• Keine Ergebnisse gefunden

Die Thematisierung kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme in der Grundschule – Eine vergleichende Schulbuchanalyse

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Die Thematisierung kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme in der Grundschule – Eine vergleichende Schulbuchanalyse"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),

Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.

Seite 913 Janet WINZEN & Karina HÖVELER, Münster Die Thematisierung kombinatorischer

Anzahlbestimmungsprobleme in der Grundschule – Eine vergleichende Schulbuchanalyse

1 Theoretischer Hintergrund

Kombinatorische Anzahlbestimmungen spielen u. a. im Kontext von Wahr- scheinlichkeiten eine zentrale Rolle. Dabei stehen zur Anzahlbestimmung verschiedene Zugänge zur Verfügung: strukturierte Auflistungen, Zählprin- zipien und kombinatorische Operationen sowie verschiedene Darstellungen.

Diverse Studien zeigen, dass Lernende große Schwierigkeiten beim Lösen kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme haben (vgl. u. a. Batanero et al., 1997). Als ursächlich wird ein fehlendes konzeptuelles Verständnis der verschiedenen Zugänge und ihrer Beziehungen angenommen, welches auch auf die Art und Weise der Thematisierung zurückgeführt wird (vgl.

Lockwood, 2014). Eine Langzeitstudie von Maher et al. (2010) zeigt, dass ein dem genetischen Prinzip folgender Unterricht, in dem kombinatorische Inhalte spiralförmig von der Grundschule bis in die Sekundarstufe themati- siert werden, dazu beiträgt, ein kombinatorisches Verständnis zu entwickeln.

Ein empirisch fundiertes, konkretes unterrichtliches Konzept liegt bislang jedoch für keine Schulstufe vor. Da Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Lernende schon in der Grundschule in der Lage sind, eigenständig tragfähige Strukturierungsstrategien zu entwickeln und erste Zählstrategien daraus ab- zuleiten, die bereits den Grundideen der kombinatorischen Zählprinzipien entsprechen (vgl. u. a. Höveler, 2014), empfiehlt Höveler (2014), neben der Thematisierung der notwendigen Disjunktheit der zu zählenden Mengen, eine Schwerpunktsetzung auf diese beiden Aspekte. Darüber hinaus wird empfohlen, die Strategien und Konzepte im Sinne der fortschreitenden Sche- matisierung (Treffers, 1983) zu behandeln, wie dies bspw. in Ansätzen in dem Fünf-Phasenmodell von Schipper et al. (2015) wiederzufinden ist.

Doch wie sieht der aktuelle Unterricht zur kombinatorischen Anzahlbestim- mung in deutschen Grundschulen aus? Inwiefern folgt er diesen Grundge- danken und welcher Veränderungen bedarf es ggf., um Lernende bei der Entwicklung kombinatorischer Anzahlbestimmungsstrategien und eines kon- zeptuellen Verständnisses zu unterstützen?

2 Forschungsinteresse und Untersuchungsdesign

Da entsprechende empirische Erkenntnisse bislang fehlen, liegt das Interesse der vorliegenden Studie darin, zu erheben, inwiefern die aktuelle Unter- richtspraxis zu kombinatorischen Anzahlbestimmungsproblemen den in der

(2)

A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),

Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.

Seite 914

Literatur benannten didaktischen Empfehlungen folgt und wie sich dies auf die Kompetenzen der Lernenden auswirkt. Dazu wird zunächst die Thema- tisierung kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme im Medium Schulbuch untersucht, da dieses „Instrument […] des Lehrens und Ler- nens“ (Rezat, 2009, S. 26) die aktuelle Unterrichtspraxis zu einem gewissen Teil spiegelt. Anknüpfend sollen Lehrkräfte bezüglich der Gestaltung des Unterrichts und vorgenommener Schwerpunktsetzungen befragt und die kombinatorischen Kompetenzen von Lernenden aus diesen Klassen erhoben werden. In diesem Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse der Schulbucha- nalyse zu folgenden Fragestellungen präsentiert:

F. 1: Inwiefern wird die Entwicklung von (konkreten) tragfähigen a) Struk- turierungsstrategien und b) Zählstrategien als Basis für Zählprinzipien ge- zielt thematisiert? F. 2: Inwiefern folgen die Darstellungen in den Schulbü- chern dem Ansatz der fortschreitenden Schematisierung? Der Überprüfung der zweiten Frage diente das Fünf-Phasenmodell von Schipper et al. (2015).

