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Archiv "Unser täglich Brot — Die Bäckerkrankheit, ein Berufsrisiko" (11.11.1983)

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Risikofaktoren des Bäckerberufes

Seit Jahren läßt sich eine bemer- kenswerte Hinwendung großer Teile der Ärzteschaft zur Arbeits- medizin feststellen. Vermutlich wird dies durch das erwachende Umweltbewußtsein der Bevölke- rung gefördert. Bevorzugt finden offenbar moderne Risikofaktoren der Industriewelt mit ihren ge- sundheitlichen Auswirkungen das Interesse des behandelnden Arz- tes. Neueste Forschungsergebnis- se werfen die Frage auf, ob dar- über nun eine der schon längst bekannten, beruflich verursachten Erkrankungen, nämlich die der Bäcker, in Vergessenheit gerät?

Die Bundesrepublik Deutschland gilt als das brotreichste Land der Welt. Heute erleben wir eine Re- naissance dieses Grund nah ru ngs- mittels. Etwa 70 Kilogramm Brot und Brötchen pro Jahr beträgt der Prokopfverbrauch in der Bundes- republik. Nahezu 60 Kilogramm Mehl sind dafür erforderlich. Ver- wenden wir einige Gedanken dar- auf, welche Gesundheitsgefahren es mit sich bringt, uns unseren täglichen Brotbedarf pünktlich zu

liefern.

Der Bäckerberuf setzt nicht nur die Bereitschaft zu regelmäßiger Nachtarbeit voraus. In besonderer Weise werden auch die Haut und speziell die Schleimhäute des Atemtraktes gefährdet. Zumal die Aggressivität eingeatmeter Mehl- stäube sollte als Ursache der Bäk-

kerkrankheit von Arzt und Patient keinesfalls unterschätzt werden.

Mehlstäube müssen als Arbeits- stoffe von hoher allergisierender Potenz gewertet werden.

Sie stimulieren die Immunabwehr unter dem klinischen Bild der ob- stru ktiven Atemwegserkrankung.

Durch allergisierende Stoffe verur- sachte obstruktive Atemwegser- krankungen sind bekanntlich seit 1977 unter Nr. 4301 Bestandteil der geltenden Berufskrankheiten- verordnung (BeKV) (1, 7)*). Das Krankheitsbild trug früher die ein- prägsame, aber unscharf einge- grenzte Bezeichnung „Bronchial- asthma". Sie ist in der Arbeitsme- dizin inzwischen aus guten Grün- den verlassen worden.

Nachweislich sind nämlich nicht nur die tieferen, sondern meist be- reits zuvor die oberen Atemwege und gelegentlich auch die Schleimhäute des Auges Orte des Krankheitsgeschehens.

Ergebnisse

der Dunkelzifferforschung Eine kürzlich von Ulmer u. Mitarb.

veröffentlichte Feldstudie (3) hat erstmals Hinweise auf beachtliche Dunkelziffern ergeben. Im Bezirk der Bäckerinnung Bochum konnte eine Stichprobe von 242 Lehrlin- gen, Gesellen und Meistern unter- sucht werden. Tabelle 1 zeigt ne- ben der Diagnosehäufigkeit auch die ermittelten Dunkelziffern (Ta- belle 1).

Die Bäckerkrankheit ist un- schwer zu erkennen. Fließ- schnupfen und Niessalven nach jeder Einatmung von Mehlstaub begründen die Ver- dachtsdiagnose. Im weiteren Verlauf sind die Bronchien von der Allergie betroffen.

Trotz zielgerichteter Behand- lung schreitet die obstrukti- ve Atemwegserkrankung fort.

Die Diagnosehäufigkeit von 16,5 Prozent ist vor dem Hintergrund von mehr als 200 000 im Bäcker- handwerk Beschäftigten zu sehen.

Die Forschungsergebnisse geben daher aktuellen Anlaß, die Bäcker- krankheit in der gebotenen Kürze nach dem heutigen Kenntnisstand vorzustellen (4, 6, 9, 10).

Der arbeitsplatzbezogene Inhalationstest (AIT)

Für den Arzt ist es schwierig, das Vollbild der Bäckerkrankheit am Arbeitsplatz anschaulich zu erle- ben. Wer ist zugegen, wenn der Bäcker zwischen zwei und vier Uhr am Morgen seine Backstube betritt?

