Die Entdek- kung dieser Künstlerin lohnt unbedingt: zahl- reiche großfor- matige und durchweg far- bige Abbildun- gen verschaffen dem Betrachter einen hervorra- genden Über- blick und wer- den ihn vom Können Hilde- gard Auers überzeugen.
Dieses stim- mungsvolle In- terieur hat Ge- org Friedrich Kersting 1827 gemalt. Es hängt in der Kieler Kunstga- lerie. Kersting gehört zu den weniger be- kannten Malern der Biedermei- erzeit, die es zu entdecken lohnt. Aber selbstverständ- lich fehlen in diesem farbi- gen Band nicht die bekannten Künstler wie Spitzweg oder Caspar David Friedrich. Ein Bildband zum genüßlichen Anschauen und auch ein Ge- schenk, mit dem man nichts falsch macht.
(Verlag Herder, 1987, 192 Sei- ten, Großformat, 98 DM)
Die Maler des Biedermeier
1815-1848
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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Betrachten Schenken
Einen Stapel neuer Bücher - angesichts Zehntausender von Neuerscheinungen eine Winzigkeit - stellen wir in diesem
„Buchmagazin" vor.
Sie wurden mit Be- dacht ausgewählt.
Ein Schwerpunkt der Auswahl liegt dies- mal bei herausra- genden, nach Inhalt und Aufmachung auf- wendigen Werken.
Menschen und Tiere
Ein Verlangen nach Kunst, Belser Verlag, 1987, 29x30 cm, 214 Seiten, 77 farbige Abbildungen, Werks- verzeichnis, 128 DM.
Eine ganz außergewöhn- liche künstlerische Laufbahn nahm Hildegard Auer (1929 in Stuttgart geboren): in den harten Aufbaujahren nach dem Krieg begann sie zu- nächst als Stenotypistin in der Industrie, wo sie sich mit En- gagement in die Führungs- spitze einer expandierenden Weltfirma hinaufarbeitete. In dieser Position wurde sie (aus einer eher amusischen Fami- lie stammend) durch den Fir- meninhaber und Kunstsamm- ler Eugen Eisenmann erstma- lig mit moderner bildender Kunst konfrontiert.
Mit der wachsenden Ei- senmann-Sammlung begann zugleich eine Art Lehrzeit für Hildegard Auer, in der sie sich autodidaktisch mit nai-
Dt. Ärztebl. 84, Heft 49, 3. Dezember 1987 (73) A-3399
Diekunst des frühen Mittel- alters
Rätselhafter Magritte
Pere Gimferrer: Magritte, Verlag Aurel Bongers, 1987, 128 Seiten, 146 Abbildungen, davon 82 farbig, 48 DM.
Die scheinbar realistische Verknüpfung wesensver- schiedener Dinge führt durch ihren Verfremdungseffekt zu einem visuellen Verwirrspiel, in dem das Unmögliche mög- lich wird. Die Gegenstände,
„die als etwas begannen, um etwas anderes zu werden"
(Haftmann) werden so zum
„materiellen Zeichen der Freiheit des Gedanken"
(Magritte) und geben das Ir- rationale wieder, das in der Wirklichkeit ruht.
Ein umfassender Einblick in die Persönlichkeit des Künstlers, die Entwicklung des ihm eigenen Stils und ein Überblick über das wohl un- gewöhnlichste Werk des Sur- realismus. UF
Kunstszene von heute
Stephan Schmidt-Wulf- fen: Spielregeln — Tendenzen der Gegenwartskunst, Du- Mont Buchverlag, Köln, 1987, 268 Seiten, 32 Farbta- feln, 97 Schwarzweißabbil- dungen, 22,80 DM
Wer dem Autor bei seinen Recherchen und Überlegun- gen folgt, erhält zwar keine verbindlichen „Spielregeln"
der aktuellen Kunst in Deutschland, wohl aber eini- ge gute Ansätze zum Ver- ständnis. Dieses wird in man- chen Passagen des Buches al- lerdings durch eine oft etwas bunt-schillernde Sprachmeta- phorik erschwert — vermut- lich eine Reverenz an den wortgewaltigen Bazon Brock, der diesen Text als Dissertation an der Bergi- schen Universität/Gesamt- hochschule Wuppertal ange- nommen hat. Eine Rückkehr zu dem schnörkellosen und bestverständlichen Stil der
„Tiefen Blicke" wäre wün- schenswert. Hartmut Kraft ver und expressionistischer
Malerei vertraut machte und schließlich, geschult an den ihr in der Firma zugänglichen Werke, selbst zu malen be- gann. Die entscheidenden Eindrücke vermittelten ihr dabei die Bilder ihrer Lieb- lingskünstler, wie Lyonel Fei- ninger, Franz Marc, Emil Nolde und Gabriele Münter, die sich bis zu einem gewissen Grad im Malstil von Hilde- gard Auer spiegeln. Das zu- nehmende „Verlangen nach Kunst" ließ sie nach 30 Jah- ren ihre berufliche Karriere abbrechen, um sich ganz der Malerei widmen zu können.