Zur Beantwortung der Fragen wurden die aktuellen NRW-Ausgaben der Schulbücher Denken und Rechnen (DuR), Das Zahlenbuch (Zb), Fredo (F), eins zwei drei (ezd) und ZahlenZauber (ZZ) sowie die dazugehörigen Leh- rerkommentare (Lk) hinzugezogen und analysiert. Auswahlkriterien waren die Behandlung kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme über min- destens drei Schuljahre hinweg, die Häufigkeit der Verwendung in Schulen (Zb, DuR) sowie besondere konzeptuelle Ansätze (ezd, ZZ, F). Die Daten- analyse erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) in Form eines deduktiv entwickelten Kategoriensystems bezüglich der Strukturie- rungsstrategien, der Zählprinzipien und des adaptierten Phasenmodells.

3 Untersuchungsergebnisse

Hinsichtlich der Thematisierung von Strukturierungsstrategien (F. 1a) fällt auf, dass in den Schulbüchern und den Lehrerkommentaren von einem not- wendigen strukturierten Vorgehen gesprochen wird (vgl. Tab., K. I, Z. 1).

Konkrete Impulse, die die Lernenden auffordern, Kriterien für geeignete Strategien zu entwickeln, und Anregungen zum Austausch über konkrete, tragfähige Strategien werden Lehrenden und Lernenden nicht gegeben.

Bezüglich individueller Zählstrategien, als Basis für die Ableitung kombina- torischer Zählprinzipien (F. 1b), zeigt die Analyse, dass diese in den Schul- büchern sehr selten thematisiert werden (vgl. Tab., K. II). Anregungen zur Entwicklung individueller Zählstrategien sind in den Schulbüchern kaum zu finden: In ZahlenZauber 2 und in eins zwei drei 2 gibt es je eine Aufgaben- serie, die das Additions- bzw. Rekursionsprinzip impliziert (vgl. Tab., K. II,

(3)

A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),

Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.

Seite 915

Z. 7 & 8) und ein zählendes Vorgehen, abgeleitet vom strukturierten Auflis- ten, anregt. Auffällig ist, dass das Baumdiagramm in allen Schulbüchern als Veranschaulichung verwendet wird, das aus der Darstellung ableitbare Kreuzprodukt, das allgemeine Zählprinzip und deren Besonderheiten jedoch nicht explizit behandelt werden obwohl die Lehrerkommentare zu Das Zahlenbuch 2, 3 und eins zwei drei 2 diesen Zusammenhang als Hintergrund- wissen für Lehrpersonen angeben.

Zb 1-4/

Lk 1-3 ZZ 1-4 DuR 1-4

Lk 1,2,4 F 1-4

Lk 1 EZD 1-3

Lk 1-3

Anzahl Aufgabenserien 18 16 28 29 23

I) Strukturie- rungsstrategien (Sst)

1) Fokussierung all- gem. strukturiertes Vorgehen

55,6%

(8+Lk2) 37,5%

(5+1) 71,4%

(15+Lk5) 20,7%

(1+Lk5) 82,6%

(8+Lk11) 2) Fokussierung

Tachometer 16,7%

(1+Lk2) 18,8%

(3) 28,6%

(1+Lk10) 0% 0%

3) Fokussierung an-

derer Sst 11,1%

(1+Lk1) 18,8%

(3) 10,7% (Lk3) 0% 0%

II) Zählprinzipien (weitere Zählprinzipien, u.a. Quoti- entenregel oder Fubiniprin- zip, treten mit 0% auf)

1) Allgem. Zähl- prinzip (inkl.

