© Anästh Intensivmed 2004;45:462 DIOmed-Verlags GmbH.
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MITTEILUNGEN / COMMUNICATIONS
An den Herausgeber:
Mit großem Interesse haben wir den Artikel von Boldt und Mitarbeitern[1] gelesen. Wir möchten folgende methodische und inhaltliche Punkte kommentieren:
1. Die Autoren erwähnen nicht die typischen methodischen Probleme von Umfragen, die mögliche Einschränkung bei der Interpretation der Ergebnisse darstellen. Dies sind die Tendenz zur positiven Selbstdarstellung der Antwortenden (self-report bias), welche man durch komplette Anonymi- sierung einer Umfrage reduzieren kann, worauf die Autoren in vorliegender Umfrage jedoch verzichtet haben. Des Weiteren lässt sich eine Non-response-bias bei Rückläufen unter 100% niemals völlig ausschließen. Hieraus bedingt sich auch die fragliche Repräsentativität bei unvollständiger Erfassung der Stichprobe.
2. Die Autoren beschreiben, dass 426 Kliniken, entspre- chend 61% der ausgewerteten Fragebogen, eine TEA legen.
Wir möchten betonen, dass der Rücklauf, bezogen auf Kliniken, die eine TEA anwenden, 31% beträgt.
3. Die beschriebenen Ergebnisse hinsichtlich der Medika- mentenwahl und der Applikationsform möchten wir kritisch hinterfragen. Die Applikation von Lokalanästhetika alleine in 32% entspricht kürzlich veröffentlichten Daten zur Praxis der postoperativen Epiduralanalgesie in Deutschland [2]. Es besteht jedoch eine Diskrepanz hinsichtlich der Kliniken, die die Lokalanästhetika mit Opioiden kombinieren. Die bun- desweite Umfrage [2] aus dem Jahr 2000 beschreibt eine
Rate von 64% für die Kombination von Lokalanästhetika mit Opioiden auf Normalstation. Verabreichen wirklich 94%
deutscher Kliniken die Kombination von Lokalanästheti- kum mit Opioid auf Normalstation? Oder beziehen sich die angegebenen 94% auf die Intensivstation? Insgesamt geben Boldt et al.eine mittlere Liegedauer der TEA von fünf Tagen an. Die maximale Liegedauer wird mit sechs Tagen angege- ben, wobei unklar ist, wie die Angabe zur Spannweite der maximalen Liegedauer von 0 bis 28 Tagen zu verstehen ist.
4. Zur Methodik sei schließlich anzumerken, daß der NHS- Fragebogen ins Deutsche übersetzt wurde, die Stichprobe aber anders als in den USA und UK nicht aus den Kranken- häusern gewählt wurde, die eine TEA durchführen, sondern aus einer vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten zur Verfügung gestellten Adressliste deutscher Chefärzte in der Anästhesie. Wäre das Deutsche Krankenhausadressbuch nicht eine repräsentativere Quelle für die Grundgesamtheit der Krankenhäuser mit TEA gewesen?
Literatur
1. Boldt J, Kumle B, Dieterle C. Thorakale Epidural-Anästhesie in Deutschland. Anästh Intensivmed 2004;45:155-62.
2. Kampe S, Kiencke P, Krombach J et al. Current practice in post- operative epidural analgesia: a german survey. Anesth Analg 2003;95:1767-9.
S. Kampe, Köln,P. Kiencke, Burscheid, und J. Krombach, San Francisco, California (USA).
Leserbrief zum Beitrag von J. Boldt, B. Kumle und Ch. Dieterle:
Thorakale Epidural-Anästhesie in Deutschland
– Ergebnisse einer Fragebogenaktion im internationalen Vergleich – Anästh Intensivmed 2004;45:155-162
Für die interessanten Bemerkungen der Autoren möchten wir uns recht herzlich bedanken. Im Folgenden möchten wir auf die Kritikpunkte im Einzelnen eingehen:
1. Selbstverständlich haften allen Umfragen gewisse methodische Probleme an. Die Autoren nennen hierbei zum einen die positive Selbstdarstellung der Antwortenden, zum anderen auch mangelnde Rücklaufquoten. Die Rücklauf- quote der vorliegenden Untersuchung ist vergleichbar mit anderen Fragebogenaktionen. Trotzdem ist die Repräsen- tativität immer eine umstrittene Frage, da die Rücklaufquote niemals 100% sein kann und selbst bei 100%iger Rück- laufquote bestimmte Fragebögen von der Auswertung aus- geschlossen werden müssen.
2. Die Autoren haben völlig recht, dass der Rücklauf bezüg- lich derjenigen Kliniken, die eine TEA einsetzen, ca. 31%
betrug.
3. Aus den Antworten der Fragebogenaktion ließ sich ein- deutig ersehen, dass der überwiegende Teil der deutschen Kliniken eine Kombination von Opioid und Lokalanästhe- tika auch auf Normalstationen bevorzugen. Bezüglich der Liegedauer ergaben die Antworten, dass die mittlere Ver- weildauer des Katheters bei fünf Tagen lag, die mittlere maximal tolerierte Liegedauer lag bei sechs Tagen.
4. Die Fragebogen wurden anhand einer Adressliste deut- scher Chefärzte (zur Verfügung gestellt vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten) versandt. Inwieweit eine Versen- dung der Fragebogen anhand des Deutschen Krankenhaus- adressbuches eine repräsentativere Umfrage ergeben hätte, bleibt Spekulation und ist durch nichts belegt.
J. Boldt, Ludwigshafen Stellungnahme zum Leserbrief von S. Kampe und P. Kiencke