Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Von der Forschung zur Klinik
Gustav Hör Klinische Schwerpunkte der Positronen-Emissions-Tomo-
graphie (PET) werden bei internistischen und chirurgi- schen Diagnostikproblemen beschrieben. Metabolische Studien, zum Beispiel mit 18 F-Fluordeoxyglukose (FDG), liefern einen methodisch einzigartigen diagnostischen Zu- gang. PET dürfte in Zukunft auch Bedeutung erlangen für Prognose, Therapieentscheid und Therapiekontrolle sowie
— bei Tumoren - für die Rezidivdiagnostik. Damit ist es erstmals möglich geworden, Krankheiten mit nichtinvasi-
ven Verfahren in metabolischer Bildgebung aus patho- physiologisch-biochemischer Sicht zu analysieren, wie beim Hirn (Demenz, Hirntumor, Epilepsie, Schizophrenie und andere psychiatrische Erkrankungen), beim Herzen (Myokardvitalität vor Bypassoperation und Koronarangio- plastie, stille Ischämie) und bei Tumoren (Rezidiv, Gra- ding, Therapieantwort). Angesichts des Ausbaus von PET- Zentren sollten sich auch Ärzte außerhalb der Nuklearme- dizin über diesen Bedeutungswandel orientieren.
D
ie PET ist ein nuklearmedizi- nisches Verfahren, das an der Schwelle zur klinischen Diagnostik steht. Ein Teil der Untersuchungen wird mancher- orts bereits auf Routinebasis durch- geführt. PET erlaubt die Realisie- rung des diagnostischen „Slices-of- life"-Konzeptes auf pathophysiolo- gisch orientierter Grundlage. Exem- plarisch wird die Wandlung einer medizinischen Disziplin deutlich von der ursprünglichen Definition„Atom-Medizin" zur „Klinischen Nu- klearmedizin" (13), die über stoff- wechselorientierte Informationen die Dimension der molekularen Medizin für die Diagnostik einbezieht (33, 71). PET-Untersuchungen sind kom- plementär zu bildgebenden Verfah- ren (Computer-Tomographie, Kern- spintomographie) einzustufen, wobei der Zugang zur Klinik gänzlich an- ders zu beurteilen ist als bei der Kernspinspektroskopie (4, 8, 14, 21, 36, 48, 51, 53, 57, 62, 69).
Schwerpunkte für PET sind Neurologie, Neurochirurgie, Psychia- trie, Kardiologie und Onkologie. Der besondere Vorzug des PET-Verfah-
Abteilung Nuklearmedizin, Zentrum der Ra- diologie (gf. Direktor: Prof. Dr. med. Gu- stav Hör), Johann-Wolfgang-Goethe-Uni- versität, Frankfurt am Main
rens liegt in der Fähigkeit, Teilfunk- tionen der (Patho-)Physiologie und (Patho-)Biochemie auf molekularer Ebene im bildgebenden Verfahren darzustellen. Die Funktion der Zel- len als kleinstes Element des leben- den Organismus ist analysierbar (21).
Zur Zeit existiert kein klinisch eta- bliertes Konkurrenzverfahren für PET. Tabelle 1 vermittelt Einblicke in verwendbare Bioelemente, PET- Pharmaka und Prinzipien der (Patho-)Physiologie.
Klinische Einsatzmöglichkeiten von PET — künftig
In der Bundesrepublik Deutsch- land wird die Zahl der PET-Zentren von ursprünglich vier (Hannover, Heidelberg, Jülich — Düsseldorf, Köln, Aachen) zur Zeit auf 10 oder mehr ausgebaut. Mindestens ein bis zwei Universitäten sollen unseres Wissens auch in den neuen Bundes- ländern mit PET ausgestattet wer- den.
In der Geriatrie stellen Demen- zen, im mittleren Altersbereich die koronare Herzkrankheit und Krebs- erkrankungen, im Kindesalter die Epilepsiediagnostik und heredodege- nerative Erkrankungen ein zentrales Kontingent für derzeitige und künfti- ge PET-Untersuchungen dar.
