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Lehren und Lernen aus Sicht von Handelslehrern

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Lehren und Lernen aus Sicht von Handelslehrern

Jürgen Seifried

1 Problemstellung

Die Analyse von grundlegenden Handlungsmustern, Drehbüchern und Skripts zeigt sowoWfür den allgemein- als auch fürden berufsbildenden Bereich, dass das unterrichtliche Handeln in deutschen Schulen - ungeachtet des auf wissen- schaftlicher Ebene eingeläuteten Paradigmenwechsels von "traditionellen" zu ,,konstruktivistischen" Didaktikansätzen (TERHART 1999) - nach wie vor durch das Vorherrschen des fragend-entwickelnden Unterrichts mit extremer Eng- führung des Lehrer-Schüler-Gesprächs geprägt ist. Diese Aussage dürfte auch für kaufmännische Schulen Gültigkeit besitzen. Belege hierfür liefern sowoW Unterrichtsbeobachtungen (vgl. z.B.SEIFRIEO/ GRILIJ WAGNER 2006) als auch Befragungen der am Unterrichtsgeschehen Beteiligten (vgl. SEEBER! SQUARRA 2003; PÄTZOLD et al. 2003). Die weite Verbreitung dieser Art des Unterrichtens wird u. a. auf das Vorhandensein "ähnlicher kognitiver Strukturen" bei Lehrper- sonen zurückgeführt (BLöMEKE! ErcHLER! MüLLER 2003, 104). Diese sind auf- zudecken und ggf. zu modifizieren.

Seit der kognitiven Wende in der Psychologie setzt die empirische Lehrerfor- schung vermehrt darauf, die Überlegungen von Lehrpersonen vor, während und nach Handlungen und Entscheidungen zu analysieren (vgl. DANN 2000). In die- sem Umfeld entstanden zahlreiche Arbeiten zum Lehrerwissen (teacher's know- ledge), zu Überzeugungen von Lehrpersonen (teacher's belief systems), zuLeh- rererwartungen (teacher's expectations) und zu Subjektiven Theorien (implicit theories). Von besonderem Interesse für die Erklärung des Lehrerhandelns er- scheinen dabei Subjektive Theorien, die sich auf Lehren und Lernen sowie auf Lerninhalte beziehen. Wenn im Folgenden von Subjektiven Theorien die Rede ist, sind immer lerninhaltsspezifisch akzentuierte Subjektive Lehr-Lern- Theorien bzw. Überzeugungssysteme gemeint.

Die Zusammenhänge zwischen subjektiven Denkweisen und Lehrerhandeln (planung und Durchführung von Unterricht) einerseits bzw. Lehrerhandeln und Lernerfolg andererseits wurden bisher vornehmlichfürden allgemeinbildenden Bereich untersucht. Demgegenüber ist die gesamte Wirkungskeue (Lehrerdenk- weisen ~ Lehrerhandeln ~Schülerlernen) zwar intuitiv, aber noch nicht aus- reichend empirisch untermauert (vgl. TERHART 2002; TÖRNER 2002). Dies gilt insbesondere filr die berufliche Bildung, dort mangelt es in jeder Hinsicht an entsprechenden Forschungsarbeiten (vgl. BECK 2005). Lehr-Lern-Prozesse und

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-71156

URL: http://kops.ub.uni-konstanz.de/volltexte/2009/7115/

(2)

78

das dadurch erworbene Wissen sind jedoch immer domänenspezifisch zu be- trachten (vgl. ACHTENHAGEN 1979). In diesem Zusammenhang sind M?glich- keiten der Übertragbarkeit von Untersuchungsergebnissen von allgemem- .auf berufsschulische Kontexte kritisch zu reflektieren. Vielmehr bedarf es emer lerninhaltsspezifischen Betrachtung.

Das Forschungsprojekt,

au~

dem hier berichtet wird, hat

e~

sich zum Ziel ge- setzt die Denkweisen von Handelslehrern und deren Auswirkungen auf Unter- richt' näher zu beleuchten. Es soll untersucht werden, (a) über welche Subjekti- ven Lehr-Lern-Theorien Handelslehrer vertugen, (b) inwieweit sich diese Sub- jektiven Theorien für Unterrichtsplanung und -durchführung als.

h~dlu~gs~ele­

vant erweisen und (c) die Unterrichtsqualität beeinflussen. Dabei wrrd tur

e~nen

ausgewählten Lerninhaltsbereich, nämlich den

Buchführungsanfangsun~eITIcht,

der Versuch unternommen den Zusammenhang von lerninhaltsspezIfischen Subjektiven

Lehr-Lern-The~rien,

Lehrerhandeln und

O~tcome

in. seiner Gänze in den Blick zu nehmen. In einem ersten Analyseschritt stehen Im Folgenden zunächst zwei Fragstellungen in Mittelpunkt:

(1) Über welche Subjektiven Lehr-Lern-Theorien berichten Handelslehrer?

(2) Spielen diese Subjektiven Lehr-Lern-Theorien für die selbstberichtete Un-

terrichtspraxis eine Rolle? .

