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Akzente Das Magazin der Pädagogischen

Hochschule Zürich

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blog.phzh.ch/akzente

Tagesschulen – ganzheitlicher Lern- und Lebensraum

Seite 10

Klassenassistenzen: Noch ist ihre Rolle nicht klar geregelt – ein neues Angebot der PH Zürich hilft weiter

Seite 27

Kolumne: Wahres Lernen ohne Schule?

Zwei Bildungsexperten im Gespräch Seite 37

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Ausstellung im Forum PLOT IN PLASTILIN 6. März bis 18. September 2016

Plastilin ist weit mehr als Kinderknete. Das vielfältig wandelbare und mühelos formbare Material ist ein kreatives Paradies son- dergleichen und die Fülle an hervorragenden Plastilinwelten scheint schier unerschöpflich, nicht nur im Animationsfilm, son- dern auch in zeitgenössischer Kunst und im Produktedesign.

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Inhaltsverzeichnis/Editorial Im Vergleich zum nahen

Ausland haben Tages- schulen in der Schweiz einen schweren Stand.

Gut möglich aller- dings, dass sich das Modell auch hierzulande durchsetzen wird. Die Nachfrage zumindest ist vielerorts vorhan- den. Wenn Schule Unter- richt, Essen, Hausauf- gaben und Freizeit vereint, bedingt dies eine verstärkte Zusam- menarbeit zwischen den einzelnen Professi- onen – Betreuende und Lehrpersonen rücken näher zusammen. Worauf es dabei ankommt, beschreibt der Haupt- artikel ab Seite 10.

Verbringen Kinder und Jugendliche zehn und mehr Stunden in der Schule, erhalten die Unterrichts- und Aus- senräume eine besondere Bedeutung. Ueli Keller vom Netzwerk Bildung &

Raum sagt: «Innerhalb der Schule hat der Raum nach den Lehrpersonen und den Peers den stärks- ten Einfluss auf den Lernerfolg der Schüle- rinnen und Schüler.» Was dies für die Raumgestal- tung bedeutet, erklärt Keller im Interview.

Uster hat den Schritt hin zur Tagesschule be- reits vollzogen. Seit dem vergangenen Sommer betreut dort ein fünf- zehnköpfiges Team an fünf Tagen in der Woche rund 60 Mädchen und Buben. «Akzente» hat die Schule an einem Tag besucht. Wie diese mit der neuen Situation umgeht, beschreibt die Reportage.

Mit einer Reihe von Neuerungen wartet auch dieses Heft auf – in Form von drei neuen Rubriken.

Worum es dabei geht, erfahren Sie auf den Seiten 32, 37 und 38.

– Christoph Hotz

Inhalt 1/2016

4 Vermischtes Tagung «Quereinstieg»

7 Eine Frage, drei Antworten Was mögen Sie an

Ihrem Beruf?

9 Seitenblick Besser als ihr Ruf

10 Schwerpunkt Ganztagesbildung Leitartikel: mehr als

Unterricht und Betreuung Meinungen: wie Studierende

über Tagesschulen denken Interview: Ueli Keller,

Netzwerk Bildung & Raum Reportage: ein Tag in der

Tagesschule Uster

24 Studierendenseite

Porträt, Masterarbeit, Kolumne 27 PH Zürich

Weiterbildung: Angebote für Klassenassistenzen Forschung:

Fotografieren als Einstieg in die Berufswahl

Ausbildung:

Berufliche Nachqualifizierung für Erwachsene

Dienstleistung – Evaluationen:

«Dann besteht die Gefahr der Zufälligkeit»

32 Schule in aller Welt Herumtollen statt auswendig

lernen

34 Medientipps 37 Unter vier Augen

Wahres Lernen ohne Schule?

38 Instagram #takeover 38 Impressum

10 Die Tagesschule – ein ganzheitlicher Lern- und Lebensraum, der Unterricht, Essen, Hausaufgaben und Freizeit vereint.

Die Schule rückt

zusammen

Fotos: Alessandro Della Bella (Cover und Inhalt)

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Vermischtes

Tagung «Quereinstieg in den Lehrberuf»

Aus welchen Gründen wechseln Perso- nen aus verschiedenen Berufsfeldern in den Lehrberuf? Und wie gelingt das «Training on the job»? Diese Fragen standen im Zentrum der Tagung «Quereinstieg in den Lehrberuf» an der PH Zürich vom vergangenen November. Das Projektteam «REQUEST – Begleitstudie zu den Quereinstiegstudiengängen der PH Zürich»

führte zusammen mit der PHBern und der PH FHNW die Veranstaltung durch.

Am Vormittag beleuchteten drei Refe- rate den Lehrberuf als zweiten Karriereweg.

EDK-Präsident Christoph Eymann veran- schaulichte die bildungspolitische Sicht und sprach sich für die weitere Etablierung von Quereinstiegstudiengängen aus. Lucien Criblez von der Universität Zürich zeigte die histori- schen Zyklen von Mangel und Überschuss an Lehrpersonen auf. Er gab zu bedenken, dass eine staatliche Übersteuerung bei Lehrkräfte- mangel schnell in einen Überschuss und damit in die Arbeitslosigkeit von Lehrpersonen mün- den kann. Schliesslich referierte die niederlän- dische Forscherin Anke Tigchelaar von der Universität Utrecht zu den Erfahrungen mit Quereinsteigenden. Ähnlich wie in vielen euro- päischen Ländern herrscht auch in den Nieder- landen Lehrpersonenmangel im Sekundar- schulbereich. Dabei zeigt sich, dass der stets vorausgesetzte Transfer von Lebenserfahrung und Wissen aus vorher ausgeübten Berufen in

die Lehrpraxis nicht immer gelingt. Insbe- sondere romantische Vorstellungen über den neu angestrebten Beruf können zu einem Realitätsschock führen. Um diesem vorzu- beugen, wurde in den Niederlanden bei Quereinsteigenden ein gestufter Berufsein- stieg über zwei Jahre mit reduziertem Pens- um eingeführt.

In drei Workshops wurden anschlies- send aktuelle Forschungsergebnisse präsen- tiert. Dabei wurde unter anderem die Frage diskutiert, wie die Pädagogischen Hochschu- len den Quereinsteigenden ein noch realisti- scheres Bild von Schule vermitteln können.

In ihrer Tagungsbilanz verwiesen Andreas Hoffmann-Ocon von der PH Zü- rich und Claudia Crotti von der PH FHNW auf eine weiterführende Frage: Warum wird in Anbetracht der immer vielfältigeren Be- rufsbiografien der Quereinstieg in den Lehr- beruf lediglich als Massnahme gegen den Lehrpersonenmangel und nicht als einer von mehreren «normalen» Wegen angesehen?

Ein Anstoss, der die Tagungsverantwortli- chen zum Weiterdenken anregt!

– Christa Kappler

Referate, Infos und weitere Dokumente:

forschung-quereinstieg.ch

Christa Kappler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabtei- lung der PH Zürich.

Kommende Ver- anstaltungen 9. April

Netzwerktagung 2016

Im Zentrum stehen der Lehrplan 21 und seine Bedeutung für die schulische Gesundheitsför- derung und Präven- tion.

27. Mai

Symposium Per- sonalmanagement Worauf es speziell in Zeiten des ständigen Wandels in der Personal- führung wirklich ankommt.

25. Juni

Tagung Klassen- führung

Die Tagung gibt Lehrpersonen und Schulleitenden konkrete Anregun- gen für den Schul- alltag.

