Die didaktische Vermittlung eines Verständnisses von Partizipativer Forschung als einen paradigmatischen Ansatz, welcher sich zum Ziel die Demokratisierung empiri- scher Wissensproduktion setzt, stellt besondere Herausforderungen an die Lehr- Lern-Kontexte in Seminaren zu qualitativen Forschungskompetenzen. Neben der the- oretischen Aneignung von Grundlagen empirischer Forschung und Kenntnissen quali- tativer Methoden, gehören auch und vor allem deren kritische Beurteilung und reflek- tierter Einsatz zu den angestrebten Lernzielen.
Der Versuch eines Lehr-Lern-Projektes im Sinne des forschenden Lernens adressiert sämtliche dieser Komponenten und kann somit Möglichkeiten der vertieften Aneignung und Anwendung bieten. Das hier vorgestellte Projekt befasst sich mit den Lebenswel- ten Jugendlicher im Stadtteil Frankfurt-Eschersheim. Der partizipative Moment sollte dabei in der Teilhabe der Jugendlichen an der Entwicklung des Forschungsansatzes und der methodischen Umsetzung liegen.
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Guerrero, A. L. / Tinkler, T. (2012). Refugee and Displaced Youth Negotiating Imagined and Lived Identities in a Photography-Based Educational Project in the United States and Colombia. Anthropology & Education Quarterly, 41(1), 55–74,
Swartz, S. (2011). 'Going deep' and 'giving back': strategies for exceeding ethical expectations when researching amongst vulnerable youth. Qualitative Research, 11(1), 47-68.
Dausien, B. (2007). Reflexivität, Vertrauen, Professionalität. Was Studierende in einer gemeinsamen Praxis qualita- tiver Forschung lernen können. Forum Qualitative Sozialforschung, 8(1). Abgerufen am 1.5.2013 von URL http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0701D4Da3.
Bergold, J. & Thomas, S. (2012). Partizipative Forschungsmethoden: Ein methodischer Ansatz in Bewe¬gung.
Jun. Prof. Dr. Phil C. Langer Goethe-Universität Frankfurt Grüneburgplatz 1
60323 Frankfurt am Main
Langer@soz.uni-frankfurt.de
Die im Prozess des forschenden Lernens aufgetretenen Herausforderungen, können als Gründe für das augenscheinliche Schei- tern des Projektes angeführt werden. In diesem Scheitern jedoch drücken sich ein Moment des Forschungsgegenstandes aus – der Lebenswelt Jugendlicher in Eschersheim - ebenso wie spezifische Momente der partizipativen Forschung, die sich nicht bruchlos in gängige Konzepte der Lehre übersetzen lassen.
• Wechsel des Verhältnisses von Studierenden zu Dozenten hin zu einem Verhältnis, in welchem das gemeinsame Interesse bestimmend ist. Herausfordernd dabeisind die Ansprüche der Universität, welche manches verunmöglichen. Seien es Evaluatio- nen, Zeitdruck, Leistungsanforderungen und mangelnde Unterstützung von PR.
• Der grundsätzlich unterschiedliche Begriff, welchen PR von Wissen, Wissensgeneration und von Forschungshaltung hat, kolli- diert in manchen Punkten mit gängigen Überzeugungen. Dies sind u.a. eine starre Subjekt-Objekt Trennung, differente Qualitäts- kriterien, der Wahrheitsanspruch und der Forschungsgestaltung.
• Die Spannung zwischen der Forschungsgruppe, die sich im gemeinsam geteilten Interesse und Haltung wiederfindet und der notwendigen Hierarchien in der Lehre.
• Forschendes Lehren, auf Grund der eigenen Kriterien, verlangt nach einer besonderen Form des Lehrens. Diese muss den Kriterien und Paradigmen angemessen sein. Benötigt Ressourcen aller Form. Vor allem sind hier zu nennen: Zeit, Geld, Interes- se, Bereitschaft, und die Möglichkeit dem Forschungsprozess Treffen zu vereinbaren oder eben auch nicht.
