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Einf¨uhrungindieFunktionentheorie Kapitel12

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Kapitel 12

Einf¨ uhrung in die Funktionentheorie

Dozentin: Prof. Dr. Helga Baum

Nach Vorlesungen im Wintersemester 2002 (2. Teil von Analysis III) und im Sommersemester 2008 (2. Teil von Analysis IIIb).

1. Ausarbeitung von Thomas Leistner

Stand der Korrekturen: Korrigiert bis Kapitel 12.1 (06.06.2008 (Helga Baum))

(2)

Inhaltsverzeichnis

12 Einf¨uhrung in die Funktionentheorie 1

12.1 Holomorphe Funktionen . . . 3

12.1.1 Definition holomorpher Funktionen und erste Eigenschaften . . . 3

12.1.2 Die Cauchy-Riemannschen-Differentialgleichungen . . . 6

12.1.3 Geometrische Interpretation holomorpher Abbildungen . . . 10

12.2 Komplexe Kurvenintegrale und Stammfunktionen . . . 12

12.3 Der Cauchysche Integralsatz . . . 18

12.3.1 Einfach–zusammenh¨angende topologische R¨aume . . . 19

12.3.2 Cauchyscher Integralsatz f¨ur sternf¨ormige Gebiete . . . 21

12.3.3 Cauchyscher Integralsatz f¨ur einfach–zusammenh¨angende Gebiete . . . 24

12.4 Grundlegende Eigenschaften holomorpher Funktionen . . . 28

12.4.1 Potenzreihenentwicklung holomorpher Funktionen . . . 28

12.4.2 Eindeutigkeitssatz, Nullstellen und Fortsetzung . . . 32

12.4.3 Weitere Eigenschaften holomorpher Abbildungen . . . 37

12.4.4 Die Exponentialabbildung als ¨Uberlagerung . . . 38

12.4.5 Index und Umlaufzahl von Wegen . . . 42

12.4.6 Hebung von holomorphen Abbildungen . . . 44

12.4.7 Biholomorphe Abbildungen auf der Einheitskreisscheibe . . . 46

12.5 Isolierte Singularit¨aten, Laurententwicklung und Residuensatz . . . 48

12.5.1 Klassifikation isolierter Singularit¨aten . . . 48

12.5.2 Laurentreihenentwicklung . . . 52

12.5.3 Residuen holomorpher Abbildungen in Singularit¨aten . . . 56

12.5.4 Anwendung des Residuensatzes auf die Berechnung von Integralen . . 60

12.5.4.1 Trigonometrische Integrale . . . 60

12.5.4.2 Uneigentliche Integrale . . . 61

12.5.4.3 Uneigentliche Integrale vom Typ R −∞ g(x)eiαxdx . . . 63

12.5.5 Nullstellen und Polstellen meromorpher Funktionen . . . 65

(3)

12.1 Holomorphe Funktionen

Die Funktionentheorie besch¨aftigt sich mit komplex-wertigen Funktionen, die auf offenen TeilmengenU der komplexen Zahlen definiert und dort komplex-differenzierbar sind. Solche Funktionen f :U CC nennt manholomorphoderkomplex-analytisch. Die komplexen Funktionen exp(z), sin(z), cos(z), die wir bereits aus Analysis I kennen, sind z.B. holomorph auf C. Komplexe Potenzreihen mit positivem Konvergenzradius sind ebenfalls holomorph auf ihrem Konvergenzkreis.

Wir werden im Laufe der Vorlesung sehen, dass holomorphe Funktionen sehr sch¨one spezielle Eigenschaften haben, die sie wesentlich von den reell-differenzierbaren Funktionen unterscheiden. Im Gegensatz zu reell-differenzierbaren Funktionen kann man holomorphe Funktionen z.B. immer in eine Potenzreihe entwickeln. Daraus folgen weitere sehr starke Eigenschaften holomorpher Funktionen. Z.B. ist jede auf C holomorphe und beschr¨ankte Funktion konstant. Eine holomorphe Funktion ist bereits durch ihr Verhalten im Lokalen eindeutig bestimmt und vieles andere mehr. Das Ziel dieses Kapitels der Vorlesung ist das Studium der grundlegenden Eigenschaften holomorpher Funktionenf :U CC.

12.1.1 Definition holomorpher Funktionen und erste Eigenschaften

Definition 12.1 Sei U C offen. Eine Funktion f : U C −→ C heißt in z0 U komplex–differenzierbar, falls der Grenzwert

f0(z0) := lim

z→z0

f(z)−f(z0) z−z0

in Cexistiert. Die komplexe Zahlf0(z0) heißt Ableitung vonf inz0.

f :U C−→Cheißt holomorph (auf U), fallsf in jedem Punkt z0∈U komplex–differen- zierbar ist.

Die Funktionf0 :z∈U C→f0(z)Cheißt Ableitung vonf. Im Folgenden bezeichnetU Cimmer eine offene Menge !

Auf die v¨ollig gleiche Weise wie im Reellen beweist man f¨ur holomorphe Funktionen zun¨achst die folgenden Eigenschaften:

1. Seienf, g:U C−→Cholomorph. Dann sind auchf+g, f·g und fg (fallsg6= 0) holomorph, und f¨ur die jeweiligen Ableitungen gilt

(f+g)0 =f0+g0, (f ·g)0=f0g+g0f und µf

g

0

= f0g−f g0 g2 .

2. Es gilt die Kettenregel: Sind f :U C→V C und g:V CC holomorph, so ist auch die Verkn¨upfung g◦f :U C−→C holomorph, und f¨ur die Ableitung gilt

(g◦f)0(z) =g0(f(z))f0(z).

3. Istf :U C−→Cholomorph, so istf stetig.

(4)

Beispiel: Sei

f(z) = XN

n=0

an(z−z0)n mit anC ein komplexes Polynom. Dann istf :C−→Cholomorph und

f0(z) = XN

n=1

n an(z−z0)n−1.

