verführen lassen*". Für die Zeit und die Heimat des

LG ist sicherlich mit der Anwesenheit und Wirksamkeit von Manichäern zu

' Die Zusammenstellung und kritische Sichtung des Materials ist Sache einer eigenen Untersuchung, die hoffenthch bald veröffenthcht werden kann.

' Stählin II, 252, 9 f¥.

« PG 65, col. 76 A/B und 204 D/205A.

ä PG 31, col. 1012 C.

1» Panarion 80,4,1 (HoU III - GCS 37 - p. 488, 12 ff.).

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Der Liber Graduum - Ein messalianisches Buch ? 371

rechnen. In ihrem Urteil über die Arbeit unterscheiden sich die Vollkomme¬

nen des LG und die manichäischen electi jedenfalls nicht viel**. Das Nein

zur Arbeit ist kein eindeutig messahanisches Kennzeichen.

Auch das Umherziehen ist nicht typisch messahanisch. Die doctrina

Addai, die Pseudoklementinen, die Acta Thomae sowie Ephraem fassen

ähnlich dem LG den Christenstand als peregrinatio auf. Theodoret von Kyros

schreibt in der h. r. über Makedonios, daß er seinen Kampfplatz und seine

Rennbahn auf den Gipfeln der Berge hatte, sich aber an keinem Orte fest

niederließ*^.

Von Polychronios berichtet Theodoret, daß er nicht einmal zur Vertei¬

lung an Bedürftige reiche Spenden entgegengenommen habe. Wie bei den

Messalianern wird hier also das Almosengeben nicht geübt, und wie bei den

Vollkommenen des LG wird das Armutsprinzip so weit durchgehalten, daß

nicht einmal die Absicht, Almosen zu verteilen, auch nur die geringste

Güteransammlung rechtfertigt**. Ähnhch radikal verwirft Diadochos von

Photike jeglichen Besitz**.

Für eine Reihe der von Theodoret beschriebenen Asketen in und um Meso¬

potamien ist das immerwährende Beten und die Betrachtung Gottes ebenso

charakteristisch wie für die Vollkommenen des LG die geistige Gemeinschaft mit dem Herrn**.

An Limnaios und an Symeon Styhtes bewundert Theodoret, daß sie in

Krankheit weder Arzt noch Medizin zu Hilfe nahmen, sondern die Heilung

ganz dem Herrn anvertrauten**.

Der Bischof von Kyros wird wohl nur das an seinen Helden für denkwür¬

dig und nachahmenswert erachtet haben, was mit der kirchlichen Auffas¬

sung vom Mönchtum vereinbar war. Wenn nun viele von ihnen Züge tragen,

die an die Vollkommenen des LG oder an die Messahaner erinnern, so zeigt

das nur, wie wenig jene Merkmale als sektiererische Absonderhchkeiten

empfunden wurden.

Als Argument für den Messahanismus des LG versucht man verschie¬

dentlich die Verwandtschaft dieses Werkes mit den Homihen des Makarios

bzw. der schrifthchen Hinterlassenschaft des Sjmieon von Mesopotamien

ins Feld zu führen*'. L. Villecoukt imd vor allem H. Döebies ist der Nach-

** Cf. Augustüius. De baer. 46 (PL 42, col. 37).

*2 PG 82, col. 1400 D. Als Motiv für das Wandern des Makedonios gibt Theo¬

doret an, daß er die Menge nicht bei sich haben wollte.

*ä PG 82, col. 1464 A.

** Cap. Gnost. 65 und 66. Sources Chretiennes 5, p. 125 ff.

*^ Theodoret hebt besonders folgende Asketen hervor: Eusebios (PG 82,

1425 D), Zebinas (1457B/C), Polychronios (1460 A, ün Spiegel emes Schülers

des P.) und Symeon Stylites (1472 B).

*« PG 82, 1453 D - 1456 A; 1468 D.

*' Vor allem die 50 geisthohen Homilien des Makarios. Jetzt hrsg. u. erl. von

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weis gelungen, daß Makarios-Symeon und die Messalianer zusammengehö¬

ren. JedenfaUs ist das 431 in Ephesus verdammte Asketikon dieser Sekte

aus pseudo-makarianischen, d. h. symeonischen Stücken kompihert. Nun

wird behauptet, der Spirituahsmus, der Bibeltext, die Schriftinterpretation

des LG und Makarios-Symeon seien so eng verwandt, daß man sich die bei¬

den nicht unabhängig voneinander denken könne.