• Partizipative Forschung darf nicht als Antwort oder Ausweg aus der, mitunter miserablen, Situation von qualitativer Lehre be- trachtet werden. Denn sie bedarf Zeit, Geld und Engagement wie Unterstützung.
• Partizipative Forschung in der Lehre stellt sich, dem Gegenstand geschuldet, spezi- ellen Herausforderungen, mit denen gängige Lehre an der Uni nicht in vergleichbarem Ausmaß konfrontiert ist. Im Speziellen sind dies gewesen: die Zielgruppe Jugendlicher und ihre Lebenswelten insbesondere die Gewinnung von peer researchern, Fragen der methodischen Erschließung, Spannungsfeld von Projektdesign und Partizipation
• Dem geschuldet, ist forschendes Lehren nicht zu verstehen als die Anwendung von Methoden. Eine spezifische Forschungshaltung, die zum Ausdruck kommt und im For- schungsprozess sich die Methoden um den Gegenstand anordnen. Somit lässt sich zweierlei feststellen: weder ist ein vorhergehendes Methodendesign möglich, noch ist die Wahl der Methoden im Rückblick neutral. In ihr findet sich ein mitunter nichtformu- liertes Wissen über den Gegenstand, welches selbst reflektiert werden muss. Hier ist es die Gegenüberstellung von Fotografie als Aneignung eigener Biographie, der nostalgi sche Blick auf die verschwindende Gegenwart und ein anderes Verständnis von bzw.
Verhältnis zur Fotografie auf Seiten der jugendlichen Mitforschenden.
• Zentral für unseren Forschungsprozess sind die spezifische Forschungshaltung und die zur Verfügung stehende Zeit. Beide sind potentiell Gründe des Scheiterns.
• Haltung und Zeit verlangen nach einer Form des Seminars, dass vor allem dem Aus- tausch und der Reflexion über das gemeinsame Forschungsinteresse dient.
In mehreren Phasen wurden die Studierenden durch verschiedene Rollen im Prozess der Wissensgenerierung geführt, wodurch eine spiralförmige Verinnerlichung der Kenntnisse und Fähigkeiten erzielt werden sollte. Sie erlebten die Wissensaneignung durch Lernen, die Gewinnung von Erkenntnissen unter Anwendung zielgerichteter Me- thoden als selbstständige Akteure, sowie die Herausforderungen der reflexive Weiter- gabe von Wissen an jugendliche peer researcher im Sinne der partizipativen For- schung.
1. Phase: Theoretische Wissensaneignung
Verständigung über den Begriff PR und den zentralen Themen theoretische Erarbeitung eines Methodenpools
2. Phase: Forschungspraktische Erfahrungen
Selbstversuche im Rahmen eines Methodenworkshops 3. Phase: Konzeption eines Forschungsprojektes
Festlegung des Forschungsgegenstandes
Bildung von Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Zugängen zum Gegenstand Bildung von Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Zugängen zum Gegenstand Diskussion und Koxnkretisierung der Fragestellungen und der Methoden
in diesem Kontext letztendlich Zusammenlegung der Arbeitsgruppen und Fokussie- rung auf das methodische Verfahren ‚Photovoice’
4. Phase: Versuch der praktischen Umsetzung partizipativer Forschung
Workshopphase zur Kontaktaufnahme mit und Gewinnung von den peer researchern, sowie zum Sammeln erster Eindrücke und Daten
Reflexion und Diskussion über mögliches weiteres Vorgehen im Sinne von PR
Im Rahmen universitärer Lehre in Deutschland ist partizipative Forschung in manchen Bereich noch Neuland. Dieses Seminar wurde von der impliziten Fragestellung beglei- tet, wie die Vermittlung von partizipativer Forschung im Rahmen universitärer Lehre überhaupt von statten gehen kann.