• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Bedeutung der Hämodynamik beim akuten Hirninfarkt" (05.03.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Bedeutung der Hämodynamik beim akuten Hirninfarkt" (05.03.1999)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

er akute Hirninfarkt galt lan- ge Zeit als eine Erkrankung, bei der jede Hilfe zu spät kommt. In den letzten Jahren ist diese Erkrankung jedoch zunehmend in das Zentrum des wissenschaftlichen In- teresses gerückt worden. Die Gründe hierfür sind, daß, unterstützt durch verbesserte objektive bildgebende Ver- fahren, neue pathophysiologische Er- kenntnisse gewonnen werden konn- ten und sowohl tierexperimentell als auch in klinischen Studien sich erste Hinweise für eine wirksame Akutthe- rapie zeigen. Dies ist angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung die- ser Erkrankung sehr zu begrüßen.

Schätzungen zufolge treten jährlich pro 100 000 Einwohner 200 bis 250 neue Schlaganfälle auf, und etwa 700 Menschen sind infolge eines Schlag- anfalls in ihrer Lebensqualität aufs stärkste beeinträchtigt. Die in der Bundesrepublik hierdurch verursach- ten Kosten belaufen sich jährlich auf viele Milliarden Mark. Bedenkt man, daß die Inzidenz des Hirninfarktes von etwa 30 pro 100 000 in der dritten und vierten Dekade auf 3 000 pro

100 000 in der achten und neunten Dekade steigt und daß sich der Anteil der über 65jährigen in den nächsten 40 Jahren verdoppeln wird (4), so wird klar, wie stark diese Krankheit in Zukunft angesichts der steigenden Lebenserwartung für Einzelschicksa- le und das Sozialsystem noch an Be- deutung gewinnen wird. Durch eine effiziente, Mortalität und Morbidität senkende Akuttherapie lassen sich daher Leiden vermindern und erheb- liche Kosten einsparen.

Therapeutischer Nihilismus und Inaktivität sind heute nicht mehr zu rechtfertigen. Durch Einrichtung spe- ziell eingerichteter Schlaganfallsta- tionen, sogenannter „Stroke Units“, kann die Akuttherapie selbst ohne

Anwendung einer spezifischen Thera- pie signifikant verbessert werden (28).

Neben der frühen Mobilisation kommt dabei der Vermeidung von Komplikationen eine entscheidende Bedeutung zu. In der Mehrzahl der Fälle ist nicht die Anwendung einer kausal wirksamen Therapie (zum Bei- spiel Lyse), sondern die Schadensbe- grenzung das pragmatische Ziel. In der Akutphase kommt dabei neben einem hohen pflegerischen Standard sowie der metabolischen Optimie- rung von Blutzucker und Blutgasen vor allem der Hämodynamik eine ent- scheidende Bedeutung zu. Dieses Be- wußtsein kann heute aber wesentlich differenzierter dargestellt werden.

Pathophysiologie

Der Anteil sogenannter rein hä- modynamischer Hirninfarkte beträgt nach einer neueren Untersuchung knapp zehn Prozent (3). Man kann ei- nen Infarkt als rein hämodynamisch einstufen, wenn sich im Schädelcom- putertomogramm (CCT) ein Grenzzo- A-553

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999 (49)

Bedeutung der

Hämodynamik beim akuten Hirninfarkt

Johannes Treib

1

Anton Haaß

1

Holger Schmid-Schönbein

2

Gerd Fröhlig

3

Beim akuten Hirninfarkt hängt die Perfusion ischämischer Hirnareale aufgrund der ischämiebedingten Störung der zerebralen Autoregulation passiv von Blutdruck und Herz- zeitvolumen ab. Die Stabilisierung der Hämodynamik auf hohem Niveau etwa durch Behandlung einer vorbestehen- den Hypovolämie oder hämodynamisch relevanter Herz- rhythmusstörungen ist daher ein wichtiges Ziel der Akut- therapie. In der Akutphase kommt es beim Hirninfarkt in- folge einer endogenen Katecholaminausschüttung zu einer

spontanen Steigerung von Blutdruck und Herzzeitvolumen. Da selbst eine

mäßige Senkung des Blutdrucks aufgrund der Störung der zerebralen Autoregulation zu einer neurologischen Ver- schlechterung führen kann, sollte der Blutdruck nur bei ex- zessiv erhöhten Werten langsam gesenkt werden, zumal er in den Folgetagen ohnehin wieder spontan fällt.

