Hippokratischer Eid
Klinische Studien in Deutschland
Gesetzliche und ethische Grundlagen
Dr. med. Ralph Meyers
Arzt für KJP, Psychotherapie Mitglied TGD, ZGD,BKJPP,DGKJP
Mitglied der Ethikkommission der ÄKWL und der Universität Münster Leitender Prüfarzt, beratender Arzt der KVWL (PharmPro®)
23.01.2016, revidiert 12.2020
Der Hippokratische Eid
Obwohl vor vierundzwanzig Jahrhunderten verfasst, bleibt der
Hippokratische Eid die bedeutsamste Urkunde medizinischer Ethik und Deontologie, die unverzichtbare Richtschnur ärztlichen Handelns.
Hippokratischer Eid – Übersetzung des Originals
1. Ich schwöre bei Apollon dem Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und allen Göttern und auch allen Göttinnen, sie zu Zeugen anrufend, dass ich nach meinem Vermögen und Urteil erfüllen werde diesen Eid und diesen (Lehr)vertrag:
2. Meinen künftigen Lehrer in dieser Kunst gleichzuachten meinen
eigenen Eltern und das Leben mit ihm zu teilen und, falls er Not leidet, ihn mitzuversorgen und seine Nachkommen gleich meinen Brüdern in
männlicher Linie zu halten und sie diese Kunst zu lehren, wenn sie diese erlernen wollen, ohne Entgelt und Vertrag, mit Vorschriften und auch mündlichem Unterricht und dem ganzen übrigen Lernstoff mitzuversorgen meine eigenen Söhne und die Söhne dessen, der mich unterrichten
wird, wie auch Schüler, die den Vertrag unterzeichnet und auch den Eid geleistet haben nach ärztlichem Brauch, sonst aber niemand.
3. Die diätetischen Maßnahmen werde ich treffen zum Nutzen der Leidenden nach meinem Vermögen und Urteil, Schädigung und Unrecht aber von ihnen abwehren.
4. Nie werde ich irgend jemandem, auch auf Verlangen nicht, ein tödliches Mittel verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen; ebenso
werde ich keiner Frau ein keimvernichtendes Vaginalzäpfchen verabreichen.
5. Lauter und redlich werde ich bewahren mein Leben und meine Kunst.
6. Nie und nimmer werde ich bei (Blasen)steinkranken den Schnitt Machen, sondern sie zu den werkenden Männern wegschieben, die mit diesem Geschäft vertraut sind.
7. In wie vielen Häusern ich auch einkehre, eintreten werde ich zum Nutzen der Leidenden, mich fernhaltend von allem vorsätzlichen Unrecht sowie jeder sonstigen Unzüchtigkeit, zumal von Werken der Wollust, an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.
B. Was immer ich bei der Behandlung (der Patienten) sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, soweit man es nicht ausschwatzen darf, werde ich darüber schweigen, solches als heiliges Geheimnis achtend.
9. Wenn ich also diesen meinen Eid erfülle und nicht zunichte mache, so möge mir Erfolg im Leben und in der Kunst beschieden sein, gerühmt bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn aber übertrete und meineidig werde, das Gegenteil von alledem.
• Die Wirkungsgeschichte des „Eides“ ist gewiss von besonderem Interesse. Es ist faszinierend zu verfolgen, wie die alte ärztliche
Eidesformel periodisch abgewandelt wurde. Neue Abschnitte wurden eingeschoben, andere weggelassen oder durch Zeitgemäßeres
ersetzt.
• Mit der gegenwärtigen Aktualität des Eides verhält es sich nicht anders, sie stellt nur die vorläufig letzte Phase dar.
• Aktuell ist er aus zwei Gründen: er ist das für uns alle verbindliche Wertesystem in einer Welt mit ihrem typischen Agnostizismus und mystischen Pluralismus mit der Gefahr, dass sich daraus ein ethisches Vakuum entwickelt. Zweitens wirft uns der überschnelle
wissenschaftliche Fortschritt der Medizin in neue und ungeahnte ethische Konflikte.
Gesetzesgrundlagen für klinische Studien
1964 Deklaration von Helsink – Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen
1976 Deutschland Arzneimittelgesetz; www.juris.de 1976 Vorschriften für Sponsoren und Monitore (FDA);
1977 GCP-Vorschriften für Prüfärzte (USA)
1987 Bekanntmachung von Grundsätzen für die orgnungsgemäße
Durchführung der klinischen Prüfung mit Arzneimitteln (Principles on Good Conduct of Clinical Trials)
1997 GCP = Good Clinical Practice, ICH = International Conference on Harmonisation; www.ich.org
….
2003 Richtlinie 2003/94/EG zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der
Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung am Menschen bestimmte Prüfpräparate
2010 EU Guidelines to Good Manufactoring Practice
2010 Detailed guidance on the collection, verification and presentation of adverse event/reaction reports arising from clinical trials on medical products for human use / European Commission
Vorschlag für eine Neufassung:
VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie
2001/20/EG (2012)
Auszüge:
Klinische Prüfungen im Sinne der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen
Prüfungen mit Humanarzneimitteln (1) sind Untersuchungen von
Arzneimitteln bei Anwendung am Menschen, die nicht im Rahmen der normalen klinischen Praxis sondern auf der Grundlage eines Prüfplans stattfinden.