2 Subjektive Lebr-Lern-Tbeorien

Bei dem Versuch, die Entscheidungen der Lehrperson zur

Unterrichtsgestalt~ng

zu beleuchten, bieten "Subjektive Theorien" (vgl.

G~OEBEN

et

~~.

1988),

"nalv~

Verhaltenstheorien" (vgl. LAUCKEN 1974), "epistemologische Uberzeugun?en"

(vgl. z.B. KÖLLER! BAUMERT/ NEUBRAND 2000; TÖRN ER 2002) oder "Beliefs (vgl. PAJARES 1992) interessante Ansatzpunkte. Im

Forschungsprogram.~ Su~­

jektive Theorien (vgl. GROEBEN et al. 1988) wird

d~r Hande~?e

unter Ruckgnff auf das epistemologische Subjektmodell als reflexives

Indlvl~.uum verstand~n,

das _ in Analogie zu Wissenschaftlern - Hypothesen und Erklarungen

ge~en.ert

sowie überprüft und diese zur Handlungsorientierung anwendet.

SubJe~tlve

Theorien sind demnach ein komplexes Aggregat von bewussten oder teilbe- wussten Kognitionen der Selbst- und Weltsicht und der damit verbundenen E- motionen und Volitionen, die die Funktionen der Erklärung, Prognose. und Technologie erfüllen und eine zu objektiven Theorien analoge Struktur beSitzen (vgl. GROEBEN et al. 1988; MUTZECK 1988).

Eine rein auf kognitive Aspekte hin ausgerichtete Betrachtungsweise (wie dies die Fonnulierung "Kognitionen der Selbst- und WeItsicht"

~~nächst v~nnuten

lässt) erscheint angesichts der engen Verknüpfung von KogOitlon, EmotIOn und Volition indes nur wenig zielführend. Unterrichtssituationen werden von Lehr- personen nicht nur strukturiert, sondern aufgrund einer subjektiven Auswahl von

Informationen auch entsprechend bewertet. "Objektiv" identische Situationen lösen~e n~chemotio?aler Involviertheit bei unterschiedlichen Lehrpersonen un- terschiedliche ReaktIOnen aus. Dementsprechend sind Situationsbeurteilungen

imme~ mi~ Emotionen verbunden (vgl. SEMBILL 1992). Die Berücksichtigung der SItuatIonswahrnehmung durch die Lehrpersonen selbst (bzw. deren Erfas- sung m~glichstwährend des Lehrprozesses bzw. unmittelbar nach Unterricht- sende) Ist daher von großer Bedeutung. Der Erkenntnis, dass Denkweisen von

~ehrpersoneneng mit affektiven, d.h. normativ-evaluativen Aspekten verbunden smd, versucht mart in jüngerer Zeit vermehrt durch den Rückgriff auf "Beliefs"

(vgl. z.B. ?'IEDRICHS/ THUßBAS/ KLIEME 2007) bzw. "epistemologische Über- zeugungen (~ÖLLER!BAUMERT/ NEUBRAND 2000) Rechnung zu tragen. Viel- fach werden die aufgeführten Begriffe auch synonym verwendet.

U~geachtet.aller F~rschungsaktivitäten zu Subjektiven Theorien, Beliefs oder

e~.lstemologlsche Uberzeugungen bestehen nach wie vor Forschungslücken.

TORNER (2002, 107) konstatiert, dass bislang insbesondere zu den Fragen der (1) U?tersuchung der ."Mechartismen" der Auswirkungen, (2) Entstehung und Ent-

~Ickl.ung,(3) Bedmgungen der Veränderung sowie (4) Entwicklung von Skalen für ~Ie Erfa~su~g von Subjektiven Theorien bzw. Überzeugungssystemen nur

weOlg~ qual~fizlerteArbeiten vorliegen. Dies gilt in besonderem Maße für die

be~fllche ~il?ung:Betrachtet man die einschlägigen Forschungsanstrengungen, so smd lediglich die von der Göttinger Forschergruppe um Achtenhagen in den 1970er Jahren durchgeführten S~udienzur "Unterrichtstheorie" von angehenden

Han~elsle~ernanzufü?ren. Dort geht es vornehmlich um die Analyse der "Me- chartlsmen der AUSWirkungen von Subjektiven Theorien sowie der Entwick- lung von Subjektive Theorien (vgl. z.B. ACHTENHAGEN/ HEIDENREICH/ SEMBILL 1975; ACHTENHAGEN/ SEMBILL/ STEINHOFF 1979; VAN BUER 1980; SEMBILL

19~4). Unter Rückgriff auf die implizite Persönlichkeitstheorie (als wesentlicher Tell der Unterrichtstheorie einer Lehrperson) wurde u. a. untersucht wie Studie- rende der Wirtschaftspädagogik sowie Studienreferendare Schüler

v~rschiedener

~usbildungszweige im kaufmännischen Schulwesen einstufen. Dahinter steht die~rage, o~entsprechende Effekte als Einstellung gegenüber sozialen Schich-

te~ mterpretlert werden können. SEMBILL (1984) schließlich konnte für den WIrtschaftslehreunterricht zeigen, dass implizite Persönlichkeitstheorien hand-

!ungswirksa~sind.~nden letzteIl; zwei Jahrzehnten wurde der Themenkomplex m der beruflichen Bildung dann Olcht mehr nennenswert bearbeitet.