Schlüsselwörter: Autoregulation, Blutdruck, Hämodynamik, Herzzeitvolumen, Hirninfarkt

ZUSAMMENFASSUNG

The Importance of Hemodynamics in Acute Stroke

As cerebral autoregulation is impaired during acute stroke, perfusion of ischemic brain regions depends pas- sively on blood pressure and cardiac output. Stabilisation of the hemodynamic situation on a high level, for example by treating hypovolemia or hemodynamically relevant cardiac arrhythmias, is crucial early in therapy. During the acute phase of a stroke endogenous release of cate- cholamines leads to an increase in blood pressure and

cardiac output. In this situation even a moder- ate lowering of blood pressure can worsen

neurological deficits as cerebral autoregulation is im- paired. Generally the elevated blood pressure returns to normal without further therapy during the following days.

For this reason, only excessively elevated blood pressure should be treated.

Key words: Autoregulation, blood pressure, hemodynam- ics, cardiac output, stroke

SUMMARY

D

1 Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Anton Haaß), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg

2 Lehrstuhl für Physiologie (Direktor: Prof. Dr.

Holger Schmid-Schönbein), Medizinische Fa- kultät, Rhein.-Westf. TH, Aachen

3 Medizinische Universitäts- und Poliklinik, Innere Medizin III (Direktor: Prof. Dr. Her- mann-Josef Schieffer), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg

(2)

neninfarkt demarkierte oder wenn sich unzweideutige anamnestische oder si- chere klinische Hinweise auf einen Blutdruckabfall zum Zeitpunkt des In- farktereignisses fanden. Offenbar han- delt es sich bei dieser Häufigkeitsanga- be jedoch nur um eine grobe Schät- zung, da es nur in den seltensten Fäl- len gelingt, Blutdruck und Herzzeit- volumen (HZV) zum Zeitpunkt des Infarktereignisses zu objektivieren. Er- schwerend kommt hinzu, daß der arte- rielle Blutdruck nach einem Schlagan- fall ansteigt und anschließend im Ver- lauf von wenigen Tagen wieder spon- tan abfällt, so daß dieser Parameter zum Zeitpunkt der stationären Auf- nahme erhöht oder bereits wieder nor- malisiert sein kann (5–7). Man muß al- lerdings beachten, daß der Hämodyna- mik beispielsweise auch bei sogenann- ten „nicht hämodynamischen“ Infark- ten (zum Beispiel bei einer kardialen Emboliequelle) eine entscheidende prognostische Bedeutung zukommt, da sie über das Ausmaß der Kollateral- versorgung mitentscheidet.

Aus pathophysiologischer Sicht kommt dem Blutdruck und dem HZV beim akuten Hirninfarkt natürlich deswegen eine zentrale Bedeutung zu, weil bekanntlich die „Ischämietole- ranz“ des Nervengewebes erheblich vom verbleibenden zerebralen Blut- fluß abhängt (38). Insbesondere beim Vorliegen einer ischämisch gestörten Autoregulation liegen bislang jedoch im Einzelfall nur unzureichende Er- kenntnisse über die Bedeutung der Makrohämodynamik und hier spezi- ell der Herzleistung (gemessen als HZV) für die Hirndurchblutung vor.