Klinische Bedeutung des Stoffwechsel-Mappings Das kombinierte Perfusions-, Glukose- und Sauerstoff-Mapping mittels PET liefert den Nachweis ei- ner Entkopplung („mismatch") zwi- schen den Partialfunktionen: Bei Hirnkrankheiten als Ischämie-Signal der Neurone („sleeping neurons" mit reaktivierbarer Neuronen-Funktion), bei Herzkrankheiten als Ischämiesi- gnal für eine (noch) sinnvolle Revas- kularisationstherapie (chronische Ischämie, stille Myokardischämie, hi- bernating myocardium), und bei Tu- moren erlaubt der Nachweis eines er- höhten Gluykose-uptake Aussagen zum metabolischen Grading, zu Pro- gnose, Therapieentscheid (zum Bei- spiel Operation vs Hormontherapie bei Hypophysen-Adenomen (2, 3, 6, 7, 22, 23, 26, 28, 29, 30, 32, 36, 41, 60, 61, 74, 77).
Neurologie und Psychiatrie Herausragend sind Resultate mit nuklearmedizinischen Emissions- Computer-Tomographie-Techniken (ECT): Die Single-photon-Emissions- Computer-Tomographie (SPECT)
Herrn Prof. Dr. H. Kriegel, München, zum 70. Geburtstag.
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 25/26, 28. Juni 1993 (39) A1-1883
Tabelle 3: Kardio-PET
Biochem.-physiolog. Prinzip Positronen- strahler
Verbindung
1. Myokarddurchblutung
2. Fettsäure-Metabolismus 3. Glukose
4. Sauerstoff-Konsumption Citratzyklus-Aktivität 5. Neuroadrenerge Funktion
(„Neurotransmitter-Mapping") 6. Betarezeptor-Ligand
7. Muscarin-Rezeptor-Ligand 8. Proteinsynthesen
9. Hypoxie-/Nekrose-Marker 10. Blutpool
13N 150 82Rb
lic 18F
llc
18F 11C llc llc
18F
11C0
Ammonium
Palmitat
Fluor-Deoxyglukose Acetat
Metaraminol CGP 12177 MQNB
Methionin, Leucin, Phenylalanin Misonidazol Sauerstoff Kohlenmonoxid Tabelle 1: Bioelemente und PET-Radiopharmazeutika zur klinischen Diagnostik
Bioelemente 18F, 13N, 11C, 15 0
PET-Radiopharmaka:
- Perfusionsmarker - Stoffwechselmarker
- Neurorezeptoren
13NH4 82Rb
18F-FDG
13NH4
11C-Palmitat 11C
(Dop amin, Opiate, Serotonin)
Zyklotron Generator Synthese (Labor, Automaten) Zyklotron
PET SPECT
Tabelle 2: Nuklearmedizinisch bestimmbare Partialfunktionen des Hirnkreislaufes
Blut-Hirn-Schranke Perfusion
Blutvolumen Rezeptoren
02-Verbrauch Glukosestoff- wechsel
68Ga-DTPA
150
"CO
"F-Dopa
11C-Dopamin
11C-Serotonin
"C-Opiate 150
18F-Fluor- deoxyglukose (FDG)
"mTe-Komplexe, z.B. DTPA
99mTc-HMPAO,
123I-Amphetamin
99mTc-Erythrozyten opamin-2-Ligand
123I-Benzamid 123I-Benzodiazepine unter Verwendung von mit Gamma-
strahlern markierten Substanzen (zum Beispiel 99m Tc-HMPAO zur Hirnperfusions-SPECT) ist trotz be- grenzter Möglichkeiten im Vergleich zu PET weiter verbreitet (Tabelle 2, 2, 6, 7, 13, 14, 20, 30, 33, 36, 57, 69, 71, 74, 77).