Die Künstlerin zählt bis- her darum noch zu den weni- ger bekannten Malern der Gegenwart, weil ihre wichtig- sten Bilder zum größten Teil erst seit 1977 entstanden. Im- mer wiederkehrende Motive ihrer Werke sind Menschen- und Tierdarstellungen vor weitläufigen Naturkulissen, die die Züge von Ferne und Freiheit tragen. Oft vermit- teln sie dem Betrachter Ein- drücke, die die Malerin wäh- rend ihrer Reisen in Länder wie Skandinavien und Alaska einfing
Zwar blieb Hildegard Au- er die formal-technische Aus- bildung einer Akademie ver- sagt. Auf ihre Werke wirkte sich das jedoch bisher eher vorteilhaft aus: sie spiegeln die Entstehung aus einer schöpferischen, inneren Kraft, die „nur von den Kenntnissen des Praktisch- Zweckmäßigen noch beein- flußt wird". Das Bild ent- steht auf dem kleinsten Um- weg von der Intuition bis zur Realisierung, was ihm den le- bendigen Ausdruck und eine
„Ursprünglichkeit ohne tech- nische Korrektur" verleiht;
das Bild ist durchdrungen von „innerem Klang statt von technischer Meister- schaft".
Der amerikanische Kunst- historiker Prof. Dr. Reinhold Heller, Universität Chicago, erläutert das Werk überzeu- gend, die deutsche und inter- nationale Kunst unseres Jahr- hunderts miteinbeziehend.
Ursula Friedrichs
Frühes Mittelalter
sl■IM
Marcel Durliat: Die Kunst des frühen Mittelalters, Sup- plementband von ARS AN- TIQUA, Große Epochen der Weltkunst, Verlag Herder, 1987, 24,5 x 31 cm, 614 Sei- ten, 943 Abbildungen, davon 192 farbig, 320 DM (Sub-
skriptionspreis bei Bezug von mindestens 5 Bänden aus den Serien I—III 290 DM)
„Das" Mittelalter gibt es nicht. Weder politisch noch künstlerisch. Wenn uns etwa die Romanik als ein großes Ganzes vorkommen mag, un- ter europäischem Aspekt, der in diesem Band mit Recht
Rembrandts
Gemälde — komplett
Gary Schwartz: Rem- brandt, Sämtliche Gemälde in Farbe, 24 x 30 cm, 380
hervorgehoben wird, sieht das anders aus. Im frühen Mittelalter, einer ungemein bewegten Zeit, trafen Kunst- strömungen des zu Ende ge- gangenen Römischen Rei- ches, des fortbestehenden Byzanz zusammen mit den neu aufkommenden, formal primitiveren der Germanen.
Aber auch keltische und ara- bische Einflüsse spielten hin- ein. Verklammert wurde die Vielfalt durch die Kirche — und so ist mittelalterliche Kunst zu einem ganz wesent- lichen Teil religiöse Kunst.
Hier liegt ein ungemein fachkundiger, in Frankreich preisgekrönter Text, verbun- den mit einer unvergleich- lichen Auswahl an Abbildun- gen vor. Text und Bild sind eng miteinander verschränkt, so daß der Leser ein wahrhaft plastisches Bild Zeit gewinnt.
Die Reihe ARS ANTI- QUA hat Tradition. All das, was über die hevorragende technische Qualität — bei- spielsweise den Fünf-Farben- Druck (Gold) — geschrieben wurde, trifft auch auf den neuen Band zu. Die Tafeln sind erstklassig, das doku- mentarische Bildmaterial ist von erschlagender Fülle. Ei- ne verlegerische Spitzenlei- stung. EB
Seiten, 450 Abbildungen, da- von 400 farbig, Leinen, Bel- ser Verlag, Stuttgart/Zürich 1987, 98 DM
Sämtliche Gemälde — na- türlich nur die echten, der Mann mit dem Goldhelm fehlt! — von Rembrandt Har- mensz van Rijn sind in Gary Schwartz' Kunstband verei- nigt. Die farbigen Abbildun- gen sind kleinformatig, dafür aber von sehr guter Druckqua- lität und mit ausführlichen Er- läuterungen zu jedem Bild auf derselben Seite versehen. Die Gemälde sind 40 Kapiteln zu- geordnet, in denen Rem- brandts Lebensgeschichte und seine Zeit (1609 bis 1669) aus- führlich und interessant be- schrieben werden. Die Abbil- dung zeigt eines der bekann- testen Selbstportraits Rem- brandts. sk A-3400 (74) Dt. Ärztebl. 84, Heft 49, 3. Dezember 1987