• Keine Ergebnisse gefunden

Montag (Nachmittag), 25. März 2013

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Montag (Nachmittag), 25. März 2013"

Copied!
12
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Sitzungstitel7 2012.1134 1

Der Grosse Rat des Kantons Bern

Le Grand Conseil du canton de Berne

Montag (Nachmittag), 25. März 2013

Erziehungsdirektion

49 2012.1134 Motion 171-2012 Linder (Bern, Grüne)

Stipendien statt Sozialhilfe: Stipendienwesen und Sozialhilfe harmonisieren

Vorstoss-Nr: 171-2012

Vorstossart: Motion

Eingereicht am: 03.09.2012

Eingereicht von: Linder (Bern, Grüne) (Sprecher/ -in)

Weitere Unterschriften: 13

Dringlichkeit:

Datum Beantwortung: 30.01.2013

RRB-Nr: 107/2013

Direktion: ERZ

Stipendien statt Sozialhilfe: Stipendienwesen und Sozialhilfe harmonisieren

Der Regierungsrat wird aufgefordert, spätestens im Hinblick auf den Beitritt zum Stipendienkonkordat eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen vorzunehmen und dem Grossen Rat soweit nötig eine Vorlage zu präsentieren, die eine Harmonisierung der Stipendien mit den Unterstützungsnormen der Sozialhilfe sicherstellt. Folgende Eckwerte sind zu berücksichtigen:

1. Die Harmonisierung erfolgt auf dem Niveau der Ansätze der Sozialhilfe gemäss SKOS- Richtlinien.

2. Jugendliche und junge Erwachsene ohne Ausbildung, dieelche Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben und eine anerkannte Ausbildung absolvieren, finanzieren ihren Lebensunterhalt künftig mit Stipendien. Die Ablösung von der Sozialhilfe erfolgt ohne Schwelleneffekte.

3. Die Erziehungsdirektion, die Gesundheits- und Fürsorgedirektion und die Volkswirtschaftsdirektion arbeiten bei der Umsetzung der Vorgaben eng und institutionalisiert zusammen.

4. Der Regierungsrat evaluiert die Umstellung und informiert den Grossen Rat regelmässig über deren Auswirkungen in finanzieller und in integrationspolitischer Hinsicht.

Begründung:

Der Kanton Bern weist eine Abschlussquote auf der Sekundarstufe II von 95 Prozent auf.

Er nimmt damit gesamtschweizerisch einen Spitzenplatz ein. Gleichwohl beziehen 5000 Personen zwischen 18 und 25 Jahren Sozialhilfe; 3500 davon verfügen über keine abgeschlossene Ausbildung. Dies entspricht den schweizerischen Verhältnissen: Von den 18- bis 25-jährigen Sozialhilfebeziehenden sind zwei Drittel ohne Berufsabschluss. So hält die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe fest: «Fehlende oder abgebrochene Berufsausbildungen stehen oft am Anfang einer Entwicklung, die in die Sozialhilfe führt.»

(2)

Geschäfts-Nr.: 2012.1134 Seite 2/12

Durch eine Harmonisierung von Ausbildungsbeiträgen/Stipendien und Sozialhilfe kann eine markante Verbesserung erzielt werden.

Bei armutsgefährdeten, aber nicht Sozialhilfe beziehenden Familien stellen existenz- sichernde Stipendien sicher, dass das (Familien-)Budget beim Absolvieren einer Ausbildung nicht geschmälert wird und keine Fehlanreize zum Abbruch der Ausbildung entstehen. Bereits Sozialhilfe beziehende Jugendliche und junge Erwachsene werden hingegen aus der Sozialhilfe weggeführt, womit deren subsidiärer Charakter erhalten bleibt und eine Chronifizierung von Armut bereits in jungen Jahren verhindert wird. Der Einsatz von Case-Managern zeigt erst so volle Wirkung.

Der Kanton Waadt hat mit der Harmonisierung der Stipendien mit der Sozialhilfe ausgesprochen gute Erfahrungen gemacht. Das Budget für die Ausbildungsbeiträge wurde markant aufgestockt; allerdings konnte die Sozialhilfe um einen vergleichbaren Betrag entlastet werden. Mittelfristig ergeben sich aufgrund der nachhaltigen Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt eine weitere Entlastung der Sozialhilfe und finanzielle Einsparungen. Vor allem aber kann jungen Menschen eine Perspektive für eine dauerhafte Integration in den Arbeitsprozess geboten werden. Die SKOS empfiehlt allen Kantonen, eine Harmonisierung von Stipendien und Sozialhilfe vorzunehmen. Die Verbesserung der Stipendien entspricht auch einer Zielsetzung des Regierungsrates aus den Regierungsrichtlinien 2010–2014.

Zentral für den Erfolg des Projekts ist eine enge Zusammenarbeit der betroffenen Direktionen und Ämter. Dies gilt namentlich für die Erziehungsdirektion (Stipendien), die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (Sozialhilfe) und die Volkswirtschaftsdirektion (Beco).

Um die Auswirkungen der Umstellung in finanzieller und sozial- bzw.

integrationspolitischer Hinsicht jederzeit zu kennen und nötigenfalls weitere Feinkorrekturen vornehmen zu können, ist eine laufende Evaluation des Projekts angezeigt.

Antwort des Regierungsrates

Einleitung

Aufgrund der Medienmitteilung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und der Schilderung der spezifischen Situation im Kanton Waadt verlangt die Motionärin im Hinblick auf den Beitritt zum Stipendienkonkordat eine Anpassung der stipendienrechtlichen Grundlagen. Dem Grossen Rat sei eine Vorlage zu präsentieren, die – ähnlich dem Programm FORJAD (formation professionelle pour jeunes adultes) – eine Harmonisierung der Stipendien mit den Unterstützungsnormen der Sozialhilfe sicherstelle.

Die Harmonisierung habe auf dem Niveau der Ansätze der Sozialhilfe gemäss SKOS- Richtlinien zu erfolgen. Sozialhilfeabhängige Jugendliche sowie Kinder aus armutsgefährdeten aber nicht sozialhilfeabhängigen Familien, seien während ihrer Ausbildung mit existenzsichernden Stipendien zu finanzieren. Damit könne eine Ablösung aus der Sozialhilfe erfolgen.

Die Zahlen der Sozialhilfe belegen, dass ein beträchtlicher Teil der jungen Erwachsenen in Ausbildung (27%) trotz des bestehenden Stipendiensystems auf Sozialhilfe angewiesen ist. Ausgehend von diesen Erkenntnissen hat der Regierungsrat den Auftrag erteilt, die Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung zu prüfen (RRB 1735 vom 1.12.2010). Eine interdirektionale Arbeitsgruppe mit Mitarbeitenden der Erziehungsdirektion und der Gesundheits- und Fürsorgedirektion hat Anfang 2011 die Arbeiten zur Umsetzung des Prüfauftrags aufgenommen. Ihre Aufgabe war, Lücken im Zusammenspiel zwischen Stipendien und Sozialhilfe zu identifizieren und Vorschläge zu erarbeiten, wie die beiden Unterstützungssysteme besser aufeinander abgestimmt werden können. Auf Grund der Finanzlage war eine wichtige Voraussetzung, die Harmonisierung ohne totalen Systemumbruch der bewährten Unterstützungsleistungen zu bewerkstelligen.

(3)

Geschäfts-Nr.: 2012.1134 Seite 3/12

Es musste daher eine Lösung gesucht werden, welche die beiden teilweise sehr unterschiedlichen Systemlogiken berücksichtigt und in ihren Grundzügen beibehält. Die Ergebnisse und Vorschläge können dem dritten Sozialbericht zur Bekämpfung der Armut im Kanton Bern entnommen werden (vom Regierungsrat am 29.11.2012 verabschiedet).