Bei d.em Versuch, ;erschiedene Facetten von Subjektiven Theorien im Hinblick auf die ;erfolgte Zielsetzung näher zu bestimmen, erweist sich ein Blick auf die Untergliederung des professionellen Lehrerwissens als hilfreich. BROMME

(~997)..unt~rscheidet in A?lehnung an SHULMAN (1987) fünfinhaltlkhe Katego-

nen~namlich(~)allgememe.späda~ogisches Wissen, (2) fachliches Wissen, (3) cUITIculares Wissen, (4) Philosophie des Schulfachs sowie (5) fachspezifisch-

(3)

pädagogisches Wissen. Neben dieser stark ausdifferenzierenden Taxonomie wird häufig eine Dreiteilung vorgeschlagen (Wissen über das Wesen der Wis- senschaft bzw. des Fachs, das Lehren und das Lernen; vgl. FISCHLER 2000) bzw.

eine Zweiteilung propagiert (Struktur des Wissens und der Wissenserzeugung;

vgl. HOFER! PINTRICH 1997). Es sind also mindestens zwei Kategorien von Sub- jektiven Theorien zu unterscheiden:

Subjektive Theorien zu Lehren und Lernen: Hiermit sind domänenübergrei- fende Subjektive Theorien über Lehr-Prozesse (z.B.Be~ingungsfaktorendes schulischen Lernerfolgs, Strukturierung der Unterricptzeit, Lehrmethoden etc.) sowie über Lern-Prozesse (z.B. Wissenserwerb; Gedächtnis, Motive, Motivation etc.) gemeint.

Lerninhaltsspezijische Subjektive Theorien: Die domänenspezifischen Sub- jektiven Theorien betreffen neben dem Fachwissen des zu unterrichtenden LerninhaltsILernfelds/Schulfachs vornehmlich fachdidaktische Komponen- ten (z.B.: Wie ist der entsprechende Lerninhalt am besten zu strukturieren?

Welche Fehler können die Schüler beim Umgang mit dem Stoff machen?).

Hierzu ist auch die Philosophie des Faches zu zählen, d.h. Subjektive Theo- rien zur Relevanz des (Fach-)Wissens im schulischen Zusammenhang sowie im Berufs- und Alltagsleben.

Beide Kategorien von Subjektive Theorien sind eng verknüpft und sollten nicht isoliert voneinander analysiert werden. Auf theoretischer Seite entsprechen den Subjektiven Theorien zu Lehren und Lernen instruktionale und konstruktivisti- sche Vorstellungen von der Gestaltung und der Wirkung unterrichtlicher Lehr- Lern-Prozesse (vgl. STAUB/ STERN 2002; MÜLLER 2004). Bei der Bestimmung vonlerninhaltsspezijischen Subjektiven Theorien fUr den Buchführungsanfangs- unterricht orientieren wir uns an der Mathematikdidaktik. SCHOENFELD (1992) unterscheidet zwischen Mathematik als System und Mathematik als Prozess.

Diese Differenzierung wurde im deutschsprachigen Raum von TÖRNER! GRI- GUTSCH (1994, vgl. auch GRIGUTSCH/RAATzITÖRNER 1998) aufgegriffen und weiter ausdifferenziert: Bei einer statischen Sicht wird Mathematik als abstrak- tes System verstanden, das aus Begriffen und Regeln besteht. Hiermit geht ein Unterricht einher, in dem vornehmlich das Erlernen und Anwenden von Defini- tionen, Fakten und Routinen angestrebt werden. Aus dynamischer Sicht ist Ma- thematik ein Prozess, der mit Fragen und Problemen beginnt und zur Sammlung von Erfahrungen und zur Entdeckung von Prinzipien fUhrt (Erfinden bzw. Nach- Erfinden von Mathematik, ModelIierung und Analyse von Sachverhalten). Bei dem Versuch, diese Erkenntnisse auf den Buchführungsunterricht zu übertragen, konnten wir mittels einer Befragung von Unterrichtsexperten zeigen, dass diese Sichtweisen (System bzw. Prozess) auch fur die Buchführung identifizierbar sind (vgl. Abschnitt 3 sowie SEIFRIED 2006).