Leichter ist es, mit zwei handvoll originalem Mehl einen stauber- zeugenden Arbeitsgang, wie etwa das Mehlsieben, im Labor nachzu- vollziehen.

Bei diesem arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (8) kann die Sofort- reaktion auf die Allergeneinat- mung unmittelbar ärztlich kontrol- liert werden.

Darüber hinaus stehen seit Jahren geeignete Meßverfahren — wie et- wa die Ganzkörper-Plethysmogra- phie — bereit. Sie macht es mög- lich, die beiden kardinalen Folgen des allergischen Schockfragmen-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

Unser täglich Brot —

Die Bäckerkrankheit, ein Berufsrisiko

Hans-Joachim Woitowitz

Aus dem Institut und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin (Leiter: Professor Dr. med. Hans-Joachim Woitowitz)

der Justus-Liebig-Universität Gießen

46 Heft 45 vom 11. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(2)

tes zu diagnostizieren. Es handelt sich um die

~ obstruktive rung und um die

Venti lationsstö-

~ akute Lungenüberblähung.

Der arbeitsplatzbezogene lnhala- tionstest hat aber nicht allein zu Fortschritten im pathophysiologi- schen Verständnis und damit in der Differentialdiagnose geführt (9). Er erlaubt es darüber hinaus auch, den Krankheitsschweregrad abzuschätzen sowie den Thera- pieerfolg zu beurteilen.

Die drei Stadien der Bäckerkrankheit

Bei 270 Männern aus mehlverarbei- tenden Berufen konnte aufgrund eingehender paliklinischer Dia- gnostik der Nachweis einer mahl- staubverursachten obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufs- krankheit (BK) geführt werden. Ne- ben 9 Müllern (3,3 Prozent) handel- te es sich um 261 Bäcker und/oder Konditoren (96,7 Prozent) im Alter von 32,4 ± 12,4 Jahren.

Die Auswertung der Angaben und Befunde unserer 270 Patienten mit mehlstaubverursachter obstrukti- ver Atemwegserkrankung läßt ei- nen nahezu gesetzmäßigen Ver- lauf in drei Stadien erkennen:

~ Stadium 1: allergische Rhino- pathie,

~ Stadium II: allergische Bron- chopathie ohne Komplikationen,

~ Stadium 111: allergische Bron- chopathie mit Komplikationen.

Das Eintrittsalter in den Bäckerbe- ruf liegt bei 15 Jahren. Die Bäcker- krankheit manifestiert sich zu 50 Prozent bereits in den ersten 5 bis 8 Berufsjahren. Bezogen auf die Zahl der Berufsjahre, läßt sich die in Darstellung 1 gezeigte Häufig- keitsverteilung für das Auftreten

Stadium 1:

Die mehlstaubverursachte allergische Rhinopathie

Patienten mit Bäckerkrankheit su- chen oftmals zuerst die Behand- lung durch den Hals-Nasen-Oh- renarzt. Dies ist verständlich, weil die obstruktive Erkrankung meist im Bereich der oberen Atemwege beginnt. 247 unserer 270 Patien- ten (91 ,5 Prozent) erkrankten in- itial unter dem Bild der mehlstaub- verursachten allergischen Rhino- pathie.

Das Anfangsstadium der Bäcker- krankheit tritt in der Hälfte der Er- krankungsfälle bereits vor dem 21.

Lebensjahr auf (vergleiche Dar- stellung 1). Kennzeichnend ist die in Tabelle 2 wiedergegebene Sym- ptomentrias:

Nicht allein die Niessalven und das reichliche Nasensekret, sondern auch die Verlegung der Nasenat- mung prägen das klinische Bild der Bäckerkrankheit im Anfangs- stadium.

Die Symptomentrias folgt als So- fortreaktion der Einatmung des Allergens im Minutenabstand, d. h. zeitlich unmittelbar. Sie ist im Verlauf der Arbeitsschicht, aber auch bei mehrfachen arbeitsplatz- bezogenen lnhalationstests, re- produzierbar.

Von 242 Angehörigen

Bäckerkrankheit

Art und Ausmaß der Beschwerden und Funktionsbehinderung durch die Rhinopathie führen teilweise bereits in diesem Stadium zur Ar- beitsunfähigkeit.