Bereits 1928 konstatierte Jarisch (28) richtig: „Für die Entwicklung der Leh- re vom Kreislauf war es gewiß ein Verhängnis, daß das Stromvolumen verhältnismäßig so umständlich, der Blutdruck aber gar so leicht bestimm- bar ist: deshalb gewann das Blut- druckmanometer einen geradezu fas- zinierenden Einfluß, obwohl die mei- sten Organe gar nicht Druck, sondern Stromvolumen brauchen.“ Die weit verbreitete simplifizierte Vorstellung, daß der Blutdruck auch das HZV wi- derspiegele, ist also unzulässig: tat- sächlich konnten wir bei Patienten mit einem akuten Schlaganfall keine Korrelation zwischen diesen beiden Größen finden (52).

Tierexperimentelle Studien

Die zerebrale Autoregulation ist bekanntlich innerhalb im physiologi- schen Bereich liegender Blutdruck- werte in der Lage, eine Änderung des Perfusionsdruckes durch eine Ände- rung des Gefäßwiderstandes zu kom- pensieren und so über mikrohämody- namische Anpassung den zerebralen Blutfluß konstant zu halten (18, 39).

Eine Abnahme des HZV wird durch die Autoregulation hingegen keines- falls immer vollständig kompensiert (9, 60). So ist es nicht überraschend, daß Keller et al. (26) schon 1982 im Primatenversuch nachweisen konn- ten, daß der lokale zerebrale Blutfluß sich bei ischämisch gestörter Autore- gulation durch eine Steigerung des HZV deutlich anheben läßt. Eine Steigerungsfähigkeit der zerebralen Mikrodynamik in ischämischen Hirn- arealen durch eine HZV-Anhebung konnte auch von Tranmer et al. (49) beobachtet werden. Nach unilateraler Okklusion einer A. cerebri media stei- gerten sie das HZV von Affen durch Infusion von Hydroxyethylstärke (HES) zunächst um 159 Prozent und senkten das HZV anschließend durch einen Aderlaß wieder auf das Aus- gangsniveau. Der lokale zerebrale Blutfluß korrelierte in der ischämi- schen Hirnregion eng mit dem HZV (r = 0,89), während der Blutfluß in den nicht ischämischen, das heißt den au- toregulierenden Regionen, konstant blieb. Signifikante Änderungen von Blutdruck, Herzfrequenz oder Hirn- druck traten bei diesem Experiment nicht auf.

Hämodynamische Ausgangssituation

Physiologischerweise kommt es beim ischämischen Hirninfarktpatien- ten im zirkadianen hämodynamischen Rhythmus in den Nacht- und frühen Morgenstunden zu einem Abfall von Blutdruck, HZV und Herzfrequenz sowie zu einem Hämatokritanstieg (15, 34, 44). Diese unter anderem auf eine fehlende nächtliche Flüssigkeits- zufuhr zurückzuführende ungünstige hämodynamische und hämorheologi- sche Situation erklärt zumindest teil- weise die Häufung von Hirninfarkten

in den frühen Morgenstunden sowie die Tatsache, daß bei diesen Patienten häufig eine Dehydratation und Hypo- volämie vorliegen, was insbesondere durch die Amsterdamer Stroke-Stu- die in dramatischer Weise bestätigt wurde (12).

Es ist ein nur scheinbarer Wider- spruch, daß die Mehrzahl der Hirnin- farktpatienten zum Zeitpunkt der sta- tionären Aufnahme erhöhte Blut- druckwerte aufweist. Die initiale spontane Blutdruckerhöhung bei Schlaganfallpatienten ist wahrschein- lich auf eine endogene, in der Regel kompensatorische Hochregulation zurückzuführen, etwa als Folge einer Ausschüttung von Katecholaminen (7, 45). Da der Blutdruck in den ersten Tagen nach einem Infarkt spontan wieder abfällt (5–8), kann der nach ei- nem Schlaganfall initial signifikant höhere Blutdruck nur zu einem Teil mit dem höheren Anteil an Hyperto- nikern erklärt werden. Ferner besteht nach Positronen-Emissions-Tomogra- phie-(PET-)Untersuchungen gerade bei hypertensiven Patienten mit zere- bralen Durchblutungsstörungen eine ausgeprägte Abhängigkeit des regio- nalen zerebralen Blutflusses vom Blutdruck und somit eine einge- schränkte Autoregulation, so daß selbst eine geringe Abnahme des Blutdrucks die zerebrale Perfusion verschlechtern kann (11). Daher wird in der Akutsituation des Schlaganfalls von einer raschen Blutdrucksenkung abgeraten (7, 17, 29, 32). Selbst eine moderate Senkung deutlich erhöhter Blutdruckwerte (220/120 mmHg) ist mit dem Risiko einer Zunahme neu- rologischer Defizite verbunden (53).

