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Archiv "Toxische Kontaktdermatitis durch Paederus sabaeus („Blasenkäfer“): Eine Epidemie in Afrika südlich der Sahara" (21.04.2000)

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Academic year: 2022

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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 16, 21. April 2000 urchfallerkrankungen, Mala-

ria, HIV und andere Infekti- onskrankheiten sind Reisen- den und ihren beratenden Ärzten in Deutschland als Gesundheitsrisiken bei Reisen in tropische Länder weit- gehend bekannt. Wenig bekannt sind jedoch Dermatitiden, verursacht durch Insekten wie zum Beispiel Kä- fer der Art Paederus, die im Jahr 1998 in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara zum Teil epidemisch auftra- ten. Nicht wenige in Afrika lebende Ausländer haben in diesem Jahr die unangenehme Bekanntschaft mit den Insekten gemacht, vermutlich blieben auch Reisende nicht von ihnen ver- schont.

Unscheinbarer, nachtaktiver Käfer

Insekten können durch Stich, Biss oder ihre Haare zu Verletzun- gen, lebensbedrohlichen Intoxikatio- nen oder allergischen Reaktionen führen. Auch der Kontakt der intak- ten Haut mit Körperflüssigkeiten be-

stimmter Käfer kann unangenehme Hautverletzungen zur Folge haben.

Paederus ist ein circa 7 bis 13 mm lan- ger, schlanker Käfer, der zur Fami- lie der Staphylinidae (Kurzflügler) gehört und weltweit vorkommt.

Durch die orangerote und sehr dun- kel grün beziehungsweise blaue me- tallische Farbe seines Körpers lässt er sich leicht erkennen (Abbildung 1

und 2). Erstmalig wurde 1901 über ei- ne Paederus-verursachte Dermatitis auf der Insel Java berichtet. Bis heute wurden Ausbrüche auf allen Konti- nenten bekannt (5).

Die Gattung Paederus umfasst mehr als 500 Arten, von denen etwa 30 medizinisch relevant sind. So kommt zum Beispiel in West- und Zentralafrika Paederus sabaeus, in Ostafrika P. eximius vor. Epidemi- sches Auftreten von Paederus-verur- sachten Dermatitiden wurde aus Na- mibia, Sudan, Kenia, Uganda, Mala- wi, den beiden Kongos, Gabun, der Zentralafrikanischen Republik, Ni- geria und Sierra Leone berichtet (7, 8). Auch in Kamerun ist der Käfer gut bekannt. Über die Ökologie des Kä- fers existieren nur fragmentäre Infor- mationen. Er lebt als Jäger kleinerer Insekten im feuchten Milieu unter Vegetation und an Wasserläufen.

Dies erklärt auch sein Auftreten in tropischen Regionen während der Regenzeit. Paederus ist ein nachtak- tives Insekt und wird durch Licht, vor allem von Neonröhren, angezogen.

Er sitzt an Mauern und Decken, ins- KURZBERICHT

Toxische

Kontaktdermatitis durch Paederus sabaeus

(„Blasenkäfer“)

Eine Epidemie in Afrika südlich der Sahara Reinhard Krippner

1

Guillaume Dzikouk

2

Im Jahr 1998 führte eine ungewöhnliche Vermehrung des Käfers Paederus sabaeus zu einem epidemischen Auftreten einer toxischen Kontaktdermatitis in Afrika südlich der Sa- hara. In der Hämolymphe enthaltene Zellgifte, die beim ver- sehentlichen Zerdrücken des Käfers auf die Haut gelangen, verursachen epidermale Blasenbildung und Nekrose. Die Dermatitis heilt in der Regel in sieben bis zehn Tagen kom-

plikationslos ab. Ausgeprägtere Ent- zündungserscheinungen, zum Bei-

spiel im Gesicht („Nairobi Eye“) und Sekundärinfektionen kommen vor. Die Behandlung erfolgt symptomatisch.