Häufiger wird wegen der hohen Motivation zur Berufsausübung, die sich besonders bei den selb- ständigen Bäckermeistern fest- stellen läßt, eine anhaltende kon- servative, symptomatische Be- handlung gesucht.

Sie erfolgt zum Teil später auch in Form wiederholter, HNO-ärztlicher operativer Eingriffe. Nasennaben- höhlenbeteiligung - bei ungenü- genden Abflußverhältnissen bis hin zum Kieferhöhlenempyem - kommt vor.

Die mehlstaubverursachte allergische Ophthalmopathie Weitaus seltener als zur allergi- schen Rhinopathie kommt es im Anfangsstadium der Bäckerkrank- heit zur Mitbeteiligung der Augen- schleimhäute.

Nur 77 unserer 270 Patienten (28,5 Prozent) gaben an, entsprechende Beschwerden zu haben. Sie traten in der Hälfte der Erkrankungsfälle vor dem 22. Lebensjahr auf (ver- gleiche Darstellung 1). [>

n %

des Bäckerberufes waren erkrankt an

....

allergischer Rhinopathie 23 9,5

~ allergischer Bronchopath ie 17 7,0

~ Rhino- und/oder Bronchopathie, insgesamt 40 16,5

Dunkelziffer: Von den 40 Patienten waren bisher

....

ärztlich nicht diagnostiziert 30 75

~ ärztlich nicht als Berufskrankheit angezeigt 38 95 der Rhinopathie und Bronchopa- Tabelle 1: Mehlstaubverursachte obstruktive Atemwegserkrankung: Dunkelziffern bei thie erkennen. der Berufskrankheit Nr. 4301 BeKV (nach H. Thiel und W. T. Ulmer, 1982)

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 45 vom 11. November 1983 49

(3)

n =

160

AIT positiv n = 66 AIT negativ

Berufseintritt

Lebensalter

35 55 (Jahre)

247

Stadium

I:

Rhinopathie 91%

Ophthalmopathie 77 95%

Stadium II + III:

Bronchopathie 246 82%

Bk-Anzeige 267

68%

28 23

20 10 0 20 10 0

L- 20

M

c 10 0 20 10 0

21

20 i Begutachtung 270

10 65%

0 28 1"- ' 1"T —1 •

0 20 40 (Jahre)

Berufsalter

n

270 15

Darstellung 1 (links): Häufigkeitsverteilungen der Berufsjahre für d'e Erkrankung an mehlstaubverursachter allergischer Rhinopa- thie und Ophthalmopathie (Stadium I) und Bronchopathie (Stadium II und III) bei 270 Patienten mit Bäckerkrankheit. Die Pfeile markieren die Median-(50-Prozent-)Werte des zugehörigen Lebensalters, die Prozentangaben das jeweilige Perzentil nach 20 Berufsjahren. Entsprechende Angaben für das Alter zum Zeitpunkt der ärztlichen Berufskrankheiten-Anzeige sowie arbeitsmedizi- nischen Begutachtung. — Darstellung 2 (rechts): Differentialdiagnose der unkomplizierten obstruktiven Atemwegserkrankung infolge Mehlstauballergie (Stadium II der Bäckerkrankheit) anhand n = 160 positiver und n = 66 negativer arbeitsplatzbezogener Inhalationstests (AIT) mit nativem Mehlstaub unter ganzkörper-plethysmographischer Kontrolle vor und bis 100 min nach Allergengabe. Mittelwerte und Standardabweichungen der Kenngrößen einer obstruktiven Ventilationsstörung als totale Resi- stance, Rt , und der Lungenüberblähung als endexspiratorisches thorakales Gasvolumen, TGV e . Obere Normgrenze der Ft, = 3,5 mbar/(I/sec) gestrichelt. Die Besetzungszahlen nach Allergengabe liegen zum Teil niedriger als zu Testbeginn, u. a. wegen medikamentöser Beseitigung im Falle eines stark ausgeprägten allergischen Bronchospasmus. Broncho-pulmonale Effekte des allergischen Schockfragmentes getönt

Stadium II.

Die mehlstaubverursachte allergische

Bronchopathie ohne Sekundärkomplikationen

Im

zweiten Stadium treten bei Ar- beiten mit Mehlstaubentwicklung zusätzlich anfallsartige Beschwer- den auf. Im Mittelpunkt stehen

Luftnot, Husten und z. T. Auswurf.