Daher sollten in der Akutphase nur exzessiv erhöhte Blutdrücke unter Monitorüberwachung moderat ge- senkt werden.

Wegen der bekannten methodi- schen Probleme lagen für das HZV bisher in der Akutsituation kaum Da- ten vor. Unter Einsatz der nicht inva- siven thorakalen Bioimpedanzmetho- de konnte unsere Arbeitsgruppe das HZV erstmals systematisch beim aku- ten Hirninfarkt erfassen. Dabei zeigte sich, daß Patienten mit einem akuten Schlaganfall ein signifikant höheres HZV besitzen als eine in bezug auf Alter, Geschlecht und kardiale Lei- stungsfähigkeit vergleichbare Kon- A-554

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

(50) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999

(3)

trollgruppe. Das analog zum Blut- druck höhere HZV und die signifi- kante Regression zwischen HZV und dem Infarktalter deuten darauf hin, daß das HZV nach einem Apoplex in der Regel im Verlauf der ersten Stun- den ansteigt (52). Pathophysiologisch könnte diese reaktive, wahrscheinlich zentral ausgelöste Steigerung der Ma- krohämodynamik ebenfalls auf einer Katecholaminausschüttung beruhen (41, 45).

Verbesserung der Hämodynamik

Man kann wohl davon ausgehen, daß eine derartige endogene hämody- namische Hochregulation die Progno- se von Hirninfarktpatienten verbes- sern dürfte. Aus pathophysiologischer Sicht dürften sich nämlich niedrige Blutdruck- und HZV-Werte in der Akutsituation ungünstig auswirken, da die Durchblutung der isch- ämischen Penumbra aufgrund der ge- störten Autoregulation nahezu linear vom Blutdruck und HZV abhängen dürfte. Aus diesem Grund muß die Makrohämodynamik beim akuten Schlaganfall hochnormal gehalten werden. Daß eine Hypovolämie oder hämodynamisch relevante Herz- rhythmusstörungen daher schnellst- möglich therapiert werden sollten, versteht sich von selbst.

Die prognostische und therapeu- tische Bedeutung der Makrohämody- namik konnte sowohl tierexperimen- tell als auch klinisch gezeigt werden, da eine Anhebung von Blutdruck und HZV zu einer Reduktion neurologi- scher Defizite führen kann (36, 58, 59). Dem entspricht, daß Jörgensen et al. (25) in einer prospektiven Untersu- chung von 868 Hirninfarktpatienten nachweisen konnten, daß ein höherer Blutdruck die Progressionsgefahr ei- nes Hirninfarktes um den Faktor 0,66 pro 20 mmHg verringert.

Hämodynamik und Volumentherapie

Die Makrohämodynamik ist nach neueren Untersuchungen auch für die Volumentherapie von ent- scheidender Bedeutung. Die Ergeb-

A-555

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999 (51) nisse der bisher durchgeführten kli-

nischen Hämodilutionsstudien legen nahe, daß eine Hämatokritsenkung beim akuten Hirninfarkt nur dann zu einer Verbesserung der Mikrohämo- dynamik und zu klinischen Effekten führt, wenn gleichzeitig die Ma- krohämodynamik verbessert wird.

Das ausschließlich auf eine Senkung der Vollblutviskosität ausgerichtete Konzept der isovolämischen Hä- modilution mit dem Ziel einer ver- besserten Mikrohämodynamik er- wies sich beim akuten Hirninfarkt als unwirksam und wurde zwischen- zeitlich wieder verlassen (2, 22, 23, 33, 42, 43).

