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Standpunkt • Position

3/2012

Aufruf für eine nachhaltige Pensionsreform

von Prof. Dr. Christian Keuschnigg, Direktor des IHS, 24. September 2012.

Das österreichische Pensionssystem ist im Ungleichgewicht. Schon jetzt wird die Pensions- versicherung zu beinahe 30% aus dem allgemeinen Bundesbudget bezuschusst. Dazu kommt noch eine zuschussbedürftige Beitragslücke bei den Pensionen der öffentlichen Rechtsträger. Die Pensionsausgaben in Österreich gehören zu den höchsten in der OECD. Der EU Aging Report 2012 prognostiziert bis 2060 einen weiteren Anstieg der Pensionsausgaben um 2 Prozentpunkte des BIPs, und um mehr als 4 Prozentpunkte für alle altersbedingten Sozialausgaben. Je länger eine nachhaltige Pensionsreform hinausgeschoben wird, desto grösser wird das Ungleichgewicht, und desto mehr wird die Last auf künftige Generationen abgeschoben.

In einer alternden Bevölkerung kann eine nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems nur über drei Wege erzielt werden: (i) Anhebung der Beitragssätze, (ii) Absenkung der Leistungen, und (iii) Anhebung des Ruhestandsalters. Große Beitragssteigerungen und/oder eine Absenkung des Lebensstandards im Alter können nur vermieden werden, wenn das durchschnittliche Ruhestandsalter langsam und schrittweise angehoben wird, so dass die Haushalte sich frühzeitig auf die längere Lebensarbeitszeit vorbereiten können und bisher erworbene Ansprüche erhalten bleiben.

Die Lohn- und Abgabenbelastung der Arbeitseinkommen in Österreich ist bereits jetzt eine der höchsten im internationalen Vergleich. Eine weitere Anhebung würde nicht nur den Beschäftigungsstandort Österreich gefährden, sondern die Anpassung einseitig zu Lasten junger Generationen vornehmen. Eine Absenkung der Leistungen kann nur dann erwogen werden, wenn mit anderen Maßnahmen der Lebensstandard im Alter gesichert wird. Die Ersatzquoten der österreichischen Pensionsversicherung, also die durchschnittliche Pensionshöhe in Prozent des letzten Arbeitseinkommens, ist weit höher als im EU- oder OECD-Durchschnitt. Die Nettoersatzquoten nach Steuern betragen durchschnittlich 89,8% in Österreich, 72,9% in den EU- und 68,9% in den OECD-Ländern. Angesichts dieser Verhältnisse sollte in Österreich den Haushalten mehr Wahlfreiheit in der Aufteilung ihres Lebenseinkommens auf die Arbeits- und Ruhestands- phase eingeräumt werden. Es ist zu überlegen, unter Bewahrung der bisher erworbenen Pensionsansprüche nach einer Übergangszeit die Beiträge und Leistungen für die umlagefinanzierte Säule in Maßen abzusenken und näher an den EU-Durchschnitt zu bringen. Wahlfreiheit bedeutet, dass die Haushalte die so gesparten Beitragsprozente für die freiwillige Alterssicherung verwenden können, aber nicht müssen. So ist es möglich, das gesamte Alterseinkommen (Pension aus der umlagefinanzierten und freiwilligen Säule) in bisher gewohnter Höhe zu erhalten. Räumt man diese Wahlmöglichkeit nicht ein, dann werden in der älter werdenden Gesellschaft in Zukunft alle Haushalte für die umlagefinanzierte Alterssicherung einen wesentlich höheren Preis in Form von höheren Beiträgen, Steuern oder noch späterem Pensionsantritt bezahlen müssen.

Eine schrittweise Anhebung des Ruhestandsalters ist die wirksamste und nachhaltigste Anpassung des Pensionssystems an die Alterung, um eine einseitige Belastung der Erwerbstätigen oder der Pensionisten zu vermeiden. Das Pensionssystem soll den Haushalten mehr Freiheit in der Wahl des Pensionsantritts lassen und darf auf keinen Fall den freiwilligen Aufschub des Ruhestands finanziell bestrafen, wie es derzeit der Fall ist. Der Übergang zu einem beitragsorientierten System (NDC,

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notional defined contributions) stellt diese Ziele sicher. Die Pensionshöhe bei Pensionsantritt orientiert sich einerseits an den geleisteten Beiträgen und andererseits an der Bezugsdauer über die restliche erwartete Lebenszeit, und zwar in einer Art und Weise, die ein ausgeglichenes Budget der Pensionsversicherung garantiert. Wer länger arbeitet und in das System einzahlt, und damit seine Ruhestandsphase verkürzt und weniger lang Leistungen bezieht, bekommt eine höhere Pension. Die bei Pensionsantritt gewährten Leistungen werden damit automatisch und im versicherungstechnisch richtigen Ausmaß angepasst, wenn die Lebenserwartung steigt.

Das derzeitige Pensionssystem vernachlässigt die automatische Anpassung der Leistungen an die zunehmende Lebenserwartung und begünstigt den vorzeitigen Ruhestand. Dies führt dazu, dass heutige Generationen im Laufe ihres gesamten Lebens mehr Leistungen beziehen, als sie einbezahlen, und damit einen erheblichen Teil ihrer Pensionsansprüche auf Kosten zukünftiger Generationen beziehen. Dies ist der Grund für den hohen Bundeszuschuss, der im Laufe der nächsten Jahrzehnte mit zunehmender Alterung der Bevölkerung systematisch anwachsen wird, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird. Dieselben Generationen haben im Laufe ihres Lebens ein Vermögen in die Ausbildung ihrer Kinder investiert, um sie für die Zukunft vorzubereiten. Da kann es nicht viel Sinn machen, wenn die Kinder und Enkel in Zukunft die Pensionsversprechen einlösen müssen, die heute immer noch zu großzügig gegeben werden. Die im Pensionsaufruf vorgeschlagenen Grundsätze einer Pensionsreform sollen das Pensionssystem nachhaltig für zukünftige Generationen erhalten, ohne die Beiträge noch weiter hochzuschrauben oder den Lebensstandard im Alter zu gefährden.

Christian Keuschnigg Direktor des IHS

Institut für Höhere Studien (IHS) direktion@ihs.ac.at

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