3

Methode

3.1 Erfassung der Sichtweisen der Lehrpersonen

Die Sichtweisen auf Lehren und Lernen sowie BuchfUhrung wurde mittels eines Fragebogens erfasst, der auf standardisierte, bewährte Verfahren Rückgriff nimmt. Die Daten wurden mit Hilfe einer Online-Erhebung gewonnen. Im Ein- zelnen wurden folgende Bereiche thematisiert:

• Zur Erfassung der Überzeugung zurEignung von Unterrichtsmethoden wur- de erfragt, in welchem Umfang die Lehrpersonen verschiedene Unterrichts- methoden in Abhängigkeit vom Lerninhaltsbereich (Buchfuhrung vs. Wirt- schaftslehre) einsetzen. In Anlehnung an PÄTZOLD et al. (2003) wurde zu- dem erhoben, wie die Lehrpersonen die Eignung des Frontalunterrichts be- züglich verschiedener Zielsetzungen (z.B. zur Bewältigung der Stoffflille) einschätzen und welche Konstellationen und Rahmenbedingungen den ver- mehrten Einsatz so genannter handlungsorientierter Unterrichtsmethoden in der Schulpraxis verhindern (Beispielitem: "Die Umsetzung von handlungs- orientierten Methoden im Unterricht ist zeitaufwändig.").

• Zur Operationalisierung der Philosophie des Lerninhalts wurde auf ein In- strument von GRIGUTSCH/ RAATZ/ TÖRNER (1998) zurückgegriffen und die- ses lerninhaltsspezifisch modifiziert. Mittels einer Faktorenanalyse konnten vier Subskalen identifiziert werden (vgl. SEIFRIED 2006):

• Prozess-Aspekt (6 Hems; Cronbach's a = .78; Beispielitem: "Im Vorder- grund der BuchfUhrung stehen Inhalte, Ideen und Denkprozesse").

• Anwendungs-Aspekt (4 Hems; Cronbach's a

=

.74; Beispielitem: "Kennt- nisse in Buchführung sind für das spätere Leben der Schüler wichtig").

• Formalismus-Aspekt (4 Hems; Cronbach's a

=

.68; Beispielitem: "Kenn- zeichen des BuchfUhrungsunterrichts sind Klarheit, Exaktheit und Eindeu- tigkeit").

• Schema-Aspekt (3 Hems; Cronbach's a

=

.61; Beispielitern: "Buchfüh- rungsunterricht besteht aus Regeln, die genau angeben, wie man Aufga- ben löst").

Lehr-Lern-Überzeugungen wurden mittels einer Fragebogenadaption von FENNEMA! CARPENTER! LOEF 1990 (siehe auch STAUB/ STERN 2004) sowie PEHKONEN/ LEPMANN (2001) erhoben. Mit Hilfe von insgesamt 23 Hems sollte ermittelt werden, ob die Lehrpersonen eher einen auf Schüler- und Problemorientierung hin ausgerichteten Unterrichtsstil oder eher ein lehrer- zentriertes Vorgehen bevorzugen. Mittels Faktorenanalysen konnten folgen- de drei Subskalen gebildet werden:

(4)

Zur Überprüfung der Reliabilität der Befunde wurde eine Diskriminanzanalyse gerechnet.

Insgesam~. ko~te~96,5%der Fälle korrekt gruppiert werden. Bei zufalliger Zuordnung unter BeruckslchtIgung der unterschiedlichen Gruppengrößen wäre lediglich eine Treffer- quote von 46%zu erwarten.

...

Cluster

Sichtweisen auf 1 2 3

Lehren und Lernen:

(n= 44) (n=91) (n= 63)

M SD M SD M SD D n2

SchUlerorientierung 4.14 .49 3.21 .39 4.08 .32 < .01 .566 Lehrerorientierung 2.76 .47 3.83 .44 3.88 .45 <.01 .506 Systematikorientierung 5.02 .55 5.19 .55 5.56 .40 <.01 .146 Tab. I. MI!1elwertunterschlede ZWischen den Clustern hmslchtlich der Sicht-

welsen auf Lehren und Lernen

Insgesamt zeigt sich ein ähnlicher Befund wie bei einer von HARTINGER!

KLEICKMANNI HAWELKA (2006, 116ff.)durchgeführten Untersuchung zu Leh- rervorstellungen bei.Grund~chull.ehrkräften. Auf der Basis der Angaben von 45

Grun~schullehrern heßen Sich eIn eher lehrerzentriertes und ein eher schüler- zentnertes. Cluster sowie zwei Gruppen mit inkonsistenten bzw. nicht wider-

spruc~s~elen Vorstellungen ausmachen. Auch PATR:YI GASTAGER (2002) konn-

te~bel eInerU~tersuch~ngder Subjektiven Theorien von 18 Mathematiklehrern

z~lgen, dass bel UntelTlchtspraktikern aus theoretischer Sicht eigentlich unver- eInbare Vorstellungen koexistieren können.