Ischämischer Insult
Die klinische Verdachtsdiagnose kann mit ECT-Techniken früher be- stätigt werden als mit der Computer- Tomographie (CT) (42, 49, 73). Es wird erwartet, daß die Dokumentati- on von regionaler Durchblutung, Blutvolumen, Glukose- und Sauer- stoffextraktion die Therapie schnel- ler, kontrollierbarer und effektiver gestalten läßt und eine Prognose er- laubt. Außerhalb des Insultes kann eine Ischämie („ischemic penum- bra") mit Depression der Stoffwech- selaktivität durch PET nachgewiesen werden, wobei die Neurone dieser Regionen („sleeping neurons") reak- tivierbar sind im Gegensatz zu infar- ziertem Hirnparenchym (23, 77).
Präventivmedizinisch könnte da- mit eine irreversible Schädigung des ischämischen Hirnparenchyms eher erkannt und behandelt werden, der Leidensweg des Patienten abgekürzt und eine monate"- bis jahrelange, un- ter Umständen frustrane neurologi- sche Rehabilitation vermieden wer- den. CT und Kernspintomographie bleiben dabei sicher unverzichtbare Simultanverfahren zur morphologi- schen Diagnostik bei hämorrha- gischen Infarkten, Hirntraumen und zum Ausschluß von Hirntumoren (4, 8, 48, 62).
Demenzen
Glukosemetabolische Aktivitäts- muster des Hirnparenchyms und PET-Rezeptorstudien dürften künf- tig die Differentialdiagnose der ver- schiedenen Demenzformen erleich- tern helfen (5, 10, 18, 19, 27, 30, 31, 36, 39, 50, 70).
Alzheimersche Krankheit
„Pathognomonische" PET-Stoff- wechselmuster wurden mehrfach do- kumentiert. Abbildung 1 zeigt ein
A1-1884 (40) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 25/26, 28. Juni 1993
MAX-PLANCK-INSTITUT KOELN HIRNGLUKOSE - STOFFWECHSEL
(MIKROMOL/100G/MIN)
ALZHEIMER DEMENZ
- 10
- 15
20
- 25 30
- 35
- 40
- 4%
GESUND Abbildung 1: 18-F-Flu-
ordeoxy-glukose-(FDG) PET-Szintigramm des Gehirns bei Alzheimer- Demenz, aufgenommen mit dem Positronen- Emissions-Tomographen (mit freundlicher Ge- nehmigung von Prof. W.
D. Heiß, Köln)
Perfusion, Volumen Stoffwechsel - Glukose/
Fucose - Aminosäure
(Transport) - Sauerstoff
(Extraktion)
' 3N, "0 2 "CO
18F-Fluordeoxy- glukose
(FDG)-, Fucose
"C-Methionin
11C-Tyrosin
"C-Putrescin
"02
Membran- permeabilität Rezeptor- Affinität
Hormon- Precursor Enzym-Reaktion
6tGa-EDTA,
82Rb
18F-Oestradiol
18F-Tyrosin
13N-Glutamin - Proliferation
- Gewebe-pH
"C-Thymidin (18F-FDG)
"CO2
Tabelle 4 a: Welche Parameter der Tumorbiologie sind mit PET bestimmbar?
In Anlehnung an Arbeiten aus Aachen, Heidelberg, Jülich, Ann Arbor und japanische Autoren (s. Literaturverzeichnis) und (36)
Therapieantwort Radiotherapie Zytostatika Vitalität
Rezidiv
Residual-Tumor
Tabelle 4 b: Potentiell klinisch-relevante Aspekte der Onko-PET
Grading
auch Primärtumor/Metastasen
Therapiestrategie
Operation vs Hormontherapie (z. B. bei Hypophysen-Adenom) Tamoxifen vs Oestrogene (bei rezeptorpositiven/-negativen Mamma-Ca's)
Biopsie
z. B. Lokalisation bei Hirn- tumoren/-Rezidiven, Metastasen
Prognose
Nachsorge? (noch unsicher) PET-Szintigramm: Ausfall der Glu-
kosekonsumption biparieto-occipito- temporal. Demenzen vom Frontal- lappen-Typ zeigen frontal-betonte Utilisations-Ausfälle, bei Multiin- farktdemenzen sind diese multiloku- lär in der Hirnrinde angeordnet.
