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Lebertransplantationen?
Jede alloplastische Lebertrans- plantation hat ihre besonderen Probleme. Indikationen, Organ- spender, Organkonservierung, die Operationstechniken und schließlich die autoimmune Ab- wehr körperfremden Gewebes haben bei Lebertransplantatio- nen ganz andere Stellenwerte als etwa bei der Übertragung von Nieren und des Herzens.
Die Abstoßungsreaktion zum Bei- spiel steht bei Leberübertragung von Mensch zu Mensch ziemlich im Hintergrund. Hauptprobleme sind Organgewinnung und die Technik der Implantation des Fremdorgans, speziell die biliäre Anastomose (Professor R. J.
Calne, M. D., Department of Sur- gery, Universität Cambridge, Großbritannien). — Indikationen:
Inoperable angeborene Mißbil- dungen (äußerst problematisch!);
benigne progressive Hepatopa- thien bei erwiesenermaßen hoff- nungsloser Prognose (aber nicht erst im moribunden Stadium):
inoperable primäre Lebermali- gnome (ohne erkennbare Fern- metastasierung). — Als Organ- spender kommen nur Schwerst- verletzte nach erwiesenem Hirn- tod in Frage, deren Kreislauf und Atmung maschinell aufrechter- halten wurde und deren Leber nicht vorgeschädigt ist (chroni- sche Hepatitis; Leberzirrhose, Al- kohol pp.). — Die Leber verträgt nur maximal 15 Minuten totale Anoxie; bei hypothermer Perfu- sion auf Eis überlebt sie maximal sechs Stunden. Das technische Problem der Gallenwegsanasto- mose haben Calne und Mitarbei- ter offenbar gelöst: Sie nehmen mit der Leber die Gallenwege einschließlich Gallenblase mit.
Letztere scheint die weiteste bi- liäre Anastomose zu ermögli- chen, die in der Regel auch offen bleibt. Die Operationsergebnisse mit Überlebenszeiten von sechs bis zwölf Monaten bzw. bis zu
einigen Jahren — freilich vorläufig in Einzelfällen — scheinen die Richtigkeit des Vorgehens zu be- stätigen. Darüber hinaus schei- nen die britischen Lebern noch längst nicht so verbreitet durch Alkoholismus zerstört zu sein wie die Lebern hierzulande bezie- hungsweise in Frankreich. Oder liegt es am Whisky?
(IV. Internationeles Lebersymposium _Le- ber und Galle". Falck-Symposium Nr. 23.
Oktober 1976, Basel)
Frühsymptome bei Karotisstenose
Die Symptome treten meistens jenseits der Fünfzig auf, gele- gentlich aber auch früher, und sind in aller Regel Vorboten eines größeren ischämischen Insultes:
plötzliche und flüchtige Ge- sichtsfeldausfälle, Sprachstörun- gen, Halbseitenparesen, Schwin- del, aber auch Kopfschmerzat- tacken und allmählich eintreten- de Wesensveränderung sind nicht bloß „Alterserscheinun- gen". Sie bedürfen vielmehr stets einer angiologischen Kontrolle.
Die Verdachtsdiagnose der häu- fig ursächlichen Karotis- oder Subklaviastenosen ist geradezu ideal auf die Praxis des niederge- lassenen Arztes zugeschnitten, weil sie keines apparativen Auf- wandes bedarf (Professor Dr. J.
Vollmer, Professor Dr. F. Nobbe, Klinikum der Universität Ulm;
Professor Dr. H.-H. von Albrecht, Nervenkrankenhaus Günzburg):
Palpation und Auskultation der Arteriae Carotis und subclavia beiderseits und Blutdruckkon- trolle an beiden Armen machen Stenosen in diesem Bereich so- gar schon vor Auftreten der neu- rologischen Frühsymptome er- kennbar. Spätestens bei den er- sten neurologischen Auffälligkei- ten sollte man an diese Untersu- chung denken, auch wenn die neurologischen Erscheinungen noch so diskret sind.
(KMJ-Kolloquium über präventive Angiolo- gie, Januar 1977, Ulm)
Lungenfunktionsprüfung
Klinisches Bild und körperliche Untersuchung genügen bei ob- struktiven Atemwegserkrankun- gen ohne Messung der einfachen
Lu ngenfu n ktionsparameter heute nicht mehr (Obermedizi- naldirektor Dr. 0. P. Schmidt, Kli- nisches Sanatorium Trausnitz, Bad Reichenhall). Mindestvor- aussetzung für die Frühdiagno- stik: spirographische Untersu- chung. Sie sollte mit der Selbst- verständlichkeit einer Blutdruck- messung erfolgen (Schmidt). — Für genauere Diagnose und The- rapiekontrollen ist ein erweitertes Programm erforderlich. Dafür braucht man ein gut eingerichte- tes Lungenfunktionslabor. Aber schon einfache Lungenfunk- tionsparameter genügen bei ob- struktiven Atemwegserkrankun- gen oftmals. Nur geht es heute nicht mehr ohne diese Para- meter!
(8. Internationaler Kongreß Diagnostica, Therapeutica, Technica. November 1976, Düsseldorf)
Plazenta
als Reglersystem?
Eine mittelalterliche Unsitte ist es, die Plazenta nach einer Ge- burt in den Eimer zu werfen. Die Plazenta sollte vielmehr nach Möglichkeit pathologisch-anato- misch untersucht werden (Pro- fessor Dr. Volker Becker, Patho- logisches Institut der Universität Erlangen — Nürnberg). Sie sagt über den Schwangerschaftsver- lauf und mögliche Ursachen von Störungen der Kindesentwick- lung viel mehr aus, als allgemein angenommen wird. Darüber hin- aus scheint die Plazenta bei- spielsweise ungenügenden müt- terlichen Hämoglobingehalt in gewissen Grenzen durch kom- pensatorische Differenzierung ausgleichen zu können. WP
Pressekonferenz des Schwerpunktprojek- tes der DFG „Schwangerschaftsverlauf und Kindesentwicklung" Januar 1977, Bonn