4.2 Buchjührungsspezijische Weltbilder

In ei~em z~eiten Analyseschritt wird geprüft, ob sich die Cluster hinsichtlich der SIchtweisen auf den Lerninhalt unterscheiden. Im Vorfeld wurden auf Basis

d~s In~trumentes von GRIGUTSCHI RAATzi TÖRNER (1998) faktorenanalytisch vier Dlffiensionen. identifiziert (Prozess-, Fonnalismus-, Schema- und Anwen- dungs-.Aspekt): Die durchgefiihrte Analyse erlaubt Aussagen zum Ausmaß der

Auspr~gung eIner konstruktivistischen bzw. rezeptiven Sichtweise. Betrachtet man die "buchführungsspezifischen Weltbilder" für die verschiedenen Cluster getrennt, so la~sen sich auf Basis einer Gegenüberstellung der für die Subskalen errechneten Mittelwerte für den Prozess-, den Formalismus- sowie den Schema- --: hier stellt. sich. die Situation umgekehrt da - umfasst 91 Befragte (Lehrerorien- tI.erung). Die dntte Gruppe besteht aus 63 Lehrpersonen, die sich sowohl durch eIne hohe Lehrer- als auch durch eine hohe Schülerorientierung auszeichnen Zudem stel.len

di~

Befragten dieses Segments den Systematik-Aspekt stark

her~

aus. Angesl~hts dieser unklaren Situation soll Cluster 3 als "Mischtyp" bezeich- net. werden. Tabelle I verdeutlicht die Mittelwertunterschiede zwischen den drei Gruppen hinsichtlich der entsprechenden Subskalen (s0 )

• Schülerorientierte Vorstellungen vom Lehren und Lernen (11 Items;

Cronbach's Cl = .79; Beispielitem: "Im Buchfiihrungsunterricht sollen Schüler ihre eigenen Lösungsideen diskutieren").

• Lehrerorientierte Vorstellungen vom Lehren und Lernen (9 Items; Cron- bach's Cl= .76; Beispielitem: "Im Buchfiihrungsunterricht soll vor allem der Lehrer sprechen").

• Betonung der lerninhaltsimmanenten Systematik (3 Items; Cronbach'sCl=

.67; Beispielitem: "Im BuchfUhrungsunterricht soll man systematisch vor- gehen").

4.1 Lehrersichtweisen aufLehren und Lernen

Die eingangs formulierten Fragen legen eine Gruppierung der Lehrpersonen na- he. Hierzu wurde auf der Grundlage der Sichtweisen auf Lehren und Lernen ei- ne Clusteranalyse mit anschließender Clusterzentrenanalyse gerechnet. Mittels dieser zweistufigen Vorgehensweise konnten drei Cluster von Lehrpersonen i- dentifiziert werden.] Die 44 im ersten Cluster (Schülerorientierung) zusammen- gefassten Lehrpersonen zeichnen sich durch eine ausgeprägte Schülerorientie- rung bzw. eine gering ausgeprägte Lehrerorientierung aus. Das zweite Segment

4 Empirische Befunde

Auf der Basis des Elbow-Kriteriwns erscheint im vorliegenden Fall die Drei-Cluster- Lösung am sinnvollsten. Zwar steigt die Fehlerquadratswnme auch beim Übergang von der Zwei- zur Ein-Clusterlösung Uberproportional an. Ein entsprechender Homogenitäts- sprung ist im Rahmen der letzten Fusionierungsstufe jedoch regelmäßig zu verzeichnen (vgl. BACKHAUS et al. 2000, 375). Die ebenfalls analysierte Zwei-Cluster-Lösung wurde daher verworfen.

3.2 Stichprobe und Durchführung der Befragung

Die Online-Erhebung wurde im Sommer 2005 durchgefUhrt. Die Grund- gesamtheit umfasste sämtliche kaufmännischen Schulen in Bayern. In der Regel . wurde die Schulleitung angeschrieben und gebeten, entsprechende Fachlehrer über die Möglichkeit der Teilnahme an der Online-Umfrage zu unterrichten.

Falls Adressenlisten bzw. E-Mail-Adressen von Lehrpersonen verfügbar waren, wurden Fachlehrkräfte auch direkt angeschrieben und um ihre Meinung gebeten.

Mittels eines Aufrufs in der VLW-Zeitschrift "Wirtschaft und Erziehung" konn- ten zudem einige außerbayerische Schulen zur Mitarbeit bewegt werden. Insge- samt gehen die Antworten von 198 Lehrpersonen in die Auswertung ein. Die Lehrpersonen sind im Mittel 46 Jahre alt und verfügen durchschnittlich über 15 Jahre Lehrerfahrung. In der Stichprobe befinden sich überwiegend männliche Lehrpersonen (ca. 65 % der Befragten).

(5)

84

Wnschallslehre Boohllihrung

Wnschaftslehre Boohllihrung

Froolakmterri:ht x LemiJlBk HambngsorDuierterUnll:rTi:ht x lernIJhak

100 100

:1----

SehWerorienrerl 11 - - - -Sehülerori:ntiert

. -0-Lehrerorientiert -0-Lehrerorilntiert

80 . . . Mischtyp 80 ~ ... Mischtyp

t

60 t! 60

~

~

i

.~ .~

::;; 40 ::;; 40

20 20

Tab. 3. Gruppen-, Lerninhalts- und Wechselwirkungseffekt

Gruppeneffekt Lerninhaltseffekt Wechselwirkungseffekt Unterrichts- (Clusterzugehörigkeit) (Buchf. vs. Wirtschaftslehre) Gruppe x Lerninhalt

methode F p 112 F P 112 F P 112

Frontalunterricht 13.493 .000 .134 69.643 .000 .285 .107 .898 .001

Handlungsorient. 14.751 .000 .144 290.685 .000 .624 .183 .833 .002

ad (a): Die Bereitschaft rur den Einsatz von handlungsorientierten Unterrichts-

met~oden (S~mm~aus~ppenunterricht,Fallstudie, Planspiel, Rollenspiel und

P.roJ~ktuntemcht)iSt bei den Angehörigen des ersten Clusters erwartungsgemäß sigmftkant stärker ausgeprägt als fiir die Angehörigen der beiden anderen

