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30 Jahre luD-Programm - 25 Jahre Konstanzer Informationswissenschaft

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besteht darin, die Leistungsfähigkeit der Wissenschaften und die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, vor allem aber, neue Rahmenbedingungen und Gestaltungsspielräume für Wissen, Wachstum und Beschäftigung zu eröffnen. Mit den beschriebenen Strategien und Programmen soll dem Rechnung getragen werden.

214 E. Heute: Staatliche informationspolitische Initiativen für die Zukunft R. Kuhlen

30 Jahre luD-Programm - 25 Jahre Konstanzer Informationswi ssen schaft

Rainer Kuhlen, Konstanz

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Literatur

[I] Aus dem Vorwort des damaligen Bundesministers für Forschung und Technologie, Hans Matthöfer, luD-Programm der Bundesregierung 1974-1977.

[2] Strategisches Positionspapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, September 2002 (http://www.bmbfde/pub/information_vernetzen- wissen_aktivierenpdf)

[3] Aktionsprogramm ,,Informationsgesellschaft Deutschland 2006"

(http://www .bmbfde/pub/aktionsprogramm_informationsgesellschaft_2006. pdf).

[4] Förderprogramm Informations- und Kommunikationstechnik ,,IT-Forschung 2006"

(http://www .bmbfde/pub/aktionsprogramm_in formationsgese Iischaft_2006. pdf).

[5] "Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen" vom 22.10.2003 (http://www.zim.mpg.de/openaccess-berlin/)

[6] Erklärung des Ausschusses für Wissenschafts- und Technologiepolitik der OECD "Access to Research Data from Public Funding", Paris, 29./30.1.2004 (http://www.oecd.org/document/0,2340,en_2649_34487_25998799_1_1_1_1 ,00.h tml)

Schon der Titel lässt vermuten, dass die Geschichte der Informationswissenschaft in Konstanz zu schreiben, eine für einen Beitrag in einem Sammelband zu komplexe Angelegenheit ist - wie sollte es auch anders sein: 25 Jahre sind höchstens als Zeitextension linear, in der Entwicklung eher eine Springprozession oder ein nicht-lineares Navigieren durch die Barrieren in einem von klassischen Disziplinen wie Physik, Wirtschaftswissenschaft oder Germanistik beherrschten Terrain, in dem die Informationswissenschaft kaum eine institutionelle Chance hatte und auch heute noch, nach 25 Jahren, ständig befragt wird, was das denn sei:

Informationswissenschaft'?

Diese Frage - und der folgende kurze Beitrag ist als Versuch der Komplexitäts- bewältigung, eher essayistisch und stark subjektiv als analytisch objektiv, - war auch der Anfang meines Weges in die Informationswissenschaft. 1972, nachdem ich einer Aufforderung von Dr. Gerhard Lustig, damals Leiter der Forschungs- abteilung der Zentral stelle flir maschinelle Dokumentation (ZMD), nachgekom- men war, mich für zwei Jahre, frisch aus der Universität als Assistent für Philo- sophie mit Interesse für Linguistik kommend, flir einen zweijährigen Kurs in Informationswissenschaft zu verpt1ichten, also 1972 mussten die vier Teilnehmer an diesem Kurs als erstes den Artikel von Harald Borko mit eben dem Titel

"Information science: What is it'?" (American Documentation Vol. 19, 1968, S. 3- 5) lesen und versuchen, sich damit auseinander zusetzen.