Wie dem Bericht zu entnehmen ist, priorisiert der Regierungsrat – unter anderen Massnahmen – eine Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung. Hingegen erachtet es der Regierungsrat nicht als zielführend, Stipendien zu einem umfassenden, staatlichen Existenzsicherungsprogramm nur für ausgewählte Bevölkerungsgruppen umzudefinieren. Dem Kanton Bern stehen genügend Mittel und Instrumente zur Verfügung, um allen Auszubildenden – auch jener grossen Mehrheit die keine Sozialhilfe empfängt – eine ausreichende Ausbildungsunterstützung zu ermöglichen.

Zu Ziffer 1

Seit mehreren Jahren sind im Kanton Bern Bestrebungen im Gange, welche auf eine Angleichung der Stipendien- und Sozialhilfenormen abzielen. Aufgrund des Sozialberichts 2010 hat der Regierungsrat mit Regierungsratsbeschluss Nr. 1735 vom 01. Dezember 2010 die Gesundheits- und Fürsorgedirektion – unter Einbezug der anderen Direktionen – beauftragt, bis Ende 2012 einen Bericht zur Genehmigung vorzulegen, der die Motion Lüthi 044/2010 «Bekämpfung der Armut im Kanton Bern» umsetzt. Unter anderen Massnahmen galt es dabei, die Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung zu prüfen und mögliche Massnahmen aufzuzeigen.

Der dritte Sozialbericht (2012) ist vom Regierungsrat am 29.11.2012 verabschiedet worden. Im Bericht wird eine Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung als Massnahme zur Armutsbekämpfung priorisiert. Der Regierungsrat hat allerdings aufgrund der momentanen Finanzlage von einem kompletten Systemumbruch der beiden bewährten Unterstützungsleistungen abgesehen. Ungeachtet dessen ist sein Anliegen eine effizientere Nutzung der bestehenden sozialpolitischen Leistungen, indem das Zusammenspiel systemkonform optimiert wird. Der Bericht zeigt unter anderem auf, dass im Kanton Bern ein vielfältiges Angebot von Massnahmen besteht, diese Massnahmen jedoch besser koordiniert, aufeinander abgestimmt und allenfalls ergänzt werden sollten.

Als erster wichtiger Schritt in Richtung Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung wurden mit Änderung vom 13. Juni 2012 der Verordnung über die Ausbildungsbeiträge die Ansätze für die Lebenshaltungskosten (Grundbedarf, Wohnen, medizinische Grundversorgung) der Teuerung angepasst. Mit dieser Anpassung ist eine erste, wichtige Angleichung an die Normen der Sozialhilfe erfolgt. Dies ändert aber nichts an einer umfassenderen Angleichung und erfüllt auch nicht die vom Regierungsrat im Dezember 2010 in Auftrag gegebene Prüfung. In einem weiteren Schritt wird es darum gehen, die im Sozialbericht priorisierten Massnahmen umzusetzen (vgl. auch Ziffer 4). Das im Jahr 2006 lancierte und 2010 definitiv eingeführte Programm FORJAD des Kantons Waadt ermöglicht im Sinne eines umfassenden, staatlichen Integrationsprogramms jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, die von der Sozialhilfe unterstützt werden, für ihre Ausbildung existenzsichernde Stipendien statt Sozialhilfe zu erhalten. Die Erfolgsquote von 65 Prozent (Weiterführung der Ausbildung oder Lehrabschluss) des Programms FORJAD ist ermutigend aber mit einem nicht unerheblichen finanziellen und personellen Mehraufwand verbunden. Nach Angaben des Sozialdepartements des Kantons Waadt haben sich die Ausgaben für Stipendien zwischen 2009 und 2010 um rund 25 Mio. Franken erhöht (von 33 Mio. auf 58 Mio.). Demgegenüber konnte die Sozialhilfe zwischen 2009 und 2010 lediglich um einen Betrag von rund 11 Mio. Franken entlastet werden. Zudem wurde das Stipendienamt mit zwei Vollzeitstellen verstärkt. Das Gesamtprogramm wird durch drei Vollzeitstellen im Sozialdepartement abgewickelt.

Für den Kanton Bern lassen sich der erhöhte Finanzbedarf bei den Stipendien bzw. die Entlastungen bei der Sozialhilfe nur abschätzen. Gemäss Sozialbericht 2012 ist aufgrund von Hochrechnungen aus Vorjahren und Schätzungen davon auszugehen, dass die

(4)

Geschäfts-Nr.: 2012.1134 Seite 4/12

dargestellten Harmonisierungsmassnahmen jährliche Nettokosten von rund 7,5 Millionen Franken mit sich bringen würden (Mehrkosten für Stipendien abzüglich Entlastung Sozialhilfe). Bei einer weitergehenden Harmonisierung – ähnlich dem Projekt FORJAD aus dem Kanton Waadt – müsste mit weit erheblicheren Mehrkosten gerechnet werden. Im Rahmen der weiteren Prüfung und der möglichen Entlastung der Sozialhilfe müsste allenfalls auch der heute unterschiedlichen Finanzierung der Stipendien und Sozialhilfe gebührend Rechnung getragen werden. Im Gegensatz zu den Stipendien besteht im Bereich der Sozialhilfeleistungen ein Lastenausgleichssystem zwischen Kanton und Gemeinden. Je nach Ergebnis der Arbeiten wäre auch eine Anpassung der Finanzierung der Stipendien zu prüfen (Lastenausgleichssystem), weil die Gemeinden im Bereich der Sozialhilfe entsprechend entlastet würden.

Zu Ziffer 2

Die Ausbildungsförderung und die Sozialhilfe unterscheiden sich bezüglich Aufgaben, Zielgruppen und Ressourcen. Es kann daher nicht das primäre Ziel sein, dass Menschen in Ausbildung keine Sozialhilfe beziehen sollen. Vielmehr sollen Sozialhilfe und Ausbildungsförderung sinnvoll zusammenwirken, um mittelfristig eine Ablösung von der Sozialhilfe durch das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung zu ermöglichen. Es muss aber auch festgestellt werden, dass naturgemäss nicht alle Sozialhilfebeziehenden eine Ausbildung bewältigen können. Die Abbruchquote von 35 Prozent innerhalb des Programms FORJAD verdeutlicht dies. In diesen Fällen ist das bedauerlicherweise der Grund für die Abhängigkeit von der Sozialhilfe – trotz der vielfältigen Massnahmen die ergriffen worden sind.

Dem Kanton Bern stehen genügend Mittel und Instrumente zur Verfügung, um allen Ausbildungswilligen – auch jener grossen Mehrheit die keine Sozialhilfe empfängt – eine ausreichende Ausbildungsunterstützung zu ermöglichen. Gemäss heutiger Stipendiengesetzgebung beträgt das Maximalstipendium für Auszubildende mit eigenem Wohnsitz pro Jahr rund 30‘000 Franken, sofern die Eltern mittellos sind (Das Maximalstipendium entspricht dem berechneten Fehlbetrag der Auszubildenden bzw. der Differenz zwischen den anerkannten Kosten und den anrechenbaren Einnahmen. Eine Limitierung des Stipendiums erfolgt durch die begrenzt anrechenbaren Kosten). In solchen Fällen ist die Ablösung vom Sozialdienst bereits heute Realität. Für die Bemessung der Ausbildungsbeiträge wird auf die Familiensituation abgestellt. Dabei ist grundsätzlich die zivilrechtliche Verpflichtung der Eltern zu betonen. Im Rahmen der Zumutbarkeit haben diese ihre Kinder beim Absolvieren einer Erstausbildung auch über das 18. Lebensjahr hinaus zu unterstützen (ZGB 276ff). Es kann daher nicht sein, dass die Ausbildungsbeiträge für ausgewählte Jugendliche bereits ab dem 18. Lebensjahr unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern berechnet werden. Es ist auch nicht die Funktion von Ausbildungsbeiträgen, jungen Leuten in jedem Fall vorzeitig einen eigenen Haushalt zu finanzieren, bevor sie in der Lage sind, dies selbst zu leisten. Bei der Gewährung von Ausbildungsunterstützungen ist zudem im Auge zu behalten, dass nicht falsche Anreize gesetzt werden. Denn wenig bemittelte Familien, die ihre Lebenshaltung und die Ausbildung ihrer Nachkommen aus eigener Kraft bestreiten, fühlen sich getäuscht, wenn jungen Sozialhilfeempfangenden der eigene Haushalt vollumfänglich mit staatlichen Mitteln finanziert wird.