Schlüsselwörter: Blasenkäfer, toxische Kontaktdermatitis, bullöse Dermatitis, Coleoptera, Staphylinidae, Paederus sa- baeus

ZUSAMMENFASSUNG

Epidemic Toxic Contact Dermatitis

In 1998 an unusual increase in numbers of the beetle Paede- rus sabaeus led to an epidemic of a toxic contact dermatitis in subsaharan Africa. Cell toxins in the beetle’s haemo- lymph cause epidermal blistering and necrosis, when acci- dentally crushing the beetle on the skin. The dermatitis

usually heals after seven to ten days. More pronounced inflammation for example in the

face (“Nairobi Eye”) and secondary infection may occur.

Treatment is symptomatic.

Key words: Blister beetle, toxic contact dermatitis, blistering dermatitis, Coleoptera, Staphylinidae, Paederus sabaeus

SUMMARY

D

1 Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amts Jaunde (Leiter: Dr. med. Gunther von Laer), Kamerun

2 Centre Pasteur Jaunde (Leiter: Dr. Paul Martin), Kamerun

Abbildung 1: Paederus sabaeus (Maßstab in cm)

(2)

besondere auch auf Terrassen, die in den Tropen am Abend gerne zur Ent- spannung aufgesucht werden. Die Käfer kriechen dann über die hell er- leuchtete Haut oder lassen sich von der Decke auf das Opfer fallen. 1998 kam es zu einer außergewöhnlich in- tensiven Vermehrung und Verbrei- tung von Paederus südlich der Sahara im Vergleich zu den Vorjahren (B.

Bouchité, Centre Pasteur Orstom, Yaounde, Kamerun; persönliche Mit- teilung). Unklar ist, was diese explosi- onsartige Vermehrung mit der Folge epidemischer Zunahme der Derma- titiden auslöst.

Dermatitis durch toxische Hämolymphe

Als Verursacher der Dermatitis wurden die hochtoxischen Alkaloide Pederin und in geringerem Maße Pseudopederin identifiziert, die in der Hämolymphe des Insekts ent- halten sind (2). In Zellkulturen be- wirken bereits Konzentrationen von 1 bis 1,5 ng/ml eine Hemmung des

Zellwachstums (5). Histolo- gisch führen die Toxine zur intra- und subepidermalen Blasenbildung, epiderma- len Nekrose und Akantho- lyse (1).

Der bloße Kontakt mit dem Insekt führt, wie auch eigene Erfahrungen bestäti- gen, nicht zur Dermatitis (Abbildung 2). Erst das ab- sichtliche oder wohl meist unbeabsichtigte Zerdrücken des Käfers auf der Haut hat die Verletzung zur Folge (Abbildung 3):

❃ Erythem: Etwa 12 bis 24 Stunden nach Kon- takt mit der toxischen Hä- molymphe kommt es zu ei- ner langsam zunehmenden, juckenden oder brennen- den, leicht erhabenen Rö- tung der Haut.

❃ Blasenbildung: Nach circa ein bis zwei Tagen las- sen sich kleinste, steckna- delkopfgroße Bläschen, ge- füllt mit seröser Flüssigkeit, erkennen, die konfluieren können. Über die folgenden Tage nimmt die Reaktion an Inten- sität zu. Der die Läsion begrenzende Rand ist intensiv entzündlich gerötet (Abbildung 3).

❃ Desquamation: Fünf bis acht Tage nach Beginn der Dermatitis be- ginnen die Bläschen auszutrocknen und die darüber liegende Haut löst sich allmählich ab (Abbildung 4).

Übrig bleibt ein zunächst deutlich gerötetes Hautareal. Eine an- schließende Hyperpigmentierung kann monatelang bestehen bleiben.