Das negative Ergebnis dieser Studien wurde neben methodischen Mängeln unter anderem darauf zu- rückgeführt, daß eine isovolämische Hämodilution im Gegensatz zu ei- ner hypervolämischen zu keiner ma- krohämodynamischen Verbesserung führt (15, 50). Viel mehr noch: Es konnte bei zu schnell durchgeführ-

tem Aderlaß eine kurzfristige Ver- schlechterung der Hämodynamik be- obachtet werden.

Eine hypervolämische Hämodi- lution versucht hingegen, neben ei- ner Optimierung des Hämatokrits über makrodynamische Effekte zu- sätzlich die zerebrale Perfusion über eine Steigerung des HZV und Blut- drucks zu stabilisieren (13, 14, 30, 61, 62). Hier muß der Frank-Starling- Mechanismus diskutiert werden. Ei- ne Volumengabe verbessert die Ven- trikelfüllung und hebt über eine Er- höhung des Schlagvolumens ohne Frequenzerhöhung das HZV an, was in mehreren Untersuchungen be- stätigt werden konnte (46, 50, 62).

Die Ergebnisse einer amerikani- schen Multicenterstudie (20) sowie die Untersuchungen von Strand et al. (47, 48), Koller et al. (28), Haaß et al. (16) und Goslinga et al. (12) sprechen mit Einschränkungen für die klinische Wirksamkeit dieses Kon- zeptes.

Hyperdynamische Volumentherapie

Durch Verwendung von HES mit einem niedrigen In-vivo-Molekular- gewicht (zum Beispiel HES 200/0,5 oder 70/0,5) ist es möglich geworden, auch hohe Volumina kolloidaler Plas- maersatzstoffe zu infundieren, ohne mit einer relevanten Beeinträchti- gung hämostaseologischer und rheo- logischer Parameter oder einer Beein- trächtigung des RES rechnen zu müs- sen (54–56). Selbst eine hochdosierte Volumengabe führt jedoch zu keiner lang anhaltenden Verbesserung der globalen Hämodynamik (46, 50). Wie sich aber zeigen ließ, gelingt eine weit- aus stärkere und anhaltendere Steige- rung der Kreislaufparameter durch gleichzeitige Gabe von Katecholami- nen.

Eine hyperdynamische Volu- mentherapie, auch hypervolämische hypertensive Hämodilution (HHH) genannt, wird in den letzten Jahren erfolgreich in der Vasospasmusbe- handlung bei Subarachnoidalblutun- gen eingesetzt. Otsubo et al. (37) konnten unter einer Hypertension induzierenden Volumentherapie bei 17 von 24 Patienten eine Rückbil-

dung der neurologischen Defizite beobachten. Die Autoren infundier- ten zum Ausgleich einer Hypovolä- mie sieben Tage lang Plasmaersatz- stoffe und setzten zur Steigerung der Hämodynamik zusätzlich Dopamin und Dobutamin in einer maximalen Dosierung von jeweils bis zu 20 µg/kg KG ein. Levy et al. (30) führ- ten bei 23 Patienten eine dobutamin- unterstützte hypervolämische The- rapie durch und erreichten durch In- fusion einer fünfprozentigen Albu- minlösung und Gabe von Dobuta- min (5 bis 10 µg/kg KG) einen 52pro- zentigen Anstieg der Herzauswurf- leistung bei einem elfprozentigen Anstieg des Blutdrucks. Diese Be- handlung führte bei 18 der 23 Patien- ten zu einer Rückbildung der neuro- logischen Symptome. Mori et al. (35) konnten diese positiven klinischen Erfahrungen bei der Vasospasmus- behandlung durch eine hypervolämi- sche Hämodilution bestätigen und führten das gute Ergebnis ihrer Pati- enten auf die signifikante Steigerung von HZV (+35 Prozent) und Blut- druck (+12 Prozent) sowie auf die Senkung des Hämatokrits und eine Verbesserung rheologischer Para-

meter zurück. !

