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Archiv "Hygiene in Krankenhäusern: Der Faktor Mensch" (04.02.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 5

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4. Februar 2011 A 217

K

rankenhausinfektionen kann man nur selten vermeiden, sie treten quasi schicksalhaft auf, und im Übrigen bringen die Patienten die Erreger selbst mit.“ Das sind für Dr.

med. Klaus-Dieter Zastrow, Vivan- tes-Kliniken Berlin, die drei „kapi - talen Fehlaussagen“, wenn es um nosokomiale Infektionen geht. Der Sprecher der Deutschen Gesellschaft

für Krankenhaushygiene räumt zwar ein, natürlich stamme ein Großteil der Erreger aus der Normalflora der Patienten. Das gelte für etwa für Operationen im Gastrointestinal- trakt. Bei aseptischen Operationen allerdings, also zum Beispiel einem Gelenkersatz, beruhten Infektionen auf mangelnder Hygiene. Umso mehr, wenn keine Haut-, sondern beispielsweise Darmkeime nachge- wiesen würden.

Wieso kommt der MRSA aus der Nase ins Gelenk?

Besonders gefährdet, eine nosoko- miale Infektion zu entwickeln, sind drei Patientengruppen: sehr junge, sehr alte und sehr kranke. „Aber auch bei älteren oder abwehrge- schwächten Patienten ist nicht auto-

matisch ein E. coli in der Hüfte“, sagte Zastrow auf der MCC-Konfe- renz Krankenhaushygiene in Köln.

Selbst wenn der Patient bereits vor seinem stationären Aufenthalt mit einem Methicillin-resistenten Sta- phylococcus aureus (MRSA) besie- delt sei, müsse man sich fragen, wie der Keim aus der Nase ins Gelenk komme.

Wer eine Antwort auf diese oder ähnliche Fragen sucht, für den liefern die Zahlen des nationalen Kran - kenhaus-Infektions-Surveillance-Sys- tems (KISS) interessante Anhalts- punkte: Auf 19 Prozent der teilneh- menden Intensivstationen gab es demnach 2008 keinen schriftlich fixierten Standard für die Anla- ge eines zentralen Venenkatheters (ZVK). Zugleich screenen ledig- lich 23 Prozent der Kliniken routi- nemäßig die Mitarbeiter, die Kon- takt zu Patienten mit multiresisten- ten Erregern hatten. Letzteres geht aus dem „Krankenhaus-Barometer“

des Deutschen Krankenhausinsti- tuts (DKI) hervor. Wenn dann bei- spielsweise bei einer ZVK-Anlage kein Mundschutz verwendet oder nichts über die Nase gezogen wird,

ist das Risiko offensichtlich. Ein Erkenntnisproblem gibt es diesbe- züglich nicht. Aus einer Empfeh- lung des Robert-Koch-Instituts (RKI) geht eindeutig hervor: Die Häufigkeit einer katheterassoziier- ten Infektion kann signifikant ge- senkt werden, wenn die Person, die ihn legt, sich steril kleidet, mit ei- nem langärmligen Kittel, Mund-

Nasen-Schutz, Haube und sterilen Handschuhen.

Die Empfehlungen der Kom - mission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des RKI liefern ausführliche Hand- lungsanweisungen. Sie seien zudem evidenzbasiert, und die Kommission leiste eine hervorragende Arbeit, lobt Zastrow. Rechtlich bindend sind sie aber bisher nicht. Es sieht aber so aus, als könnte sich das bald ändern. Die schwarz-gelbe Regie- rungskoalition plant zurzeit ein Hygienegesetz. Damit könnten die Länder verpflichtet werden, Hygie- neverordnungen zu erlassen. Die gerade in Bayern in Kraft getretene Verordnung beispielsweise verzich- tet in vielen Punkten auf Details und verweist stattdessen auf die HYGIENE IN KRANKENHÄUSERN

Der Faktor Mensch

Mit den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts liegen bereits fundierte Handlungsanleitungen zur Hygiene vor. Doch offenbar werden diese noch nicht überall umgesetzt.

Mundschutz und und saubere Hän- de retten Leben:

Geeignete Hygiene- maßnahmen sind insbesondere auf Intensivstationen wichtig.

Fotos: Fotolia/Visum

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4. Februar 2011 KRINKO-Empfehlungen, lässt al-

lerdings auch ein abweichendes Vorgehen zu, wenn es geeignet ist (siehe Kasten).

Dass der Gesetzgeber nun aktiv wird, liegt sicherlich an dem öffent - lichen Druck. Über Krankenhausin- fektionen wird seit einigen Monaten in den Medien regelmäßig berichtet.

Anlass sind immer wieder „Hygiene- Skandale“. Doch wie groß ist das Problem tatsächlich? Die umfas- sendste Sammlung von Informatio- nen dazu sind sicherlich die KISS- Daten. Die Teilnahme der Kranken- häuser an diesem Meldesystem ist freiwillig. Aus den KISS-Zahlen und Daten des Statistischen Bundesam- tes erstellt das an der Berliner Cha- rité angesiedelte Nationale Referenz- zentrum für Surveillance von no - sokomialen Infektionen (www.nrz- hygiene.de) Hochrechnungen. Dem- nach gab es 2008 etwa 500 000 noso- komiale Infektion. 7 500 bis 15 000 Menschen sterben an Infektionen, die sie im Krankenhaus erworben haben.