C~uster(siehe Tabelle 3 und Abbildung 1). Entsprechend geringer sind die An- teile, diefiirFrontalunterricht vorgesehen werden.

ad(b):Es ist ein signifikanter EffektinAbhängigkeit vom Lerninhalt festzustel- len (sie.he Tabelle 3 und A?bildung I). ClusterUbergreifend sehen die Befragten den W:irtschaftslehreuntemcht eher als geeignet an, um handlungsorientierten Untemcht durchzufUhren. Frontalunterricht dagegen eignet sich aus der Sicht

~er Handelslehrer eher fiir Buchfiihrungsunterricht. Damit bestätigt sich, dass msbesondere der Buchfiihrungsunterricht aus Sicht von Lehrpersonen ver-

gleich~weiselehrerorientiert zu gestalten ist. Handlungs- und problemorientierte Untemchtsmethoden haben es in diesem Umfeld deutlich schwerer als in ande- ren Bereichen der kaufmännischen Curricula (SEIFRlED 2004).

Abb. I: Unterrichtsformen in Abhängigkeit von der Clusterzugehörigkeit und vom Lerninhalt

Insgesamt ist zu konstatieren, dass die befragten Lehrkräfte teilweise deutlich weniger Frontalunterricht vorsehen, als dies die Ergebnisse einer von uns durch-

~eruhrten.Unterrichtsbeobachtung (SEIFRIED/ GRILL! WAGNER 2006) erwarten heßen. Dies könnte zum einen auf die Schwierigkeit zurückzufUhren sein, bei Cluster

I 2 3

Sichtweisen auf (n= 44) (n = 91) (n = 63)

Buchfllhrung: M SD M SD M SD P 112

Prozess-Aspekt 4.58 .54 3.49 .59 4.05 .54 <.01 .370

Formal ismus-Aspekt 4.14 .65 4.42 .64 4.60 .57 <.01 .068

Schema-Aspekt 3.62 .67 4.12 .54 4.25 .63 <.01 .138

Anwendungs-Aspekt 3.90 .73 3.66 .74 3.80 .72 n.s. .018

Aspekt signifikante Unterschiede auf dem l%-Niveau feststellen (siehe Tabelle 2). Interpretiert man in Anlehnung an SCHOENFELD

(199~;

vgl.

a~ch.DIEDRICHS/

THUßBAS/KLIEME 2002, 115) den Prozess-Aspekt als Indikator

~r

em

kon~truk­

tivistisches Verständnis von Lehr- und Lernprozessen, so lässt sich konstatieren, dass die Lehrpersonen aus Cluster 1 erwartungsgemäß den

Proz~ss-Aspekt

stär-

ker in den Vordergrund rucken als Lehrkräfte aus den

~ergleichsclust.e~.

In

Übereinstimmung hierzu berichten die als "schülerorientiert" charakten~ierten Lehrpersonen dann auch über eine geringere Au.sprägung d.es

.Formal.~s~~s­

Aspekts (Buchfiihrung ist durch Strenge, Exaktheit und begnffliche Prazision gekennzeichnet) sowie des Schema-Aspekts (Buchfiihrung als "Werkzeugkas- ten"). Für den Anwendungs-Aspekt (Betonung des

prakt~schen ~utzens

der

Buchfiihrung) lassen sich keine überzufalligen Unterschiede zWischen den Gruppen feststellen.

Tab. 2: Mittelwertunterschiede ZWischen den Clustern hmsichthch der Sicht- weisen auf Buchführung

4.3 Selbstberichtete Unterrichtspraxis

Schließlich wird in Abhängigkeit von der Clusterzugehörigkeit analysiert, in welchem Umfang verschiedene Unterrichtsformen vorgesehen sind. Dabei un- terscheiden wir zwischen Frontalunterricht, Partner-lEinzelarbeit sowie. ver- schiedenen Unterrichtsformen, die Kommunikation und Kooperation der Schü- ler voraussetzen. Hierzu zählen Gruppenunterricht, Fallstudie, Planspiel, Rollen- spiel und Projektunterricht. Die Unterrichtsexperten

~011ten

ihre

An~~ben

je-

weils getrennt für die Lerninhalte Buchfiihrung und Wirtschaftslehre tabgen. Es ist zu vermuten, dass (a) Unterschiede in Abhängigkeit von der Clusterzugehö- rigkeit bestehen und dass (b) clusterUbergreifend ~r den Buchru~rungs­

unterricht mehr Unterrichtsanteile fiirden Frontaluntemcht vorgesehen smd als fUr den Wirtschaftslehreunterricht. Dies führen wir auf die Besonderheiten der Buchfiihrung (abstrakte, aufeinander aufbauende Inhalte, Kumulieren vonLe~­

schwierigkeiten) zurück, die Lehrpersonen (vermeintlich) zu einer hochgradig strukturierten, lehrerzentrierten Vorgehensweise zwingen.