Wir beweisen als ersten Satz die Holomorphie komplexer Potenzreihen auf ihrem Konver- genzkreis. Auch diesen Beweis kann man genauso f¨uhren, wie wir es f¨ur reelle Potenzreihen als Anwendung des Differenzierbarkeitskriteriums der Grenzfunktion einer Folge differen- zierbarer Funktionen getan haben. F¨ur geben hier nochmal einen direkten Beweis an.

Satz 12.1 Sei f(z) = P

n=0

an(z −z0)n eine komplexe Potenzreihe um z0 C mit dem Konvergenzradius%f >0. Dann istf :K(z0, %f)C−→Cholomorph, und es gilt

f0(z) = X

n=1

n an(z−z0)n−1. Insbesondere gilt f0(z0) =a1.

Beweis: OBdA k¨onnen wirz0= 0 annehmen. (Sonst betrachten wir ˆf(z) =f(z−z0) und f¨uhren den Beweis darauf zur¨uck).

(1) Wir betrachten die formale erste Ableitung von f, d.h. die Reihe f1(z) = P

n=1

nanzn−1, die wir durch Differenzieren unter dem Summenzeichen erhalten. Die Konvergenzradien %f1

und%f vonf1 bzw.f stimmen ¨uberein, denn es gilt

%f = 1

lim sup

n→∞

pn

|an| und %f1= 1 lim sup

n→∞

pn

n|an|, und lim

n→∞

n

n= 1.

Ebenso haben die formale zweite Ableitung f2(z) = P

n=2

n(n−1)anzn−2 und die Reihe fˆ2(z) = P

n=2

n(n−1)|an|zn−2 den Konvergenzradius%f2 =%fˆ2=%f1=%f.

(2) Es ist nun zu zeigen, dass f in jedem Punkt des KonvergenzkreisesK(0, %f) komplex–

differenzierbar ist und dass die Ableitung von f mit der formalen Ableitung f1 ¨uberein- stimmt. Mit anderen Worten, wir m¨ussen beweisen, dass f¨ur die Differenz zwischen Diffe- renzenquotient und formaler Ableitung f¨ur allez∈K(z0, %f) gilt

f(z+h)−f(z)

h −f1(z)h→0−→0.

Dazu betrachten wir die einzelnen Summanden der Reihen. Mit dem Binomischen Satz gilt (z+h)n−zn

h −nzn−1 = 1 h

 Xn

j=0

µn j

hjzn−j−zn

−nzn−1

(5)

= 1 h

Xn

j=1

µn j

hjzn−j−nzn−1

= Xn

j=2

µn j

hj−1zn−j = h Xn

j=2

µn j

hj−2zn−j.

Wir sch¨atzen diesen Term nun wie folgt ab:

¯¯Xn

j=2

µn j

hj−2zn−j¯

¯ Xn

j=2

µn j

|h|j−2|z|n−j n(n−1)(|h|+|z|)n−2, denn der Koeffizient von |h|j−2|z|n−j im mittleren Ausdruck ist gerade¡n

j

¢, rechts dagegen n(n−1)¡n−2

j−2

¢=j(j−1)¡n

j

¢¡n

j

¢. Somit folgt

¯¯(z+h)n−zn

h −nzn−1¯

¯ hn(n−1)(|h|+|z|)n−2,

f¨ur n≥2. F¨urn= 0 und n= 1 ist die linke Seite 0. Multipliziert man diese Gleichungen f¨ur jedesnmitan und summiert ¨ubernso erh¨alt man

¯¯ XN

n=0

an(z+h)n−anzn

h

XN

n=1

nanzn−1¯

¯≤h XN

n=2

n(n−1)|an|(|h|+|z|)n−2. Seiz∈K(0, %f). Wir w¨ahlenhso klein, daß|z|+|h| ∈K(0, %f). Dann gilt

XN

n=2

n(n−1)|an|(|h|+|z|)n−2≤fˆ2(|h|+|z|).

F¨urN → ∞folgt

¯¯

¯¯

¯ X

n=0

an(z+h)n−anzn

h

X

n=1

nanzn

| {z }

f1(z)

¯¯

¯¯

¯≤hfˆ2(|h|+|z|).

Da ˆf2stetig ist aufK(0, %f), folgt f¨urh→0

h→0lim

f(z+h)−f(z)

h =f1(z)

f¨ur allez∈K(0, %f). 2

Induktiv erh¨alt man die

Folgerung 12.1.1 Jede Potenzreihe f : K(0, %f) −→ C mit f(z) = P

n=0

an(z−z0)n ist auf ihrem Konvergenzkreis ∞–oft komplex–differenzierbar, und f¨ur die k–fache komplexe Ableitung f(k) gilt f(k)(z) = P

n=k

n(n−1)·. . .·(n−k+ 1)an(z−z0)n−k. Insbesondere ist f(k)(z0) =k!ak.

Daraus erhalen wir weitere Beispiele holomorper Funktionen:

1. f(z) =ez= P

n=0 zn

n! ist holomorph aufC, und es giltf0(z) =ez.

(6)

2. f(z) = sin(z) = P

n=0

(−1)n z(2n+1)!2n+1 ist holomorph aufC, und es giltf0(z) = cos(z).

3. f(z) = cos(z) = P

n=0(−1)n z(2n)!2n ist holomorph aufCundf0(z) =sin(z).

12.1.2 Die Cauchy-Riemannschen-Differentialgleichungen

Als reeller normierter Vektorraum ist (C,| · |) = (R2,k · k) , wobeiz=x+iy Cdas Tupel (x, y) R2 beschreibt und f¨ur den Betrag| · | in C bzw. die Euklidische Norm k · kin R2

|z|=k(x, y)k:=p

x2+y2 gilt. (Wir setzeni= (0,1), 1 = (1,0)).

Wir k¨onnen also jede komplexe Funktion f :U CC auch als reelle Funktion f :U R2R2 auffassen. Wir schreibenf dann je nach Bedarf in der folgenden Form

f(z) =u(z) +iv(z) , wobei u, v :U CR den Realteil bzw. den Imaginarteil von f bezeichnen.

f(x, y) =u(x, y) +iv(x, y)

f(x, y) = (u(x, y), v(x, y)).

