M E D I Z I N
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A1970 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 30½½½½27. Juli 2001
Embolische Komplikationen während Manipulationen an der Aorta
Intraluminale Manipulationen sind ge- eignet, vorhandene arteriosklerotische Aortenplaques zu mobilisieren und Embolien auszulösen (21, 33). Eine ein- zelne Arbeitsgruppe beobachtete bei- spielsweise bei 21 Hochrisikopatienten, deren Plaques mobile Anteile beinhal- teten, eine extrem hohe Komplika- tionsrate der intraaortalen Ballonpum- pe (IABP) von bis zu 43 Prozent (21).
Das Gesamt-Embolierisiko der Links- herzkatheterisierung ist deutlich niedri- ger und liegt bei etwa 0,5 Prozent (23).
Daneben sind embolische Komplika- tionen bei der operativen Bypass- versorgung nicht selten. In der Litera- tur schwanken die Angaben zwischen zwei und sieben Prozent (15, 25). Stern et al. veröffentlichten 1999 eine Arbeit über 268 Patienten, bei denen große Plaquebildungen des Aortenbogens do- kumentiert und der Verlauf nach herz- chirurgischen Eingriffen verfolgt wor- den war (29). Das zu erwartende intra- operative Schlaganfallrisiko der unter- suchten Patienten lag im langjährigen Mittel bei 2,2 Prozent. Im Gegensatz dazu erlitten 11,6 Prozent der Patienten mit thrombogenem Aortenbogen einen manifesten Insult, 14,9 Prozent der 268 Patienten verstarben während des Krankenhausaufenthalts. Es gilt daher, Risikopatienten zu identifizieren und vorbeugende Maßnahmen zu ent- wickeln.
Aortenatherome und andere Ursachen von Thrombembolien
Aufgrund der systemischen Natur arte- riosklerotischer Gefäßveränderung ist eine hohe Koinzidenz von Aorten- und anderen arteriellen Plaques wenig erstaunlich. Umstritten ist der Zu- sammenhang zwischen hochgradigen Aortenplaques (mit mobilen Anteilen) und Karotisstenosierungen (9). Sicher ist, dass viele Patienten mit manifesten Hirninfarkten mehr als eine mögliche Emboliequelle haben. Nach dem Auf- treten klinisch manifester zerebraler Durchblutungsstörungen bei signifi-
kanter Karotisstenose ist daher nach dem Vorliegen einer arterioskleroti- schen Veränderung der Aorta zu fahn- den – umso mehr in Fällen kontralate- raler oder peripher systemischer Embo- lien oder wenn nach erfolgreicher End- arteriektomie der Karotis weiterhin neurologische Ereignisse auftreten.
Vorhofflimmern stellt eines der wichtigsten Risikofaktoren für thromb- embolische Ereignisse dar (12). Das in- dividuelle Embolierisiko hängt von ver- schiedenen Faktoren ab. Patienten mit Vorhofflimmern zeichnen sich nicht nur durch ein erhöhtes Risiko für das Auf- treten systemischer Thrombembolien sondern auch durch eine erhöhte Prävalenz von sklerotischen Aorten- plaques aus. Eine groß angelegte Stu- die von 1998 des „Stroke Prevention in Atrial Fibrillation Investigators Com- mittee on Echocardiography“ (SPAF) zeigte ein um etwa 10- bis 18fach erhöh- tes Embolierisiko (12 bis 20 Prozent versus 1,2 Prozent), wenn sich gleich- zeitig Vorhofflimmern und hochgradige komplexe Aortenplaques im TEE do- kumentieren ließen. Letzeres war bei immerhin 37 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern der Fall (32).
Behandlung der thrombogenen Aorta
Zurzeit fehlen verlässliche Richtlinien zum präventiven Umgang mit der thrombogenen Aorta. Dressler et al.
gaben 1998 eine Risikoreduktion vas- kulärer Ereignisse durch orale Anti- koagulation von 45 Prozent auf 5 Pro- zent an (11). In anderen Studien konn- ten diese Ergebnisse nur teilweise be- stätigt werden (19, 31). Unklar ist, ob eine orale Antikoagulation mit Marcu- mar gegenüber der Gabe von Aspirin oder anderen Aggregationshemmern von Vorteil ist. Lediglich in einer nicht randomisierten Studie von Ferrari et al.
sind diese verschiedenen Strategien an 129 Patienten mit Aortenplaques und stattgehabtem Hirninfarkt verglichen worden (13). Tendenziell zeichnete sich unter Marcumar insbesondere bei Hochrisikopatienten eine bessere Wirksamkeit ab.
Die primär operative Therapie von thorakalen Aortenplaques mit End-
arteriektomie ist bisher nur in Form von einzelnen Kasuistiken beschrieben worden (4). Die Ergebnisse waren zwar vielversprechend, aus ihnen lässt sich jedoch keine allgemeine Empfehlung ableiten.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 1968–1970 [Heft 30]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Abdolhamid Sheikhzadeh Medizinische Klinik II
Universitätsklinikum Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck
Appendektomie schützt vor Colitis ulcerosa
Die Ätiologie der chronisch entzündli- chen Darmerkrankungen ist unklar. In verschiedenen Studien war aufgefallen, dass Patienten mit einer Colitis ulcerosa selten appendektomiert worden waren.
Die Autoren untersuchten in einer umfangreichen Kohortenstudie an 212 963 Patienten, die in den Jahren 1964 bis 1993 im Alter von unter 50 Jahren appendektomiert wurden, die Häufigkeit des Auftretens einer Coli- tis ulcerosa. Eine vorausgegangene Appendektomie senkte das Risiko, in der Folgezeit eine Colitis ulcerosa zu entwickeln, um 24 bis 42 Prozent, je nachdem, ob es sich um eine unkom- plizierte Appendizitis oder eine perfo- rierte Appendizitis gehandelt hatte.
Allerdings war dieser protektive Ef- fekt nur für Patienten nachweisbar, die vor dem 20. Lebensjahr operiert
worden waren. w
Andersson RE, Olaison G, Tysk C et al.: Appendectomy and protection against ulcerative colitis. N Engl J Med 2001; 344: 808–814.
Dr. R. E. Andersson, Department of Surgery, Ryhov Hospital, 551 85 Jönköping, Schweden.
Referiert