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ie Anzahl der Erbstrei- tigkeiten nimmt seit Jah- ren zu. Ursache dafür, betont der Trierer Rechtsan- walt Lutz Förster, ist neben steigenden Vermögenswerten vor allem die Tatsache, dass viele Verstorbene kein Te- stament hinterlassen und so- mit aufgrund gesetzlicher Erb- folge beerbt werden. Hier- durch, so der Vize-Präsident der Deutschen Anwalts-, No- tar- und Steuerberaterverei- nigung für Erb- und Familien- recht e. V., Nürnberg, komme es häufig zu den „gefürch- teten“ Erbengemeinschaften, bei der kein Erbe allein über seinen Erbanteil ohne Zu- stimmung der anderen Erben verfügen könne. Besonders wenn aus einer Ehe keine Kinder hervorgegangen sei- en, sagt Förster, sei eine Testa- mentserrichtung dringend zu empfehlen, damit die Erb- schaft nicht im weiten Famili- enkreis „zerstreut“ werde.Hinterlässt der Verstorbe- ne kein Testament, wird er aufgrund der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz- buches nach gesetzlicher Erbfolge beerbt. Dabei sieht das Gesetz eine Reihenfol- ge nach „Ordnungen“ vor, bei der die jeweils voran- gehende Ordnung Erben höherer Ordnungen von der Erbfolge ausschließt.
Mehrere Erben einer Ord- nung erben dabei zu glei- chen Anteilen.
Erben der ersten Ord- nung und damit zuerst erb- berechtigt sind die Ab- kömmlinge des Verstorbe- nen, „Erblasser“ genannt.
Hierunter sind die Kinder des Erblassers (auch nicht- eheliche) und, soweit diese bereits vorverstorben sind,
auch Enkel oder gegebenen- falls Urenkel zu verstehen.
Sind diese nicht vorhanden, kommt die zweite Ordnung zum Zug, in die die Eltern, und, falls bereits vorverstorben, de- ren Abkömmlinge, also Ge- schwister und gegebenenfalls deren Kinder (Nichten und Neffen), des Erblassers fallen.
Sind weder Erben erster noch zweiter Ordnung vorhanden, kommt die dritte Ordnung zum Tragen, in welche die Großeltern, und, da meistens bereits vorverstorben, deren Abkömmlinge, also Vettern und Cousinen und deren Kin- der und Kindeskinder, fallen.
Bei verzwickten Familienver- hältnissen können auch noch die Erben weiterer Ordnun- gen, wie zum Beispiel Ur- großenkel oder gar Ururgroß- enkel und deren Abkömmlin- ge zum Zug kommen.
Neben dem Erbrecht der nächsten Verwandten ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten gesetzlich geregelt.
Hiernach erhält dieser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, also wenn die Ehegatten nicht durch Ehevertrag etwas ande- res vereinbart haben, neben Erben der ersten Ordnung die Hälfte des Nachlasses und ne- ben Erben der zweiten Ord- nung sowie neben Großeltern drei Viertel des Nachlasses.
Aus dieser Regelung heraus ergibt sich, dass der über- lebende Ehegatte nur dann die gesamte Erbschaft erhält, wenn weder Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen und deren Kinder noch Großeltern des Erblas- sers vorhanden sind.
Zur Verdeutlichung der Tragweite und des damit ver- bundenen „Streitpotenzials“
konstruiert der Kieler Rechts- anwalt und Notar Wilhelm Niemeyer ein Beispiel:
Testament hat Vorrang Der Verstorbene hinterlässt ei- ne Ehefrau, jedoch keine Kin- der. Der Vater ist vorverstor- ben, die Mutter lebt noch. Fer- ner ist noch ein Bruder vorhanden, wohingegen eine Schwester vorverstorben ist.
Sie hat jedoch zwei Kinder.
Hieraus ergibt sich folgen- de gesetzliche Erbfolge: Die Ehefrau erhält drei Viertel des Nachlasses, die Mutter ein Achtel, der noch lebende Bruder 1/16 und die beiden Kinder der vorverstorbenen Schwester je 1/32 Anteil. Ge- hören zum Nachlass unteilba- re Nachlassgegenstände (Haus- und Grundbesitz, wertvolle Ge- genstände), können diese nur mit Zustimmung aller Erben verwertet werden, auch wenn ihr Erbanteil klein ist. Die Er- richtung eines Testaments, wel- ches der gesetzlichen Erbfolge vorgeht, würde dies verhin- dern, betont Niemeyer.
Mehr zum Thema, zur Erb- schaftsteuer sowie auch Testa- mentsmuster enthalten die Ratgeber „Sterben macht Er- ben“ und „Sterben und Steu- ern“, die zum Preis von je acht Euro zuzüglich je 1,10 Euro Versand über die Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuer- beratervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V., Kö- nigstorgraben 3, 90402 Nürn- berg, erhältlich sind. EB V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2020. Mai 2005 AA1469
Erbrecht
Gesetzliche Erbfolge birgt Streitpotenzial
Rechtsanwälte empfehlen die Errichtung eines Testaments, um Überraschungen zu verhindern.
Rund 19,3 Milliarden Euro wurden im Jahr 2002 insgesamt ver- erbt. Der größte Teil davon war „übriges Vermögen“: Bargeld oder Aktien. Manches Erbe ist mit Schulden belastet. Zieht man diese Nachlassverbind- lichkeiten ab, blieben 15,4 Milliarden Euro, die netto an die Ehe- gatten, Kinder, Kin- deskinder und andere Erben übergingen.
Wirtschaft