Wir wollen nun untersuchen, wie die reelle und die komplexe Differenzierbarkeit von f zusammenh¨angen. Wir erinnern nochmal an die Definition der reellen Differenzierbarkeit:

Seif :U R2→Eeine Funktion von einer offenen Menge desR2in einen reellen normierten Vektorraum E. f heißt in u∈ U (reell)-differenzierbar, falls eine (reell)-lineare Abbildung L:R2→E existiert, so dass

h→0lim

kf(u+h)−f(u)−L(h)kE

khk = 0.

Die (reell)-lineare Abbildung L ist eindeutig bestimmt und heißt das Differential von f in u. Wir bezeichen das Differential vonf in uim Folgenden mit

Dfu:R2−→E.

Istf in u∈U (reell)-differenzierbar, so existieren die partiellen Ableitungen

∂f

∂x(u) :=Dfu(1,0) und ∂f

∂y(u) :=Dfu(0,1) und es gilt

Dfu(h1, h2) =h1∂f

∂x(u) +h2∂f

∂y(u).

F¨ur den uns interessierenden Fall ist nunE=C.

Satz 12.2 Eine Funktion f :U C−→C ist in z0=x0+iy0 ∈U genau dann komplex- differenzierbar, wennf in(x0, y0)reell-differenzierbar ist und die partiellen Ableitungen die

(7)

Cauchy–Riemannschen Differentialgleichungen erf¨ullen:

∂f

∂x(z0) =−i∂f

∂y(z0) (CR 1) F¨ur die Ableitung gilt in diesem Fall

f0(z0) = ∂f

∂x(z0) =−i∂f

∂y(z0).

Istf =u+iv die Darstellung von f mit Realteiluund Imaginarteilv, so sind die Cauchy- Riemannschen Differentialgleichungen (CR 1) ¨aquivalent zu ihrer reellen Form

∂u

∂x(x0, y0) = ∂v

∂y(x0, y0) ∂u

∂y(x0, y0) =−∂v

∂x(x0, y0) (CR 2)

Istf inz0=x0+iy0∈U komplex-differenzierbar, so hat das DifferentialDfz0 in komplexer Schreibweise die Form

Dfz0(h) =f0(z0)·h.

Die Jacobi-Matrix von Dfz0 ist die Matrix Df(x0,y0)=

à ∂u

∂x(x0, y0) ∂u∂y(x0, y0)

∂u∂y(x0, y0) ∂u∂x(x0, y0)

!

Beweis: (=⇒) Seiz0=x0+iy0∈U undf in z0 komplex–differenzierbar. Dann existiert der Grenzwertf0(z0) = lim

h→0

f(z0+h)−f(z0)

h . Folglich gilt

h→0lim

h∈C

kf(z0+h)−f(z0)−f0(z0)·hk

|h| = 0,

Die AbbildungDfz0 :CC

Dfz0(h) :=f0(z0)·h

ist reell-linear. Folglich ist f in z0 reell-differenzierbar mit dem Differential Dfz0(h) =f0(z0)·h. F¨ur die partiellen Ableitungen gilt dann

∂f

∂x(z0) =Dfz0(1) =f0(z0)·1 =f0(z0) und ∂f

∂y(z0) =Dfz0(i) =f0(z0)·i.

Dies liefert die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichung (CR 1). Vergleicht man den Real- und Imagin¨arteil der Gleichung (CR 1), so erh¨alt man (CR 2).

(⇐=) Seif :U R2−→R2 inz0= (x0, y0) reell–differenzierbar und erf¨ulle die CR–DGL (CR 1). Dann gilt mit h=h1+ih2

Dfz0(h) = ∂f

∂x(z0)h1+∂f

∂y(z0)h2 = ∂f

∂x(z0)h1−i∂f

∂y(z0)ih2 (CR1)

= ∂f

∂x(z0)h Damit ist aber

0 = lim

h→0

kf(z0+h)−f(z0)∂f∂x(z0)hk khk

=

°°

°lim

h→0

f(z0+h)−f(z0)

h −∂f

∂x(z0

°,

(8)

Somit istf in z0komplex differenzierbar, und es gilt f0(z0) = ∂f

∂x(z0).

2

Bezeichnung:Seif :U C−→CaufU reell–differenzierbar,z=x+iy ∈U C. Dann definiert man:

∂f

∂z := 1 2

µ∂f

∂x −i∂f

∂y

: U C −→ C

∂f

∂z := 1 2

µ∂f

∂x +i∂f

∂y

: U C −→ C.

(12.1)

Aus dem Beweis von Satz 12.2 folgt dann

1. f :U C−→Cist genau dann holomorph, wennf aufU reell–differenzierbar ist und

∂f

∂z 0 (Cauchy-Riemannsche DGL).

2. Istf :U C−→Cholomorph, dann ist f0(z) = ∂f

∂z .

Wir wollen nun einige einfache Folgerungen aus Satz 12.2 angeben. Dazu erinnern wir uns an den Laplace-Operator.

Definition 12.2 Wir betrachten denRn mit den Koordinaten(x1, x2, . . . , xn). SeiU Rn offen. Der lineare Operator ∆ :C2(U;C)−→C0(U;C)

∆h:=

Xn

k=1

2h

∂x2k

heißt Laplace–Operator. Eine Funktion h∈C2(U;C)heißt harmonisch, wenn∆h= 0.

ImR2mit den Koordinaten (x, y) ergibt dies mittels Einsetzen von (12.1) und dem Lemma von Schwarz

∆h= 2h

∂x2+2h

∂y2 = 4 2h

∂z∂z = 4 2h

∂z∂z. Beispiel: Die Funktionen

h(x, y) = ax+by+c mit (x, y)R2 h(x, y) = lnx2+y1 2 mit (x, y)R2\(0,0) sind harmonisch.

Folgerung 12.1.2 Sei f :U C−→Cholomorph und2–mal stetig differenzierbar. Dann sindf,Re(f) undIm(f)harmonische Funktionen.

(9)

Beweis: F¨ur die holomorphe Funktionf gilt ∂f∂z = 0. Daraus folgt ∂z∂z2f = 0 . Daf zweimal stetig differenzierbar ist, erh¨alt man daraus

∆f = 2f

∂z∂z = 0.