(6)

Umstände, die den Einsatz handlungsorientierter Methoden erschweren bzw. verhindem:

6 Iriffi völligzu I

trilllgar nielt zu ... Schülerorientietl

-0- lehrerorientiert ... M5chtyp 12. Fehlende Erfahrung mit den Methoden(p<.01) 10. Fehlende Methodenakzeptanz durch die SchUler(p<.0I) 2. Zeitaufwändige UmsetzungimUnterrichte

der Förderung überfachlicher Kompetenzen bewusst in Kauf. Eine offenere Ges-

ta1tu~gdes U~terri~hts erscheint dann angesichts deutlich ausgeprägter Zielhie- rarchien als mcht Sinnvoll. Oder: Eine offenere Gestaltung des Unterrichts wird

a~gesic~ts ~ie1fliltiger Rest~iktionen und Hemmnisse in der Unterrichtspraxis als mcht moghch erachtet. Es Ist daher auch zu prüfen, welche Umstände den Ein- satz handlungsorientierter Unterrichtsmethoden im Unterrichtsalltag verhindern bzw. welche potenzielle Hemmnisse von den Befragten ausgemacht werden (siehe Abbildung 3).

Abb.3: Hemmnisse einer Ausweitung der Handlungsorientierung

Insbeso~de~e die Aussagen "Die Unterrichtsplanung ist bei Verwendung hand- lungsonentlerter Methoden zeitaufwändig" und "Die Umsetzung hand- lungsorientierter Methoden im Unterricht ist zeitaufwändig" finden c1usterüber- greifend hohe Zustimmung. Zudem geben die Befragten an, dass der übervolle Lehrplan, die vorherrschenden Prüfungsmodalitäten sowie fehlende Unterrichts- materialien einer Ausweitung der Handlungsorientierung in kaufinännischen Schulen entgegenstehen. Weiterhin betrachten die Befragten die 45-Minuten- Taktung als bedeutsames Hemmnis. Ein wichtiger Hemmfaktor stellt also das Zeit-Mengen-Problem dar (übervoller Lehrplan bei begrenzter Unterrichts- und Unterrichtsvorbereitungszeit). Es zeigt sich zudem, dass die Lehrpersonen aus

Clus~er 1 die Gefahr der Nichterreichung der Ausbildungsziele und das Problem

d~rUberforderung der Schüler als vergleichsweise gering einstufen. Auch hin- sichtlich der Gefahr einer nicht hinreichenden Methodenakzeptanz seitens der Schüler äußern sich diese Lehrkräfte weniger kritisch. Zudem wird die eigene

Frontalunterricht eignet sich besonders gut. ..

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2. zur Erarbeitung von Begriffswissen.(p<.01)

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4. zur Motivation der Schüler.(p<.01) • •L••

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6. zur Sicherstellung der Praxisnllhe der Ausbildung.(p<.01)

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8. zur Förderung der Kommunikationsflthigkeit der SchUler.(p<.05) (.(

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I O. zur Förderung der Techniken der Infonnalionsbeschaffung.(p<.05)

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12. zur Steigerung der Selbstständigkeit der Schüler.(p< .OJ)

,l~

I 2 3 4 5 6

- . . Schüleroricntien

lriffigBr

,

lriffi

-0- Lehreroricnticrt nicht zu völlig zu

... Mischtyp

Abb.2: Eignung des Frontaluntemchts aus Sicht der Lehrpersonen

Offenbar favorisieren also insbesondere die Befragten auS Cluster 2 und 3 Me- thoden, die sie vornehmlich für die Ziele "Bewältigung

d~r

Stofffülle" und

"E~­

arbeitung von Begriffswissen" als geeignet erachten. DI~ser Befund kann.In zwei Richtungen interpretiert werden: Entweder messen

dl~ Lehrperso~e~

die- sen Zielen eine übergeordnete Bedeutung bei und nehmen die Vernachlasslgung einer Befragung das zeitliche Gewicht des Methodenein~atzes z~ präzisieren.

Zum anderen könnte der Aspekt der sozialen Erwünschthelt bzw. die Gefahr

~er

"selbstdienlichen Verzerrung" von Lehrerangaben

(CLA~SEN.