Weitere Informa- tionen zu den Veranstaltungen:

phzh.ch Fot

o: Christoph Hotz Fotos: Markus Forte, Reto Klink

Setzte den Lehrper- sonenmangel in einen historischen Kontext: Lucien Criblez von der Uni- versität Zürich.

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Vermischtes

Foto: Christoph Hotz

PHZH in Zahlen

Fotos: Markus Forte, Reto Klink

Aktuelles

Lehrpreis 2015 geht an Karin Haller

Karin Haller, Dozentin im Bereich Fremdsprachen auf der Sekundar- stufe 1 der PH Zürich, ist mit dem Lehrpreis «CS Award for Best Teaching» 2015 zum Thema «Lern- prozesse begleiten» ausgezeichnet worden.

Lotteriefonds unterstützt Projekte der PH Zürich

Das Zentrum International Pro- jects in Education (IPE) der PH Zürich erhält vom Lotteriefonds insgesamt 610 000 Franken Unter- stützung für ein neues Demokra- tie- sowie ein neues Berufswahl- projekt.

Walter Bircher feierlich verabschiedet

Ende Dezember ist Rektor Walter Bircher in den Ruhestand verab- schiedet worden. Mitarbeitende der PH Zürich, ehemalige Weggefähr- ten sowie Gäste aus Politik und Bildung kamen, um dem abtreten- den Rektor ihre Reverenz zu er- weisen. Birchers Nachfolger Heinz Rhyn hat sein Amt Anfang Januar angetreten.

Auszeichnung Kurt-Bigler-Preis Heinz Bachmann von der PH Zürich für sein Buch «Von Ausch- witz nach Beverly Hills» sowie Franz Dängeli und Stefan Mächler für das act-back Theater «Was be- Ein letztes Mal den Taktstock in der Hand: Walter Bircher dirigiert ein Stück des Hochschulchors.

Preisstifterin Margrith Bigler (l.), Preisträger Bachmann (M.), Mächler (2. von r.) und Dängeli(r.).

deutet uns der Holocaust heute?»

sind mit dem Dr. Kurt-Bigler-Preis ausgezeichnet worden. Der Preis zeichnet herausragende Projekte in der Holocaust Education aus. 2014 ist die Verleihung von der Dr. Bigler / Bergheimer-Stiftung an die PH Zürich übertragen worden.

Befragung zu «Akzente»:

Zeitschrift kommt bei Leserschaft gut an

Im vergangenen Herbst führte das Institut für Angewandte Medien- wissenschaft (IAM) der ZHAW für die PH Zürich eine Onlinebefra- gung bei Lehrpersonen, Schullei- tenden und PHZH-Mitarbeitenden zur Nutzung von «Akzente» durch.

Insgesamt nahmen 347 Personen teil. Die Ergebnisse zeigen ein posi- tives Bild. Das Magazin wird als informativ wahrgenommen, und Schulleitungen sowie Lehrpersonen können daraus Anregungen für ihre Arbeit mitnehmen. Insgesamt nut- zen das Heft 60 Prozent regelmässig (mindestens jede zweite Ausgabe).

56 Prozent bewerten es als sehr gut (76 Prozent Schulleitende, 59 Pro- zent Lehrpersonen, 45 Prozent Mitarbeitende). Dabei fällt insbe- sondere bei den Schulleitungen die Bewertung des Inhalts positiv aus.

Layout, Bilder und Lesefreundlich- keit schätzen 60 Prozent als gut bis sehr gut ein. Bei Personen, die das Heft nicht lesen, sind hauptsächlich Zeitgründe ausschlaggebend.

Anzahl Primarstufen- Studierende pro Wahl- pflichtfach*

* Studierende auf der Primarstufe belegen je drei Wahlpflichtfächer sowie vier Pflichtfächer (Deutsch, Mathematik, Mensch und Umwelt, Französisch oder Englisch).

Total Studierende: 1137; Stand: Ende 2015 Bewegung und

Sport

Bildnerisches Gestalten

Musik Werken

Werken Textil

Englisch (als 2. Fremdsprache)

Französisch (als 2. Fremdsprache)

886

793

588 605

386

128

25

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Meinungen

Eine Frage, drei Antworten:

Was mögen Sie an Ihrem Beruf?

Jeweils am letzten Dienstag im Monat sitze ich mit meinen Kochkollegen zusammen.

Dabei kommen wir im Gespräch oft auf unseren Berufsalltag zu spre- chen. Der Rückversicherer, der Gartenbauinhaber, der Steuerkom- missär, der Banker und der Sanitär- monteur erzählen meistens von schwierigen und eintönigen Arbeits- tagen, ich hingegen mache mir dann schmunzelnd Gedanken zu meinem Lehreralltag. Einmal er- lebte ich gerade wieder einen be- sonders farbigen Schultag, der mit einer morgendlichen Teamstunde mit Schwerpunkt «Altersdurch- mischtes Lernen» anfing. Danach baute meine Klasse auf dem Seeweg den lang vorbereiteten Planetenweg auf. Bei den einzelnen Himmels- körpern erfuhren Schülerinnen und Schüler Details über die immensen Dimensionen unseres Sonnensys- tems. Später reflektierten wir mit einem «World Cafe» diese Projektar- beit. Über Mittag erholte ich mich im Lehrervolleyball. Der Nachmit- tag mit Klassenrat und anschlies- sendem «Schulischen Standortge- spräch» war geprägt von Schüler- mitsprache und Zusammenarbeit mit Fachlehrkräften und Eltern.

Diese Vielseitigkeit mag ich an meinem anspruchsvollen, aber

wundervollen Beruf besonders.

Täglich warten ganz unterschied- liche Aufgaben auf mich. Nebst meiner Rolle als Experte für Unter- richt und Erziehung und als Be- zugsperson und Vorbild schätze ich die Kooperation mit meinem Kolle- gium und der Elternschaft sowie die Mitwirkung an unserer Schulent- wicklung. Mein Beruf entspricht ge- nau den von unserer Kochgruppe je- weils servierten Dessertvariationen.

Ich habe einen ausserordentlich spannenden und vielseitigen Beruf.

Ganz besonders schätze ich, dass ich täglich mit Kindern und Er- wachsenen zu tun habe, die sich auf ihre persönliche Weise einbringen und die Schule mitgestalten. Mir liegt viel daran, diese Ressourcen auf allen Ebenen zu nutzen, Poten- ziale zu fördern und wertschätzend mit den Mitarbeitenden, Schüle- rinnen und Schülern sowie Eltern zusammenzuarbeiten. Die Verant- wortung dafür, einen positiven Lernort zu schaffen, nehme ich zusammen mit meinem Team jederzeit gerne wahr. Wenn es uns gelingt, die Vielfalt als Bereiche- rung und Probleme als Entwick- lungschance zu sehen, wird die Arbeit zu einer spannenden Auf- Andreas Müller-Winkler,

Primarlehrer, Au

Bernadette Herzog, Schulleiterin, Adliswil

gabe. Ich habe täglich die Möglich- keit, einen Beitrag zu leisten an ei- nem Ort, an dem die Menschen ihre Stärken einbringen können und mit Freude arbeiten.

Ich arbeite seit 15 Jahren in der Schulpflege Horgen mit, seit sechs Jahren bin ich Schulpräsiden- tin und seit rund drei Jahren zudem Gemeinderätin. Unsere Gemeinde umfasst 1900 Schülerinnen und Schüler sowie 350 Mitarbeitende an der Schule. Dies macht das Amt zu einer abwechslungsreichen und spannenden Herausforderung.

Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung meiner Arbeit sind Fle- xibilität und Umsicht, eine Affinität für die Schule und dass man ein Ge- spür für Menschen hat. Die stetigen Veränderungen der Gesellschaft, die Entwicklungen im Schulalltag, anspruchsvolle Eltern und der Um- gang mit den steigenden Kosten im Schulbereich prägen das Amt. Da sind Optimismus, Mut, ein gewisses Selbstbewusstsein und Durchset- zungskraft gefragt. Meine Aufgabe in diesem anspruchsvollen Umfeld bereitet mir viel Freude, manchmal macht sie mir auch Sorgen, am Ende aber bringt sie mir immer Erfüllung.

Elisabeth Oberholzer, Schulpräsidentin, Horgen

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Illustration: Elisabeth Moch

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Seitenblick Kürzlich, am Elternabend

in einer Primarschule zum Thema Computerspiele und Freizeit: Es gebe, so erfahren die anwesenden Eltern, für ihre Sprösslinge entwe- der sinnvolle oder sinnlose Frei- zeitbeschäftigungen. Der Klassen- lehrer erklärt mit ernster Miene die Verwendung des «Lesepasses». So könne man die Kinder zu einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung anleiten und sie von sinnlosen Computerspielen abhalten.

Woher eigentlich rührt der anhaltend schlechte Ruf von Com- puterspielen in pädagogischen Kreisen? Bereits die Vielfalt der Game-Genres scheint nämlich Ver- allgemeinerungen unmöglich zu machen. Sie reicht von einfachen Geschicklichkeitsspielen über Ac- tion-Adventure-Games, Simula- tions- und Strategiespielen bis hin zu den erst seit neuerem entwickel- ten Serious Games. Vergleichbar mit Filmen und Büchern reicht auch hier die Palette von höchster Qualität bis zu Trash. Wie soll man Fussball-Spiele wie FIFA, in dem man mit seinem Lieblingsverein kickt, mit einem Strategiespiel wie Anno 1404 oder der sozialen All- tagssimulation bei den Sims ver- gleichen?

Digitales Spielen steht nicht mehr im kulturellen Abseits. Spätestens seit der Entwicklung der sogenann- ten Serious Games, welche eine Brücke zwischen Theorie und An- wendung schlagen, wird das Po- tenzial von Computerspielen in breiteren Kreisen anerkannt. So kann das Spiel This War of Mine, in welchem es um das Überleben von Menschen in einem Bürger- kriegsgebiet geht, dem Spielenden nachhaltige Erfahrungen vermit- teln, zu denen man mittels Buch oder Film nicht gelangt. Serious Games werden in den USA auch mit Erfolg in medizinische Thera- pieprogramme eingebaut. Re- Mission ist ein Spiel, welches für krebskranke Kinder entwickelt wurde. Spielerisch geht es darum, Tumorzellen zu eliminieren. Ein spielerischer Sieg erhöht bei den Kindern den Glauben daran, dass sie auch ihre Krankheit besiegen können. Dadurch wird die Wider- standskraft der Kinder erhöht und die Verträglichkeit von Medika- menten verbessert.

Zahlreiche Untersuchungen kommen zum Schluss, dass ein moderater Konsum von Computer- spielen nicht mit negativen Effekten in Verbindung zu bringen ist. Im

Gegenteil, es gibt bezüglich räum- licher Orientierung, strategischem Denken und Feinmotorik sogar positive Effekte. Der damit ver- bundene Spass sowie die Entspan- nungsfunktion sollen dabei nicht unerwähnt bleiben. Es versteht sich von selbst, dass Computerspiele keine Nanny für Kinder sind. Da- her ist es unabdingbar, dass Eltern die Spiele ihrer Kinder kennen, die Auswahl mitsteuern sowie Verein- barungen über die zeitliche Nut- zung treffen. Auf diese Art können Computerspiele andere Freizeitbe- schäftigungen sinnvoll ergänzen.

Übrigens: Dass auch der am Elternabend hochgelobte «Lese- pass» unerwünschte Begleiterschei- nungen mit sich bringen kann, erleben Vater und Mutter kurz nach dessen Einführung. So ändert der Sohn, eine bis anhin zu Hause stundenlang in Bücher versunkene Leseratte, plötzlich sein Lesever- halten. Immer wieder fragt er, ob er nun in seinem «Lesepass» ein Feld, welches zehn Minuten lesen nach- weist, ausmalen könne. Der Inhalt des Buches interessiert ihn dabei kaum noch.

Karin Zopfi Bernasconi ist Dozentin für Pädagogische Psychologie an der PH Zürich.

Illustration: Elisabeth Moch

Karin Zopfi Bernasconi – Seitenblick

Besser als ihr Ruf

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Betrieb bis in die Abendstunden:

die Tagesschule Horgenberg in der Dämmerung.

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Die Schweiz hinkt bei der Ganztagesbetreuung im internationalen Vergleich hinterher. Tagesschulen stellen aber auch hierzulande das Zukunftsmodell dar. Um die Vorteile nutzen zu können, müssen Zuständigkeiten sauber ausgehandelt werden.

Text: Melanie Keim, Fotos: Beat Bühler

Mehr als Unterricht

und Betreuung

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Schwerpunkt Ganztagesbildung Stichwörter wie «Staatskinder» oder «Verschulung der Kindheit» zeigen: Das Thema Ganztagesbildung er- hitzt die Gemüter. Dass Emotionen in die Debatte rund um die Einführung von Tagesschulen einfliessen, ist ver- ständlich, tangieren Tagesstrukturen mit der Familie doch höchst sensible Bereiche. Aus einer Aussenperspek- tive mag die emotionsgeladene Debatte jedoch für Kopf- schütteln sorgen. Denn in der Schweiz wird heftig über eine Schulform debattiert, die im nahen Ausland längst eine Selbstverständlichkeit ist. Während der im Nach- gang der PISA-Studien angestossene Ausbau von Ganz- tagesschulen in Deutschland noch in vollem Gange ist, sind Tagesschulen in südlichen Ländern, Skandinavien und Grossbritannien nicht mehr wegzudenken. In Frank- reich, dem bezüglich Ganztagesbetreuung eine Vorreiter- rolle zukommt, provozierten geplante Kürzungen der schulischen Betreuungszeiten vor einigen Jahren gar hef- tige Protestreaktionen vonseiten der Eltern. Diese bestä- tigten, dass die 1880 eingeführte staatliche Ganztagesbe- treuung schlicht nicht mehr aus dem französischen Familien- und Berufsalltag wegzudenken ist.

Gemeinsam mit Österreich, das ein Halbtages- schulsystem kennt, nimmt die Schweiz also eine europä- ische Sonderposition ein. Auch hierzulande wurden in Landschulen zwar schon früh Mittagsverpflegung und Betreuung angeboten. Doch die Integration gut ausgebil- deter Mütter in den Arbeitsmarkt war nicht wie in ande- ren Ländern mit einer flächendeckenden Einführung von Ganztagesbildung verbunden, sondern mit einem bunten Flickwerk aus unterschiedlichsten Betreuungssituatio- nen. Am Anfang der Entwicklung zur vermehrten Berufs- tätigkeit von Müttern wurde die Kinderbetreuung primär im familiären Umfeld oder beispielsweise über Tagesmüt-

ter geregelt. Mit der wachsenden Anzahl betreuungsbe- dürftiger Kinder kamen jedoch zunehmend Forderungen nach institutionellen Lösungen auf, und vielerorts wur- den Mittagstische und Horte eingeführt. Doch abgese- hen vom Tessin stellen Tageschulen in der Schweiz nach wie vor eine Ausnahme dar.