Doch sind folgende Einwände gegen die Messahanerthese zu erheben:

Im ganzen Stufenbuch findet sich kein einziges Zitat aus Makarios-Symeon.

Hier liegen die Dinge also sehr anders als etwa bei den Beziehungen zwischen

Symeon und Markos Eremita oder Diadochos von Photike**. Es kommt hin¬

zu, daß sich der LG und Symeon in wichtigen Punkten mit unvereinbaren

Standpunkten fremd gegenüberstehen: der LG verteidigt die in seinem

Leserkreis traditionelle Überordnung der Vollkommenen über die Gerech¬

ten. Symeon dagegen hat noch nie einen VoUkommenen gesehen. Im Gegen¬

satz zum LG macht Symeon die Handarbeit aUen seinen Mönchen zur Pflicht.

Hinzuzufügen wäre, daß keine der für Symeon wichtigen Bibelstellen im

LG eine vergleichbare Rolle spielt. Beispielsweise wird von Symeon Lk

16,10 als Argument für den Arzneiverzicht benutzt*". Zwar tritt auch der

LG dafür ein, daß die Vollkommenen ohne Arzt und Medizin auskommen,

aber er nimmt auf diese BibelsteUe nur in ganz anderem Zusammenhang

Bezug : sie dient im LG als Beleg dafür, daß es im Himmel und in der HöUe

H. DÖBBIES, E. Klostebmann + und M. Keögeb. (= Patrist. Texte u. Stu¬

dien 4), Berlin 1964. Hinzuzunehmen sind: Neue Homilien des Makarius/

Symeon I, ed. E. Klostebmann und H. Bebthold, (= Texte u. Unters. 72),

Berlin 1962. - Der „Große Brief" in: W. Jaegeb, Two rediscovered Works of

Ancient Christian Literatme: Gregory of Nyssa and Macarius, Leiden 1954. -

Macarii Anecdota. Seven unpubhshed Homilies of Macarius, ed. G. L. Mabiott,

Cambridge 1918 (= Harvard Theological Studies 5).

Über den Stand der wissenschaftlichen Arbeit an den Makarios-Homilien in¬

formiert H. Döbbies, Symeon von Mesopotamien, S. 1 ff. (bis z. Jahre 1941).

Einen Rekonstruktionsversuch des messalianischen Asketikons hat H. Döbbies

a. a. O. S. 121-143 vorgelegt. - G. Quispel geht von der Voraussetzimg aus, daß

der LG messahanisch sei und meint damit sogar beweisen zu können, daß

„Makar" zum Messahanismus Verbindungen hatte (a. a. O. S. 3).

*' O. Hesse hat entdeckt, daß Markos Eremita ,Schrifttum des Messalianer-

führers Symeon' „zumindest stückweise" kannte (siebe den Bericht vom 16.

Deutschen Orientalistentag in Heidelberg über Hesses Referat „Markus Ere¬

mita und das Werk des Messalianerführers Symeon" in: Oriens Christianus 50 (1966) 137).

Die Beziehungen zwischen Diadochos und Symeon hat H. Döbbies analysiert

in: Wort und Stunde I, S. 352-422.

*» Die Abhängigkeit des Markos Eremita von Symeon kann - wie O. Hesse

a. a. O. gezeigt hat - an der Zitationsweise dieses Herrenwortes abgelesen wer¬

den: beide Autoren verwenden das Wort äma-ro? für äSixoi;. Der LG bietet

uns dagegen das reguläre 'wl (= dtSixo;).

(6)

Der Liber Graduum - Ein messalianisches Buch 7 373

verschiedene Stufen der Belohnungen bzw. der Strafen gibt. Symeonische

GrundsteUen wie Lk 18,1-7 oder Joh 1,5 sind für den LG bedeutungslos

oder kommen überhaupt nicht vor. Umgekehrt fehlt in den bisher edierten

Schriften Makarios-Symeons eine Bezugnahme auf für den LG so wichtige

Stellen wie Act 6,4 oder 1 Kor 5,9.

Kürzhch haben G. Quispel*" und A. Baker** unabhängig voneinander

bemerkt, daß der LG das Thomasevangehum zitiert. Die Tatsache, daß auch

bei Symeon ThEv-Zitate nachgewiesen werden können, dient Quispel als

Argument dafür, daß der LG messahanisch sei (das ThEv sei von den Messa¬

lianern bevorzugt worden). Aber gerade die Anwendung der Zitate zeigt

wieder, welch ein Abgrund zwischen dem LG und Makarios-Symeon klafft.