Parkinsonsche Krankheit Fortschritte der Neuro-Nuklear- medizin zeichnen sich auch hier ab:
Perfusionsstörungen in den Basal- ganglien. Zusätzliche Ausfälle in der Hirnrinde liefern differentialdiagno- stische Hilfen. Neben Multiinfarkt- demenzen interessiert auch das soge- nannte „Parkinson-Plus"-Syndrom
A1 -1886 (42) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 25/26, 28. Juni 1993
und der medikamentös bedingte Pseudo-Parkinsonismus. Studien mit markierten Dopamin-Rezeptor-Li- ganden sind heute sowohl in PET- als auch mit den ubiquitär vorhandenen SPECT-Techniken möglich. (5, 10, 17, 18, 19, 27, 30, 31, 36, 39).
Das Neurorezeptor-Mapping mit 123 I-(SPECT) und 11 C-Rezep- tor-Liganden (PET) dürfte künftig die unspezifische CT-Diagnostik (nur Atrophien in früheren Stadien) maßgeblich ergänzen. Dopamin- Mangelsituationen können mit 18 F- Fluor-Dopa oder -tyrosin auf PET- Basis objektiviert werden. Wirkun- gen einer medikamentösen Dopa-Be- handlung (sogenannte on-/off-Phä- nomene) werden erkannt. Auch nach Implantation neuroadrenergen Ge- webes kann Parkinsonkranken mit- tels PET geholfen werden, da das Angehen des Neurotransplantates (nur) mit der Positronen-Szintigra- phie verifiziert werden kann (56).
AIDS-Demenz
Während für den Nachweis op- portunistischer Infekte über die CT und Kernspintomographie hinaus kein zusätzlicher diagnostischer Be- darf an „bildgebenden" Verfahren besteht, haben nuklearmedizinische ECT-Techniken in der Frühdiagno- stik funktioneller Störungen ihr Lei- stungspotential unter Beweis gestellt:
Sie könnten künftig vielleicht sogar eine führende diagnostische Rolle übernehmen (11, 65).
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Abbildung 2: b) 53jähriger Patient, Zustand nach Posterolateralwandinfarkt mit Lyse, CKmax: 1214 U/I, koronare Zweigefäßerkrankung mit hochgra- diger Stenose von RCA und RCX, posterolaterale Hypokinesie. Perfusion in der Hinterwand im SPECT-Szintigramm mit 99m Tc-lsonitril („MIBI", links) vermindert bis ausgefallen, Glukoseaufnah- me (PET-Szintigramm, rechts) jedoch erhalten (so- genanntes mismatch) als Zeichen vorhandener Vi- talität des Hinterwandmyokard (mit freundlicher Genehmigung von Prof. U. Büll, Aachen).
Abbildung 2: a) 45jähriger Patient, Zustand nach Hinterwandinfarkt mit rtPA-Lyse vier Wochen vor der Untersuchung, koronare Dreigefäßerkrankung mit RCA-Verschluß, Akinesie der Hinterwand, Hy- pokinesie der Vorderwand: Perfusion in der Hin- terwand im SPECT-Szintigramm mit 99m Tc-lso- nitril ("ais') in Ruhe und im Längsachsenschnitt (links, Schnittdicke 2 pixel = 12,5 mm) und Glu- kose-Utilisation im PET-Szintigramm im Längs- achsenschnitt, „Load" (rechts, Schnittdicke 4 pixel
= 12,5 mm) sind vermindert bis ausgefallen — sogenanntes match.