Zu Ziffer 3

Der Regierungsrat hat mit RRB 1735 vom 01.12.2010 den Auftrag erteilt, die Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung zu prüfen. Gestützt darauf, hat eine interdirektionale Arbeitsgruppe mit Mitarbeitenden der Erziehungsdirektion und der Gesundheits- und Fürsorgedirektion Anfang 2011 die Arbeiten zur Umsetzung des Prüfauftrags aufgenommen. Ihre Aufgabe war, Lücken im Zusammenspiel zwischen Stipendien und Sozialhilfe zu identifizieren und Vorschläge zu erarbeiten, wie die beiden

(5)

Geschäfts-Nr.: 2012.1134 Seite 5/12

Unterstützungssysteme besser aufeinander abgestimmt werden können. Auf Grund der sich abzeichnenden Finanzlage war eine wichtige Voraussetzung, die Harmonisierung ohne totalen Systemumbruch der beiden Unterstützungsleistungen zu bewerkstelligen. Es musste daher eine Lösung gesucht werden, welche die beiden teilweise sehr unterschiedlichen Systemlogiken berücksichtigt und in ihren Grundzügen beibehält.

Die Zusammenarbeit innerhalb dieser Arbeitsgruppe hat sich sehr bewährt und kann als fruchtbar und konstruktiv bezeichnet werden. Im Rahmen der Umsetzung der im Sozialbericht priorisierten Massnahmen zur Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung ist davon auszugehen, dass diese Zusammenarbeit zwischen der Erziehungsdirektion und der Gesundheits- und Fürsorgedirektion weitergeführt und intensiviert wird

Zu Ziffer 4

In den Jahren 2007 und 2009 hat die Erziehungsdirektion Evaluationen über die Wirkung der Ausbildungsbeiträge durchgeführt. Die Ergebnisse wurden jeweils der Oberaufsichtskommission des Grossen Rats (OAK) zur Prüfung unterbreitet.

In Kenntnis allfälliger Richtungsentscheide, die der Grosse Rat bei der Beratung des Sozialberichts 2012 fällen wird, wird sich der Regierungsrat zum einen für die Weiterführung der Analyseinstrumente einsetzen; zum anderen wird er daran gehen, die Umsetzung der priorisierten Massnahmen, die unterschiedlichen Entscheidungswegen folgen (je nach Massnahme Grosser Rat, Regierungsrat oder einzelne Direktionen) einzuleiten. Bezüglich der priorisierten Massnahmen zur Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeverordnung können diese auf Verordnungsstufe vom Regierungsrat umgesetzt werden. Die Umsetzung wird in Berücksichtigung der schwierigen finanziellen Situation des Kantons Bern zeitlich zu etappieren sein.

Schlussfolgerungen

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der äusserst angespannten Finanzlage im Kanton Bern und der notwendigen Sparmassnahmen, muss der Regierungsrat die vorliegende Motion in ihrer absoluten und verpflichtenden Form ablehnen. Weil die Motion darauf zielt, mittels Massnahmen eine Harmonisierung der Stipendien- und Sozialhilfeordnung herbeizuführen und sich damit in dieser grundsätzlichen Stossrichtung mit den Absichten des Regierungsrats in seinem Sozialbericht 2012 deckt, ist der Regierungsrat bereit, die Motion als Postulat anzunehmen.

Der Regierungsrat beantragt:

Annahme als Postulat

Gemeinsame Beratung der Traktanden 49-51, Geschäfte 2012.1134, Motion 171-2012, / 2012.1135, Motion 172-2012 / Geschäft 2012.1132, Interpellation 170-2012. Die Abstimmungsresultate sind unter den jeweiligen Geschäftstiteln aufgeführt.

Präsidentin. Damit kommen wir zu den beiden Motionen Linder sowie zur Interpellation Linder, alle drei Vorstösse zum Thema «Stipendien statt Sozialhilfe». Sie werden gemeinsam beraten.

Anna-Magdalena Linder, Bern (Grüne). Ich danke dem Regierungsrat für seine ausführliche Antwort. Sie ist jedoch ernüchternd, denn der Regierungsrat argumentiert vor allem finanzpolitisch und will die erste Motion, «Stipendien statt Sozialhilfe: Stipendienwesen und Sozialhilfe harmonisieren», nur als Postulat annehmen. Auf diesen Punkt werde ich gleich nochmal

(6)

Märzsession 2013 2012.1134 6

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

zurückkommen. Die Idee der Motion, dass man das Stipendienwesen und die Sozialhilfe harmonisieren müsste, ist natürlich nicht neu. Bereits in der Vergangenheit gab es im Grossen Rat immer wieder Vorstösse zu dieser Thematik. Ein erneuter Versuch, hier zu motionieren, ist das Projekt FORJAD im Kanton Waadt, das zeigt, dass eine Harmonisierung von Stipendien und Sozialhilfe erfolgreich ist. Ich bin froh, dass die Harmonisierung von Stipendien und Sozialhilfe im Sozialhilfebericht 2012 aufgenommen wurde und dort auch bei der Umsetzung eine hohe Priorität erhält. Im Sozialbericht 2012 wird klar aufgezeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht und dass die Regierung diesem Paradigmenwechsel gegenüber auch offen ist. Die Umsetzung vieler Motionen, die ähnlich gelagert sind wie die vorliegende, würde zunächst eine grössere finanzielle Belastung für den Kanton bedeuten. Deshalb wird argumentiert, dass der Motionsforderung aus finanzpolitischen Gründen nicht gefolgt werden kann. Diese Entwicklung finde ich grundsätzlich sehr bedenklich. Bezogen auf meine Motion, hat das folgende Gründe: Es ist richtig, dass der Kanton für die Umsetzung meiner Motion zuerst Geld in die Hand nehmen muss. Längerfristig ist es aber tatsächlich kostensparend – und zwar in einem nicht unbeträchtlichen Mass, wenn man Jugendliche aus der Sozialhilfe lösen kann oder wenn sie gar nicht erst hineingeraten. Damit hat man zweimal gewonnen. Die Kosten für die Sozialhilfe können gespart werden, und wir gewinnen im besten Fall junge Erwerbstätige auf dem Arbeitsmarkt. Selbstverständlich können nicht alle Jugendlich erfolgreich einen Abschluss machen, selbst dann nicht, wenn die finanzielle Situation viel besser wäre. Dafür gibt es verschiedenste Gründe. Dass aber grossmehrheitlich eine Verbesserung erzielt werden kann, steht wohl ausser Diskussion. Ein Ja zur Motion wäre eine Weichenstellung und ein klares Ja zu diesem Paradigmenwechsel. Das würde dem Kanton Bern längerfristig dienen. Darum halte ich an der Motion fest und bin gespannt auf die Diskussion.

