ker gefördert. Dadurch würden die Stu- denten früher auf das Arzt-Patienten- Gespräch vorbereitet.
Rollenspiele, wie sie zum Beispiel an der Reformuniversität in Witten-Her- decke durchgeführt würden, könnten den Lerneffekt noch verstärken. Diese optimierte Arzt-Patienten-Kommuni- kation wurde unter anderem von Pro- fessor Dr. med. Dr. Günter Ollenschlä- ger, dem Geschäftsführer der Ärztli- chen Zentralstelle für Qualitätssiche- rung (ÄZQ), Köln, als weiterer Schritt zur Umsetzung der EbM genannt. Pati- enten sollten besser über ihre Krankheit und die verschiedenen Therapiemög- lichkeiten informiert werden. Nur dann könne eine größtmögliche Compliance erzielt werden. In Form einer Internet- plattform unter „patienten-informati on.de“ versucht die ÄZQ, die Fachspra- che der Ärzte inhaltlich richtig für medi- zinische Laien zu „übersetzen“. Man müsse sich immer vor Augen führen, dass die Handlung des Arztes juristisch nur durch Einwilligung des Patienten straffrei werde. Die Selbstbestimmung und die Individualität des Patienten dürf- ten folglich nicht unterbewertet werden.
Während des Symposiums wurde die Lernspirale, die ein angehender Arzt durchlaufen sollte, verdeutlicht: Im stu- dentenorientierten Studium solle der angehende Arzt lernen, eigenverant- wortlich zu handeln, um später auch pa- tientenorientiert behandeln zu können.
Die problemorientierte Vorgehenswei- se sei in beiden Fällen unerlässlich.
Thure Kuprella, ein Mitglied der Fach- schaft Medizin der Universität zu Köln, wies darauf hin, dass weder EbM noch das problemorientierte Lernen im Re- formstudiengang „neue Erfindungen“
seien. Vielmehr würden beide Bereiche versuchen, bewährte Vorgehensweisen strukturierter einzusetzen, damit Han- deln im medizinischen Bereich opti- miert und somit effizienter werden kön- ne. Dr. med. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, charakteri- siert „das Buch der gesicherten medizi- nischen Erkenntnisse als relativ dünn“.
Trotzdem müsse man sowohl in der me- dizinischen Ausbildung als auch in der Praxis versuchen, „so effizient wie mög- lich zu arbeiten“. Bei diesem Versuch sei EbM „Technik und Tugend zu-
gleich“. Tanja Anheier
P O L I T I K
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A2622 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001
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ie von der Arbeitsgruppe um J. P.Cooke an der Stanford University School of Medicine erarbeiteten tierexperimentellen Ergebnisse zu den Wirkungen von Nikotin (s. C. Hee- schen et al., Nature Medicine 2001; 7:
833–839) sind nicht sachgerecht inter- pretiert worden. Die Autoren hatten anhand verschiedener Tiermodelle her- ausgefunden, dass Nikotin den gesteu- erten Zelltod bremst, aber gleichzeitig die Gefäßsprossung und damit die Bil- dung von Kapillaren anregt. Die Kan- zerogenese wurde nach Untersuchun- gen an einem Lungenkrebsmodell an Mäusen gefördert und zusätzlich die Bildung arteriosklerotischer Herde in Mäuseversuchen gesteigert.
Die Autoren warnen vor der An- wendung von Nikotinpräparaten zur Raucherentwöhnung sowie zur Be- handlung von Morbus Alzheimer und Parkinson, der Colitis ulcerosa sowie von Schlafstörungen. Diese Empfeh- lungen der Autoren sind etwas voreilig:
➀ Nikotinpräparate werden interna- tional ausschließlich zur Behandlung der Tabakabhängigkeit über Zeiträume von maximal drei Monaten eingesetzt.
Dagegen werden Tabakprodukte für Lebensdekaden geraucht.
➁Die übrigen von den Autoren ge- nannten Indikationen ergaben nach wissenschaftlichen Studien keine Grün- de für eine Anwendung, deswegen er- scheint eine Warnung überflüssig.
➂Da es keine Untersuchungen über den speziesspezifischen Abbau des Ni- kotins gibt, ist nicht nachgewiesen, ob die Maus im Gegensatz zum Menschen Nikotin nicht doch bevorzugt zu kanze- rogen wirkenden Schadstoffen giftet.
➃Zu der angeblich gefahrvollen An- wendung von Nikotin(präparaten) bei der koronaren Herzkrankheit sind drei
entscheidende Gegenargumente anzu- führen, die eine Nikotinanwendung so- gar bei Angina pectoris oder nach ei- nem Herzinfarkt bei Rauchern als sinn- voll erscheinen lassen:
❃ Die Reduktion von täglich ge- rauchten 33 auf < 10 Zigaretten führte zu einer Abnahme der myokardialen Perfusionsdefekte beim Patienten.
❃Im Vergleich zu Placebo waren bei der Raucherentwöhnung mit Nikotin keine höheren Quoten unerwünschter Arzneimittelwirkungen über fünf Wo- chen zu beobachten.
❃Eine mit CO angereicherte Luft, nicht aber Nikotin führte bei belasteten Herzpatienten zum vermehrten Auf- treten von ST-Streckensenkungen und zum verfrühten Einsetzen von Angina- pectoris-Anfällen.
Daraus ist abzuleiten, dass die von der Cooke-Gruppe erörterten Beden- ken zur (kurzfristigen) Nikotinanwen- dung voreilig sind. Gegen diese Beden- ken sprechen (1) die nicht immer ge- rechtfertigte Übertragbarkeit von In- vitro-Experimenten oder In-vivo-Tier- versuchen auf die Situation beim Men- schen sowie (2) in klinischen Studien bisher fehlende Hinweise auf eine kan- zerogene oder atherogene Wirkung des Nikotins. (3) Es sollte daran erinnert werden, dass etwa 4 000 Schadstoffe aus dem Tabakrauch durch die Inhalati- on aufgenommen werden, die alle an den durch das Rauchen ausgelösten Gesundheitsschäden beteiligt sind. So- mit gibt es auf der Basis der erarbeite- ten Daten keine Gründe, die vorüber- gehende Nikotinbehandlung zur Ta- bakentwöhnung aufzugeben.
Prof. Dr. Knut-Olaf Haustein Leiter des Instituts für
Nikotinforschung und Raucherentwöhnung Johannesstraße 85–87, 99084 Erfurt