«Wir haben in der Schweiz ein anderes Verständnis von Bildung und Erziehung», erklärt Sibylle Mathis, Do- zentin an der PH Zürich im Fachbereich Sozialisation und Differenz. Dieses Verständnis fusse auf einer Tren- nung zwischen formaler Bildung, die in der Schule statt- finde, und ausserschulischer Bildung und Erziehung, die in Familie und Freizeit angesiedelt seien. Daher sei die Ansicht, dass Tagesschulen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern haben, hierzulande noch wenig verbreitet. Selbst bei Eltern von Kindern, die eine Tagesschule besuchen, sei nicht zwingend ein solches Verständnis vorhanden, so Mathis.

Da jedoch auch in der Schweiz immer mehr Kin- der eine familienergänzende Betreuung benötigen, ist die Tagesschule auch hierzulande das Modell der Zukunft.

In der Stadt Zürich beispielsweise werden zurzeit 50 Pro- zent der Kinder im Primarschulalter familienergänzend in Tagesschulen, Kindertagesstätten und an Mittagsti- schen betreut, für 2025 wird bereits mit einem Anteil von 80 Prozent gerechnet. Als Reaktion auf diese Entwicklun- gen lancierte die Stadt Zürich das Pilotprojekt «Tages- schule 2025», das eine flächendeckende Einführung von Tagesschulen zum Ziel hat (siehe Box).

Mehr Freiheiten in der Planung

Ganztagesbildung soll laut Mathis als Chance zur konse- quenten Umsetzung eines umfassenden Bildungsbegrif- Grosser Bedarf: In der Schweiz benötigen immer

mehr Kinder eine familienergänzende Betreuung.

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fes betrachtet werden, der formale Bildung und informel- les Lernen vereint und eine Rhythmisierung des Lernens ermöglicht. Die Tagesschule wird zum ganzheitlichen Lern- und Lebensraum, der Unterricht, Betreuung und Begleitung, Essen, Hausaufgaben und Freizeit vereint.

«Wenn Schule als Ganztagesablauf geplant wird, sind Lehrpersonen auch freier in der Unterrichtsgestaltung und können besser auf die Bedürfnisse der Kinder einge- hen», sagt Mathis. Die Rechnung ist simpel: Verbringen die Kinder mehr Zeit in der Schule, kann flexibler zwi- schen formalen und informellen Einheiten, konzentrier- ter Arbeit und Pausen gewechselt werden, als wenn Lern- ziele innerhalb der kompakten Blockzeiten erreicht werden müssen. Eine Entwicklung zu einer freieren Zeit- strukturierung ist laut Mathis heute bereits auch in Schu- len ohne Tagesstrukturen zu beobachten. Vorgegebene Pausen würden zunehmend durch individuelle, dem Ta- gesprogramm gerechte Pausen ersetzt. Doch eine konse- quente Rhythmisierung des Schultages lässt sich nur mit einer gebundenen Tagesschulform umsetzen. In der ge- bundenen Tagesschule ist das Betreuungsangebot im Ge- gensatz zur ungebundenen Form obligatorisch. So sind alle Kinder zur Kernzeit, die Unterricht, Verpflegung und Betreuung umfasst, anwesend.

Förderung aller Kinder gewährleistet

Die geforderte Rhythmisierung darf aber nicht als akri- bisch durchgeplantes Programm verstanden werden.

Denn Rückzugsorte und Raum für freies Spielen ohne Leistungserwartungen sind wichtige Elemente einer gu- ten Tagesschule. Spricht Mathis von informellem Ler- nen, das im rhythmisierten Tagesablauf integriert wird, ist das im Sinne eines möglichen Angebotes zu verstehen, das zur Chancengleichheit beitragen kann und damit eine weitere Chance der Tagesschule darstellt. «Die An- regungen, die ein Kind neben dem formalen Unterricht in der Schule für eine gesunde geistige, soziale und emo- tionale Entwicklung braucht, können nicht in jeder Fa- milie geboten werden», sagt Mathis. Tagesstrukturen könnten hingegen gewährleisten, dass alle Kinder von Lern- und Spielanregungen, Förder- und Freizeitange- boten und der Unterstützung bei Hausaufgaben profi- tieren, wodurch soziale Ungleichheiten ein Stück weit ausgehebelt würden. Die Krux liegt jedoch darin, dass gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien in un- gebundenen Tagesschulen die freiwilligen Angebote we- niger nutzen. Dies nicht nur aufgrund der Kosten von Betreuungsangeboten, sondern teilweise auch aus einer Überforderung, die jede proaktive Handlung, wie sie eine Anmeldung darstellt, verhindert. «Die Betreuungsange- bote sollten gerade diesen Kindern, die in ihren Familien nicht oder nicht genügend gefördert werden, zur Verfü- gung stehen», sagt Mathis. Dies kann eigentlich nur eine gebundene Tagesschule gewährleisten, doch die Mehr-

Schwerpunkt Ganztagesbildung

Projekt «Tagesschule 2025»: Sechs Schulen starten im Sommer 2016

Bis im Jahr 2025 soll es in der Stadt Zürich nur noch Tagesschulen geben. Das ist das Ziel des Pilotprojekts «Tagesschule 2025». Angestossen wurde es indirekt von einer FDP-Motion zur Neu- regelung der Schulzeiten und einer SP-Motion für mehr Tagesschulen. Die Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz fällte 2012 einen Grund- satzentscheid für ein zukunftsweisendes, ein- heitliches Betreuungsmodell für die gesamte Stadt. In naher Zusammenarbeit mit der PH Zürich, der ZHAW und den Anspruchsgruppen (Schullei- tungen, Leitungen Betreuung, Eltern) wurde ein Modell für ein Pilotprojekt ausgearbeitet, wobei das QUINTAS-Modell (Qualität in Tages- schulen) der PH Zürich als Referenzrahmen beigezogen wurde.

Von anfänglich 30 interessierten Schulen blieben sieben Schulen zurück. Laut Erich Müller Vils, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Direktion Schulamt seit der Stunde null am Projekt beteiligt ist, sprachen aus Sicht der interessierten Schulen meist bauliche Gründe gegen eine Teilnahme in der ersten Pilotphase von 2015–2018. Für eine Teilnahme war im Schul- team zudem eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

In der Vorbereitungsphase sei viel Überzeu- gungsarbeit bei den Lehrpersonen und Eltern geleistet worden, so Müller Vils. Meist betraf diese Ängste oder Befürchtungen, die durch an- schliessende Diskussionen beseitigt werden konnten.

Obligatorium wird nicht angestrebt

Im Herbst 2013 wurde nach heftigen Reaktionen aus Politik und Gesellschaft die Idee eines Obligatoriums (unfreiwillige gebundene Form) verworfen. «Im momentanen Umfeld macht es kei- nen Sinn, ein Obligatorium durchzusetzen», so Müller Vils.

Im März 2015 stimmte der Gemeinderat dem Projektkredit von 19.1 Millionen Franken zu, im Sommer 2015 trat eine Schule aus dem Projekt aus, da eine breite Abstützung durch das Schul- team nicht mehr gegeben war. In den verblei- benden sechs Pilotschulen werden im Sommer 2016 einheitliche, langfristig gleichbleibende Stundenpläne nach entsprechenden Altersstufen eingeführt sowie eine gebundene Mittagsbe- treuung an Tagen mit Unterricht am Nachmittag und ungebundenen Betreuungsangeboten (auf Anmeldung) an Tagen ohne Unterricht am Nachmit- tag. Für die gebundene Mittagsbetreuung im Rahmen des Tagesschulbetriebs ist eine Abmel- dung möglich, für die ungebundenen Betreuungs- angebote eine Anmeldung nötig. An gebundenen Mittagen wird gestaffelt gegessen, sofern der Platz nicht für alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig ausreicht.