Ich komme noch ganz kurz auf die zweite Motion, «Lancierung eines Ausbildungsprogramms», zu sprechen: Ich ziehe Ziffer 2 zurück. Jugendliche, die im Kanton Bern wohnen, können glücklicherweise auf eine Vielzahl von Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen. Das betrifft die übrigen Ziffern der Motion. Oft ist es aber so, dass Jugendliche, die eine Mehrfachproblematik aufweisen, mit diesem System überfordert sind, weil sie meist verschiedene Ansprechpersonen haben. Sie wissen vor lauter Angeboten nicht, wohin. Oftmals sind es aber nicht nur die Jugendlichen, sondern auch Volksschullehrer, die keine Ahnung vom System haben und nicht wissen, was es alles gibt. Sie können auch keinen guten Berufsschulunterricht anbieten. Da nützt der beste Wille des Kantons nichts, der so viele Angebote bereitstellt. Die Lancierung eines niederschwelligen Ausbildungsprogramms, das dennoch den verschiedenen Bedürfnissen der Jugendlichen gerecht werden kann, wäre sinnvoll und zielführend. Ich bin froh, dass in allen Punkten Bestrebungen vorhanden sind. Ich fordere Sie jedoch auf, sie nicht abzuschreiben. Gerade die Koordination dieser verschiedenen Bereiche ist enorm wichtig. Danke für die Antwort auf die Interpellation, ich bin damit zufrieden.

Präsidentin. Ich mache Buchhaltung: Beim ersten Vorstoss hält die Motionärin an der Motion fest, in der zweiten Motion hat sie Ziffer 2 zurückgezogen und bestreitet bei den übrigen Ziffern die Anschreibung. Das ist die Ausgangslage für die Fraktionssprechenden.

Daniel Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP). Gegen Ende des vergangenen Jahres wurde die Sozialhilfestatistik 2011 publik. Sie zeigt, dass der Anteil der Einpersonenfälle noch einmal zugenommen hat und nun bei über 64 Prozent liegt. Weshalb sage ich das? In dieser Gruppe sind vor allem junge Personen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu finden, aber auch ältere Menschen im Alter von 56 bis 64 Jahren. Der Bericht zeigt aber auch, dass sich Sozialhilfeempfänger am ehesten aus eigener Kraft aus ihrer Abhängigkeit befreien können, wenn sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder ein höheres Einkommen erzielen. Die beiden Elemente der Sozialhilfestatistik 2011 müssen zu denken geben. Junge sind überdurchschnittlich oft von der Sozialhilfe abhängig.

Sobald sie jedoch arbeiten oder einen besseren Verdienst erzielen, können sie sich aus der Sozialhilfe lösen. Diese Aussagen lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Es muss alles unternommen werden, um jugendlichen Sozialhilfeempfängern eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Das beginnt häufig damit, dass sie, falls nötig, eine Berufsausbildung abschliessen können. Insofern beinhaltet der erste Vorstoss von Grossrätin Linder eine einleuchtende Idee zur Bekämpfung der Jugendarmut. Anstelle von Sozialhilfe, die nach dem Bedarfsprinzip nur in einer individuellen, aktuellen und konkreten Notsituation ausgerichtet wird, soll mit der Ausrichtung von Stipendien ein Anreiz zur Absolvierung einer Ausbildung geschaffen werden. Damit würde sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Jugendlichen weiterhin Sozialhilfe beziehen, markant vermindern.

(7)

Märzsession 2013 2012.1134 7

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

So weit, so gut: Die Idee ist gut. Das Anliegen wurde vom Regierungsrat bereits in mehrere Sozialberichten integriert und als prüfenswert erachtet. Erste Massnahmen hin zu einem solchen Systemwechsel wurden schon in die Wege geleitet. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzlage liegt aber ein allzu forsches Umsetzen des Anliegens jenseits jeglicher politischer Realitäten. Man sieht auch im Kanton Waadt, dass ein Systemwechsel mit Mehrkosten verbunden ist. Man rechnet dort mit 25 Mio. Franken. Die EVP-Fraktion unterstützt deshalb den Weg des Regierungsrats, Schritt für Schritt auf eine Harmonisierung von Stipendien und Sozialhilfe hinzuarbeiten. Wir unterstützen den ersten Vorstoss als Postulat.

Zum zweiten Vorstoss, Ausbildungsprogramm: Ich war beeindruckt, als ich die Liste von Massnahmen und Projekten las, welche die Jugendlichen bei der Vorbereitung einer Ausbildung oder eine Berufsausbildung unterstützen und damit auch präventiv wirken sollen. Ich habe mich gefragt, was denn die Motionärin sonst noch will. Der Kanton Bern unternimmt nämlich schon sehr viel, um möglichst vielen Menschen einen Abschluss auf der Sekundarstufe II zu ermöglichen. Der Spitzenplatz des Kantons Bern bei den Abschlüssen auf Sekundarstufe II ist unter anderem das Resultat dieser Bemühungen. Was ist dabei gut? Jeder Abschluss vermindert, wie ich bereits gesagt habe, die Wahrscheinlichkeit, dass die betreffenden jungen Menschen dereinst Sozialhilfe empfangen müssen. Etwas ist aber noch immer nicht gut: Es gibt immer noch mehrere Tausend junge Menschen, die Sozialhilfe empfangen. Zwei Drittel davon haben keine Berufsausbildung.

Aufgrund der Antwort des Regierungsrats geht die EVP-Fraktion aber davon aus, dass die bestehenden Angebote, wie betont wurde, noch besser vernetzt und koordiniert werden, damit die Quote von Abschlüssen auf der Sekundarstufe II noch verbessert werden kann. Wir müssen letztlich auch nüchtern und ehrlich festhalten, dass mit keinem Programm, auch nicht mit demjenigen, welches der Motionärin vorschwebt, eine Quote von 100 Prozent Abschlüssen auf Sekundarstufe II erreicht werden kann. Die EVP-Fraktion folgt beim zweiten Vorstoss dem Antrag des Regierungsrats und wird auch die Anträge auf Abschreibung unterstützen.

Blaise Kropf, Bern (Grüne). Zuerst eine ganz nüchterne Feststellung: Wir haben auch in diesem Kanton ein Problem, 5000 Menschen zwischen 18 und 25 Jahren beziehen Sozialhilfe. Die zweite Feststellung: 3500 dieser 5000 Personen zwischen 18 und 25 Jahren, die Sozialhilfe beziehen, verfügen nicht über einen Berufsanschluss. Das können Sie auch in der Antwort des Regierungsrats nachlesen. Zuerst müssen wir uns die Frage stellen, was das konkret bedeutet. Das Erste, was wir feststellen können: Rund 5000 Personen sind mehr oder weniger direkt von der Mündigkeit an im System der Sozialhilfe untergebracht. Bei einem sehr grossen Anteil dieser Personen, nämlich bei zwei Dritteln, besteht ein Risiko, dass sie keine Ausbildung erlangen werden und dadurch längerfristig – oder anders gesagt: chronisch – in diesem System der Sozialhilfe gefangen bleiben werden. Sie gelangen also in einen effektiven Armutskreislauf hinein und haben die Ausbildungsvoraussetzungen nicht, um aus diesem Kreislauf wieder ausbrechen zu können.