Die KISS-Zahlen werden aller- dings angezweifelt. Manche halten sie für zu niedrig, schließlich betei- ligten sich gerade die Kliniken, für die Hygiene ohnehin im Blickfeld stehe. Dr. Karl Blum vom DKI be- klagt ebenfalls eine unzureichende Datenlage, was die Prävalenz und die Folgekosten nosokomialer In- fektionen angeht. Aus seiner Sicht zeigen jedoch die Ergebnisse des Krankenhaus-Barometers, dass die Strukturqualität der Krankenhäuser auf einem guten Niveau ist. Hygie- nekommissionen und -pläne gebe es in etwa 99 Prozent der befragten Kliniken. Nachholbedarf sieht er noch bei der Prozessqualität.

Wie aber misst man gute Hygie- ne? Ist die Zahl nosokomialer In- fekte allein aussagekräftig? Oder sollte man den Verbrauch an Des - infektionsmitteln bestimmen? Viele Experten sind der Meinung, dass es dazu noch zu wenige Erkenntnisse gibt, und stehen deshalb einem Hy- gienesiegel für Kliniken skeptisch gegenüber. So auch Prof. Dr. med.

Dipl.-Soz. Joachim Szecsenyi vom AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Zunächst müsse es darum gehen, geeignete

Indikatoren zu entwickeln. Derzeit bereite eine Arbeitsgruppe des Ge- meinsamen Bundesausschusses ei- nen entsprechenden Auftrag für das AQUA-Institut vor. Ein Abschluss- bericht für ein sektorenübergreifen- des Qualitätsinstrument soll vor - aussichtlich im Sommer 2012 vor- liegen.

Führungskräfte sind Vorbilder

Vorgaben für gute Qualität sind eine Sache, deren Umsetzung eine ande- re. Eine zentrale Rolle beim Thema Hygiene spielt der Faktor Mensch – nicht nur, weil Patienten Erreger mitbringen oder Mitarbeiter Keime übertragen. „Wir haben hier ein Top- down-Problem“, erklärt Zastrow.

Führungskräfte müssten das korrek- te Verhalten vorleben und dürften Fehlverhalten nicht ignorieren. Auch Ausreden will Zastrow nicht gelten lassen. „Personalmangel ist keine Entschuldigung für mangelnde oder falsche Hygiene“, sagt er. Das An - legen eines Mundschutzes dauere fünf Sekunden, eine Händedesinfek- tion 30 Sekunden. Zastrow ist davon überzeugt, dass nur Fachpersonal das notwendige Bewusstsein vermit- teln kann. Deshalb brauche man mehr Fachärzte für Hygiene und weitere Hygienefachkräfte.

Nosokomiale Infektionen kann man nicht losgelöst vom Thema Antibiotikatherapie betrachten. Denn Probleme machen insbesondere die resistenten Keime. 132 000 MRSA- Fälle hat es nach den Hochrechnun- gen des NRZ 2008 in deutschen Krankenhäusern gegeben. Die Zahl liegt auf einem relativ hohen Niveau,

ist aber konstant, wie Prof. Dr.

med. Martin Mielke vom RKI erläu- tert. Deutlich zugenommen haben unterdessen die Resistenzen im gramnegativen Bereich – unter ande- rem die Extended-Spectrum-Beta- laktamase(ESBL)-bildenden Stäm- me von Klebsiella, Escherichia coli und andere Enterobacteriaceae. Sie reagieren nicht mehr auf Cephalo- sporine der dritten Generation. Die Ursachen für die Resistenzentwick- lung liegen für Mielke auf der Hand:

Der Einsatz von Antibiotika sei oft nicht gezielt – bezüglich seiner Art und Dauer. In den Niederlanden, die immer als Vorbild in der Infektions- prävention gelten, würden im ambu- lanten Bereich kaum Oralcephalo- sporine und Chinolone eingesetzt. In Deutschland beobachtet er eine Überschätzung der Resistenzlage, daher werde oft zu breit therapiert.

Antibiotika gezielt einsetzen

Tatsächlich werden schon bei un- komplizierten Harnwegsinfekten im ambulanten Setting häufig Fluor- chinolone verordnet. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin empfiehlt je- doch in ihrer Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ für diese In - dikation Trimethoprim (TMP) als Mittel der ersten Wahl. Eine dreitä- gige Behandlung sei ausreichend.

Die Kombination von TMP mit Sul- famethoxazol biete im Vergleich zur Monosubstanz keine Vorteile (www.degam.de). Vielfach gebe es jedoch die Annahme, dass eine sol- che Therapie nicht ausreiche. Das sei ein schwieriger Überzeugungs- prozess, sagt Szecsenyi.

Mielke zufolge beeinflusst der Einsatz von Chinolonen auch die MRSA-Ausbreitung. Zur Therapie solcher Keime sind diese Antibio - tika freilich ungeeignet. Mehr als 97 Prozent der im Krankenhaus er- worbenen MRSA reagieren nicht auf Ciprofloxacin. Je häufiger aber die breit wirkenden Chinolone ein- gesetzt würden, desto größer sei der Selektionsvorteil für MRSA gegen- über anderen Erregern. ■ Dr. med. Birgit Hibbeler

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Umfangreiche Informationen und Empfehlungen hat das Robert-Koch- Institut erstellt: www.rki.de.

Die schwarz-gelbe Koalition hat ein neues Hygienegesetz angekündigt. Bis zum Sommer soll es verabschiedet wer- den. Geplant ist, die Länder dazu zu verpflichten, Hygiene- verordnungen für Krankenhäuser und andere Einrichtun- gen des Gesundheitswesens zu erlassen. Das Infektions- schutzgesetz soll entsprechend geändert werden.

Bislang haben sieben Bundesländer eine Hygiene-Ver- ordnung. Zum 1. Januar 2011 ist beispielsweise in Bayern eine solche Regelung in Kraft getreten. Sie verzichtet in vielen Punkten auf Details und verweist auf die Empfehlun- gen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infekti- onsprävention (KRINKO) am Robert-Koch-Institut.

DAS NEUE GESETZ

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