Die stadtweite Einführung von Tagesschulen soll im Vergleich zur heutigen Betreuungssi- tuation jährliche Einsparungen von 30 bis 40 Millionen bringen. Für die konkrete Umsetzung nach Ende des Pilotprojekts gibt es noch keinen konkreten Zeitplan. Laut Müller Vils wird momentan kein Obligatorium mehr angestrebt.

– Melanie Keim

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heit der Tagesschulen in der Schweiz geht nach wie vor den Weg des ungebundenen Modells.

Oftmals spielt in der Debatte ein traditionelles Fa- milienbild mit, gemäss dem die Erziehung ausschliesslich Sache der Familie ist. «Dieses Bild entspricht kaum der heutigen Realität», sagt Frank Brückel, Dozent im Wei- terbildungsbereich «Schule und Entwicklung» an der PH Zürich. «Die Kindheit heutiger Kinder ist eine komplett andere als jene ihrer Eltern.» Familienformen haben sich verändert, die Berufstätigkeit hat zugenommen, Arbeits- zeiten sind unregelmässiger und flexibler geworden.

Brückel fordert eine nüchterne Sicht auf die Thematik.

Statt die eigene Kindheit als Vergleich hinzuzuziehen, gelte es zu fragen, in welchem Umfeld Kinder heute gut aufwachsen können. «Die Tagesschule kann auf jeden Fall ein solcher Ort sein», sagt Brückel. Dieser Ansatz erfordert aber auch, dass keine Tagesstrukturen verord- net werden, wenn bei Eltern und Lehrpersonen keine Bereitschaft besteht.

Bei der Konzeptionierung und Weiterentwicklung von Tagesschulen beobachtet Brückel heute eine Umori- entierung. Beschäftigten sich Schulen früher vorwiegend mit Struktur- und Organisationsfragen, fliessen heute

zunehmend pädagogische Fragen in die Konzeption und Weiterentwicklung mit ein. «Es wird nicht mehr nur ge- fragt, wie man eine Tagesschule organisiert, sondern auch, was ihr Ziel ist.» Erst mit diesen Überlegungen sei man bei der Tagesschule angekommen. Für die Konkre- tisierung eines Schulkonzepts oder die Reflexion der be- stehenden Praxis steht die PH Zürich Tagesschulen mit einem Beratungsangebot zur Seite. Dabei kommt das von der PH Zürich mit Unterstützung der Stiftung Mercator Schweiz und der Ernst Göhner Stiftung erarbeitete Mo- dell QuinTas (Qualität in Tagesschulen) zum Tragen, das eine von allen Beteiligten gemeinsam erarbeitete Zielset- zung Struktur- und Prozessfragen voranstellt und das Wohlbefinden des Kindes ins Zentrum setzt. So lautet die Antwort auf die Einstiegsfrage, was eine gute Tages- schule ausmache, in den meisten Schulen gleich: «Dass die Kinder gerne zur Schule kommen.» Die gemeinsame

Zieldiskussion dauere zwar oft lange, doch fühlten sich Schulen, die sich auf diese Diskussion einlassen, danach gestärkt, sagt Brückel. Bei der Umsetzung der Ziele wer- de dann kaum noch Hilfe benötigt.

Bei diesen Diskussionen beobachtet Brückel bei Lehr- und Betreuungspersonen immer wieder Unsicher- heiten über die künftigen Zuständigkeiten, auch taucht oft die Frage nach der Nähe und Distanz zu den Schüle- rinnen und Schülern auf. «Muss ich mich am Mittag zur Betreuung zur Verfügung stellen, wenn ich das nicht will?», «Will ich den Kindern überhaupt eine andere Sei- te von mir zeigen?», «Was wird meine neue Rolle als Be- treuungsperson im Schulhaus sein?». Dies sind Fragen, die geklärt werden müssen, damit die Zusammenarbeit funktioniert. Als besondere Herausforderung bezeichnet Brückel die Zusammenarbeit der verschiedenen Profes- sionen. Eine enge Zusammenarbeit und ein reger Aus- tausch zwischen Lehr- und Betreuungspersonen können für beide Seiten entlastend sein, und gleichzeitig kostet dies Zeit und verlangt ein Ändern von Routinen. «Wenn es gelingt, die Professionen aus ihren Komfortzonen zu locken, dann ist der grösste Schritt getan», ist Brückel überzeugt.

Implizites explizit machen

«Damit die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen, Betreuungsteam und Eltern funktioniert, müssen die Zu- ständigkeiten erst klar ausgehandelt werden», sagt auch Patricia Schuler Braunschweig, die an der PH Zürich das Zentrum für Professionalisierung und Kompetenzent- wicklung leitet. Sie untersucht gemeinsam mit Christa Kappler im Rahmen des mit der ZHAW durchgeführten Schweizer Nationalfonds-Forschungsprojekts «AusTEr»

(Aushandlungsprozesse der pädagogischen Zuständig- keiten in Tagesschulen im Spannungsfeld öffentlicher Erziehung), wie diese Zuständigkeiten an Tagesschulen ausgehandelt werden. «An der Oberfläche sieht es schnell einmal aus, als laufe alles gut», sagt Schuler Braunschweig.

So werden beispielsweise an einer der untersuchten Schu- len für den Austausch zwischen Betreuungspersonen und Lehrpersonen wöchentlich 40 Minuten eingeplant. «Die 40 Minuten sind aber keine Garantie für eine gute Zu- sammenarbeit. Relevant ist, mit welcher Haltung man sich begegnet.» Folglich richtet sich der Fokus des Pro- jekts auf jene Strukturen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind und einer Zusammenarbeit im Wege ste- hen können, wenn sie nicht sichtbar gemacht werden.

In einer Vorstudie an einer Zürcher Tagesschule zeigten sich zwischen den sichtbaren Aushandlungen und den unausgesprochenen Erwartungen oftmals gros- se Unterschiede. So beklagten sich sowohl Lehrpersonen als auch Betreuungspersonen darüber, dass in vielen Si- tuationen unklar blieb, wer die Verantwortung über die Kinder hatte und sich unnötigerweise beide Professionen

Eine enge Zusammen- arbeit zwischen Lehr- und Betreuungspersonen kann für beide Seiten entlastend sein.

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verantwortlich fühlten. Und obwohl die meisten Beteilig- ten überzeugt waren, dass eine offene Haltung und ein guter Informationsaustausch zwischen den Professionen die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit bilde, bezogen sich Lehrpersonen oftmals ausschliesslich auf Lehrpersonen, wenn sie von einem Team sprachen, wo- hingegen sich bei Betreuungspersonen eher ein multipro- fessionales Verständnis zeigte. Während sich in diesem Verständnis eine potenzielle Aufwertung des Betreuungs- berufs mit der Eingliederung in die Schule ausdrückt, kann sich hinter der Haltung der Lehrpersonen eine Befürchtung zeigen, dass ihr Beruf durch zusätzliche Betreuungsaufgaben verwässert werde. Gemäss Schuler Braunschweig kann mit diesen impliziten Befürchtungen konstruktiv gearbeitet werden, wenn sie hervorgebracht und ausgesprochen werden.