Drogen-Probleme
Erste Studien zur Analyse der Regulationsproblematik verschiede- ner Drogenrezeptoren, zum Beispiel von Kokain, Opiaten und Opioiden belegen weitere zukunftsträchtige Anwendungen von PET (und eventu- ell auch SPECT) (17, 44, 68, 76). Die Prüfung von Arzneimitteln, allein am Beispiel derer, die an Opiatrezepto- ren gebunden werden — (Carfenta- nil), deren Agonisten und Antagoni- sten (Naloxan) — wird die Arzneimit- telforschung sowie die klinische Pharmakologie und Therapie auf ei- ne neue, objektivierbare Wirkungs- grundlage stellen.
Schizophrenie
Frühere Nachweise regionaler Perfusions- und Glukosekonsumpti- onsstörungen („Hypofrontalität") wurden ergänzt durch die Objekti- vierung einer erhöhten Dopamin-Re- zeptordichte (s. bei 18, 45, 75). Leit-
befunde wurden auch erhoben mit der SPECT-Perfusions-Szintigraphie des Gehirns zur Kontrolle biologi- scher (Schlafentzug-)Behandlung bei depressiven Syndromen (54, 67). Ob die Bestimmung anteroposteriorer Glukose-Utilisationsgradienten zu ei- nem diagnostischen Schlüssel patho- biochemisch fundierter Therapie Schizophreniekranker entwickelt werden kann, wird hinsichtlich der metabolischen Komponente von der validierten Erprobung quantitativer Stoffwechselmodelle abhängen (12, 59). Weitere Indikationen siehe Ta- belle 5.
Kardiologie
und Kardiochirurgie
PET eröffnet neue Perspektiven zur präoperativen Ischämiediagno- stik. Die Myokardszintigraphie mit herkömmlichen Perfusionsmarkern (201 Tl, 99m-Tc-Komplexe, wie Iso- nitrile, Teboroxim) reicht nicht aus, um chronische Ischämien, einschließ-
lich stunned myocardium und hiber- nating myocardium gegenüber nicht mehr revitalisierbaren Myokardnar- ben sicher abzugrenzen (35).
Ein anhaltender Erfolg der Re- vaskularisationstherapie nach By- passoperation, Koronarangioplastik und Lyse (bei oder nach akuten Myo- kardinfarkten) setzt voraus, daß noch lebensfähiges Herzmuskelgewebe re- vaskularisiert wird, Ischämien auch asymptomatischer Natur (silent ischemia) erkannt und behandelt werden (15, 16, 58, 63).
Als beweisend für vitales Myo- kard nach abgelaufenem Herzinfarkt gilt eine sogenannte metabolische Mismatch-Konstellation: verminder- te Perfusion bei erhaltener oder ge- steigerter Glukosekonsumption des Herzmuskels (Abb 2 a, b). Sind beide Mechanismen ausgefallen, dann ist von nicht mehr revaskularisierbarem Narbengewebe auszugehen. Entge- gen früheren Annahmen sind Wand- bewegungsstörungen (selbst Akine- sien) im invasiven Cine-Ventrikulo- Deutsches Ärzteblatt 90 , Heft 25/26, 28. Juni 1993 (43) A1-1887
gramm nicht zur Auskunft darüber befähigt, ob der betreffende Herz- muskelabschnitt noch erholungsfähig ist. Auch der Schweregrad angiogra- phisch verifizierter Koronarstenosen kann mit PET präziser beurteilt wer- den (3, 26, 58, 64, 66).
Die kardiale Kernspin-Tomogra- phie (Herzmuskeldicke) und -Spektroskopie (Analyse des Spek- trums energiereicher Phosphate) werden das Spektrum der kardialen Ischämiediagnostik, zusammen mit PET weiter optimieren, sicherlich nicht als Screening-Verfahren, wohl aber dann, wenn herkömmliche Un- tersuchungen, einschließlich Ruhe-, Belastungs-EKG und Ultraschallkar- diographie im unklaren lassen. Am Rande sei erwähnt, daß auch die er- gometrische Radionuklidventrikulo- graphie mit Multiparameteranalyse in Problemfällen unverzichtbare Zu- satzinformationen liefert (34).