Ich muss sagen - und kann es deshalb auch heute noch nachvollziehen, wenn Studierende und erst recht deren Verwandte und Bekannte nicht recht erklären können, was denn das für ein Fach sei, auf das sie sich eingelassen haben -, dass wir alle zum einen nicht viel verstanden haben (kaum wussten wir, wie wir

"Retrieval" aussprechen sollten - bis heute kommen die Varianten [ritraivel] oder die Endbetonung [retrieval] bei den Studierenden zu Beginn ihres Studiums vor) -

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-76713

URL: http://kops.ub.uni-konstanz.de/volltexte/2009/7671/

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und zum andern einen gewissen Trivialitätsverdacht bezüglich dessen, was wir verstanden hatten, nicht los wurden. Dieser Verdacht erneuerte sich beständig, als wir mit den Papieren aus dem Umfeld des gerade im Entstehen befindlichen luD- Programms in Kontakt kamen bzw. mit den Vertretern der damaligen Dokumen- tations- und Informationswissenschatl diskutierten. die alle in die ZMD zu Vorträgen eingeladen waren, um uns (zwei Physiker, eine Biologin und mich als Philosoph/Linguist/Germanist/Soziologe) mit den Methoden und Gegenständen der Informationswissenschaft vertraut zu machen.

Es war natürlich der Hochmut bzw. das aus anderen Fächern gespeiste Selbst- bewusstsein des beschränkten Horizonts, der uns die Eigenständigkeit des informationswissenschaftlichen Ansatzes verkennen ließ. Diesen Hochmut trieb uns Gerhard Lustig dann sehr schnell aus, als er uns in seine Welt der Informa- tionswissenschaft und des automatischen Indexierens einführte und uns veran- lasste, erst einmal alles, was z.B. Gerard Salton bis dahin geschrieben hatte, durchzuarbeiten und uns zu eigen zu machen. Damit war auch vorprogrammiert, dass das Verhältnis zur ebenfalls damals erst im Entstehen befindlichen Informatik immer ambivalent blieb: Zum einen schien es uns unmöglich zu sein, eine Infor- mationswissenschaft ohne Informatik-Methodik zu betreiben, zum andern sahen wir aber auch, dass das damalige reduktionistische Verständnis der Informatik - nur das sei Gegenstand von Information, was auch Gegenstand der Berechnung durch Computer sein könne -, den zentralen Nutzen- und Nutzungsaspekt von

Information verkennen ließ.

war diese Arbeit immer suspekt, da ihnen das Performanzparadigma - nicht die linguistische Exaktheit oder die Ästhetik der Lösung zählt, sondern die erwartete Leistung, nämlich z.B. Wörter mit gleichen Stämmen zusammenzuführen - durchaus fremd blieb. Beispiele für Unverständnis und Abwehr bei Ausflügen in methodische Gefilde anderer Disziplinen kann wohl jeder Informationswissen- schaftler anbringen.

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Die Informationswissenschaft wurde in Konstanz 1980 als Spätfolge des IuD- Programms, parallel mit einem Lehrstuhl in Saarbrücken (HaraId Zimmermann), eingerichtet. Ihr konnte in der Universität eine gewisse Anerkennung nicht verwehrt werden, weil das damalige BMFT zwar nicht mehr die ursprünglich zugesagte und in der bekannten Kunz/Rittel-Studie vorgesehene institutionelle Förderung leisten konnte, aber doch in den ersten Anfangsjahren eine fLlr damalige Verhältnisse großzügige finanzielle Projektförderung.

Konfrontiert wurde ich mit dem Zwischen-allen-Stühlen-Sitzen zuerst bei dem Versuch, der mir nach der Präsentation meiner Forschungsergebnisse zum Abschluss der nachuniversitären Ausbildung in der ZMD angetragen wurde, näm- lich die Abschlussarbeit als Dissertation einzureichen. Zu wenig linguistisch, zu viel linguistisch, zu technisch/informatisch/mathematisch/ökonomisch, zu wenig technisch/informatisch/mathematisch/ökonomisch, .... - bis die Arbeit dann doch die Zustimmung von Harald Zimmermann in Regensburg fand - dieser selber vielleicht mehr zwischen den Stühlen sitzend, als es ihm als Geistes-/Sprach- wissenschaftler lieb sein konnte.