Daran anschliessend möchte ich feststellen, dass wir damit gewissermassen an einer Zeitbombe bauen. Wir nehmen die längerfristige Desintegration eines beträchtlichen Kreises von Personen in Kauf und gehen damit selbstverständlich auch ein grosses finanzielles Risiko ein. Wenn diese Personen über lange Zeit mit chronischer Armut in diesem System von Sozialhilfe gefangen bleiben, ist das etwas, was den Kanton sehr viel kostet. Und eine letzte Feststellung möchte ich anbringen, dies auch im Anschluss an die Debatte zum Integrationsgesetz, die wir vorhin geführt haben. Fördern und Fordern war dort immer wieder eingebacht worden. Genau in diesem Bereich habe ich die Einschätzung, dass diesem Grundsatz nicht nachgelebt wird. Wir müssten doch wollen, dass alle Leute in diesem Alter zu einem Berufsabschluss gelangen, damit die die Chance haben, Fähigkeiten zu erarbeiten, um in dieser Gesellschaft und in diesem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Das wäre doch der richtige Weg und nicht einfach ein Inkaufnehmen, dass die Leute im System der Sozialhilfe gefangen bleiben.

Was ist angesichts dieser Problemlage zu tun? Wir sollten alles daran setzen, um sicherzustellen, dass die jungen Leute zu einem Berufsabschluss kommen und sich damit die Fähigkeiten, die Ausbildungen und Abschlüsse erarbeiten können, die ihnen ermöglichen, im Berufsleben und im sozialen Leben zu bestehen. Damit würde man ihnen die Sicherheiten und die Möglichkeiten geben, auf eigenen Beinen zu stehen und dem Kreislauf der Armut zu entrinnen. Dafür müssten wir auch bereit sein, gewisse Investitionen zu tätigen. Sie kennen vermutlich die Definition von Investition: Es ist kein Betrag, den man immer wieder gibt, Investitionen haben irgendwann auch einen «return on investment». Genau in diesem Bereich wäre dieser «return on investment» sehr gross. Wir könnten sicherstellen, dass das, was wir ausgeben, zu einer längerfristigen Reduktion der Sozialhilfe

(8)

Märzsession 2013 2012.1134 8

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

beiträgt. Nun stellt sich die Frage, wie man das am besten angeht. Grossrätin Linder hat hier mit ihrem Vorstoss einen vielversprechenden Weg aufgezeigt. Der Kanton Waadt hat den Beweis angetreten, dass mit einem solchen Ausbildungsprogramm, mit einer Finanzierung von Ausbildungen über Stipendien und nicht über das Verwalten, über die Sozialhilfe, ein gewinnbringender Weg möglich ist. Man kann heute feststellen: Das Programm im Kanton Waadt ist erstens total erfolgreich, und zweitens – und das scheint mir noch fast relevanter – ist es über alle Parteigrenzen hinweg anerkannt. Es gab im Parlament im Kanton Waadt nicht eine einzige Partei, die sich gegen das Programm gewehrt hätte, und zwar weil alle eingesehen haben, sowohl links wie auch rechts, dass es genau das ist, was eine Investition in die Zukunft des Kantons Waadt ermöglicht, dass es vor allem aber eine Investition in die jungen Leute darstellt, zu der man nicht einfach Nein sagen kann. Der Regierungsrat weist in seiner Antwort auf die angeblich beträchtliche Abbruchquote von 35 Prozent hin, die es auch im Programm des Kantons Waadt gebe. Dazu muss ich sagen: Das ist so. Offenbar gibt es eine Abbruchquote von 35 Prozent. Aber mit Verlaub, Kolleginnen und Kollegen: Wie sieht denn unsere heutige Situation aus? Heute haben wir die Situation, dass 5000 Personen zwischen 18 und 25 Sozialhilfe beziehen, zwei Drittel davon haben keine Ausbildung. Wenn wir durch das Programm sicherstellen können, dass bei diesen 5000 die Abbruchquote einen Drittel beträgt, hätten wir bereits eine gewaltige Verbesserung erreicht. Damit hätten wir sichergestellt, dass 1500 bis 2000 Personen zusätzlich einen Berufsabschluss erlangen können. Genau das müssten wir anstreben.

Wenn ich die Antwort des Regierungsrats lese, zweifle ich nicht daran, dass Handlungsbedarf besteht und dass es der Regierungsrat auch so sieht. Allerdings muss ich gleichwohl feststellen: Es geht reichlich langsam voran. Der Regierungsrat weist darauf hin, dass er am 1. Dezember 2010 im Rahmen eines Berichts einen Prüfauftrag für die Harmonisierung des Stipendien- und des Sozialhilfewesens erteilt hat. Zwei Jahre später, am 29. November 2012, lag wiederum ein Bericht vor. Dort wurde immerhin einmal beschlossen, die Harmonisierung priorisieren zu wollen. Aber effektiv ist leider nicht wahnsinnig viel passiert. In der Antwort des Regierungsrats sehe ich vor allem: Finanzen, Finanzen, Finanzen. Seitens der grünen Fraktion haben wir selbstverständlich Verständnis für die schwierige Finanzsituation des Kantons Bern. Wir wissen auch, dass wir uns vor diesem Hintergrund bewegen und orientieren müssen. Eine gewisse Handlungsfähigkeit muss der Kanton gleichwohl beibehalten. Es kann nicht sein, dass wir aufgrund einer schwierigen Finanzsituation jetzt einfach auf alles verzichten. Zudem scheinen uns einige Argumente in der Antwort des Regierungsrats doch etwas gesucht. Der Regierungsrat weist darauf hin, dass die Sozialhilfe im Moment über den Lastenausgleich finanziert wird, während das bei den Stipendien nicht der Fall ist: Klar, das ist so. Es sagt auch niemand, dass man das nicht ändern kann. Aber die Lastenausgleichsfinanzierung der Sozialhilfe kann doch hier kein Argument gegen dringend nötige Massnahmen sein. Vor diesem Hintergrund wäre es angesichts der parteiübergreifend sehr positiven Erfahrungen im Kanton Waadt wichtig, dem Regierungsrat einen klaren, verbindlichen Auftrag zu erteilen und ihm die Möglichkeit zu geben, das System wirklich zu entwickeln.

Noch einmal: Worum geht es in dieser Motion? Es geht darum, junge Leute zu einem Berufsabschluss zu führen. Das ist das Wichtigste. Die Finanzierung soll nicht über das Gefäss der Sozialhilfe erfolgen, sondern über Stipendien. Mit dem Begriff «Stipendien» wird oft ein Hochschulstudium verknüpft. Ich möchte aber betonen, dass es hier nicht um Stipendien von Uni- Absolventinnen und -Absolventen geht, sondern in erster Linie um Berufslehren und Berufsabschlüsse, die ermöglicht werden sollen: Dafür sollen ebenfalls Stipendien eingesetzt werden, wie es zum Teil bereits heute der Fall ist. Aber insbesondere im Bereich der Berufslehre müssen wir hier vorwärtsmachen. Es geht auch hinten und vorn nicht darum, den Jugendlichen von sozialhilfeberechtigten Familien zu ermöglichen, möglichst früh einen eigenen Haushalt zu führen.

Auch das war der Antwort des Regierungsrats zu entnehmen. Ganz im Gegenteil. Mit diesem Vorstoss wollen wir vielmehr sicherstellen, dass Junge aus armutsgefährdete Familien nicht dazu gezwungen werden, eine Ausbildung abzubrechen. Vielmehr sollen sie effektiv zu einem Abschluss kommen. (Die Präsidentin macht den Redner auf die abgelaufene Redezeit aufmerksam.) Ich rufe die Ratsmitglieder auf, den beiden Vorstössen zuzustimmen.