Die Erkrankung hat auf die tiefe- ren Luftwege übergegriffen. Der

„Etagenwechsel" (2) ist vollzogen.

Das klinische Bild wird sowohl von Dauer, Häufigkeit und Konzentra- tion der Mehlstaubeinatmung als

auch vom individuellen Sensibili- sierungsgrad geprägt. Hinweise auf psychosomatische Phänome- ne haben sich nicht ergeben. Nach der Sensibilisierung führt Mehl- staubeinatmung während der Ar- beitsschicht wiederkehrend zur Antigen-Antikörperreaktion. Pa- thophysiologisches Leitsymptom ist die akut als Sofortreaktion bin- nen Minuten einsetzende obstruk- tive Ventilationsstörung. Sie wird meist von akuter Lungenüberblä- hung begleitet. Oft sind auch Atemnebengeräusche (Pfeifen, Giemen, Brummen) feststellbar.

246 unserer 270 Patienten mit

Bäckerkrankheit (91,1 Prozent) berichteten über das Vorkommen anfallsartiger Luftnot bei der Ar- beit. In der Hälfte der Erkran- kungsfälle begann die Broncho- pathie vor dem 24. Lebensjahr (vergleiche Darstellung 1). Der Etagenwechsel als Übergang vom ersten zum zweiten Krankheitssta- dium vollzieht sich somit im Mittel in weniger als 3 Jahren. Die aller- genverursachte obstruktive Venti- lationsstörung wird heute meist als Reflexbronchokonstriktion ge- deutet (5). Mehlstaub, zum Teil be- reits in geringer Konzentration, führt zu einer mehrstündigen Kon-

52 Heft 45 vom 11. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(4)

traktion des Bronchialsystems. Im positiven arbeitsplatzbezogenen lnhalationstest (AlT) läßt sich das Zeitverhalten der beiden diagno- stischen Kenngrößen des allergi- schen Schockfragmentes gegen- über dem Normalverhalten verfol- gen. Es handelt sich bei ganz- körperplethysmographischer Mes- sung hinsichtlich

..,.. der obstruktiven Ventilations- störung um die totale Resistance, R,, und

..,.. der akuten Lungenüberblä- hung um das endexspiratorische thorakale Gasvolumen, TGVe, (Darstellung 2).

Darstellung 2 zeigt die sofort nach Einatmung des Mehlstaubes ein- setzende Reaktionsdynamik. Be- reits fünf Minuten nach der Allar- gengabe haben sich die Mittelwer- te des Atemwegswiderstandes mit R, = 9,3 mbar/(1/sec) nahezu ver- vierfacht Die Atemwegsobstru k- tion ist 100 Minuten nach der All- ergengabe im Mittel noch nicht wieder ganz abgeklungen. Ein ver- gleichbares Zeitverhalten weist das endexspiratorische thorakale Gasvolumen, TGVe, auf. Der aku- ten Lungenüberblähung liegt eine Luftzunahme von im Mittel ca. 0,7 I zugrunde. Allergenkarenz führt im II. Stadium, d. h. im Stadium ohne Sekundärkomplikationen, noch zu Beschwerde- und Symptomfrei- heit Dies trifft z. B. an arbeitsfrei- en Wochenenden oder während des Urlaubs zu. Nach Unterlas- sung der mehlstaubgefährdenden Tätigkeit bleiben somit manifeste Dauerschäden in der Regel aus.

Stadium 111:

Die mehlstaubverursachte allergische

Bronchopathie mit Sekundärkomplikationen

Nach im Einzelfall unterschiedli- cher Dauer treten Sekundärkom- plikationen auf. Sie kennzeichnen das dritte, zum Teil tödlich verlau- fende Stadium. Die Symptome be- treffen sowohl das bronchopulmo- nale als auch das kardio-zirkulato-

rische System. Verhältnismäßig häufig kommt es zunächst zu ei- ner unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität. So wurde von 79 unserer 270 BK-Patienten (29,3 Prozent) angegeben, daß nach Be- ginn der Atemwegsallergie auch die Einatmung sonstiger Noxen, wie etwa Bratdünste, Tabakrauch, andere als Mehlstäube, Kaltluft, Nebel usw., Atembeschwerden verursachten.