(4)

Experimentelle Therapieansätze

Aufgrund dieser positiven Erfah- rungen bei der Behandlung des reak- tiven Vasospasmus nach Subarachnoi- dalblutungen wird diese hämody- namisch wirksame Volumentherapie derzeit experimentell bei Patienten mit einem akuten Hirninfarkt einge- setzt (58).

In einer an 24 Patienten mit ei- nem akuten Hirninfarkt im Versor- gungsgebiet der A. cerebri media durchgeführten Pilotstudie kombinier- ten wir unter intensivmedizinischer Überwachung eine Volumentherapie mit HES 200/0,5 mit der Gabe von Sympathomimetika. Bei 13 Patienten beobachteten wir in direkter Korrela- tion zu einer 30prozentigen Steige- rung des HZV und einer zehnprozen- tigen Anhebung des Blutdrucks eine 30prozentige Verbesserung des neu- rologischen Score. Bei den restlichen elf Patienten ohne klinische Besse- rung zeigte sich eine nur halb so aus- geprägte Steigerung der Makrohä- modynamik. In der transkraniellen Dopplersonographie (TCD) fand sich in der ischämischen Hirnregion eine signifikante Korrelation zwischen Makro- und Mikrohämodynamik, die mittlere TCD-Fließgeschwindigkeit korrelierte hier mit Blutdruck und HZV, während in der autoregulativ intakten gesunden Hemisphäre eine solche Korrelation nicht zu erwarten war und auch nicht beobachtet wer- den konnte (40, 51, 57).

Dies führt zu einer klaren Ar- beitshypothese: Die in ihrer auto- regulativen Gegensteuerung einge- schränkten ischämischen Hirnareale (Penumbra) dürften von einer HZV

und Blutdruck anhebenden makrohä- modynamischen Therapie profitieren, weil eine hämodynamische Steige- rung als Folge der eingeschränkten Autoregulation gleichsam ungedros- selt an die Penumbra weitergegeben werden kann (9, 26, 36, 49, 60). Man kann sich sogar vorstellen, daß die therapiebedingte autoregulative Er- höhung des Gefäßwiderstandes des umgebenden nicht betroffenen Hirn- gewebes das relative Blutangebot für die Penumbra erhöht, da so die Stei- gerung von HZV und Blutdruck in die Penumbra fokussiert werden kann, al- so genau an der Stelle wirkt, wo die Verbesserung der Mikrohämodyna- mik klinisch unterversorgtem, aber restitutionsfähigem Gewebe zugute kommt.

Natürlich weiß man im Einzelfall nicht, ob und ab welchem Wert eine Blutdruck- und HZV-Steigerung die eventuelle Gefahr einer Infarktein- blutung, einer Verstärkung des isch- ämischen Hirnödems oder einer Schä- digung der Blut-Hirn-Schranke in sich birgt, mit anderen Worten, bis zu wel- chen Werten der Nutzen einer verbes- serten Perfusion diese Risiken über- wiegt (1, 10, 21, 31, 63).

Als Stellglied der therapeuti- schen Intervention muß zudem das Herz in der Lage sein, Vorlaststeige- rung und eventuell sympathomimeti- schen Antrieb in eine Erhöhung von Blutdruck und HZV umzusetzen.

Vor Volumenbelastung läßt sich mit- tels Echokardiographie die Gefahr der akuten Lungenstauung grob ab- schätzen, wobei die linksventriku- lären systolischen (dilatierter Ventri- kel, reduzierte Verkürzungsfraktion, Hypo- oder Akinesien) und diastoli- schen Funktionen (kleine Kammer,

Myokardhypertrophie, Hinweis auf Relaxationsstörung im Mitraldopp- ler) als Risikomarker gelten können.