Z. B. wird ThEv Log. 75 - kombiniert mit Lk 14,25-27 - von beiden zi¬

tiert**. Nach Quispel zieht Symeon aus dieser Stelle dieselbe „enkratitische"

Konsequenz wie der LG, nämhch, daß nur die Unverheirateten sehg werden

können. Diese Interpretation mag für Symeon zutreffen. Für den LG trifft

sie nicht zu. Der LG sagt auch von den Verheirateten, daß sie sehg werden

können, auch wenn sie einen geringeren Grad der Sehgkeit zu erwarten

haben**.

Wenn man die bei Kmosko abgedruckten Quellentexte zur Geschichte

des Messahanismus mit dem LG vergleicht, findet man wieder keine Be¬

rührungspunkte des Stufenbuchs mit der Sekte**. Die kirchlichen Bestrei¬

ter haben den Messalianern vorgeworfen, sie verachteten die Kirche und

die Sakramente. Der LG aber spricht von der katholischen Kirche als von

der Mutter aUer Getauften, der Lehrerin der Wahrheit, als von der Erziehe¬

rin imd Führerin zur himmhschen Kirche der Höhe. Ein messahanischer

Autor würde doch wohl seine Indifferenz oder Verachtung gegen die Kirche

in andere Worte kleiden**. Sehr zurückhaltend spricht der LG von Visionen.

Visionen der Trinität oder des ankommenden Hl. Geistes sind ihm völhg

unbekannt. Ledighch heißt es, daß die Vollkommenen den Herrn bei Leb¬

zeiten im Herzen wie in einem Spiegel, nach dem Tode von Angesicht zu

Angesicht sehen**. Von in Träumen ergehenden Offenbarungen weiß der

LG nichts. Keine Spur fiadet sich von den apotropäischen Gesten und volks-

"> S. o. Anm. 4.

" A. Bakeb. The ,Gospel of Thomas' and the Syriac ,Liber Graduum'. In:

New Test. Studies 12 (Oct. 1965) 49-55.

" Makarios-Symeon Hom. 45,1 und LG II, iv, 2 sowie XIX, 14.

*' Vgl. auch LG XX, 6 und 14. Gegen Quispel a. a. O. S. 27 und 31.

" Gegen Kmoskos Tabelle, Praefatio der LG-Ausgabe p. CXL, ist emzuwen-

den, daß die LG-Kernsätze nioht durch den LG-Text selbst gedeckt sind.

** Gegen Kmosko p. cxhii.

Das ist gegen Kmoskos Inhaltsangabe von Sermo vi und xx (p. xvi und

xviü) emzuwenden. Vgl. LG col. 36, 19-22 Serm. II, v.4; 72,4-6 in, 12; 296,4-8 xii, 4; 328,16 xvi, 2; 413,2-4 xvi, 12; 440,6-9 xviii, 3; 801,22-24 xxviii, 11.

(7)

tümlichen Praktiken der Messahaner, ihrer Dämonenangst Herr zu werden.

Das Gebet aber, von dem sie ihren Namen haben, spielt im LG fast nur als

offizieUe Pfiicht (Stationen für die Gerechten) oder als Fürbitte für den

Feind (Verfolger) eme RoUe*'.

Zum Schluß noch ein Wort über die hn LG vorausgesetzte Verfolgungs¬

situation: die Vollkommenen werden augenscheinlich von seiten einer mit

dem römischen Staat verbündeten kirchhchen Macht verfolgt. Man kann

aus dem Text des LG erkennen, welcher Art das Interesse der Verfolger war :

auch in den östhchen Provinzen des römischen Reiches sollten die Mönche

in Klöstern der stabUitas loci und der oboedientia gegen einen Abt bzw.

eme Klosterregel unterhegen; sie soUten an Fremden, Armen, Kranken

Fürsorge üben, ihnen Almosen geben, sie sollten Hospize errichten, Gärten

anlegen und bebauen. Dergleichen Neuerungen wiesen die VoUkommenen

des LG als teufhsche Verführung weit von sich. Sie sahen dadurch das Fun¬

dament ihres monastischen Lebens, die imitatio Christi verneint**.

Dieses Ideal mit dem Messahanismus zu identifizieren, die VoUkommenen

des LG für MessaUaner auszugeben und den LG als messalianische Quellen¬

schrift zu interpretieren, scheint eine unzureichende Auskunft zu sein. Denn

dann ließe sich wohl kaum noch ein Unterschied zwischen den Bräuchen und

Überzeugungen der mesopotamischen Mönche und dem Messahanismus

ausmachen. Der LG und sein Leserkreis repräsentieren wahrscheinlich eine

radikale und konservative Richtung des mesopotamischen Mönchtums.