Bei 58 Patienten war eine derarti- ge bronchiale Hyperreagibilität

ganzkörperplethysmographisch im lnhalationstest unter Verwen- dung von Fichtenholzmehl zu objektivieren. Differentialdiagno- stisch ist sie aufgrund der kürze- ren Dauer, des geringeren Schwe-

Stadium I: Symptomentrias*) der

Bäckerkrankheit

regrades und des andersartigen zeitlichen Verlaufes von der aller- gisch verursachten akut intermit- tierenden obstruktiven Ventila- tionsstörung meist abzugrenzen (9). Eine Übersicht der subjektiven Angaben und objektiven Befunde zu den Sekundärkomplikationen gibt Tabelle 3.

Die Bäckerkrankheit führt häufig zu einer Anfälligkeit gegenüber Bronchialinfekten mit verzögerter Heilungstendenz. Es kommt zur im allgemeinen nichtmehr reversi- blen Komplikation, der chronisch- obstruktiven Atemwegserkran- kung mit oder ohne Emphysem.

Kennzeichen des lebensbedro- henden Spätstadiums sind die zu-

Angabe- mehlstaubverursachten allergischen Rhinopathie häufigkeit

(%)

....

zahlreiches Niesen (Niessalven) 85,9

....

wäßriger Fließschnupfen 80,4

....

Verlegung der Nasenatmung 21,5

')Komplikation: u. a. Kieferhöhlenempyem

Tabelle 2: Angabehäufigkeit zur Symptomentnas der mehlstaubverursachten allergi- schen Rhinopathie als Stadium I der obstruktiven Atemwegserkrankung bei 270 Patienten mit Bäckerkrankheit (zum Teil Mehrfachangaben)

(n)

Befunde subjektiv*) objektiv

- Unspezifische bronchiale 79 58

Hyperreag ibilität

- Nächtliche Luftnotanfälle 78

-

- Belastungsabhängige Obstruktion 68 21

- Chronisch-obstruktive 36 79

Ventilationsstörung

- Pulmo-kardiale 68 64

Arbeitsinsuffizienz

- Hinweise auf chronisches

-

8

Gor pulmonale

- Pulmo-kardiale Ruheinsuffizienz - 1

') "Luftnot"

Tabelle 3: Angabe- und Befundhäufigkeit von Sekundärkomplikationen (Stadium 111) der mehlstaubverursachten obstruktiven Atemwegserkrankung bei 270 Patienten mit Bäckerkrankheit (zum Teil Mehrfachangaben)

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 45 vom 11. November 1983 55

(5)

nehmende respiratorische und rechtskardiale Insuffizienz (ver- gleiche Tabelle 3).

Mittel der Wahl: Frühzeitige Dia- gnose und ärztliche Anzeige Unter allen als Berufskrankheit privilegierten Staubinhalationsfol- gen zeichnet sich die Bäcker- krankheit durch zwei Merkmale besonders aus:

~ klinisch abgrenzbarer Drei-Sta- dien-Verlauf,

~ Erstmanifestation häufig zu Berufsbeginn.

Eine frühzeitige Diagnose erhöht die Erfolgschancen der erforderli- chen Heil- und Umschulungsmaß- nahmen. Werden anamnestisch Niessalven und Fließschnupfen sofort und reproduzierbar nach Mehlstaubeinatmung angegeben, so läßt sich die Verdachtsdiagno- se des Anfangsstadiums der Bäk- kerkrankheit mit beachtlicher Treffsicherheit stellen. Bekannt- lich ist jeder Arzt bereits beim be- gründeten Verdacht auf das Vor- liegen einer Berufskrankheit un- verzüglich zur Anzeige an die Be- rufsgenossenschaft verpflichtet.

Dies liegt zuallererst im Interesse des Kranken, da die Berufsgenos- senschaft nur im Anzeigefall ihrem gesetzlichen Auftrag nachkom- men kann, der drohenden Gefahr der Verschlimmerung mit allen ge- eigneten Mitteln entgegenzuwir- ken. Die bisherige Praxis ist davon offenbar aber noch weit entfernt.

Aus Darstellung 1 geht hervor, daß der Arzt seiner Anzeigepflicht für die Hälfte unserer 270 Patienten erst nach Ablauf des 28. Lebens- jahres nachkam. Dies bedeutet ein Hinausschieben gegenüber dem Beginn der

~ Rhinopathie (Stadium I) um 8 Jahre und der

~ Bronchopathie (Stadium II) um 5 Jahre.

