Adolf Eitnan 1854—1937
(Ehrenmitglied der Gesellschaft) Von H. 0. Lange-GJentofte b. Kopenhagen
Am 26. Juni d. J. ist der Nestor der Ägyptologie, Adolf
Erman, aus .einem für die Wissenschaft besonders frucht¬
baren Leben geschieden. Alle arbeitende Ägyptologen wissen,
was sie ihm schulden und ehren in ihm den Erneuerer der
ägyptischen Sprachwissenschaft, den Reorganisator des Ägyp¬
tischen Museums in Berlin, den großen Lehrer, der mit feiner
Menschenkenntnis und großer Klarheit auf alle, die unter
seinem Lehrstuhl saßen und mit ihm in nähere Berührung
kamen, einen großen Einfluß ausgeübt hat.
In seinen Erinnerungen ,,Mein Werden und mein Wirken"
(1929) hat er seinen Lebensgang, sein unermüdliches Streben
und dessen Resultate in frischer und lebendiger Darstellung
beschrieben. Noch sehr jung wurde er der Nachfolger von
Lepsius in Berlin sowohl als Professor der Ägyptologie sowie
als Direktor des Ägyptischen Museums. Als Professor hat er
Schüler aus allen Ländern um sich gesammelt und hat ihnen
die reichen Schätze seines Wissens eröffnet. Er hat die histo¬
rische Betrachtung in der ägyptischen Sprachwissenschaft
und der ägyptischen Kulturgeschichte mit genialem Scharf¬
blick begründet und dadurch den Weg für die neue Forschung
in allen Ländern bereitet. Sein „Ägypten und ägyptisches
Leben im Altertum", sein frisches Jugendwerk, das er noch
wenige Monate vor seinem Tod mir gegenüber als seine Lieb¬
lingsarbeit bezeichnete, sollte ursprünglich ein populäres
Buch werden, aber in seinen Händen wurde es ein grund¬
legendes Werk für die ägyptische Kulturgeschichte, gelehrt
und doch durch Darstellung und Stil für größere Kreise zu¬
gänglich und belehrend.
H. O. Lange, Adolf Erman 485
In der Erforschung der Sprache hat er neue Wege seit
seiner Jugend gebahnt. Die wissenschafthche Behandlung der
ägyptischen Grammatik ist von ihm begründet. Unermüdlich
hat er noch als Greis mit seinen schwachen, beinahe blinden
Augen die neue Bearbeitung seines Jugendwerkes „Neu¬
ägyptische Grammatik" durchgeführt als reife Frucht lebens¬
langer Studien. Vor vierzig Jahren hat er das große lexika¬
lische Unternehmen ins Werk gesetzt, das für lange Zeiten
das unentbehrlichste Werkzeug der Ägyptologen bleiben wird.
Er hat verstanden Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern zu
gewinnen, aber selbst hat er eine enorme Arbeit geleistet.
Er hat erlebt, das Hauptwerk abgeschlossen zu sehen, und
er hatte noch vor seinem Tod die Freude, es zu erleben, daß
mit der Ausgabe der Belegbände begonnen wurde.
Als Direktor des Ägyptischen Museums hat er eine wissen¬
schaftliche Neuordnung durchgeführt und hat große Erwer¬
bungen machen können. Seine Vielseitigkeit war erstaunlich,
der große Philologe war auch der kluge und gründliche
Museumsmann. Er beherrschte, wie seine Veröffentlichungen
beweisen, alle Gebiete der Ägyptologie. Nur das Demotische
hat er nicbt in den Kreis seiner Studien aufgenommen.
Noch eins muß hervorgehoben werden. Er war nicht nur
der große Gelehrte, er war auch der große Mensch. Seine
Bedeutung als Lehrer war zum großen Teil eine Frucht seiner
feinen Menschlichkeit. Er war der Freund seiner Schüler,
sein Haus stand ihnen offen. Er und seine Frau folgten allen,
die ernstlich unter seiner Leitung arbeiten wollten, mit tat¬
kräftigem Interesse und verständnisvoller Liebe.
Er hat seinen Namen in den Annalen der Ägyptologie mit
unauslöschlicher Schrift eingetragen.
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Georg Jacob f (1862—1937) Von Enno Littmann-Tübingen
Am 4. Juli 1937 wurde Georg Jacob nach einem kurzen
Krankenlager, dem aber schon mancherlei Beschwerden des
Alters vorausgegangen waren, seinen Freunden und der
Wissenschaft durch den Tod entrissen. Mit ihm ist eine der
eigenartigsten, schaffensfreudigsten und vielseitigsten Per¬
sönlichkeiten unter den deutschen Orientalisten dahingeschie¬
den. Auf den verschiedensten Gebieten der Forschung über
Morgenland und Abendland ist er seine eigenen Wege ge¬
gangen; er leistete Pionierarbeit, gewann — oft durch müh¬
samste Einzelarbeit — neue Erkenntnisse, die er immer
wieder zu vervollkommnen und zu einer Gesamtschau zu
vereinigen suchte, und streute überallhin fruchtbarste An¬
regungen aus. Analyse und Synthese schlössen in ihm einen
harmonischen Bund, wie er einem Gelehrten, den seine Inter¬
essen so mannigfaltige Wege führen, nur selten beschieden ist.
Jacob wurde am 26. Mai 1862 in Königsberg geboren ; er
verlor seinen Vater schon früh und wuchs auf unter der sorg¬
samen Pflege durch seine Mutter und seine beiden älteren
Schwestern. Der hochbegabte Knabe mag durch die Liebe
der Mutter und der Schwestern etwas zu nachsichtig erzogen
worden sein, und dadurch würden sich manche Züge seiner
späteren Eigenwilligkeit erklären. Sein Studium begann er
als Theologe und Orientalist; aber er wandte sich der Theo¬
logie bald ab und widmete sich der Orientalistik, Germanistik
und Völkerkunde. Er studierte in Leipzig, Straßburg, Breslau
und Berlin ; in Erlangen genügte er seiner Militärpflicht, indem
er zugleich bei Spiegel persische Studien trieb. Von seinen
Lehrern haben Reuss und Nöldekb am meisten auf ihn ge-