Kardiale Partialfunktionen und Einsatzmöglichkeiten von PET bei Herzkrankheiten nennen die Tabel- len 3 und 5.
Onkologie
Die Bedeutung von PET-Unter- suchungen wächst auch bei onkologi- schen Fragestellungen. Der Rahmen
Abbildung 3: 18 F-FDG-PET-Szintigramm bei ko- lorektalem Rezidivtumor. a. Im CT kann die For- mation (Narbe oder vitales Tumorrezidiv?) nicht sicher differenziert werden. b. Im PET-Szinti- gramm 1 Stunde nach 18 F-FDG-Injektion hohe Stoffwechselaktivität in den peripheren Tumoran- teilen mit zentraler Nekrose (mit freundlicher Ge- nehmigung von Priv. Doz. Dr. L. G. Strauss, Hei- delberg)
der ursprünglich ins Auge gefaßten Hirntumordiagnostik (1, 9, 43, 52, 78) wurde in den letzten Jahren weit überschritten. In den Mittelpunkt ge- rückt sind Rezidivdiagnostik, Thera- pie-Kontrolle (responder, non-re- sponder von Zytostatika), Prognose und Überprüfung der Therapiestra- tegie.
Hierfür stehen eine Reihe von metabolischen (18 F-Fluordeoxy- Glukose, 11-C-Methionin), perfu- sionsabhängigen (13 N) und rezep- torabhängigen PET-Radiopharma- zeutika zur Verfügung, die den Proli- ferationsgrad und damit auch das Grading von Tumoren prüfen lassen (zum Beispiel 11 C-Thymidin bei Lymphomen) (22, 28, 29, 36, 41, 43, 47, 60, 61). Die Abbildungen 3 a, b zeigen ein Computertomogramm (links) und ein PET-Szintigramm (rechts) bei einem Patienten mit ko- lorektalem Karzinomrezidiv. Die Ta- bellen 4 a, b enthalten Angaben zu PET-szintigraphisch prüfbaren Para- metern der Tumorbiologie, Tabelle 5 zu Indikationen.
Steigende Aufmerksamkeit wird auch der Chance gewidmet, PET-Ra- diopharmazeutika zur Immun-Szin- tigraphie heranzuziehen („Immun- PET"). Hierfür kommen monoklona- le Antikörper in Frage, die mit 68
Ga, 66 Ga oder 124 I markierbar sind (24, 25, 40, 73).
Tumorgrad, Tumor-uptake und Therapieantwort reflektieren eine Trias, die die Tumordiagnostik auf der Basis der Tumorbiologie bereichern dürften: Durchblutung, Glukose- transport in die Tumorzelle, Internali- sation von PET-markierten Zytostati- ka, Identifikation des metabolischen Verhaltens von Primär- und Rezidiv- Tumor sowie deren Metastasen dürf- ten die heutige Skala von Beurtei- lungsmöglichkeiten so erweitern, daß der Onkologe, der Chirurg und der Strahlentherapeut für den Tumor- kranken Nutzen ziehen können. Das
„T-Staging" (Primärtumordiagnostik) wird sicherlich die Domäne der Ra- diologie bleiben, das „N-Staging"
durch nuklearmedizinische ECT- Techniken besser abdeckbar sein.
Kosten
Vor den Kosten eines komplet- ten PET-Zentrums schrecken man- che Institutionen zurück. Wenn der erwartete Nutzen — Einsparung von Millionen, zum Beispiel bei nicht in- dizierten Operationen — erwiesener- maßen zu Buche schlagen sollte, wird diese Kostenfrage neu gestellt wer- A1-1888 (44) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 25/26, 28. Juni 1993
Tabelle 5: Klinischer PET-Einsatz I (künftige Möglichkeiten?) Demenzen, Multiinfarkt und In- sult, Morbus Alzheimer, AIDS- Demenz, Morbus Parkinson Neurologie
Schizophrenie, depressive Syndro- me, Wirksamkeitsprüfung biologi- scher Therapien (Schlafentzug) Psychiatrie
Hirntumor-Rezidiv, Grading (Wachstumsgeschwindigkeit), Ab- grenzung von medikamentösen (Hirnödem u. Steroidbehandlung) und radiotherapeutischen Kompli- kationen (Strahlenparenchym- Nekrose), Richtlinien für Thera- piestrategie
Neuro- chirurgie
Lokalisation epileptischer Herde vor Operation (anstelle von Biop- sien?)