R. Kuhlen E. Heute: 30Jahre luD - 25Jahre Konstanzer Informationswissenschaft

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Für mich, vielleicht anders bei den anderen drei naturwissenschaftlich geprägten Azubis, bestand seitdem die Herausforderung, Informationswissenschaft zugleich als technische. informatiknahe und als sozialwissenschattliche Disziplin zu begreifen und zu entwickeln. Letzteres durchaus eher interdisziplinär mit vielen methodischen Anleihen bei Wirtschatls-, Politik-, Sprach-, Kultur- Medien- wissenschaft und Psychologie - um nur diese zu nennen.

Aber damit war die Informationswissenschaft von Beginn an bis heute eigentlich immer zwischen allen Stühlen. Man verwendete das Rüstzeug der Linguistik, z.B.

um morphologische Reduktionsalgorithmen zu entwerfen; aber den Linguisten

Dass damit schon zu Beginn die institutionelle dauerhafte Einbindung in die Universität gefahrdet war bzw. tatsächlich unmöglich gemacht wurde, ahnte ich damals noch nicht - hätte es aber der besorgten Frage und dem besorgten Blick von Dr. Lechmann, dem Vater des luD-Programms, entnehmen können, der bei dem ersten "Antrittsbesuch" im Ministerium wissen wollte, ob ich den Ruf auf die Konstanzer Professur denn angenommen hätte. Der Hintergrund war natürlich sein Wissen, dass es sich schon Mitte 1980, noch in der Zeit der sozialdemokratischen Kanzlerschatl von Helmut Schmidt, abzeichnete, dass es für eine Umsetzung eines der zentralen Ziele des luD-Programms, nämlich die Einrichtung einer arbeits-

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218 E. Heute: 30Jahre luD - 25 Jahre Konstanzer Informationswissenschaft

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An der Universität Konstanz wurde der 1980 mit mir besetzte Lehrstuhl in die Sozialwissenschaftliche Fakultät gesteckt, zusammen mit der Verwaltungs- und Politikwissenschaft in einer Fachgruppe. Als die Verwaltungswissenschaft dann eine eigene Fakultät gründete, zog die Infonnationswissenschaft (in ihrer Zuständigkeit für Infonnation Management) mit und wurde zu einer Fachgruppe in der Fakultät für Politik- und Verwaltungswissenschaft. Das ging so etwa zehn Jahre gut, bis bestimmende Teile der Verwaltungswissenschaft es doch vorzogen, tahigen, sich in der Ausstattung an internationalen (US- jStandards orientierenden Infonnationswissenschaft (vgl. die Zielvorstellungen bei Kunz/Rittel), keine politische Unterstützung, auf jeden Fall kein Geld mehr gab.

Das mit dem Geld war damals natürlich noch kein Quasi-Naturgesetz. Geld war da, wenn das Ziel politisch korrekt und ökonomisch kompatibel war. Der Beginn der Infonnationswissenschaft in Deutschland fiel in den ersten Boom der Infor- matik, die großzügig und flächendeckend eingerichtet wurde. Die unzureichende personelle Ausstattung der Informationswissenschaft und die daraus resultierende fehlende fachliche Breite und Tiefe, die diese in den Stand der Wett- bewerbsunfähigkeit mit den etablierten Disziplinen setzte, war Ausdruck der bis heute vorherrschenden technologischen Sicht auf Information bzw. Informations- gesellschaft.

Für die Infonnationswissenschaft an den Universitäten, anders als bei den ent- sprechenden Einrichtungen in den Fachhochschulen, die angesichts des offen- sichtlichen professionellen Bedarfs expandierten, begann, nicht nur in Konstanz, sondern auch in Saarbrücken, vorher in Berlin und Düsseldorf, später in Hildesheim und Regensburg, die lange Zeit der Einzelkämpfer mit einigen beacht- lichen Hochs, was Akzeptanz von Seiten der Studierenden bzw. des Arbeits- marktes und Reputation in der Forschung anging. aber dann doch das dauerhafte Verharren auf einem institutionellen Minimum. Wer mag heute entscheiden, ob die Existenz der verschiedenen Minimalia dennoch als Erfolg des damaligen luD- Programms zu interpretieren ist oder als Zeichen fehlender politischer Beharr- lichkeit, wie es nach dem Ausscheiden der ersten Beförderer des Informations- gebietes in Deutschland lange Jahre aus dem BMBF zu erkennen war?