1 ABl. L 121 vom 1.5.2001, S. 34.
GENEHMIGUNGSVERFAHREN UND GENEHMIGUNGSDOSSIER (EINREICHUNG, BEWERTUNG, ENTSCHEIDUNG; KAPITEL 2, 3 14 UND 15 DER
VORGESCHLAGENEN VERORDNUNG)
• ein harmonisiertes Genehmigungsdossier, mit dem die in EudraLex, Band 10 enthaltenen
Kommissionsleitlinien teilweise kodifiziert werden;
• ein mit einer EU-Datenbank verbundenes
„zentrales Portal“ zur Einreichung von Anträgen auf Genehmigung klinischer Prüfungen; dieses Portal wird von der Europäischen Kommission verwaltet und ist für die Sponsoren kostenfrei;
• ein flexibles und schnelles Bewertungsverfahren, für das kein neuer, zentraler Verwaltungsapparat eingerichtet werden muss. Diese Bewertung steht weitestgehend unter der Kontrolle der
Mitgliedstaaten; alle Mitgliedstaaten, in denen der Sponsor die klinische Prüfung durchzuführen plant, sind an der Bewertung beteiligt;
• ein eindeutiger Mechanismus für die Benennung des berichterstattenden Mitgliedstaates;
• klare Zeitvorgaben mit einem Konzept der „stillschweigenden Genehmigung“, damit die Vorgaben eingehalten werden;
• ein beratendes und koordinierendes Forum, in dem Probleme besprochen werden können, die sich im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ergeben
können; dieses Forum wird von der Kommission verwaltet und geleitet;
ZUSAMMENSPIEL MIT „WISSENSCHAFTLICHER BERATUNG“
Unabhängig von der Verordnung über klinische Prüfungen kann es sein, dass Regulierungsbehörden auch bei der Vorbereitung von Prüfungen mitwirken, z. B. durch Unterstützung bei der Erstellung des Prüfplans, des pädiatrischen Prüfkonzepts, durch wissenschaftliche Beratung und im Rahmen von Unbedenklichkeits-/Wirksamkeitsstudien nach der
Zulassung (nachstehend „wissenschaftliche Beratung“).
SCHUTZ DER PROBANDEN UND EINWILLIGUNG NACH AUFKLÄRUNG
(KAPITEL 5 DER VORGESCHLAGENEN VERORDNUNG)
• Gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dürfen Interventionen im Rahmen der Medizin oder Biologie nur mit freier Einwilligung des Betroffenen nach
vorheriger Aufklärung vorgenommen werden.
• Zum Schutz personenbezogener Daten gelten außerdem die
Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG9 und die Verordnung (EG) Nr.
45/2001.
• In der EU-Datenbank werden keine personenbezogenen Daten zu den an einer Prüfung teilnehmenden Probanden erfasst.
SCHADENSERSATZ (KAPITEL 12 DER VORGESCHLAGENEN VERORDNUNG)
• Mit der Richtlinie 2001/20/EG wurde eine obligatorische Versicherung bzw. anderweitige Schadensersatzdeckung eingeführt.
Zusammenfassung
• harmonisiertes elektronisches Antragsdossier
• Zentrales elektronisches Einreichungsportal bei der EU
• „berichterstattender Mitgliedstaat“ nach Wahl des Sponsors
• Bewertung durch die Mitgliedstaaten
• Teil I: Bewertung durch berichterstattenden Mitgliedsstaat
• Teil II: „ethische und nationale/lokale Aspekte“
• nur eine umfassende Genehmigung pro Mitgliedsstaat („single opinion“)
• kurze Fristen mit Genehmigungsfiktion
• Ethik-Kommission wird nicht mehr genannt
• Änderungen beim Schutz Minderjähriger und nicht Einwilligungsfähiger
• „nationaler Entschädigungsmechanismus“ statt Probandenversicherung
• nur eine Gebührenrechnung pro Mitgliedsstaat
Kritik Bundesärztekammer:
Die Kernfrage der ethischen Bewertung („Vertretbarkeit“) wird der Entscheidungskompetenz der betroffenen Mitgliedstaaten entzogen.
Die Ethik-Kommission zum Schutz der Teilnehmer fällt weg.
Schutz vor fremdnütziger Forschung wird reduziert,
insbesondere bei Minderjährigen und Notfallpatienten.
Zusammenfassung
Auch in heutiger Zeit ist eine Orientierung am Hippokratischen Eid
mehr den je wichtig. Die Historie belegt, dass die ethischen Grundsätze für Forschung und Medizin immer wieder den zeitlichen und politischen Vorgaben angepasst wurden. Um so wichtiger ist es, in der sich heute so schnell ändernden Zeit mit täglich neuen wissenschaftlichen
Herausforderungen und Möglichkeiten Bodenständigkeit zu bewahren und sich nicht von aktuellen Strömungen in der Objektivität von
ethischen Entscheidungen beeinflussen zu lassen.