Ist f =u+iv, so gilt per Definition ∆f = ∆u+i∆v. D.h.f ist genau dann harmonisch,

wennu=Re(f) undv=Im(f) harmonisch sind. 2

Folgerung 12.1.3 Sei f : U C −→C holomorph und U offen und zusammenh¨angend.

Nimmt f nur reelle oder nur rein-imagin¨are Werte an, dann ist f konstant.

Beweis: OBdA sei f(x+iy) =u(x, y) =Re(f) Rund v 0. Aus den CR–DGL folgt

∂u

∂x = ∂y∂v = 0 und ∂u∂y =∂v∂x = 0. Somit ist grad(u) =

³∂u

∂x,∂u∂y

´

= 0 aufU C. Da U zusammenh¨angend ist, istukonstant (siehe Analysis II). Also istf konstant. 2

Folgerung 12.1.4 Seif :U C−→Cholomorph,U offen und zusammenh¨angend. Dann ist der Imagin¨arteil vonf durch den Realteil vonf bis auf eine additive Konstante eindeutig bestimmt.

Beweis: Seienf, g : U C−→Cholomorphe Funktionen mit Re(f) =Re(g). Zu zeigen ist, dassIm(f) =Im(g) +c, wobeicein Konstante ist. Dazu betrachten wir die holomorphe Funktion F =g−f :U C−→C. Dann istRe(F) = 0 und nach Folgerung 12.1.3 istF

konstant. 2

Folgerung 12.1.5 Sei f :U C−→C holomorph, U C offen und zusammenh¨angend und f00. Dann istf konstant

Beweis: F¨ur das reelle Differential giltDfz(h) = f0(z)·h = 0. Damit istDf(z) 0 f¨ur

alle zund somitf =const. 2

Definition 12.3 Eine Abbildungf :U C−→Ue C zwischen zwei offenen Mengen U und Ue heißt biholomorph, falls

1. f :U −→Ue bijektiv ist und

2. f :U −→Ue undf−1:Ue−→U holomorph sind.

Beispiel: M¨obiustransformationen Sei A:=

Ãa b c d

!

Gl(2,C) . Die Abbildung

ΦA : U =C\ {z∈C|cz+d= 0} −→ Ue =C\ {z∈C| −cz+a= 0}

z 7−→ az+bcz+d.

(10)

heißt M¨obiustransformationund ist biholomorph. Die inverse Abbildung ist gegeben durch:

Φ−1A = ΦA−1 : C\ {z∈C| −cz+a= 0} −→ C\ {z∈C|cz+d= 0}

z 7−→ −cz+adz−b ,

Definition 12.4 Zwei offene Teilmengen U,U˜ C heißen biholomorph, falls eine biholo- morphe Abbildung f :U C−→U˜ Cexistiert.

Es gilt der Riemannsche Abbildungsatz [1859]:(Zitat):

Jede einfach–zusammenh¨angende offene Menge U 6=C ist biholomorph zur Einheitskreis- scheibe {z∈C| |z|<1}.

12.1.3 Geometrische Interpretation holomorpher Abbildungen

Sei f :U C−→Ceine holomorpheC1-Funktion. F¨ur das Differential vonf inz∈U gilt detDfz= det

Ãux uy

vx vy

!

(z)CR= det

à ux uy

−uy ux

!

(z) =ux(z)2+uy(z)2=|f0(z)|2 Aus dem Satz ¨uber den lokalen Diffeomorphismus folgt, dass eine stetig differenzierbare holomorphe Funktion f genau dann ein lokaler Diffeomorphismus ist, wenn f0(z) 6= 0 f¨ur alle z∈U gilt.

Wir wollen nun die Holomorphiebedingung geometrisch interpretieren. F¨ur lokale Diffeo- morphismen beschreibt sie die Winlkeltreue der Abbildung.

Wir betrachten nun zwei regul¨areC1-Kurvenγ, δ : (−ε, ε)−→R2, die sich inz C=R2 schneiden:γ(0) =δ(0) =z.

γ z

δ

Unter dem Schnittwinkel vonγundδin

z versteht man den (nichtorientierten) Winkel

^z(γ, δ)[0, π]

definiert durch

cos(^z(γ, δ)) = 0(0), δ0(0)i 0(0)k · kδ0(0)k.

Definition 12.5 Seif :U C−→Cein lokaler Diffeomorphismus.

1. f heißt winkeltreu, falls f¨ur beliebige sich in z schneidende regul¨are Kurven γ und δ gilt

^z(γ, δ) =^f(z)(f(γ), f(δ)).

(11)

2. f heißt orientierungserhaltend, falls f¨ur die Jacobi-Determinante gilt det (Dfz(e1), Dfz(e2)) = det(∂f

∂x(z),∂f

∂y(z))>0.

D.h. ist (a1, a2) eine positiv-orientierte Basis im R2, so ist (Dfz(a1), Dfz(a2)) ebenfalls eine positiv-orientierte Basis.

Satz 12.3 Sei f :U C−→Cein lokaler Diffeomorphismus. Dann ist f :U C−→C genau dann holomorph, wenn f winkeltreu und orientierungserhaltend ist.

Beweis:

1.) Wir beweisen zun¨achst die folgende Behauptung:

f ist winkeltreu ⇐⇒

es existiert einλ∈C0(u) mit hDfz(v), Dfz(w)i=λ2(z)hv, wi

f¨ur allez∈U, v, w∈R2,



 (12.2)

(Man nennt einen lokalen Diffeomorphismus, der die rechte Seite von (12.2) erf¨ullt, lokal konform).

Beweis von (12.2): Aus der rechten Seite von (12.2) folgt cos(^(v, w)) = kvkkwkhv,wi =kDfhDfz(v),Dfz(w)i

z(v)kkDfz(w)k = cos(^(Dfz(v), Dfz(w)).

f ist also winkeltreu.