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sich als Politikwissenschaft und/oder Managementtheorie zu verstehen und damit die Informationswissenschaft als Fremdkörper empfanden, der zudem dringend selber benötigte Ressourcen an sich band.

Die Loslösung von der Verwaltungswissenschaft schien auch im Interesse der Gesamtuniversität zu liegen, nämlich dem vom Ministerium in Baden-Württem- berg auferlegten Sparzwang ab Mitte der 90er Jahre durch Synergieeffekte zu begegnen. Eine nicht zu leugnende Stammformen-Verwandtschaft der Informa- tionswissenschaft mit der Infonnatik schien der Universitäts leitung ausreichend, die inzwischen auf drei Professuren angewachsene Informationswissenschaft (zwei C4, eine C3) mit den drei, für sich auch kaum lebensfähigen Infonnatik- professuren zusammenzulegen. Offenbar konnte weiter keine zufriedenstellende Antwort auf Borkos 1968er Frage gegeben werden. Dass sich inzwischen eigen- ständige infonnationswissenschaftlichen Traditionen und Institutionen, nicht zuletzt im Ausgang von Konstanz - Gründung des Hochschulverbandes für Infonnationswissenschaft (HI), eine eigene umfängliche informationswissen- schaftliche Schriftenreihe, erfolgreiche ISI-Konferenzen, ... -, gebildet hatten, interessierte zu Zeiten der Knappheit und des Interesses an direkter kommerzieller Verwertung weniger.

Die Informationswissenschaft wurde bei einer erneuten Reorganisation der universitären Strukturen in Konstanz in einer Fakultät "Mathematik und Informatik" untergebracht. Nicht lange, dann wurden die Fakultäten zugunsten von drei Großsektionen aufgelöst, und eine neue Fachgruppe mit dem Namen

"Infonnatik und Informationswissenschaft" wurde zusammen mit Physik, Chemie, Biologie. Psychologie und Mathematik Teil der naturwissenschaftlichen Sektion.

Wer hätte das gedacht - Informationswissenschaft, zusammen mit Infonnatik, Teil der Naturwissenschaft? Bei Borko hatte sich nichts dergleichen gefunden - vielleicht bei Farradane in seinem informationstheoretischen Ansatz (The nature 01'information. In: Journal ofInformation Science Vol. I, 1979, I, S. 13-17).

Die Zusammenlegung mit der Infonnatik kann als Beginn des Endes der Autono- mie der Infonnationswissenschaft in Konstanz verstanden werden, zumindest was den eigenen Studiengang anging, der seit 1982 über gut 15 Jahre als Diplom-

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Autbaustudiengang betrieben wurde, aus dem mehr als 600 Absolventen in gute Arbeitsplätze entlassen wurden, in dem ca. 25 Personen ihren Doktortitel erworben hatten und aus dem die Fachwelt inzwischen über 20 Professuren in Universitäten und Fachhochschulen rekrutieren konnte.

Nicht dass es seit dieser "Vereinigung" keine Informationswissenschaft In

Konstanz mehr gäbe, aber das institutionelle Einlassen auf die Informatik ftihrte fast unvermeidbar zu einer Autonomieverminderung. Die Aufgabe eines selb- ständigen Studiengangs muss zweifellos unter fachpolitischen Gesichtspunkten als Verlust angesehen werden, zumal es nicht leichter geworden ist (aber auch nicht restriktiv schwierig), den wissenschaftlichen Nachwuchs über Promotionen und Habilitationen weiter heranzubilden. Ist das auch ein Indiz dafür, dass interdiszi- plinär (hier: mit einern ganzheitlichen Blick auf Information) angelegte Studien- gänge, obgleich von der Berufspraxis nachgefragt, im Kampf um die knapper werdenden Ressourcen wenig Chancen haben?