Grundsatzdiskussion über Bildung und Erziehung Die Untersuchung bringt somit nicht nur Erkenntnisse für die Forscherinnen, sondern stellt gleichzeitig ein Mo- dell dar, wie die Zusammenarbeit der Professionen durch das Aussprechen impliziter Haltungen und Erwartungen verbessert werden kann. Die Reflexion und das Abglei- chen eigener Vorstellungen mit der Realität kommen auch in einem gemeinsamen Ausbildungsmodul der PH Zürich und der ZHAW zur Zusammenarbeit von Schule und sozialer Arbeit zum Zuge (siehe Beitrag rechts). Laut Schuler Braunschweig kommt es hier immer wieder zur überraschenden Selbsterkenntnis, wenn etwa angehende Lehr- oder Betreuungspersonen trotz einer positiven Einstellung gegenüber Tagesschulen auf eigene traditio- nelle Familienbilder stossen.

Zu den Beteiligten dieser Aushandlungsprozesse werden im Projekt «AusTEr» neben Lehr- und Berufs- personen die Schulleitung, Schulpflege, Eltern und Kin- der gezählt. Wenn die Schule viele Aufgaben übernehme, die traditionell zur Familienzeit gehörten, seien damit Erwartungen verbunden, sagt Schuler Braunschweig.

Und diese gelte es auszusprechen. Um bei der Umset- zung von Ganztagesstrukturen weiterzukommen, müsse zuerst geklärt werden, welche Rollen der Schule und wel- che der Familie zukommen sollen: «Die Schweiz braucht eine Grundsatzdiskussion über öffentliche Bildung und Erziehung.» So könne erkannt werden, dass Tagesschulen mehr sind als Schulen mit Betreuungsangebot.

Podium «Familie-Arbeit-Schule»

Das Zusammenspiel von Familie, Arbeit und Schule ist eine ständige Herausforderung – sowohl für Eltern, die Familie und Beruf vereinen, als auch für Arbeitgeber, die flexible Strukturen entwickeln, und ebenso für Schulen, die ihren Auftrag zwischen Unterricht und Betreuung neu definieren. Das jähr- liche Podium der Stiftung Pestalozzianum wird sich am 24. November 2016 diesem Spannungsfeld annehmen.

Eine zentrale Bedingung für ein erfolgreiches Funktionieren von Tagesschulen ist, dass die Rollen zwischen Lehrpersonen und Betreuungs- personen klar geregelt sind. Ich würde es als Chance sehen, die Kinder auch ausserhalb des Unterrichts beispielsweise über Mittag zu er- leben. Eine Voraussetzung dazu sind klärende schulinterne Abmachungen, ob ich dies in meiner Funktion als Klassenlehrperson mit den ent- sprechenden Kompetenzen mache oder ob ich eine andere Rolle übernehme. Wichtig ist, dass ich die Batterien über Mittag aufladen kann. Ich brauche am Nachmittag ausreichend Energie zum Unterrichten. Dass Tagesschulen für bildungs- ferne Familien eine Chance sein können, davon bin ich überzeugt. Der Fokus sollte dabei bei Kindern liegen, die keine ausserschulische Bildung erhalten. Ein Obligatorium ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Ich denke, es braucht eine gewisse Berufserfahrung, um in einer Tagesschule arbeiten zu können.

Miriam Bürgi, Studentin Kindergarten- Unterstufe an der PH Zürich im 6. Semester

Ich bin davon überzeugt, Schulen mit Ganztages- strukturen werden sich mittelfristig durchset- zen. Das Projekt Tagesschule 2025 in der Stadt Zürich gibt den Takt vor. Dies ist meiner Meinung nach der richtige Weg und entspricht den heuti- gen gesellschaftlichen Bedürfnissen. Voraus- setzung für das Funktionieren einer Tagesschule sind das gegenseitige Verständnis zwischen den Professionen und eine gemeinsame Haltung. Diese muss man zusammen entwickeln und dafür braucht es eine gewisse Zeit. Eine Schlüsselrolle hat dabei die Schulleitung. Teilweise sind sowohl bei Lehrpersonen als auch bei Betreuenden Ver- unsicherungen spürbar. Ich habe dafür Verständ- nis. Um die Chancengleichheit gewährleisten zu können, muss auch die non-formale Bildung verstärkt in der Schule stattfinden – jedoch nicht isoliert von den formalen Elementen. Aus Sicht der Kinder ist zentral, dass sie nicht vom Morgen bis am Abend einem voll durchstruktu- rierten Programm folgen müssen und über Rück- zugsmöglichkeiten verfügen.

Erich Kappeler, Student «Soziale Arbeit» an der ZHAW im 6. Semester

«Diese Entwicklung braucht Zeit»

Ein gemeinsames Ausbildungsmodul von PH Zürich und ZHAW thematisiert ver- schiedene Aspekte der Ganztagesbil- dung. Eine PHZH-Studentin und ein ZHAW- Student erläutern ihre Gedanken dazu.

Zusammengetragen von Christoph Hotz

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«Steht wenig Geld zur Verfügung, ist mehr Kreativität gefragt»

Mit dem Netzwerk Bildung & Raum fördert Ueli Keller das Verständnis für die Auswirkung von Räumen auf die Bildung. Er sagt, Tagesschulen erfordern kein grundsätzliches architektonisches Umdenken. Viel wichtiger sei eine sorgfältige Erhebung der Nutzerbedürfnisse und der bestehenden Potenziale.

Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

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Akzente: Wie sieht die perfekte Tagesschule aus?

Keller: Ich sträube mich gegen den Be- griff der perfekten Tagesschule. Die Vor- stellung einer besten und einzig gültigen Form ist alles andere als lern- und lebens- freundlich. Statt nach der besten Schule zu verlangen, sollte man fragen: «Welche Tagesschule passt zu uns und ist für uns umsetzbar?» Das Vorgehen, wie diese Schule entsteht, ist entscheidend für die spätere Nutzung der Räume.

Woraus besteht dieses Vorgehen konkret?

Im Idealfall wird vor der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs eine Betriebsbeschreibung gemacht: Welche Schule wollen wir ? Wofür sollen sich die Räume eignen? Diese Fragen sollten alle Verantwortlichen gemeinsam klären.

Zu diesen zähle ich die Behörden, Lehr- und Betreuungspersonen, die Schullei- tung, Eltern, aber auch die Kinder, die die Räumlichkeiten später hauptsächlich nutzen werden. Erste Bedingung für ein gutes Gelingen ist dabei der Wille. Wenn die Verantwortlichen nur eine Tagesschule machen sollen und nicht machen wollen, lässt sich kein bestmöglicher Lern- und Lebensraum gestalten.

Wie verläuft dieser Einigungsprozess über die Nutzung und die erwünsch- ten Qualitäten der künftigen Räum- lichkeiten Ihren Erfahrungen nach in der Realität ab?

Meistens findet er nicht statt. Das Ver- ständnis, von dem ich ausgehe, ist erst im Aufbau begriffen. Der Bedarf an Räumlichkeiten und Infrastruktur und die Bedürfnisse der Nutzer werden erst in Ausnahmen vor dem Bauen erhoben. So habe ich sehr lange gebraucht, bis ich in der Schweiz drei Tagesschulen gefunden habe, wo die Nutzer in die Raumplanung einbezogen wurden. Und bisher habe ich noch kein Beispiel einer Schweizer Schule gefunden, wo auch Kinder daran beteiligt wurden. In Workshops konnten wir zwar in Erfahrung bringen, dass sich die Be- dürfnisse der Kinder nicht grundsätzlich von den Ideen der Fachpersonen unter- scheiden, trotzdem können sie für die

Architektur eine wertvolle Inspirations- quelle sein.

Können Sie anhand eines Beispiels aufzeigen, wie die Bedürfnisse in die Bauplanung einfliessen können?