2002:

~7)

eme Rolle spielen. Trotz der angefiihrten Einschränkungen ergibt SIC~bel emer Be- trachtung der Rangfolge der Bedeutung der Unterrichtsmethoden Im Großen

un~

Ganzen jedoch ein in sich stimmiges Bild. Zudem tritt der Zusammenhang~WI­

schen Lerninhalt und Methodenwahl sowohl bei der Befragung als auch bel der Unterrichtsbeobachtung hervor: Frontalunterricht nimmt unabhängig. vom.Le~­

inhalt eine dominierende Rolle ein und wird im Buchführungsuntemcht signIfi- kant häufiger eingesetzt als in Wirtschaftslehre.

Weiterhin wurden die Befragten um die Einschätzung der Eignung

d~s

Fro.ntal- unterrichts für verschiedene Unterrichtsziele gebeten. Frontaluntem~ht elgn~t sich aus Sicht der Befragten in erster Linie zur Bewältigung der Stofffüll:

sO~le

zur Erarbeitung von Begriffswissen. Denkbar ungeeignet dagegen erscheintdl~­

se Unterrichtsmethode für die Förderung überfachlicher Kompetenzen Wie Team- Problemlöse- oder Kommunikationsfähigkeit. Dabei ist man sich c1uste- rüberg~eifend weitgehend einig (vgl. Abbildung 2).

(7)

88

Methodenkompetenz signifikant besser eingeschätzt (Erfahrung und sicherer Umgang mit den Methoden). Angaben zu weiteren signifikanten Unterschieden zwischen den Clustern finden sich in Abbildung 3.

5 Fazit und Ausblick

Mittels ClusteranalyseQ ließen sich drei Gruppen von Lehrpersonen identifizie- ren, die als "schülerorientiert", "lehrerorientiert" sowie als "Mischtyp" bezeich- net werden können. Für das zuletzt genannte Segment ist zu konstatieren, dass aus theoretischer Sicht eigentlich unvereinbare Paradigmen vorhanden sind. Zu- dem ist festzuhalten, dass sich ein Zusammenhang zwischen den Sichtweisen von Lehrpersonen und der selbstberichtetenUnt~rrichtspraxis ausmachen lässt.

Bei der weiterfiihrenden Analyse zeigte sich dann allerdings, dass sich die Lehr- personen des Mischtyps nur hinsichtlich weniger ausgewählter Aspekte von den Befragungsteilnehmern des lehrerorientierten Clusters unterscheiden. Unter- schiedliche Ansichten können also durchaus zu ähnlichen Selbstberichten über das unterrichtliche Handeln fiihren.

Die Befragten stellten - unabhängig von den jeweils geäußerten Vorstellungen zu Lehren und Lernen - heraus, dass der Faktor "Zeit" ein zentrales Hemmnis fl.ir den Einsatz von handlungsorientierten Unterrichtsmethoden darstellt. So- wohl Planung als auch Umsetzung im Unterricht werden von den Befragten als sehr zeitaufwändig eingeschätzt. Angesichts der Stofffiille und vor dem Hinter- grund der Struktur von Abschlussprüfungen, in denen es allen Reformen zum Trotz immer noch mehrheitlich um die Reproduktion von Fakten geht, erscheint insbesondere aus Sicht mancher Unterrichtspraktiker der vermehrte Einsatz ent- sprechender Unterrichtsmethoden entweder nicht zwingend notwendig oder nicht verantwortbar.

Zudem bestehen ausgeprägte lerninhaltsspezifische Überzeugungs- und Argu- mentationsmuster: Erwartungsgemäß wird Buchflihrung deutlich anders gesehen als Wirtschaftslehre. Für Themen aus dem Bereich der Wirtschaftslehre er- scheint der Einsatz von schülerorientierten Unterrichtsmethoden weitaus eher möglich als im Buchfl.ihrungsunterricht, der aus Sicht der Lehrpersonen sehr viel systematischer geplant und durchgefiihrt werden muss und damit deutlich weni- ger Potenzial fiir Handlungs- und Schülerorientierung in sich birgt als andere kaufmännische Lerninhalte.

Insgesamt gesehen eröffnet sich durch die standardisierte Befragung ein erster Zugang zu Subjektiven Theorien von Handelslehrern. Es konnten vielfliltige Hinweise darauf gewonnen werden, dass sich Lehrpersonen im Hinblick auf die berichteten Subjektiven Theorien fundamental unterscheiden und dass ein enger Zusammenhang zwischen den geäußerten Sichtweisen und der selbstberichteten Unterrichtspraxis besteht. Vieles muss jedoch angesichts des begrenzten Um-

fangs des Fragebogens an der Oberfläche verbleiben. Fragebogen besitzen nicht die Flexibilität, die zur Auslotung von situationsbezogenen Sichtweisen not- wendig ist. Zudem besteht durch die Vorgabe von Begriffen und angesichts des Fehlens des Dialogs zwischen Fragendem und Befragtem die Gefahr von Fehlin-

te~ret~tion~nund Missverständnissen. Die Erfassung von Subjektiven Theorien mIt HIlfe emes standardisierten Fragebogens weist also Grenzen auf und ist durch eher qualitativ ausgerichtete Forschungsmethoden zu ergänzen. Von be- sonderem Interesse wird dabei sein, die verschiedenen Datenquellen aufeinander zu beziehen.

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