Die arbeitsmedizinisch-paliklini- sche Untersuchung erfolgte weni- ge Monate später. Sie ergab bei den Patienten

~ zu zwei Dritteln ein Stadium 111, d. h. dauerbehandlungsbedürftige Sekundärkomplikationen,

~ zu mehr als der Hälfte gegebe- nenfalls rentenpflichtige Dauer- schäden.

Den bei Bäckern nachgewiesenen hohen Dunkelziffern mit der Fol- gewirkung komplikationsreicher und gegebenenfalls rentenpflichti- ger Krankheits-Spätstadien (1 0) bereits in den ersten zwanzig Be- rufsjahren kann ärztlicherseits wirksam begegnet werden.

Mittel der Wahl ist eine verbesser- te Frühdiagnose bereits der aller- gischen Rhinopathie, d. h. des An- fangsstadiums der Bäckerkrank- heit, in Verbindung mit unverzügli- cher ärztlicher Berufskrankheiten- Anzeige zu Nr. 4301 der Berufs- krankheitenverordnung.

Die symptomatische, medikamen- töse Behandlung allein vermag die Arbeits- und Berufsfähigkeit we- gen der Aggressivität des Arbeits- stoffes Mehlstaub auf Dauer nicht zu erhalten. Die Bäckerkrankheit sollte daher im frühestmöglichen Stadium erkannt werden.

Dies gilt speziell bei Untersuchun- gen nach dem Jugendarbeits- schutzgesetz. Gerade der behan- delnde Arzt vermag die besonde- ren gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz des Bäckers- zumin- dest in ihren bedrohlichen Spät- folgen- einzudämmen.

Literatur beim Verfasser Professor Dr. med. Hans-Joachim Woitowitz Institut und Poliklinik

für Arbeits- und Sozialmedizin Medizinisches Zentrum für Ökologie

der Justus-Liebig-Universität Gießen

Aulweg 129/111, 6300 Gießen

Tumorsimulierende Pankreasganganomalien

Entwicklungsgeschichtlich resul- tiert die Bauchspeicheldrüse aus einer ventralen und einer dorsa- len Anlage, die bei 6 Prozent der Bevölkerung nicht miteinander verschmelzen, so daß keine Kom- munikation zwischen dem Ductus Wirsungianus und dem Ductus Santorini besteht.

Sonegraphisch und computerto- mographisch können derartige Fusionsanomalien der Bauchspei- cheldrüse eine Raumforderung im Pankreaskopfbereich simulie- ren, erst die endoskopisch retro- grade Pankreatikographie deckt die anatomische Variante auf.

Die klinische Bedeutung dieses Pancreas divisum liegt darin, daß beide Anlagen getrennt erkran- ken können sowohl im Rahmen chronisch entzündlicher Verände- rungen als auch eines Tumorlei- dens.

Der auf die ventrale Anlage der Bauchspeicheldrüse zu rückzu- führende postero-inferiore Aspekt der Bauchspeicheldrüse zeichnet sich noch dadurch aus, daß erbe- sonders reich an Zellen ist, die pankreatisches Polypeptid enthal- ten, ein Befund, wie er auch beim Pancreas annulare erhoben wer- den kann.

Vor jeder unter der Verdachtsdia- gnose eines Pankreaskopfkarzi- noms durchgeführten Operation sollte eine endoskopisch-radiolo- gische Klärung der anatomischen Verhältnisse erfolgen. W

Siegel, J. H.; Yatto, R. P., Vender. RH. J.:

Anomalaus pancreatic ducts causing pseudo- mass of the pancreas, J. Cl in. Gastroenterol. 5 (1983) 33-36, Mount Sinai School of Medicine, 230 East 69th Street, New York 10021 N. Y.- Sessa, F.; Fiocca, R.; Tenti, P.; Solcia, E.; Tava- ni, E.; Pliteri, S.: Pancreatic polypeptide rich tissue in the annular pancreas, Virchows Arch.

Pathol. Anat. 399 (1983) 227-232, Institute of Pathologie Anatomy, University of Pavia, Via Forlanini 16, 1-27100 Pavia

56 Heft 45 vom 11. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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