Vreni Kipfer-Guggisberg, Stettlen (BDP). Zwei Motionen zu Stipendien statt Sozialhilfe, die wir jetzt beraten: In der ersten geht es darum, Stipendien und Sozialhilfe zu harmonisieren. Die Motionärin und die Mitunterzeichnerinnen zielen darauf ab, dass im Kanton Bern analog zum Kanton Waadt Jugendliche anstelle von Sozialhilfe Stipendien respektive Ausbildungsbeiträge erhalten. Für die Umsetzung würde das bedeuten, dass es zuerst mehr Geld braucht. Später

(9)

Märzsession 2013 2012.1134 9

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

könnten sicher Einsparungen gemacht werden, da Jugendliche durch eine angeschlossene Berufslehre aus der Stigmatisierung der Sozialhilfe eher herauskommen. Der Regierungsrat hat bereits Schritte dafür unternommen; es besteht eine Arbeitsgruppe ERZ und GEF. Der Sozialbericht 2012 enthält einen Abschnitt darüber. Vor dem Hintergrund der Finanzlage und der notwendigen Sparmassnahmen einerseits und der grundsätzlich richtigen Stossrichtung der Motion anderseits schlägt der Regierungsrat die Annahme in Form eines Postulats vor. Die BDP kann ein Postulat grossmehrheitlich unterstützen. Die Motion würden wir ablehnen.

Bei der zweiten Motion, Lancieren eines Ausbildungsprogramms im Zusammenhang mit Stipendien anstatt Sozialhilfe, handelt es sich um eine Richtlinienmotion. Der Regierungsrat zeigt in seiner Antwort auf, dass bereits einiges gemacht wird. Die Motionärin möchte jedoch, dass die verschiedenen Angebote besser koordiniert werden und unter dem Dach einer einzigen übergeordneten Organisation stehen. Die BDP ist grossmehrheitlich der Meinung, der Bedarf sei durch das Projekt KoBra gedeckt, und stimmt deshalb der Abschreibung zu: bei Ziffer 1, 3, 4 und 5 Annahme und gleichzeitige Abschreibung. Ziffer 2 wurde bekanntlich zurückgezogen. Persönlich möchte ich zu den zwei Motionen aufgrund meiner Erfahrung aus der Zeit, als ich im Cevi- Lehrlingshaus in Bern tätig war, noch Folgendes sagen: Das Problem von Jugendlichen, die keine Ausbildung haben, die Ausbildung abbrechen und sich nicht in einen Betrieb integrieren, ist eine Mehrfachproblematik. Sie ist kaum mit Projekten, Programmen und Finanzen zu lösen. Trotzdem dürfen wir sie seitens der Politik auch vor dem Hintergrund der angespannten Finanzlage nicht aus den Augen verlieren.

Stefan Oester, Belp (EDU). Wir behandeln hier zwei ähnliche Anliegen. Es geht um die Frage Stipendien oder Sozialhilfe. Ein Abgleich oder eine Harmonisierung ist sinnvoll. Wo sollen wir investieren, wo ist es besser? In der Antwort konnten wir lesen, dass Schritte zur Harmonisierung bereits stattfinden und eingeleitet werden. In Ziffer 2 jenes Vorstosses werden Kosten verursacht, die nicht absehbar sind. In unserem Kanton gibt es schon genügend Möglichkeiten und Unterstützungen, um diesem Umstand Rechnung zu tragen. Jeder hatte bisher die Möglichkeit, etwas zu unternehmen oder eine weiterführende Schule zu absolvieren. Auch eine berufliche Grundbildung ist möglich. Dabei brauchte es bis jetzt selten Stipendien. Auch Sozialhilfe kann hier abgebaut werden, wenn die Jugendlichen gefördert werden und aktiv werden. Aus unserer Sicht sollte hier keine Ungleichheit gefördert werden. Jeder hat die Wahl, und wenn er Unterstützung braucht, bekommt er sie auch. Als Lehrmeister möchte ich betonen: Wenn jemand etwas unternehmen will, eine Grundbildung machen will, dann findet er in aller Regel einen Ausbildungsplatz und wird in sehr vielen Fällen unterstützt, wenn es ein Problem gibt, sei es bei einem Abbruch oder bei der Suche nach einer neuen Stelle. Jeder muss sich selbst in die Verantwortung nehmen. Finanzen und vom Staat verordnete Möglichkeiten sind nicht zielführend.

Aus diesem Grund sind wir der Ansicht, es seien genügend Strukturen vorhanden. Es braucht keine neuen Vorstösse, die viel kosten und wenig bringen. Aus diesem Grund unterstützt die EDU die Motion «Stipendien und Sozialhilfe harmonisieren» nicht, auch nicht als Postulat. Bei der Motion

«Lancieren eines Ausbildungsprogramms» unterstützen wir den Antrag der Regierung. Ziffer 2 wurde, wie wir gehört haben, zurückgezogen.

Eva Desarzens, Boll (FDP). Der Kanton hat sich zum Ziel gesetzt, dass möglichst jeder Jugendliche eine Sek-II-Ausbildung hat, bevor er zwanzig ist. Im Moment sehen wir sehr gute Zahlen. So gute Zahlen kann nicht jeder Kanton vorlegen. Und die zweite Motion von Anna Linder zeigt eigentlich, was der Kanton schon alles macht. Da besteht kein Handlungsbedarf. Denn die Vernetzung wird er automatisch machen, da er die Projekte hat, bei denen er sieht, wo Synergien gewonnen werden können. Sobald die Verwaltung von aussen her einen Anstoss erhält, läuft bekanntlich einiges. Deshalb wird die FDP die zweite Motion annehmen und abschreiben. Die Idee, dass man Jugendliche über Stipendien von der Sozialhilfe wegbringen kann, ist vermutlich für einige die Lösung, die es reizvoller finden, ein Stipendium zu erhalten und von dort aus etwas zu machen. Aber 100 Prozent werden wir auch damit nicht erreichen. Davon bin ich überzeugt. Auch das funktioniert nicht bei allen. Die Frage ist nicht, wieso gewisse Jugendliche Sozialhilfe und keine Stipendien haben, sondern wie sie vom betreffenden Sozialdienst betreut werden und weshalb ihnen keine der anderen Möglichkeiten aufgezeigt werden, die es bereits gibt. Das ist doch eher die Frage. Wie wird diese Familie unterstützt? Wieso ist es keine zweischienige Angelegenheit mit Sozialhilfe oder Stipendien? Da es für gewisse Jugendliche eine Möglichkeit sein mag, wird die FDP den Vorstoss nicht ablehnen, sondern als Postulat annehmen, als Motion jedoch nicht.

(10)

Märzsession 2013 2012.1134 10

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

Ueli Augstburger, Gerzensee (SVP). Bei den beiden Motionen «Stipendien statt Sozialhilfe» ist die SVP bezüglich der Hauptstossrichtung auch aus finanzpolitischer Sicht klar dagegen. Es gibt in den beiden Motionen aber Ziffern, für die man durchaus Sympathien haben kann. Sie sind aber heute schon erfüllt und können deshalb abgeschrieben werden. Ebenfalls ist es heute schon so, dass die Jugendlichen, die eine Erstausbildung durchlaufen, Stipendien erhalten, sofern sie ein Anrecht darauf haben. Die Forderung der Motionärin, die Jugendlichen sollten künftig ihren Lebensunterhalt ausschliesslich mit Stipendien finanzieren, führt zumindest kurz- oder mittelfristig zu nicht unerheblichen Mehrkosten. Die Regierung zeigt das in ihrer Antwort auch auf, und zwar am Beispiel Waadt, wo Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich anfielen. Die Antwort der Regierung auf die erste Motion fällt denn auch eher kritisch und negativ aus, zumindest in den Ziffern 1 und 2.

Umso erstaunter sind wir, dass die Regierung den Vorstoss dennoch als Postulat annehmen will.