Epilepsie
Rezidive (vs. postoperative Nar- benformationen), Tumorprolifera- tion (steigende CEA-Titer, aber auch bei normalen CEA-Spie- geln), Verteilung markierter Zyto- statika vor regionaler Chemothe- rapie von Lebermetastasen) Onkologie
Colorectal-Ca
Staging bei Risikopatientinnen (positive Lymphknoten), Thera- pieentscheid (Tamoxifen bei oestrogenrezeptorpositiven Tumoren zur Erfassung von deren Metastasen)
Mamma- u.
Ovarial-Ca
Bronchial-Ca Staging („down"- und insbesonde- re aber „upstaging")
Klinischer PET-Einsatz II (künftige Möglichkeiten?)
Lymphome Proliferationsgrad — differenzierte vs. wenig differenzierte
Selektion zur regionalen Chemo- therapie, Wachstumsverhalten, Effektivitäts-Prüfung der Chemo- therapie, Responder/Non-Re- sponder, Prognose, Differenzie- rung von hepatozellulären Karzi- nomen vs., Lebermetastasen über Glukose/Fruktose-Metabolismus Lebertumoren/-
Metastasen
Pankreas-Ca Insulinrezeptor-Dichte-Bestim- mung
Prostata-Ca Proliferationsgrad, Grading Melanome Aggressivität, Grading
Therapieantwort, Strahlensensibi- litäts-Testung über Glukosekon- sumption
HNO- Tumoren
Muskel-/Skelett- Tumoren
Differenzierungsgrad über Gluko- se-Stoffwechsel
Aggressivität des Wachstums, epi- dermal growth factor, Thymidin- synthese
Struma maligna
Myokardvitalität (Ischämie vs.
Narbe) vor Bypass, koronarer An- gioplastie, Herztransplantation, Kardiomyopathie (ischämisch vs.
nicht-ischämisch), Ischämieepiso- den (stumme Ischämie), neuro- adrenerge Funktionsstörung des Herzens (autonome Neuropathie) Kardiologie/
Chirurgie
den müssen. Alternativlösungen wer- den angestrebt (Installierung von Po- sitronen-Emissions-Tomographen ohne Zyklotrone, das heißt Bezug der PET-Radiopharmazeutika aus benachbarten Kernforschungsanla- gen oder aus PET-Generatoren). Die Bündelung von Forschungsaktivitä- ten und praxisorientierter Anwen- dung könnte die zur Zeit mancher- orts einseitig vertretene Konkurrenz bildgebender Verfahren in ein ganz neues Licht rücken. Ausländische In- stanzen (zum Beispiel in Japan und in den USA) haben entsprechende Weichen bereits vor Jahren gestellt.
Das Forschungs-Budget der National Institutes of Health (Bethesda, USA) weist zum Beispiel für die PET-For- schung, einschließlich Nuklear-Im- munologie, immerhin einen Anteil von 43 Prozent aus (96). Dies sollte auch in unserem Lande zu bedenken geben und zugleich Anlaß sein, ein im internationalen Vergleich ver- nachlässigtes Gebiet einer intensive- ren Förderung zu unterziehen.
Deutsches Arzteblatt
90 (1993) A 1-1883-1889 [Heft 25/26]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern beim Verfasser.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. Gustav Hör Zentrum der Radiologie Klinikum der Johann-Wolf- gang-Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7 W-6000 Frankfurt am Main
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 25/26, 28. Juni 1993 (45) A1-1889