Für die informationswissenschaftliche Forschung musste und muss die Nähe zur Informatik nicht zwangsläufig als Verlust verstanden werden, vor allem deshalb, weil von Beginn an und fortgesetzt über viele Drittmittelprojekte (finanziert von BMBF, DFG, EU, Land, Industrie) Forschung überwiegend konstruktiv- experimentell betrieben werden konnte. Fast immer waren mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter Informatiker bzw., nach der Einrichtung der Bachelor- und Master- Studiengänge "lnforn1ation Engineering" im Fachbereich "Informatik und Informationswissenschaft" (ab 1998), Absolventen dieser Studiengänge. Insofern hatte die Konstanzer Informationswissenschaft kaum Schwierigkeiten, auch tech- nisch qualifizierte Mitarbeiter/innen zu gewinnen, die sich in der Regel rasch ftir genuine informationswissenschaftliche Themen wie z.B. automatisches Abstract- ing, Entwicklung grafischer Interfaces, elektronische Informationsdienste und Marktplätze, elektronische Wörterbücher, computergestützte Kommunikation, kollaboratives Wissensmanagement, begeistern konnten. Dem Forschungsoutput hat dies gut getan, ebenso der Nachfrage nach politischer Beratung im Land und im Bund.

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Auch haben die überwiegend technisch ausgerichteten Studierenden des Informa- tion Engineering die von der Informationswissenschaft auch angebotenen Themen bzw. Kurse aus dem Umfeld von Infonnationspolitik, Inforn1ationsmarkt, Kom- munikationsformen, Informationsethik und Informationsrecht (hier vor allem das Urheberrecht) aufgegriffen. Die Attraktivität der Informationswissenschaft für die Studierenden zeigt sich vielleicht auch darin, dass der größere Teil der Absolven- ten sowohl des Bachelor- als auch des Masterzweigs eher ihre Abschlussarbeiten bei den beiden informationswissenschaftlichen Fachvertretern anfertigen, obwohl ihnen inzwischen acht Informatik-Professuren "gegenüberstehen".

Fazit: Für mich persönlich hat Informationswissenschaft 1972 begonnen. Die Geschichte des luD-Programms ist also auch weitgehend die Geschichte der Konstanzer Informationswissenschaft. Abstriche sind bei beiden an der dauer- haften institutionellen infrastrukturellen Absicherung zu machen. Das Ende der Gesellschaft fLir Information und Dokumentation (GID) hat zur Marginalisierung des Informationsgebietes in Deutschland beigetragen. Die lange betriebene Deregulierungspolitik hat leistungsfahige Informationsmärkte entstehen lassen, aber große Teile der Infrastruktur bzw. das, was heute "Commons" heißt, zerstört und den freien Zugriff auf Wissen und Information zugunsten der kommerziellen Verwertung eingeschränkt. Die auf Emanzipation und Partizipation ausgerichteten Themen und Ziele des luD-Programms und der Informationswissenschaft sind heute weiterhin aktuell, auch wenn sie, wie erwähnt, mit dem weltweiten Trend der Kommerzialisierung von Wissen und Information zu kämpfen haben. Die These der Information als Wissen in Aktion muss weiter erst einmal erklärt werden, leuchtet dann aber den meisten, auch Fachfremden, ein, zumal sie in der Interpretation offen fLir Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft, Kultur und auch die Publikumsmärkte ist. Die originalen materialen Themen der Ob die ftir Anfang 2005 anstehende Akkreditierung der Studiengänge des Inforn1ation Engineering dazu verhelfen wird, die informationswissenschaftlichen Komponenten auch personell bei den Lehrstuhlanteilen zu verstärken oder auch nur dauerhaft zu erhalten - formell sind Informationswissenschaft und Informatik gleichberechtigte Spezialisierungsmöglichkeiten des Information Engineering -, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich ist es nicht.