Kreuzprodukt)

33,3%

(Lk6) 0% 0% 0% 21,7% (Lk5)

2) Kreuzprodukt ex-

plizit 33,3%

(Lk6) 0%; 0%; 0%; 17,4% (Lk4)

3) Kreuzprodukt

implizit 33,3%

(Lk6) 12,5%

(2) 7,1%

(2) 31%

(9) 43,5% (10) 4) Additionsprinzip 5,6% (Lk1) 6,3%

(1) 3,8%

(Lk1) 0% 8,7% (Lk2)

5) Rekursionsprin-

zip 11,1%

(Lk2) 0% 0% 0% 13% (1+Lk2)

III) Fortschreitende Schema- tisierung; Phasen nach dem Fünf-Phasenmodell von Schipper et al. (2015)

1: Individuelle Vor- gehensweisen 100%

(18) 100%

(16) 100%

(28) 100%

(29) 100%

(23) 2: Austauschen über

versch. Vorgehens- weisen

55,6%

(3+Lk7) 62,5%

(8+2) 57,1%

(16) 31%

(4+Lk5) 69,6%

(15+Lk1) 3: Systematisieren

von Sst 88,9% (16) 68,8% (11) 67,9%

(18+Lk1) 41,4

(10+Lk2) 65,2%

(15) 4: Verallgemeinern:

Variationen 66,7% (12) 56,3%

(9) 85,7%

(24) 89,7% (26) 91,3% (21) 5: Verallgemeinern:

Reflexion 33,3%

(Lk6) 12,5%

(2) 0% 17,2%

(5) 21,7%

Erläuterung (i) Lk bedeutet entsprechender Code ist nur im Lk, nicht im Schulbuch vorhanden; (ii) in den Zellen (5) relative Häufigkeiten und absolute Anzahlen für die entsprechenden Schuljahre eines Schulbuches; (iii) Def. Aufgabenserie: Aufgaben als eine Aufgabe aufgefasst, wenn sie zueinander einen inhaltlichen Be- zug aufweisen und eine Aufgabenstellung ohne die Bearbeitung der vorherigen unlösbar ist

Tab.: Ergebnisse der Schulbuchanalyse

Hinsichtlich der zweiten Frage sind die Ergebnisse sehr differenziert zu be- trachten. So scheint die Phasierung nach Schipper et al. (2015) auf den ersten Blick Berücksichtigung zu finden. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass indi- viduelle Vorgehensweisen immer einbezogen werden und einen hohen Stel- lenwert in den Schulbüchern einnehmen (vgl. Tab., K. III, Z. 1). Auch das Verallgemeinern bezüglich der Variationen der Inhalte, Anzahlen und kom- binatorischen Figuren wird häufig innerhalb der Aufgaben eines Schuljahres implementiert, allerdings fehlt in den meisten Fällen eine Reflexion über Auswirkungen der Variationen auf die Strukturierungs- und Zählstrategien

(4)

A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),

Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.

Seite 916

(vgl. Tab., K. III, Z. 4 & 5). So werden zwar in den Schulbüchern, z. B. durch die Veränderung der Anzahlen, zueinander analoge Aufgabenstellungen ab- gebildet, doch Anregungen zur Thematisierung der strukturellen Beziehun- gen und Verallgemeinerung von Strukturierungsstrategien und Verkürzun- gen in Form von Zählstrategien sind nicht zu finden. Dieses Ungleichge- wicht, zugunsten der Notation aller Möglichkeiten, ohne gezielte Herausar- beitung von Kriterien zur Entwicklung tragfähiger Strategien, lassen den Schluss zu, dass die Darstellungen in den Schulbüchern dem Ansatz der fort- schreitenden Schematisierung nicht vollständig folgen.