Vermutlich kleidungsbedingt sind Hals und Gesicht Prädilektions- orte für das Auftreten der Hautläsio- nen. Handflächen oder Fußsohlen sind aufgrund der dickeren Horn- hautschicht nicht von der Dermatitis betroffen.

Sehr heftige und auch etwas schneller auftretende Reaktionen kann man am Nacken, im Gesicht und besonders um das Auge beob- achten, die die Patienten häufig be- unruhigen. Nicht selten finden sich noch am Handgelenk der wegwi- schenden Hand Herde (Abbildung 4 und 5, gleicher Patient).

Das Vorkommen in Nairobi gab der periorbitalen Läsion den Namen

„Nairobi Eye“ (Abbildung 6). Auch wenn die entzündlichen Verände- rungen und die begleitende Schwel- lung erheblich sein können, wurde eine Erblindung als Folge bisher nicht bekannt. Allgemeinerschei- nungen sind die Ausnahme. Gele- gentlich klagen Patienten über eine begleitende Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen, über Arthralgien wurde berichtet (5).

Lässt man das betroffene Haut- areal in Ruhe, so heilt die Dermatitis meist komplikationslos ab. Auch wenn Juckreiz oder ein Gefühl des Brennens dazu verleiten, sollte man

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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 16, 21. April 2000 KURZBERICHT

Abbildung 2: Paederus sabaeus auf Unterarm. Das bloße Kriechen auf der Haut hatte keine Kontaktdermatitis zur Folge.

Abbildung 3: Läsion am Unterarm mit Erythem, Bläschenbildung und entzündlichem Randsaum am siebten Tag nach Zerdrücken des Käfers.

Abbildung 4 und 5: Flächige Dermatitis im Nacken mit sich bereits ablösender Haut nach 7 Tagen. Schul- ternah streifige Rötung durch Abwischbewegung.

„Abklatsch“-Läsion am rechten Handgelenk beim gleichen Patienten.

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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 16, 21. April 2000 nicht kratzen, da dies zur Infektion

mit möglich nachfolgender Narben- bildung führen kann.

Der Kontakt mit dem Käfer weist auf die Ursache der Erkran- kung hin. Nicht selten nimmt die Dermatitis eine streifige Form an (Abbildung 4, schulternah), entspre- chend der Wischbewegung der Hand zur Entfernung des Insektes. Sie können Hinweis auf die Genese der Dermatitis sein, wenn der Betroffe- ne sich an keinen Kontakt mit einem Käfer erinnert. Die Tatsache des Aufenthalts in einem tropischen Land während der Regenzeit kann bei gerade zurückgekehrten Reisen- den auf die Spur führen.

Die Läsion erinnert an eine thermische oder chemische Verbren- nungswunde. Die vergleichsweise geringen Beschwerden (Gesichtslä- sionen ausgenommen) und die feh- lende Unfallanamnese deuten aller- dings auf eine Ursache anderer Ge- nese. Die Unterscheidung von einem Herpes simplex oder Herpes zoster kann im vesikulären Stadium schwierig sein. Eine allergische Kon- taktdermatitis ist ebenfalls in die dif- ferenzialdiagnostischen Überlegun- gen einzubeziehen.

Zwei weitere Käferfamilien ver- ursachen toxische Dermatitiden.

Oedemeridae und Meloidae produ- zieren das Gift Cantharidin, das eine bullöse Hautläsion verursacht. Ab- gesehen von grobblasigeren Verän- derungen, unterscheidet sie sich von der Paederus-Dermatitis durch eine kürzere Latenzzeit nach Toxinkon- takt (3, 6).

Symptomatische Behandlung

Ist es bereits zur Dermatitis ge- kommen, so können topische Corti- coide – bei Zeichen einer bakteriellen Infektion in Kombination mit topi- schen Antibiotika als Creme, Lotion oder Spray Linderung verschaffen.