Für den Bau der Tagesschule Heimberg (BE) forderten die Betreuungspersonen einen grossen, multifunktional unter- teilten Betreuungsraum, in dem sie den Überblick behalten konnten. Zwischen dem Rückzugs- und dem Essraum wurde dann eine Glasscheibe eingefügt. So sind die Räume akustisch voneinander abge- trennt und gleichzeitig überblickbar. Das hätte das Architekturbüro nicht so ge- macht, wenn die Nutzer dieses Bedürfnis nicht geäussert hätten.

Fordert der Bau von Tagessschulen ein grundsätzliches Umdenken, was die Architektur betrifft?

Nein. Schulbauten sollen immer den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen und einen Lebensraum schaffen. Bei einer Tagesschule ist die Berücksichtigung der Bedürfnisse umso bedeutsamer, als sich die Kinder länger in der Schule aufhalten.

Das bedeutet auch, dass ein Tagesschul- bau den Bewegungsbedürfnissen von Kin- dern gerecht werden muss. Aussenräume müssen Gelegenheit für unterschiedliche Arten der Bewegung bieten. Statt glatten Flächen mit teuren Geräten sind natur- ähnliche, nivellierte Aussenräume ge- eignet. Waldähnliche Nischen bieten gute Betätigungs- und Rückzugsmöglichkeiten.

Zurück in die Innenräume: Wie schafft man Erholungs- und Rück- zugsorte?

Kinder sollten ihre Aufenthaltsräume mit- gestalten dürfen, damit sie sich mit ihrer Schule identifizieren, sich darin wohlfüh- len und gut arbeiten können. Idealerweise verfügt ein Schulhaus über ein gestalteri- sches Reservoir, das die Kinder nutzen können. Mit verstellbaren Wänden können die Kinder beispielsweise selbst bestim- men, wo sie eine Leseecke machen oder wo es einen Raum geben soll, in dem man laut sein darf. Diese Flexibilität gibt es idealerweise auch in den Unterrichtsräu- men.

Über Ueli Keller

Primarlehrer, Heil- pädagoge, Erzie- hungswissenschaft- ler und Lebensraum- künstler lauten Ueli Kellers Be- rufsbezeichnungen.

Seit vielen Jahren prägt den heute 68-Jährigen das Bewusstsein, dass wir Lernprozesse überall erfahren, gestalten und för- dern können.

Keller war bei der Erziehungsdirek- tion des Kantons Basel Stadt für die Tagesbetreuung im Schulalter und Gesundheitsförde- rung verantwort- lich. Unter anderem war er am Aufbau des «Bildungsnetz- werks 4057» betei- ligt, das in Klein- basel schulische und ausserschuli- sche Akteure ver- knüpft. Seit seiner Pensionierung ist Keller als Lebens- raumkünstler und Bildungsnetzwerker aktiv. Sein Netz- werk Bildung & Raum umfasst ca. 400 Personen und Insti- tutionen aus den Bereichen Bildung, Bauen, Politik und Verwaltung.

Keller ist gerne mit seiner Frau unterwegs, impro- visiert am Klavier und sitzt für die Grünen im Einwoh- nerrat seiner Wohngemeinde Allschwil (BL).

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Welchen Einfluss haben Räume überhaupt auf Lernende?

Innerhalb der Schule hat der Raum nach den Lehr- personen und den Peers den stärksten Einfluss auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Dabei ist wichtig, wie dieser Raum genutzt und belebt wird, und das hängt wiederum vom Potenzial und der Flexibilität eines Raumes ab. Es gibt zu enge Räume oder solche, in denen nichts gestaltet werden kann, weil Änderungen technisch kaum möglich oder verboten sind.

Ist ein Neubau immer die beste Lösung oder können bestehende Räumlichkeiten einfach umgebaut und ergänzt werden?

Es gibt günstigere und weniger günstige Ausgangs- lagen, aber prinzipiell kann man auch sehr gut mit bestehenden Räumlichkeiten arbeiten. Neubauten sind nicht per se die beste Lösung, manchmal bringt gerade Raumknappheit die besseren Konzepte hervor.

In Basel beispielsweise war die Raumsituation einer Schule so verzwickt, dass wir für einen Mittagstisch für eine Zwischennutzung auf ein ehemaliges Gefäng- nis auswichen. Ich hatte sehr grosse Bedenken, doch die Kinder und Eltern waren begeistert von diesem Mittags- und Aufenthaltsort, der auch ein Abenteuer- ort wurde. Ein externer Mittagsort hat auch den Vor- teil, dass die Kinder nicht den ganzen Tag in der

Schule verbringen. Auch in der Stadt Zürich gibt es bestimmt geeignete Raumressourcen ausserhalb der Schulen. Bei dieser Suche muss man kreativ, aber auch vorsichtig sein. Zu grosse, hallende Räume sind beispielsweise nicht geeignet für die Mittags- betreuung.

Nicht nur räumlich, sondern auch finanziell sind Grenzen gesetzt. Welche Rolle spielt das Budget bei einem Neu- oder Umbau einer Tagesschule?

Aus meinem europäischen Erfahrungsraum können sich hinter den Herausforderungen, die durch Raum- und Budgetknappheiten entstehen, auch enorme Chancen verbergen. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Dort, wo wenig Geld zur Verfügung steht, ist mehr Kreativität gefragt. Wer sehr auf die Kosten achten muss, überlegt doppelt, was gebaut oder wie umgebaut wird. In Berlin habe ich ausserordentlich kreative, flexibel und nutzungsorientiert umgebaute Schulbetriebe besucht. Das andere Extrem war Luxembourg: Schulen sind luxuriös gebaut, es hat zu viele Räume und diese sind oftmals unpersönlich fad. Trotz oder vielleicht wegen grosszügiger Budgets konnte sich keine Atmosphäre entwickeln. Die Schweiz ist also möglicherweise in einer günstigen Entwicklungsperspektive, weil man heute auch aufs Geld achten muss.

«In Basel wichen wir für einen Mittagstisch auf ein ehemaliges Gefängnis aus.»

Ueli Keller vom Netzwerk Bildung &

Raum.

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Ein Freitagmorgen im Dezember. Es ist noch stockfinster, als eine Handvoll Kindergärtler, Erst- und Zweitklässler kurz nach sieben Uhr munter plaudernd die «Tagesschule Uster» (TsU) betritt. Die pädagogische Mitarbeiterin und Fachfrau Betreuung, Sandra Sägesser, nimmt die Ankömmlinge in Empfang. Einige kamen selbständig mit dem Bus aus Uster. Das Frühstück für die Kinder ist bereits vorbereitet. «Was möchtest du aufs Brot?», fragt die junge Frau einen Buben. «Nutella!», kommt es wie aus der Pistole geschossen. Sägesser muss den Buben enttäuschen; diesen Aufstrich gibt es nur in Ausnahmefällen. Stetig treffen weitere Schüler ein. Nach

dem Morgenessen beginnt ab 7.45 Uhr die 25-minütige Auffangzeit vor dem Unterricht. Einige Kinder lümmeln auf dem Sofa herum oder schauen Bilderbücher an, ein anderes Kind zeichnet. In diesen frühen Morgenstunden ist auch schon die Kindergartenlehrerin Ruth Beck da.