Bei der zweiten Motion will man eine Steigerung der Quote von Berufsabschlüssen. Was hier so gut klingt, kann angesichts eines Zielerreichungsgrads im Kanton Bern von heute 95 Prozent – was, wie schon in verschiedenen Voten zu hören war, gesamtschweizerisch ein Spitzenplatz ist – kaum noch gesteigert werden. Das wäre höchstens mit unverhältnismässig grossen strukturellen und finanziellen Aufwänden noch möglich. Ich bilde seit mehr als 28 Jahren Jugendliche im Bereich Berufsbildung aus. Auch aus dieser Erfahrung weiss ich, dass es aus diversen Gründen nie eine Quote von 100 Prozent geben wird. Auch wenn die Forderung auch für mich an sich sehr sympathisch ist und es bedauerlich ist für all jene, die diesen Schritt nicht schaffen, ist es dennoch eine Tatsache.

In Ziffer 2 zeigt die Motionärin auf, wie sie diese Steigerung erreichen will. Sie hat diese Ziffer zwar zurückgezogen, es wäre aber effektiv die einzige reale Möglichkeit, um jedem die Gelegenheit zu geben, einen solchen Ausbildungsplatz zu durchlaufen. Wer will denn die restlichen Jugendlichen allenfalls nehmen? Die Wirtschaft bedankt sich vielleicht. Oder es kann nur mit grossem finanziellem Aufwand dafür gesorgt werden, dass die schwierigste Klientel noch zu Lehrstellen kommt. Sehr viele Anstrengungen werden bereits unternommen. Das konnten wir von meinen Vorrednern schon mehrfach hören. Ohne Ziffer 2 sind eine Steigerung und die Sicherstellung, dass alle ein Recht auf einen Ausbildungsplatz haben, gar nicht realistisch. Will man beim Recht auf einen Ausbildungsplatz eine Steigerung erreichen, müssen auch die staatlichen Angebote vermehrt ausgebaut werden: die Lehrwerkstätten und die Mittelschulen, also die sehr teuren Angebote. Aus der Sicht der Finanzen des Kantons Bern sollten heute solche Angebote eher heruntergefahren werden. Ich fasse zusammen: Die SVP lehnt bei der ersten Motion sowohl eine Motion als auch ein Postulat ab, bei der zweiten Motion folgen wir dem Antrag der Regierung. Da die Abschreibung bestritten ist, werden wir die Ziffern 1, 3, 4 und 5 ablehnen, wenn man daran festhält, die Abschreibung zu bestreiten.

Roland Näf-Piera, Muri (SP). Zuerst zur ersten Motion, in Sachen Harmonisierung: Die SP-JUSO- PSA-Fraktion unterstützt ganz klar dieses Anliegen. Ich will die einzelnen Argumente nicht noch einmal aufführen. Anna Linder und Blaise Kropf haben das bereits sehr gut gemacht, deshalb erübrigt sich das. In Anbetracht der verschiedenen Meinungen, die ich hier gehört habe, ist es wohl sinnlos zu sagen, die SP würde auch eine Motion unterstützen. Ich hoffe, dass das Postulat entsprechend eine Mehrheit findet. Eine Bemerkung in Bezug auf die Argumente, die zur ganzen Finanzierungsthematik vorgebracht wurden: Die SP steht zwar hinter dem Anliegen. Wir sehen aber auch hier wieder ein typisches Geschäft, bei dem der Kanton zusätzliche Aufgaben von den Gemeinden übernehmen würde, wenn man es entsprechend umsetzen würde. Wir wissen jedoch, wie schwierig das ist. Würde man es im Rahmen der Berichte, die wir alle kennen, umsetzen, müsste man wahrscheinlich ein anderes Finanzierungssystem suchen. Zur zweiten Motion, in Sachen Ausbildungsprogramm: Ich bin etwas verwirrt, weil genau die Ziffer, die wir gern unterstützt hätten, nun zurückgezogen wurde. Bei den übrigen Ziffern schliessen wir uns der Regierung an:

annehmen und abschreiben.

Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Die Problematik, die häufig zum Ausbildungsabbruch führt, ist, wie Grossrätin Kipfer ausführte, multifaktoriell und hat sicher nicht nur mit fehlendem Geld zu tun. Natürlich ist es ein lobenswertet Grundsatz, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Man kann Stipendien durchaus so betrachten. Ich möchte aber aus der Antwort des Regierungsrats zitieren:

«Es musste daher eine Lösung gesucht werden, welche die beiden teilweise sehr unterschiedlichen Systemlogiken berücksichtigt und in ihren Grundzügen beibehält.» Er schreibt weiter: «Hingegen

(11)

Märzsession 2013 2012.1134 11

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

erachtet es der Regierungsrat nicht als zielführend, Stipendien zu einem umfassenden, staatlichen Existenzsicherungsprogramm nur für ausgewählte Bevölkerungsgruppen umzudefinieren.» Da muss ich Grossrätin Linder sagen: Wenn man das wörtlich liest, ist es enthalten. Vielleicht hat sie das gar nicht gewollt, aber genau aus diesem Grund steht die glp-CVP-Fraktion bei der ersten Motion hinter der Antwort des Regierungsrats. Sie ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat zu unterstützen. Bei der zweiten Motion kann ich mich ganz kurz fassen. Der Regierungsrat sagt im Fazit: «Der Regierungsrat erachtet die vorhandenen Massnahmen und Instrumente zur Ausbildungsförderung als zweckmässig und angemessen.» Im Vergleich mit dem Kanton Waadt macht der Kanton Bern viel mehr. Unsere Fraktion erachtet das ebenfalls als angemessen. Sie ist hier auf der Linie der Regierung.

Urs Muntwyler, Grüne (Bern). Aus meiner Erfahrung als Unternehmer: In den letzten 25 Jahren hatte ich immer wieder Jugendliche, die nicht auf direktem Weg zu einem Ausbildungsplatz kamen.

Mit entsprechenden Coaching erreicht man aber, dass auch sie Tritt fassen. Im Raum Zollikofen–

Bern Mittelland Nord gibt es eine Organisation namens ALP Grauholz – Aktion Lehrstellen und Praktikumsplätze. Mit grossem Aufwand wird dort von privater Seite, unterstützt von den Gemeinden, versucht, Jugendliche, die es nicht auf die normale Art und Weise geschafft haben und bei denen man manchmal den Eindruck hat, sie seien auch gar langsam, es sollte doch schneller gehen, wieder in den Ausbildungsprozess einzugliedern. Solche Leute gibt es auch im Kanton Bern.

Wenn wir nun hören, dass es 5000 Leute gibt, die nicht eingegliedert sind, und dass der Kanton Waadt eine Erfolgsquote von 65 Prozent erreicht, sollte uns das den Anstoss geben, es im Kanton Bern ebenfalls zu versuchen, sei es über die Motion oder zumindest über das Postulat. Es sollte uns wert sein, diese jungen Leute vielleicht mit etwas mehr Aufwand als bei den übrigen dazu zu bringen, dass sie einen Ausbildungsplatz besuchen. Das wäre einerseits eine Investition, anderseits auch ein «return on investment», wie bereits gesagt wurde. Diese Leute kosten uns nachher weniger, zudem werden sie später mehr Steuern zahlen, als wenn sie im unteren Einkommenssegment herumvegetieren. Deshalb werde ich persönlich die beiden Motionen annehmen.