Sei andererseitsf winkeltreu. Dann gilt insbesondere f¨ur zwei orthogonale Vektorena1, a2 R2 (a1⊥a2), dass Dfz(a1) und Dfz(a2) ebenfalls senkrecht zueinander stehen. Sei nun (e1, e2) eine Orthonormalbasis in R2. Daf ein lokaler Diffeomorphismus ist, gilt

σi(z) :=hDfz(ei), Dfz(ei)i>0

f¨uri= 1,2. Aus (e1+e2)(e1−e2) folgt (Dfz(e1) +Dfz(e2))(Df(z)(e1)−Df(z)(e2)), und somit ist

0 = hDfz(e1) +Dfz(e2), Dfz(e1)−Dfz(e2)i

= σ1(z)−σ2(z).

d.h.σ1(z) =σ2(z) f¨ur allez∈U.

Nun definiert manλ∈C0(U) durchλ2(z) =σ1(z) =σ2(z). Es giltλ(z)>0 f¨ur alleλ∈U. Aus der Basisdarstellung vonv, w∈R2folgt:

hDfz(v), Dfz(w)i=λ2(z)hv, wi ∀u, wR2, z∈U.

Daf eineC1-Funktion ist, istλstetig. Damit istf lokal konform.

2.) Sei nun f :U C−→Cein lokaler Diffeomorphismus. DAnn erh¨alt man mit Hilfe der

(12)

soeben bewiesenen Eigenschaft die folgenden ¨Aquivalenzen: die folgenden f ist winkeltreu und orientierungserhaltend

⇐⇒1.) es existiert ein λ∈C0(U) mit

1

λ2(z)Dfz :R2−→R2 ist eine orientierungserhaltende, orthogonale Abbildung.

⇐⇒ die zugeh¨orige Matrix λ(z)1 2

à ∂u

∂x(z) ∂u∂y(z)

∂v

∂x(z) ∂v∂y(z)

!

ist ausSO(2) (d.h. eine Drehung).

⇐⇒ λ(z)1 2

à ∂u

∂x(z) ∂u∂y(z)

∂v

∂x(z) ∂y∂v(z)

!

=

Ãcosϕ sinϕ sinϕ cosϕ

!

f¨ur einen Drehwinkelϕ

⇐⇒ ∂u∂x(z) = ∂v∂y(z) und ∂u∂y(z) =∂v∂x(z) (CR–Dgl)

⇐⇒ f ist holomorph.

2

12.2 Komplexe Kurvenintegrale und Stammfunktionen

In diesen Abschnitt untersuchen wir die Frage, welche komplexen Funktionen f :U C−→

C eine Stammfunmktion besitzen.

Definition 12.6 Sei f :U C−→ C eine Funktion. Eine Funktion F : U C −→C heißt Stammfunktion vonf aufU, fallsF :U C−→Cholomorph ist undF0=f gilt.

F¨ur reelle Funktionen hatten wir das Folgende gezeigt:

Istf : [a, b]R−→E eine stetige Funktion mit Werten in einem Banachraum E, dann hatf eine StammfunktionF : [a, b]R−→E, die durch das Riemann- Integral gegeben ist:

F(x) = Zx

a

f(t)dt.

F :I⊂R−→E war differenzierbar und es galtF0=f.

Im Komplexen gilt das nicht! D.h. es existieren stetige Funktionen f : U C−→ Cohne Stammfunktion.

Um Stammfunktionen zu finden, definiert man zun¨achst das Kurvenintegral einer stetigen Funktion.

Definition 12.7 Sei U Coffen, γ : [a, b] R−→U eine C1-Kurve mit Werten in U, f : U C −→ C stetig. Das Kurvenintergral von f l¨angs γ ist das folgende (Riemann-) Integral:

Z

γ

f(z)dz:=

Zb

a

f(γ(t))◦γ0(t)

| {z }

stetig

dt.

(13)

Ist γ : [a, b] R −→ U eine st¨uckweise C1-Kurve, d.h. γ ist stetig und es existiert eine Unterteilung γ = {a = t0 < t1 < ... < tn = b}, so daß γ|[tν−1,tν] eine C1-Kurve ist f¨ur ν = 1, ..., n, dann setzt man

Z

γ

f(z)dz:=

Xn

ν=1

Z

γ|[tν−1,tν]

f(z)dz.

Bezeichnung:Im folgenden nennen wir eine st¨uckweiseC1-Kurve einen Weg.

Beispiel 1: Seienz0, z1∈U, z06=z1 undz0z1={(1−t)z0+tz1|t∈[0,1]} ⊂U bezeichne die Strecke zwischenz0undz1, d.h.z0z1 bezeichne die Kurve

γ=z0z1 : [0,1] −→ U

t 7−→ (1−t)z0+tz1. Es giltγ0(t) =z1−z0, und somit ist

Z

z0z1

dz = Z1

0

γ0(t)dt = Z1

0

(z1−z0)dt = z1−z0. (12.3)

Beispiel 2: Sei ∂K(z0, r) = {z C ¯

¯|z−z0| = r}. ∂K(z0, r) der Kreis vom Radius r, parametrisiert durch

γ : [0,2π] −→ C

t 7−→ z0+re2πit Dann gilt das Folgende

Z

γ

(z−z0)ndz=

(0 : n∈Z\ {−1}

2πi : n=−1 . (12.4)

Diese Formel beweist man wie folgt:

Z

γ

(z−z0)ndz = r Z1

0

rne2πint·2πie2πitdt

= rn+12πi· Z1

0

e2πi(n+1)tdt

=

( rn+12πi

2πi(n+1)(e2πi(n+1)·1−e2πi(n+1)·0) = 0, n6=−1

2πi, n=−1.

Wir betrachten nun die Verkn¨upfung von zwei Wegen γ : [a, b]−→U und δ: [c, d] −→U, wobei giltγ(b) =δ(c). Diese wird definiert als der (nacheinander durchlaufene) Weg

γ∗δ : [0,1] −→ U t 7−→

(γ(a+ 2t(b−a)), 0≤t≤ 12 δ(c+ (2t1)(d−c)), 12 ≤t≤1.

Wir beweisen nun

(14)

Satz 12.4 (Eigenschaften komplexer Kurvenintegrale)

Seien f, g:U −→Cstetige Abbildungen und γ, δ:I−→U Wege inU. Dann gilt:

1.