Möglicherweise verkürzen sie auch die Dauer der Abheilung. Empfohlen wird auch die lokale Anwendung von Antihistaminika und im englisch- sprachigen Teil Afrikas Calamine Lotion (Zinkoxid) oder Flamazine (Silbersulphadiazin) (4, 9).

Sofern es nicht zum Beispiel durch Kratzen zur Infektion kommt, heilt die Wunde jedoch auch ohne Behandlung in etwa einer Woche ab.

Bei Dermatitis im Gesicht, insbeson- dere bei periorbitaler Ausbreitung, wird man allerdings wegen der hefti- gen Reaktion mit erheblicher Schwellneigung meist geneigt sein, von Beginn an mit einer topischen Corticoid-Antibiotika-Kombination zu behandeln. Kommt es zu einer Se- kundärinfektion, muss die orale An- tibiotikagabe erwogen werden.

Fettsalben sollen wegen der Fettlöslichkeit des Toxins die Bla- senbildung fördern.

Ob Repellentien auch gegen Paederus wirksam sind, ist nicht be- kannt. Beim Aufenthalt abends im Freien während der Regenzeit ist die Nähe zu Neonlampen zu meiden.

Bemerkt man einen Käfer auf der Haut, so sollte man ihn auf keinen Fall mit der Hand zerdrücken oder abstreifen. Von Arm oder Bein lässt sich das Insekt abschütteln, anson- sten ist es besser, den Käfer mit dem Finger wegzuknipsen.

Eventuell bereits auf der Haut befindliches Toxin kann durch Wa- schen mit Wasser und Seife beseitigt werden.

Unser Dank gilt der abgebildeten Patientin für die Genehmigung zur Veröffentlichung ihres Fotos.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1072–1074 [Heft 16]

Literatur

1. Borroni G, Brazzelli V, Rosso R, Pavan M:

Paederus fuscipes dermatitis. A histo- pathological study. Am J Dermatopathol 1991; 13 (5): 467–474.

2. Habermehl GG: Gift-Tiere und ihre Waf- fen. 4. Auflage. Berlin: Springer 1987;

54–62.

3. Karras DJ, Farrell SE, Harrigan RA, Hen- retig FM, Gealt L: Poisoning from “Spanish fly” (cantharidin). Am J Emerg Med 1996;

14 (5): 478–483.

4. Martindale: The Extra Pharmacopoeia. 31st Edition. London: Royal Pharmaceutical Society 1996; 273 u. 1083.

5. McCrae AW, Visser SA: Paederus (Coleop- tera: Staphylinidae) in Uganda. I: Out- breaks, clinical effects, extraction and bio- assay of the vesicating toxin. Ann Trop Med Parasitol 1975; 69 (1): 109–120.

6. Nicholls DS, Christmas TI, Greig DE:

Oedemerid blister beetle dermatosis: a review. J Am Acad Dermatol 1990; 22 (5 Pt 1): 815–819.

7. Okiwelu SN, Umeozor OC, Akpan AJ: An outbreak of the vesicating beetle Paederus sabaeus Er. (Coleoptera: Staphylinidae) in Rivers State, Nigeria. Ann Trop Med Para- sitol 1996; 90 (3): 345–346.

8. Penchenier L, Mouchet J, Cros B et al.: In- vasions de Paederus sabaeus (Coléoptère:

Staphylinidae) en Afrique Centrale. 1. As- pects entomologiques et épidémiologiques.

Bull Soc Pathol Exot 1994; 87 (1): 45–48.

9. Williams AN: Rove beetle blistering – (Nairobi Eye). J R Army Med Corps 1993;

139 (1): 17–19.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Reinhard Krippner Arzt für Innere

Medizin/Tropenmedizin c/o Botschaft Jaunde Auswärtiges Amt 11020 Berlin

E-Mail: reinhard.krippner@camnet.cm KURZBERICHT

Abbildung 6: „Yaoundé Eye“ in Anlehnung an den Ausdruck „Nairobi Eye“ nach 4 Tagen.

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