Präsidentin. Bevor ich der Motionärin das Wort gebe, begrüsse ich Gäste auf der Tribüne, und zwar sind es Mitglieder der BDP-Sektion Untere Emme: Ich wünsche Ihnen einen interessanten Nachmittag hier im Grossratssaal. (Applaus)

Anna-Magdalena Linder, Bern (Grüne). Ich danke Ihnen für die spannende Diskussion. Mit Interesse habe ich den Voten zugehört. Mir ist klar, dass ich mit einer Motion im Rat nicht durchkomme. Das ist sehr bedauerlich. Es stimmt: Es gibt viele Angebote. Es ist auch klar, dass ich in keiner Art und Weise sagen will, die Angebote im Kanton Bern brauche es nicht oder es gebe nichts. Fakt ist aber, dass wir 5000 Jugendliche haben, die wir nicht unterbringen können. Es ist auch klar, dass Sympathien für das Anliegen vorhanden sind. Das kam in vielen Voten zum Ausdruck. Man möchte eigentlich etwas machen, aber letztlich hat man den Mut dann doch nicht, sei es aus finanzpolitischen Gründen oder sonstigen Erwägungen. Grundsätzlich ist hier im Rat niemand mehr in der Situation, dass er eine Ausbildung machen müsste. Viele Ratsmitglieder haben aber mit Jugendlichen zu tun. Und gerade von jener Seite habe ich sehr gute Voten gehört.

Da ich mit der ersten Motion nicht durchkomme, wandle ich sie in ein Postulat. Bei der zweiten bestreite ich nach wie vor die Abschreibung.

Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Da der erste Vorstoss auch als Postulat bestritten ist, werde ich mich dazu äussern. Das Anliegen der Motionärin geht an sich in eine richtige Richtung.

Aus unserer Sicht geht es jedoch eindeutig zu weit. Im Bereich Stipendien besteht zweifellos Handlungsbedarf. Aufgrund dessen, was in der Strategischen Aufgabenüberprüfung (SAR) und bereits vorher in einem Sparpaket gemacht wurde, wurden die Stipendien im Kanton Bern recht stark heruntergefahren. Heute liegt der Kanton Bern bei den Stipendien im hinteren Mittelfeld, um es positiv zu formulieren. Er ist ziemlich weit hinten. Deshalb wurde im Sommer 2012 die Verordnung über die Stipendien geändert und die Stipendienbeiträge wurden der Teuerung angepasst. Dies immer noch im Rahmen des Budgets, das wir dort seit Jahren haben. Gerade weil im Bereich Stipendien Handlungsbedarf besteht, wurde auch im dritten Sozialbericht zur Bekämpfung der Armut 2012, der in der Junisession behandelt werden soll, eine Massnahme vorgesehen, wonach grundsätzlich versucht wird, Sozialhilfe und Stipendien besser zu

(12)

Märzsession 2013 2012.1134 12

CONVERT_14d7c6e039c34e4c89ae526a77782be9 08.04.2013

harmonisieren und bescheidene Schritte, aber solche, die dennoch etwas kosten, zu machen. Aus meiner Sicht ist es richtig, dass der Kanton Bern versucht, bei den Stipendien wieder etwas aufzuholen und nicht so weit hinten zu sein. Diese Massnahme wurde dort definiert und könnte im Netto-Saldo rund 7 Mio. Franken kosten. Ob sich der Kanton dies in den nächsten Jahren wird leisten können, kann ich heute nicht mit Sicherheit sagen. Wir haben jedoch die Motion Linder als Postulat entgegengenommen, weil im Bereich dieses Sozialberichts Schritte unternommen werden müssten. Wie schnell wir es schaffen, können wir heute nicht sagen. Die Richtung stimmt allerdings, und wir möchten die Sache genauer prüfen, um Schritte vorwärts zu machen.

Die Forderung der Motion, die nun nicht mehr als Motion vorliegt, wäre zu weit gegangen. Der Kanton Waadt hat, wie Thomas Brönnimann vorhin vorgelesen hat, eine Koordination vorgenommen, indem er Stipendien künftig in eine Art generelle Unterstützung oder Sozialhilfe für einen Teil der Bevölkerung umgestalten wird. Aus Sicht der Regierung des Kantons Bern ginge das zu weit. Das würde auch im Kanton Bern vermutlich mehr als 20 Mio. Franken Mehrkosten auslösen. Das liegt nicht drin. Aber auch sachlich wäre das für den Kanton Bern kaum sinnvoll.

Deshalb nehmen wir den Vorstoss als Postulat an. Wir werden im Bereich Sozialbericht prüfen, was wir machen können. Geben Sie uns in den nächsten Jahren Rückenwind, um im Bereich Stipendien zu untersuchen, was finanzpolitisch überhaupt möglich ist.

Bei der zweiten Motion stellt sich nur noch die Frage, ob die Ziffern 1, 3, 4 und 5 abgeschrieben werden sollen oder nicht. Hier besteht ein entscheidender Unterschied zum Kanton Waadt: Der Kanton Bern unternimmt enorm viel an der Nahtstelle von der Volksschule zur Berufsbildung, wahrscheinlich mehr als der Kanton Waadt. Es geht nun aber nicht darum, die Kantone gegeneinander auszuspielen. Wir haben zum Beispiel sehr viele Lehrstellen im Bereich Berufsattest, EBA-Lehrstellen, von denen der Kanton Waadt viel weniger hat. Auch bei den Brückenangeboten sind wir gut unterwegs. Wir können stolz sein auf das, was die Lehrbetriebe, die Berufsschulen und die Verwaltung im Kanton Bern zusammen erreichen. Im Bereich Berufsbildung sind wir schweizweit führend. Wir haben eine Abschlussquote in der Grössenordnung von 95 Prozent. Beim Projekt FORJAD im Kanton Waadt bestand wahrscheinlich mehr Handlungsbedarf, als es in diesem Bereich im Kanton Bern der Fall ist. Die GEF, die VOL und die ERZ unternehmen gemeinsam enorme Anstrengungen. Deshalb bin ich der Ansicht, dass man die Ziffern 1, 3, 4 und 5 abschreiben kann. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass der Kanton Bern noch mehr machen könnte, als das, was er bereits macht. Wenn Sie diese Ziffern nicht abschreiben, sagen Sie uns damit, dass wir weiterhin dranbleiben sollen. Wenn Sie sie abschreiben, danken Sie uns dafür, dass wir bereits so viel machen. Ob Sie abschreiben oder nicht: Wir werden auch in Zukunft genau gleich viel machen. Wir wollen das machen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir Ihnen in etwa zwei Jahren die Abschreibung beantragen müssen. Denn mehr als die interinstitutionelle Zusammenarbeit der drei Direktionen kann man in diesem Kanton schwerlich machen. Wir sind wirklich führend. In dem Sinn beantragen wir Abschreibung, es ist jedoch keine entscheidende Frage.

Abstimmung (Traktandum 49, Geschäft 2012.1134, Motion 171-2012) Der Grosse Rat beschliesst:

Annahme als Postulat

Ja 100

Nein 40

Enthalten 3

Präsidentin. Der Grosse Rat hat das Postulat mit 100 gegen 40 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Grosse Rat des Kantons Bern. Le

Ich begrüsse Sie alle ganz herzlich zur zweiten Sessionswoche und zu meiner letzten Sessionswoche als Präsidentin des Grossen Rats.. Ich sitze deshalb mit einem lachenden

Der Interpellant ist nicht befriedigt von der Antwort des Regierungsrates und gibt eine

Die Erziehungsdirektion hat in Artikel 16 der Direktionsverordnung über die besonderen Massnahmen im Kindergarten und in der Volksschule (BMDV) festgelegt, dass

Adrian Kneubühler, Nidau (FDP), Kommissionspräsident. Liebe Therese, ich bin bekannt dafür, dass ich sehr zahm bin und selten jemanden ohne Not angreife. Du brauchst

Ist jegliches finanzielles Risiko für den Kanton mit dem De-facto-Zusammenschluss Insel/SNBe ausgeschlossen. Der Interpellant ist nicht befriedigt von der Antwort des

Der Regierungsrat geht davon aus, dass die beiden Unternehmen in der Lage sein werden, diese grossen finanziellen Herausforderungen zu bewältigen.. Eine Garantie

Die Interpellantin ist teilweise befriedigt von der Antwort des Regierungsrates und gibt eine