Z

γ

(f+g)(z)dz = Z

γ

f(z)dz+ Z

γ

g(z)dz, Z

γ

c·g(z)dz = Z

γ

g(z)dz, c∈C Z

γ∗δ

f(z)dz = Z

γ

f(z)dz+ Z

δ

f(z)dz

2.

¯¯

¯ Z

γ

f(z)dz

¯¯

¯ max

t∈I |f(γ(t))| ·l(γ) , wobei l(γ) :=

Zb

a

0(t)kdt die L¨ange von γ bezeichnet.

3. F¨ur gleichm¨aßig konvergente Funktionenfolgen {fn}, wobei fn : U C −→C stetig sind f¨ur allen∈N, ist

Z

γ

mit P

n=1

und lim

n→∞ vertauschbar.

4. Es gilt die Invarianz gegen¨uber Parametertransformationen:

Seiγ:I⊂R−→U ein Weg,τ: ˜I−→I eine Parametertransformation und˜γ: ˜I−→

U definiert durchγ˜=γ◦τ.Dann gilt Z

˜ γ

f(z)dz=sgn(τ0)· Z

γ

f(z)dz,

d.h.

Z

˜ γ

f(z)dz=











 Z

γ

f(z)dz , fallsτ die Durchlaufrichtung erh¨alt,

Z

γ

f(z)dz , fallsτ die Durchlaufrichtung umkehrt.

5. Es gilt die Transformationsregel:

Seien f : U C −→ C stetig, g : ˜U −→ U holomorph mit stetiger Ableitung g0 : ˜U −→U und ˜γ:I⊂R−→U˜ ein Weg, dann gilt

Z

˜ γ

(f ◦g)(z)g0(z)dz= Z

g◦˜γ

f(w)dw.

6. Zusammenhang zwischen Stammfunktion und Kurvenintegral:

Seif :U −→Cstetig undF :U C−→Ceine Stammfunktion von f, dann gilt Z

γ

f(z)dz=F(γ(b))−F(γ(b)). (12.5)

D.h. f¨ur eine Funktionf mit Stammfunktion h¨angt das Kurvenintegral nur vom An- fangspunkt γ(a) und vom Endpunkt γ(b) ab, nicht jedoch vom Verlauf von γ selbst.

Insbesondere ist das Kuvenintegral ¨uber geschlossenen Wegen gleich null.

(15)

Beispiel: Wir betrachten ein Beispiel zum Punkt 6., und zwar die Funktion f : U = C\ {0} ⊂ C −→ C mit f(z) = 1z. H¨atte f eine Stammfunktion auf U, so w¨are f¨ur γ=e2πit,0 ≤t 2πdas Integral R

γ

f(z)dz=f(1)−f(1) = 0. Es gilt aber nach (12.4), daßs R

|z|=1

f(z)dz= 2πi6= 0 ,d.h.f kann keine Stamfunktion haben.

Beweis von Satz 12.4:1.-3. folgen aus den Eigenschaften des Riemann-Integrals. Ebenso folgt 4. aus der Formel f¨ur Koordinatentransformationen des Riemann-Integrals. 5. wird mit Hilfe der Kettenregel bewiesen und verbleibt als ¨Ubungsaufgabe. Wir beweisen

6.) SeiF eine Stammfunktion vonf, d.h.F0 =f. Damit ist R

γ

f(z)dz = Rb

a

f(γ(t))γ0(t)dt = Rb

a

(F0(γ(t))γ0(t)dt

= Rb

a

(F◦γ)0(t)dt (Kettenregel)

= (F◦γ)(b)−(F◦γ)(a)

2 Definition 12.8 Eine offene und zusammenh¨angende MengeU Cheißt Gebiet.

Bemerkung:Wir hatten die folgenden topologischen Eigenschaften kenengelernt:

Sei X ein topologischer (metrischer) Raum. Ist A ⊂X bogenzusammenh¨angend, so istAauch zusammenh¨angend.(Die Umkehrung gilt i.A. nicht.)

Ist X = Rn, U X offen und zusammenh¨angend, so gilt: U ist bogenzusam- menh¨angend (Analysis II).

Damit istU Cein Gebiet genau dann, wennU offen und bogenzusammenh¨angend ist.

Satz 12.5 Sei U C ein Gebiet, f : U C−→ C stetig. Dann sind folgende Aussagen

¨aquivalent:

1. f besitzt eine Stammfunktion 2. Das Kurvenintegral R

γ

f(z)dz ¨uber jeden geschlossenen Weg γ (d.h.γ(a) = γ(b)) ist null.

3. Das Integral von f ¨uber jeden in U verlaufenden Wegγ h¨angt nur vom Anfangspunkt γ(a)und Endpunkt γ(b)ab.

Beweis:

(1.=2.) Satz 12.4, Punkt 6.

(2.= 3.) Seien γ, δ : [0,1] −→ U zwei Wege in U mit γ(0) = δ(0), so- wieγ(1) =δ(1).

Behauptung:

Z

γ

f(z)dz= Z

δ

f(z)dz.

δ

γ

γ(1) =δ(1)

γ(0) =δ(0)

(16)

Beweis: Seiδ der r¨uckw¨arts durchlaufene Wegδ:

δ: [0,1] −→ U δ(t) := δ(1−t).

Dann ist γ∗δ: [0,1]−→U ein geschlossener Weg inU. Nach 2. gilt nun:

Z

γ∗δ

f(z)dz = 0

Satz 12.4 = Z

γ

f(z)dz+ Z

δ

f(z)dz = Z

γ

f(z)dz Z

δ

f(z)dz.

Damit ist alsoR

γ

f(z)dz=R

δ

f(z)dz (3.=1.) Seiz∈U fixiert. Sei

F(z) :=

Zz

z

f(z)dz,

das Kurvenintegral entlang eines beliebigen Weges vonz nachzinU. Da solch ein Integral von f nach 3. nur vonγ(z) und γ(z) abh¨angig ist und nicht von γ, istF :U C−→C korrekt definiert.

Behauptung:F ist komplex–differenzierbar undF0 =f.

Seiz0∈Ubeliebig, fest. Es ist zu zeigen, daß F in z diffenrenzier- bar ist und F0(z0) = f(z0). Da U offen ist, existiert eine Kugel K(z0, ρ)⊂U. Seiz∈K(z1, ρ)⊂

U.