E. Heute: 30Jahre luD - 25Jahre Konstanzer Informationswissenschaft 220

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222Informationswissenschaft - Infonnation Retrieval, Wissensrepräsentation, Infor-E. Heute: 30Jahre luD - 25 Jahre Konstanzer Informationswissenschaft

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~'? . R. Kuhlen 223

mationsmanagement, computergestützte Kommunikation, ... - durchdringen mehr und mehr viele anderen Fächer, vor allem dabei natürlich die Informatik, die sich nicht zuletzt durch diese Beerbung in der langen Sicht vielleicht als die bessere, zumindest die erfolgreichere Informationswissenschaft erweisen könnte. Nicht ohne Grund werden nicht nur in Baden-Württemberg, zuweilen zum Ärger der Informatik, die Fächer im weiteren Umfeld von Information, als die Infonnations- wissenschaften bezeichnet.

Das Überleben im neutralen Pluralbegritf ist jedoch nicht befriedigend. Es spricht einiges dafür, dass Gesellschaften, wie USA; England, aber auch Korea, Japan, China und Indien, nicht zuletzt dadurch weiter in Richtung einer entwickelten Informationswirtschaft und -gesellschaft gekommen sind, dass sie die methodisch- kontrollierte, professionelle, wissenschaftlich begründete Informationsarbeit auch institutionell mit eigenen Infrastrukturen abgesichert haben. Das Ziel der Informationswissenschaft kann es daher nicht nur sein, die wenigen autonomen Bereiche der Informationswissenschaft zu erhalten, sondern auch weiter auf Konsolidierung und Ausbau zu setzen. Wenn es, gemäß dem Lissaboner Beschluss der EU, das Ziel auch in Deutschland ist, den europäischen Raum zum leistungsfähigsten Informationsmarkt der Welt zu machen, könnte die Erinnerung an die Ziele des alten luD-Programms hilfreich sein.

Ein Programm ist nicht immer ein Programm.

Bemerkungen zum Fachinformationsprogramm der Bundesregierung 1985-88

Aus: Nachrichten für Dokumentation. (NfD) Vol. 37,2,1986,73-78

Rainer Kuhlen, Konstanz

Der Artikel enthält eine kritische Sicht des Fachinfonnationsprogramms 1985- 1988 der Bundesregierung, ein halbes Jahr nach seiner Veröffentlichung. Das Programm ist nur beschränkt ein Programm. Das ganze Gebiet der Infonnation in einer modemen Gesellschaft umfasst es nicht: Infoffi1ation im Sinne der Informa- tionswissenschaft. Der ökonomistische Grundansatz schneidet kreative Bereiche der Fachinfonnation (z.B. der Geistes- und Sozialwissenschaften) heraus. Politi- scher Planungsbedarf zur Gestaltung einer Infonnationsgesellschaft bleibt bestehen.

"Fachinfonnation", das Programm der Bundesregierung mit der Laufzeit 1985-88, ist ein halbes Jahr alt. Mit ihm setzt die Bundesregierung die Kontinuität des staatlichen Engagements für Information und Dokumentation, heute: Fachin- fonnation fort. Ob unter sozial-liberaler oder liberal-konservativer Regierung, Fachinformation bleibt ein politisches Thema und ist weiter politisch förderungs- würdig (jetzt mit einem Volumen von etwa einer Milliarde DM). Der Topos von Information als "Produktionsfaktor" oder "Rohstoff' - so irreführend er auch ist, denn Infonnation bekommt ihren Wert ja gerade erst als veredeltes, dem jeweiligen Zweck angepasstes Produkt - trägt weiterhin, zumal die politisch gewünschte ökonomische Assoziation sich dabei zwangsläufig einstellt.

Für eine historisch-kritische, distanziert abwägende Darstellung ist es noch zu früh, zumal Implementierungsresultate noch kaum zu verzeichnen sind. Gefragt sind zurzeit noch Meinungen, die damit zugleich auch Orientierung in einer momentan kritischen Situation der Fachinfonnation sein können. Das Programm scheint das Schicksal zu haben, dass es niemand liebt, dass man sich nicht mit ihm

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