Katecholamine verbieten sich bei vorbestehender Tachykardie (zum Beispiel unkontrollierte Kammerfre- quenz bei Vorhofflimmern, Thyreo- toxikose). Eine positive ino- (und chrono-)trope Intervention mit Do- sen, wie sie in diagnostischen Bela- stungstests nicht unüblich sind, ver- mag bei koronarer Herzkrankheit ei- ne akute Myokardischämie zu er- zeugen, so daß sorgfältige kardiale Anamnese, ärztliche Überwachung und EKG-Kontrollen (Extremitäten- und Brustwandableitungen 5 bis 15 Minuten nach Behandlungsbeginn) obligat erscheinen.

Zum jetzigen Zeitpunkt sollte ei- ne durch Sympathomimetika unter- stützte Volumentherapie beim akuten Hirninfarkt daher nur in kontrollier- ten Studien sowie als Therapieversuch bei einer akuten neurologischen Ver- schlechterung infolge eines Blutdruck- abfalls eingesetzt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-553–556 [Heft 9]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Treib Neurologische Klinik

Universitätskliniken des Saarlandes Kirrberger Straße

66421 Homburg

A-556

M E D I Z I N

ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT

(52) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999 Eine zwei Jahre währende ameri-

kanische Studie an 800 Veteranen mit arterieller Hypertonie ergab enttäu- schende Ergebnisse bezüglich der Ef- fektivität der Hochdruckbehandlung.

Die durchschnittlichen systolischen RR-(Riva-Rocci-)Werte waren von in- itial 146,2 mmHG nach zwei Jahren mit 145,4 nahezu unverändert. Zwar sanken die diastolischen RR-Werte si-

gnifikant von 84,3 auf 82,6 mmHG, blieben aber auf einem insgesamt ho- hen Niveau. 40 Prozent der behandel- ten Patienten wiesen nach zwei Jahren weiterhin RR-Werte größer als 160/90 mmHG auf, und dies trotz durch- schnittlich 6,4 Arztbesuchen pro Jahr.

Als eine der Hauptursachen für die mangelhafte RR-Einstellung sehen die Untersucher die fehlende ärztliche Be-

reitschaft, bei inadäquater RR-Kon- trolle die antihypertensive Medikation entsprechend anzupassen. acc

Berlowitz DR et al.: Inadequate manage- ment of blood pressure in a hypertensive population. N Eng J Med 1998; 339:

1957–1963.

Dr. Berlowitz, HSR & D Field Program, Bedford Veterans Affairs Hospital, 200 Springs Rd., Bedford, MA 01730, USA.

Unzureichende Bluthochdruckbehandlung bei Hypertonikern

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In der klinischen Routine wird PET die Diagnostik, zum Beispiel bei Morbus Parkinson (Bhatia, K., Brooks, D.J., Burn, D.J., et al., 2001), Morbus Alzhei- mer/anderen

Damit gibt die vorliegende Arbeit auch eindeutige Hinweise darauf, daß die in der Literatur gut belegte vaskuläre Spättoxizität der Chemotherapie und die hier untersuchte

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass die FDG-PET bei Patienten mit Lebermetastasen bei kolorektalem Karzinom das aktive Metasta- sengewebe,

In einer Subgruppenanalyse konnte gezeigt werden, dass der akute hämodynamische Anstieg von dp/dtmax innerhalb einer Patientengruppe mit chronischer rechtsventrikulärer

a) Verschmutzung von Fahrflächen: Die Hauptmenge des Abwassers (ca. 65 %) entstand durch Niederschläge auf ca.. zeitweise mit verschüttetem Kompostmaterial verunreinigt sind. Die

giographie und mit Einschränkung durch Ultraschallmethoden darge- stellt werden können, kann in den Frühphasen einer zerebralen Durch- blutungsstörung die Vitalität des Ge- webes

Ein anhaltender Erfolg der Re- vaskularisationstherapie nach By- passoperation, Koronarangioplastik und Lyse (bei oder nach akuten Myo- kardinfarkten) setzt voraus, daß noch

Bezüglich der Detektionsrate einer rein lymphogenen Metastasierung (M1a) ohne Vorhandensein einer weiteren ossären (M1b) oder viszeralen (M1c) Metastasierung