U

γ

z

0

z z

Dann gilt f¨urF

F(z) = Zz

z

f(ξ)dξ =

z0

Z

z

f(ξ)dξ+ Zz

z0

f(ξ)dξ

= F(z0) + Z

z0z

f(z0)dξ+ Z

z0z

(f(ξ)−f(z0))dξ

| {z }

=:r(z)

= F(z0) +f(z0) Z

z0z

+r(z) (12.3)

= F(z0) +f(z0)(z−z0) +r(z).

Somit erh¨alt man, daß

F(z)−F(z0) z−z0

= f(z0) + r(z) z−z1

. Es bleibt zu zeigen, daß limz→z1

r(z)

z−z1 = 0, denn dann gilt limz→z1

F(z)−F(z1)

z−z1 =f(z1).

(17)

Da nun f inz0 stetig ist, existiert f¨ur alleε >0 ein 0< δ < ρso, daß

|f(z)−f(z0)|< ε f¨ur allez∈U mit|z−z0|< δ.

Damit ist

|r(z)| ≤ ε Z

z1z

= ε|z−z0| f¨ur allez∈U mit |z−z0|< δ.

D.h. aber, daß

¯¯

¯F(z)−F(z0) z−z0

−f(z0)

¯¯

¯ ε.

und somit

z→zlim0

F(z)−F(z0) z−z0

= f(z0).

Also istF f¨ur allez0∈U komplex differenzierbar und es giltF0(z0) =f(z0). 2

Um die Existenz von Stammfunktionen nachzuweisen, m¨ußte man also f¨ur alle geschlossenen Wegeγnachweisen, daßR

γ

f(z)dz = 0 gilt. F¨ur spezielle GebieteU Cgen¨ugt es jedoch, dies auch nur f¨ur spezielle Wege zu zeigen. Dabei wird es sich um sternf¨ormige Gebiete und deren R¨ander handeln.

Definition 12.9 Eine Teilmengea⊂C heißt sternf¨ormig falls ein z1∈A existiert, so daß f¨ur alle z∈A die Strecke z1z inA enthalten ist.z1 heißt Zentrum vonA.

z

1

Beispiele:

1. Eine konvexe MengeA⊂Cist sternf¨ormig. Dabei ist jeder Punkt vonAein Zentrum.

2. Die “geschlitzte Ebene” C :=C\ {z C| z R, z 0} ist sternf¨ormig aber nicht konvex. Die Zentren vonC sind allez∈R+.

3. Die “punktierte Ebene” C := C\ {0} ist nicht sternf¨ormig. Kreisringe sind nicht sternf¨ormig.

Definition 12.10 (Dreieckswege) Seien z1, z2, z3C gegeben. Die Menge

4=4(z1, z2, z3) ={t1z1+t2z2+t3z3|t1+t2+t3= 1, 0≤ti1, i= 1,2,3}

ist das Dreieck in Cmit den Eckenz1, z2, z3.

Mit ∂4 (“Dreiecksweg”) sei der folgende, inz1 geschlossene Weg bezeichnet:

∂4 : [0,3] −→ U

∂4(t) :=





z2+ (1−t)(z1−z2) , t∈[0,1]

z3+ (2−t)(z2−z3) , t∈[1,2]

z1+ (3−t)(z3−z1) , t∈[2,3]

= (z1z2∗z2z3)∗z3z1 (modulo Umparametrisierung).

(18)

Dann gilt der

Satz 12.6 (Existenzkiterium f¨ur Stammfunktionen f¨ur sternf¨ormige Gebiete) Seien U C ein sternf¨ormiges Gebiet mit Zentrum z, f : U C −→ Cstetig. F¨ur den Rand jedes Dreiecks mit z als Ecke gelte:

Z

∂4

f(z)dz = 0.

Dann ist Z

γ

f(z)dz = 0

f¨ur jeden geschlossenen Weg γ in U. D.hf hat eine Stammfunktion, und diese ist gegeben durch

F(z) :=

Z

zz

f(ξ)dξ.

Beweis: Definiere f¨urz∈U

F(z) :=

Z

zz

f(ξ)dξ.

DaU sternf¨ormig ist, istzz∈U, d.h.F ist wohl definiert.

Wir zeigen wie im Satz 12.5, daßF holomorph ist undF0= f gilt.

Sei z0 U und ρ > 0, so daß gilt z K(z0, ρ) U. Betrachte das Dreieck 4=4(z, z0, z)⊂U.

U

z

z0

z

Dann gilt

0 = Z

∂4

f(ξ)dξ = Z

zz0∗z0z∗zz

f(ξ)dξ

= Z

zz0

f(ξ)dξ+ Z

z0z

f(ξ)dξ+ Z

zz

f(ξ)dξ

= −F(z0) + Z

z0z

f(ξ)dξ+F(z)

Damit ist

F(z) =F(z0) + Z

z1z

f(ξ)dξ,

und somit folgt wie im Beweis von Satz 12.5, daß F komplex differenzierbar ist undF0=f

gilt. 2

12.3 Der Cauchysche Integralsatz

Dieser Abschnitt hat die folgende Aussage zumZiel:

(19)

Sei U C ein einfach-zusammenh¨angendes Gebiet und f : U C −→ C

holomorph, so gilt Z

γ

f(z)dz= 0

f¨ur alle geschlossenen Wegeγin U, d.h.f hat auf U eine Stammfunktion.

12.3.1 Einfach–zusammenh¨ angende topologische R¨ aume

Wir f¨uhren zun¨achst zwei Bezeichnungen f¨ur topologische (metrische) R¨aume ein.

Definition 12.11 SeiX ein topologischer Raum, x0, x1∈X. Dann bezeichne Ω(X;x0, x1) := : [0,1]−→X | ω ist stetig, ω(0) =x0, ω(1) =x1} die Menge aller stetigen Wege vonx0 nachx1,

Ω(X;x0) := Ω(X;x0, x0)

die Menge aller inx0 geschlossenen, stetigen Wege.

Wir f¨uhren nun den in der Topologie wesentlichen Begriff der Homotopie ein.