" Sermo xx und besonders xviii kUngen gelegentlich stark messalianische

Gedanken und Praktiken an (z. B. die Berufung auf Hb 5,7 für das Schreien

beim Beten). Aber seltsamerweise wird gerade in Sermo xviii das sonst so im

Vordergrund stehende Anliegen des LG - die Verteidigung der Aufteilung der

Christen in Gerecht« und Vollkommene - mit kehiem Wort erwähnt. Haben die

wenigen „messalianischen" Partien ursprünglich zmn LG gehört? Stil, Form

und hterarische Emheit des LG zu untersuchen bleibt einer größeren Arbeit

vorbehalten.

" A. Vööbus. Liber Graduum . . . a. a. O. p. 108-126.

(8)

VON DER ANONYMITÄT ZUR PSEUDONYMITÄT

DER LIBER GRADUUM UND DAS CORPUS MACARIANUM

Von A. J. M. Davids, München-Salzburg

Es ist erstaunlich, daß das syrische Werk rC'itvnQäso.T r^iaitN^in den Ein¬

führungen und Handbüchern der Patrologie nicht oder kaum erwähnt wird*.

Dennoch war es A. Baumstark noch vor der Ausgabe von M. Kmosko*

schon aufgefallen, daß diese Schrift ,, eines der ältesten Denkmäler christ- lich-sjn-ischer Originalliteratur" sein könnte*. Einige Hss. des Liber Gra¬

duum enthalten ein Vorwort, in dem der Schreiber den alten Charakter des

Liber Graduum rühmt, dessen Autor einer der ersten syrisch schreibenden

Lehrer gewesen sein muß; er stammt nämlich r^LiSwün r^LiSiiliJj ^sd

p^icu» r^,VT.\-i.n*. Besonders auch der einfache Sprachgebrauch und der

geistige, unkomphzierte Inhalt des Buches werden gepriesen :

Ana rtflÄiiLM r e^ <x\ n . -i ixi.Var<' p^jjuptf' rtfäjccVüja rt'ocn ri'_\

: paijE.r<'.T u>oio rsLi iAjjj \°.\cx» r^ios

c73i(A_».lo .r^.Tcvso ^ Jfvr^rC 5!v.,r«'...T\ cA.T C73 ^a\^iTa ,q3

Ai^OT a3i^L2>3 k\cOl^^xJta ^ rr^icuB rsLudia ,cr) r^'ivojiiv^

rd.\xjj ^ .TO-yAs.T ,J5>x.O0O ^iSki.TrC'o ^A^.X» rc!ac\.0j.a rCicD.T Ol\iM

.^cn\*r^ oajÄÄiaK' r^.Tcua.i r^a-i.i

* S. z. B. B. Altaneb - A. Stuibbb, Patrologie. Leben, Schriften und Lehre

der Kirchenväter {Freiburg '1966), S. 264; B. Spuleb, Syrische Literatur, in:

RGG^ VI, 581 ff. und A. Vööbus, Syrische Literatur, in: LThK^ IX, 1260 ff.;

s. aber I. Obtiz de Ubbina, Patrologia Syriaca (Rom ^1965), S. 89-91.

2 M. Kmosko (ed.), Liber Graduum . . ., PS I, 3, Paris 1926 (Abk. : Kmosko).

' A. Baumstaek, Geschichte der syrischen Literatur mit Ausschluß der

christlich-palästinensischen Texte (Borm 1922), S. 165; dabei stützt er sich auf

Ign. E. Rahmani, ebd., Anm. 8.

* Kmosko, Sp. 1,9 f.

' Kmosko, Sp. 4,10-19; Kmosko's Übersetzung lautet: Nulhs cogitationibus humanis, neque doctrina a sapientibus accepit doctrinam banc fortem et spiri-

tualem, quam tradidit nobis, cum ipsa simphcitas sermonis eius [sc. des Ver¬

fassers des Liber Graduum] indicet eum non erudite scripsisse. Dictionem eius

spectata lingua syriaca antiquam esse, e simplicitate sermonis eius igitur atque

e vigore sectionis illius cognovimus et intolleximus, et persuasum habemus

virtute dumtaxat Spiritus Sancti haec per ipsum subministrata esse (KMOSKO, Sp. 3,13-6,1).

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