4 Diskussion und Ausblick

Die ersten Ergebnisse der Schulbuchanalyse zeigen, dass die didaktischen Empfehlungen zu den Inhalten (Thematisierung tragfähiger Strukturierungs- strategien und Ableitung individueller Zählstrategien als Basis zur Entwick- lung kombinatorischer Zählprinzipien) und zur Art und Weise der Behand- lung kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme (fortschreitende Sche- matisierung) in den Schulbüchern nur zu geringen Teilen berücksichtigt wer- den. Anzunehmen ist, dass sich dies auch im Unterricht widerspiegelt. Zur Sicherung dieser Annahme sind jedoch weitere Erhebung u. a. durch Lehrer- befragungen notwendig. Bestätigen sich die Ergebnisse, ist die Entwicklung von Materialien inklusive konkreter didaktischer Empfehlungen notwendig, die von individuellen Vorgehensweisen ausgehen und das Reflektieren über die und das Verallgemeinern der tragfähigen Strategien anvisieren.

Literatur

Batanero, C., Navarro-Pelayo, V., & Godino, J. D. (1997). Effect of the Implicit Combinatorial Model on Combinatorial Reasoning in Secondary School Pupils. Educational Studies in Ma- thematics, 32, 181–199.

Höveler, K. (2014). Das Lösen kombinatorischer Anzahlbestimmungsprobleme. Eine Untersu- chung zu den Strukturierungs- und Zählstrategien von Drittklässlern. TU Dortmund, Dort- mund. Abgerufen von http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-15563

Lockwood, E. (2014). A Set-Oriented Perspective on Solving Counting Problems. For the Learning of Mathematics, 34(2), 31–37.

Maher, C. A., Powell, A. B., & Uptegrove, E. B. (Hrsg.). (2010). Combinatorics and Reasoning.

Representing, Justifying and Building Isomorphisms. New York: Springer Science+Busi- ness.

Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. (11., aktual. u.

überarb. Auflage). Weinheim, Basel: Beltz.

Rezat, S. (2009). Das Mathematikbuch als Instrument des Schülers. Eine Studie zur Schulbuch- nutzung in den Sekundarstufen. Wiesbaden: Vieweg+Teubner.

Schipper, W., Ebeling, A., & Dröge, R. (2015). Handbuch für den Mathematikunterricht. 2.

Schuljahr. Braunschweig: Bildungshaus Schulbuchverlage.

Treffers, A. (1983). Fortschreitende Schematisierung. Ein natürlicher Weg zur schriftlichen Multiplikation und Division im 3. und 4. Schuljahr. mathematik lehren, 1, 16–20.

Die Schulbuchliteraturliste kann bei Janet Winzen (j.winzen@wwu.de) erfragt werden.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

[r]

Universit¨ at T¨ ubingen T¨ ubingen, den 7.01.2009 Mathematisches

„Der Auftrag, „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichti- gen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu

• Eine aussagenlogische Formel ist in konjunktiver Normalform (KNF), wenn sie eine Konjunktion von Disjunktionen von Literalen ist.. Konjunktionen immer alle Variablen genau

Zeigen Sie, dass sinh eine steng monotone Bijektion auf R ist, und dass seine Umkehrfunktion arsinh (Areasinus Hyperbolicus)

Die Herausforderung besteht hier vor allem darin, dass sich die Relevanz für die Berücksichtigung der Kategorie ,Geschlecht‘ in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften und in

Auch für die politische Bildung lässt sich eine Vielfalt didaktischer Prinzipien nennen, diese können mit passenden Methoden in den Unterricht gebracht werden, somit ist

Die Teilstudie zur öffentlichen Erwachsenenbildung (Gieseke/Opelt 2005) be- legte die zwischen 1996 und 2001 erreichte Ausdifferenzierung des Bereichs bei