Die freiwillige Tagesschule Uster in Niederuster ist ein auf drei Jahre angelegtes Pilotprojekt, ähnlich jenem der Stadt Zürich. Es startete mit Beginn des aktuellen Schuljahres. Gegenwärtig führt die TsU einen Kindergar- ten, eine altersdurchmischte Unterstufe mit 1. und 2. Klas- se sowie eine Mittelstufe mit 4. und 5. Klasse. Schwer- punkt des TsU-Konzeptes ist eine konstante Betreuung

«Vom Zahnbürsteli bis zum Lehrmittel – einfach alles »

In Niederuster läuft seit Anfang dieses Schuljahres ein drei Jahre dauerndes Tagesschul-Pilotprojekt. Das Team nimmt in Uster eine Pionierrolle ein und arbeitet trotz knapper Ressourcen gerne dort. Denn es glaubt an die Zukunft des Modells. «Ein Tag im Leben» der noch jungen Tagesschule Uster.

Text: Claudia Merki, Fotos: Alessandro Della Bella

Eintreffen im Morgengrauen: Die ersten Kinder kommen kurz nach sieben Uhr in der Tagesschule an.

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der Kinder und Zusammenarbeit der Mitarbeitenden.

Ein fünfzehnköpfiges Team betreut an fünf Tagen in der Woche rund 60 Mädchen und Buben. Sechs Teilzeit- Lehrpersonen sind für den Unterricht, aber auch für ei- nen Teil der Betreuung verantwortlich. Bei der Anstellung mussten sie sich verpflichten, mindestens zwei Stunden davon zu übernehmen: am Morgen, über Mittag, beim Zvieri oder abends. Umgekehrt erhalten die Lehrperso- nen Unterstützung vor allem von den pädagogischen Mit- arbeitenden, die als Klassenassistenzen arbeiten, sowie von der Leiterin Betreuung und Sozialpädagogin, Yase- min Yücel. Auch die Betreuungspersonen springen verein- zelt ein. «Diese Praxis fördert das gegenseitige Verständnis für den jeweils anderen Beruf», erklärt Schulleiterin Karin Diethelm.

Mehr als Schule plus Hort

Vor ihrer Anstellung bei der TsU arbeitete die Kinder- gärtnerin Ruth Beck in einer anderen Gemeinde in der Grundstufe. Nach Ende dieses Schulversuchs suchte sie nach einer Form der Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen, die weiter geht als nur «Schule plus Hort», und fand diese in der TsU. Nach dreieinhalb Monaten zieht die Teilzeit-Lehrerin eine erste Bilanz: «Zusammen- arbeit, Austausch und Kontakt zwischen den Lehrperso- nen und der Betreuung sind sehr eng», freut sie sich. Die grösste Schwierigkeit ortet sie im Moment darin, regel- mässige Teamsitzungen abhalten zu können, um Anste- hendes in Ruhe besprechen zu können. «Diese Bedin- gung ist für mich noch nicht vollends erfüllt.»

Ein Blick auf den ausgeklügelten Stundenplan der Schülerinnen und Schüler zeigt: Die Koordination der Unterrichts- und Betreuungszeiten ist eine Herausforde- rung. Da werden die Terminfindung für Teamsitzungen, an der alle Mitarbeitenden teilnehmen können, oder El- terngespräche zum organisatorischen Hochseilakt. Diese können aufgrund der Betreuung, welche an der TsU bis um 18.30 Uhr gewährleistet ist, immer erst am Abend stattfinden. So führte das Team beispielsweise auch den Schulentwicklungstag an einem Samstag durch.

«Ganztagesstrukturen entsprechen nichtsdesto- trotz einem gesellschaftlichen Bedürfnis», sagt Ruth Beck. Es mag wenig erstaunen, dass sich das verstärkte Bedürfnis nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Uster zeigt. Die Initianten der TsU wurden im Früh- jahr 2015 förmlich von interessierten Eltern überrannt:

«Es trafen innert kürzester Zeit knapp 100 Anmeldungen ein», erinnert sich Schulleiterin Karin Diethelm. Noch vor einem Jahr hatte das Vorgängerprojekt nicht ausrei- chend Anmeldungen, um eine Klasse eröffnen zu kön- nen. Die 2014 neu konstituierte Behörde nahm den Fa- den wieder auf und machte sich an die Umsetzung der im Leistungsauftrag als Ziel formulierten Tagesschule.

Um dem Projekt beim zweiten Anlauf bessere Chancen

zu verschaffen, wurden ein Flyer gedruckt und im No- vember 2014 eine Elternveranstaltung organisiert. Diese füllte eine ganze Turnhalle. Die Bedingung für den Start- schuss der Tagesschule war die Anmeldung von mindes- tens 14 Kindern ‒ die Minimalzahl für eine Klasse mit altersdurchmischtem Lernen. In ihren kühnsten Träu- men hätte Karin Diethelm, die bereits sieben Monate vor Eröffnung im Projekt mitarbeitete, nicht mit 100 An- meldungen gerechnet. «Weil wir nicht zu viele abweisen wollten, eröffneten wir schliesslich drei Klassen.» Deren Kinder kommen aus Familien mit den verschiedensten sozialen Hintergründen.

Mehr Geld, mehr Raum, mehr Ressourcen

Mittlerweile ist es zehn Uhr morgens. Vor dem grossen Fenster des wohnlich eingerichteten Schulleitungsbüros zieht die ehrenamtlich arbeitende Seniorin mit den jün- geren Tagesschulkindern vorbei. Einige winken der Schulleiterin zu, sie winkt zurück und fährt fort: «Der neue Pavillon ist erst im Sommer 2015 erstellt worden.»

Diethelm war bei der Projektierung des zweistöckigen Gebäudes involviert. Die TsU bewohnt sechs Räume;

zwei weitere Schulzimmer und zwei kleinere Gruppen- räume belegen Schüler der Schuleinheit Niederuster. Im Projekt wird auch die multifunktionale Nutzung der Räume getestet, um eine höhere Auslastung zu erreichen.

«Das Lehrerzimmer ist auch Handarbeitszimmer oder Konferenzraum, und Unterricht findet durchaus mal im Essraum statt», sagt Diethelm.

In den sieben Monaten bis zur Eröffnung im Au- gust 2015 gab es nebst dem Bau des Pavillons noch viel mehr zu planen: Das Team musste aufgebaut, Schulent- wicklung betrieben, das alltägliche Zusammenleben defi- niert und Anschaffungen mussten getätigt werden. «Vom Zahnbürsteli bis zum Lehrmittel einfach alles», blickt Diethelm zurück. «Es fühlt sich an, als hätte ich eine Re- krutenschule hinter mir, und es ist nach wie vor streng.»

Nach 100 Tagen Betrieb lud die Schulleiterin im Novem- ber vergangenen Jahres die Primarschulpflege, Schulleiter der Primarschule Uster und die Primarschulverwaltung zu einer Präsentation ein. Der Elternrat holte nach zwölf Wochen Schulbetrieb bei den Eltern der Tagesschulkin- der mittels Umfrage deren Feedback ein. Sie erteilten der TsU durchwegs gute Noten: Grundsätzlich sind sie sehr zufrieden und würden die Tagesschule weiterempfehlen.

Vor allem schätzen sie das grosse Engagement der Mitar- beitenden, dass Schule und Betreuung verschmelzen und sich alles ‒ mit Ausnahme der Turn- und teilweise der Handarbeitsstunden ‒ unter einem Dach abspielt. Eben- falls positiv werten sie das altersdurchmischte Lernen, dass die Hausaufgaben in der Schule erledigt werden, die individuelle Förderung und den familiären Betrieb.

Verbesserungspotenzial sehen sie in den Platzver- hältnissen oder den Rückzugsmöglichkeiten für die Mit-

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Nach dem Morgenessen bleibt Zeit zum Spielen oder um zum Beispiel ein Bilderbuch anzuschauen.

Einige der Kinder essen in der Tagesschule Zmorge. Um diese Uhrzeit ist die Stimmung noch stark von Müdigkeit geprägt.

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