Definition 12.12 Zwei Wegeω, σ∈Ω(X;x0, x1)heißen homotop inΩ(X;x0, x1)(also mit fixiertem Anfangs- und Endpunkt), falls eine stetige Abbildung

H : [0,1]×[0,1] −→ X

(t, s) 7−→ Hs(t) =H(t, s) existiert, mit

1. HsΩ(X;x0, x1)f¨ur alles∈[0,1], 2. H0=ω (d.h.H(t,0) =ω(t)), 3. H1=σ(d.h.H(t,1) =σ(t)).

H heißt Homotopie zwischenω undσ. Bezeichnung:ω∼σ Homotopie ist eine ¨Aquivalenzrelation auf Ω(X;x0, x1).

Beispiel: Sei A Rn konvex, ω, σ Ω(A;x0, x1). Dann sindω und σ homotop in Ω(A;x0, x1) f¨ur beliebige x0, x1 A. Dabei ist die Homotopie gegeben durch die Verbin- dungsgerade zwischenσ(t) undω(t):

Hs(t) :=sσ(t) + (1−s)ω(t).

ω

σ

Hs(t) σ(t) =H1(t)

ω(t) =H0(t)

Mittels der ¨Aquivalenzrelation der Homotopie definieren wir eine Gruppe.

Definition 12.13 SeiX ein topologischer Raum, x0∈X. Dann heißt die Menge π1(X;x0) := Ω(X;x0

Fundamentalgruppe von X bez¨uglichx0.

(20)

Es gilt:

1. π1(X;x0) ist eine Gruppe

mit dem Produkt

[ω]·[σ] := [ω∗σ]

∗σ)(t) :=

(ω(2t) , 0≤t≤ 12 σ(2t−1) , 12 < t≤1,

dem Einselemente= [cx0] mitcx0(t)≡x0,

und dem Inversen [ω]−1:= [ω], wobeiω: [0,1]−→X,ω(t) =ω(1−t).

2. IstX bogenzusammenh¨angend und x0, x1 ∈X, so sindπ1(X;x0) undπ1(X;x1) iso- morph. Dabei definiert jedesη∈Ω(X;x0, x1) einen Gruppenisomorphismus

φη : π1(X;x0) −→ π1(X;x1) [ω] 7−→∗ω∗η].

D.h. f¨ur bogenzusammenh¨angende Gebiete ist die Angabe des fixierten Punktes un- wesentlich, und man kann ihn in der Bezeichnung weglassen.

Definition 12.14 Ein topologischer Raum heißt einfach-zusammenh¨angend, falls gilt:

1. X ist bogenzusammenh¨angend (insbesondereπ1(X;x0) =π1(X)f¨ur allex0.)

2. π1(X) =1={e}. D.h. jeder in x0 geschlossene Weg ω ist “zusammenziehbar”, d.h.

homotop zum konstanten Wege. Solche Wege heißen “nullhomotop”.

Beipiel 1: Eine beliebige Teilmenge X := A C mit der induzierten Metrik ist nicht unbedingt einfach–zusammenh¨angend.π1(A;x0) mißt die Zahl der L¨ocher inA.

So gilt f¨ur X := C\ {0} daß π1(X;x0) 6= 1. Sp¨ater werden wir zeigen, daßπ1(X;x0) =Z

x

0

0

Ist X = C \ {p1, . . . , pk} mit piC, so istπ1(X;x0) eine nicht abelsche freie Gruppe mitk Er- zeugenden.

x

0

p

1

p

2

p

3

p

4

Beispiel 2: Jedes sternf¨ormige Gebiet U C ist einfach-zusammenh¨angend. Sei z ein Zentrum vonU. Uist bogenzusammenh¨angend, da jeder Punktz∈U mitzverbunden

(21)

werden kann. Es bleibt zu zeigen, daß jeder in z geschlossene Weg homotop zum konstanten Wegcz, cz(t)≡z ist. Die Homotopie zwischenω undcz ist

Hs(t) =H(t, s) = (1−s)ω(t) +sz

H ist stetig undH([0,1]×[0,1])⊂U, daU sternf¨ormig ist.H leistet das Verlangte:

H(0, s) = H(1, s), H(t,0) = ω(t), H(t,1) = cz. Beispiel 3:Es gelten die folgenden Beziehungen:

π1(S1) = Z, π1(C\ {0}) = Z,

π1(Sn) = 1 ∀n≥2.

12.3.2 Cauchyscher Integralsatz f¨ ur sternf¨ ormige Gebiete

Wir werden nun den Cauchyschen Intergralsatz beweisen. Dieser wurde zuerst von Cauchy 1825 f¨ur Rechteckgebiete bewiesen (ver¨offentlicht 1874!). Der verh¨altnism¨aßig einfache Be- weis, den wir hier angeben, stammt von Goursat und ist aus dem Jahre 1883. Er basiert auf einem Satz, der auch unter dem Namen“Fundamentallemma der Funktionentheorie”

oder“Lemma von Goursat”bekannt ist.

Satz 12.7 (Cauchysche Integralformel f¨ur Dreieckswege [Goursat, 1883]) Seien U C offen und f : U C−→ C holomorph. F¨ur den Rand jedes Dreiecks 4 ⊂U gilt

dann Z

∂4

f(z)dz = 0.

Beweis:Sei4 ⊂U ein beliebiges Dreieck inU. Wir teilen 4 in vier Teildreiecke4ν, ν = 1, . . . ,4 durch Verbinden der Mittelpunkte der Seiten von 4 und orientieren 4ν genauso wie 4, d.h. alle R¨ander der Teildreiecke werden in demselben Umlaufsinn durch-

laufen wie4.

z

1

z

2

z

3

ª ª ª

ª

Man hat dann folgenden Eigenschaften.

F¨ur die L¨angen der Dreiecke giltL(∂4ν) = 12L(∂4) f¨urν= 1, . . . ,4.

Unter Beachtung der Orientierung erh¨alt man Z

∂4

f(z)dz= X4

ν=1

Z

∂4ν

f(z)dz,

da die Innenkanten zweimal in entgegengesetzter Richtung durchlaufen werden.

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