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Archiv "Neue Formen der Rheumatherapie" (30.06.2000)

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ehn Jahre nach der letzten Rheuma- serie soll im Deutschen Ärzteblatt mit Beginn der „Bone and Joint Decade“

auf die neuen Möglichkeiten bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) eingegangen werden. War damals in therapeuti- scher Hinsicht der Übergang von der Goldsalz- (Goldstandard der 80er-Jahre) auf die Low-Dose- Methotrexat-Therapie (MTX) geradezu revolu- tionär, so ist jetzt eine weitere Intensivierung der immunsuppressiven Therapie und der Ein- satz von neuen, zielgerichteten antiinflammato- rischen Substanzen (so genannte Biologicals) Gegenstand zahlreicher Berichte in den Medi- en. Was ist der Grund für diesen Wandel und welche Konsequenzen sind damit verbunden?

Frühe Intervention notwendig

Die klinische Forschung hat in den vergan- genen Jahren klar gezeigt, dass die RA im Hin- blick auf die Krankheitsauswirkungen sehr viel kritischer betrachtet werden muss. Wurde noch vor wenigen Jahren angenommen, dass die Er- krankung in vielen Fällen leicht verläuft, so ist heute klar, dass das Krankheitsspektrum von blanden remittierenden Formen bis zu rasch progredient destruktiven Verläufen mit erhöh- ter Mortalität reicht. Letztere resultiert aus dem Umstand, dass es bei der RA nicht nur an den Gelenken zu progredienter Destruktion mit konsekutivem Funktionsverlust kommt, son- dern dass auch andere Strukturen des Bewe- gungssystems sowie zahlreiche innere Organe (zum Beispiel Niere, Herz, Lunge) in den Pro- zess mit einbezogen werden. Es ist somit die Krankheitsschwere mit der Geschwindigkeit der Gelenkdestruktion (passagere oder bleibende Funktionseinschränkung) und die Intensität ex- traartikulärer Manifestationen prognostisch be- stimmend. Für die Einschätzung des Verlaufs gibt es mittlerweile eine Reihe von Prognose- indikatoren. Die ersten Erosionen der Gelenk-

oberfläche werden auf konventionellen Rönt- genaufnahmen schon innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate gesehen und der radiologisch erkennbare Progress ist in den ersten ein bis zwei Jahren besonders rasch. Nach drei Jahren ist bei über 70 Prozent der Patienten mit ra- diologisch sichtbaren Gelenkdestruktionen zu rechnen. Somit sollte mit der Diagnose umge- hend eine Behandlung eingeleitet werden (5, 6, 7, 9).

Hohe Morbidität bereits im ersten Krankheitsjahr

Sozialmedizinisch gesehen führt die RA im ersten Jahr bei drei Viertel der Patienten zu ei- ner länger dauernden Arbeitsunfähigkeit. In- nerhalb der ersten drei Krankheitsjahre kommt es bei bis zu einem Drittel (!) der Kranken zu ei- ner Frühberentung, die häufig in eine dauerhaf- te Erwerbsunfähigkeit einmündet. Somit ent- stehen durch Arbeitsausfallzeiten bei einem großen Teil der Patienten enorme indirekte Ko- sten. Vor diesem Hintergrund müssen die direk- ten Kosten der neuen kostenträchtigen Thera- pieverfahren gesehen werden (7).

Die Diskussion der direkten Kosten setzt ein Grundverständnis über Therapieprinzipien der RA voraus. Die nichtsteroidalen Antirheu- matika (NSAR) sind zusammen mit den langfri- stig wirksamen Antirheumatika (LWAR, Syno- nym: Basistherapeutika) und den Glucocorticoi- den (GC) für die Behandlung der RA die wich- tigsten Medikamentengruppen (2). Hierbei ver- ursachen die klassischen NSAR selbst sekundä- re Behandlungskosten durch ihr Nebenwir- kungsspektrum (zum Beispiel Ulzerationen im Gastrointestinaltrakt, Nieren-und Blutbildschä- den). Deshalb wird die Einführung der so ge- nannten COX-2-Inhibitoren besonders begrüßt, die nach ersten Ergebnissen weitaus besser ver- träglich erscheinen (4). Basistherapeutika hem- men die Entzündungsaktivität und die Ge-

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M E D I Z I N EDITORIAL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000

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Neue Formen der Rheumatherapie

Wolfgang L. Gross

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lenkdestruktion, bedürfen aber aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums einer regelmäßigen ärztlichen Überwachung. Die gesamten direk- ten Kosten pro Patient und Jahr wurden in Nordamerika auf durchschnittlich 3 000 US $ geschätzt. Diese Zahl ist im Vergleich zu den ebenfalls in den USA gemachten Schätzungen der indirekten Kosten im weiteren Krankheits- verlauf (24 000 US $ pro Patient und Jahr) gar nicht so hoch (6).

Insofern muss bei Betrachtung der differen- zierten Kosten-Nutzen-Analysen berücksichtigt werden, dass die neuen Therapieprinzipien – die prima vista unverhältnismäßig teuer erscheinen – nicht nur medizinisch sondern auch aus sozial- medizinischen und ökonomischen Gründen zu begrüßen sind, da sie die eingangs beschriebe- nen Krankheitsauswirkungen weit wirkungsvol- ler und zum Teil nebenwirkungsärmer verhin- dern als dies mit der bisherigen Standardthera- pie zu erreichen war.

Für das therapeutische Procedere werden auch bei der RA Informationen zur individuel- len Prognose benötigt. Mehrere einfach zu be- stimmende Parameter haben einen hohen pro- gnostischen Wert für Erosivität, Funktionsbe- hinderung, Mortalität und Erwerbsunfähigkeit:

Die hohe Anzahl entzündlich geschwollener Gelenke, die frühzeitig ausgeprägte Funktions- behinderung, die hohe Entzündungsaktivität, das Auftreten von Rheumaknoten und das höhere Alter sind zusammen mit der Präsenz von genetischen Markern (HLA-DRB1-Allele) anzuführen.

Kombinationstherapie überlegen

Galt noch Anfang der neunziger Jahre das Methotrexat (MTX) als neuer Goldstandard in der Therapie der RA, so muss heute davon aus- gegangen werden, dass die Monotherapie bezie- hungsweise diese Medikation zusammen mit den klassischen NSAR (nichtsteroidalen Anti- rheumatika) oder dem Low-Dose-Glucocortico- id (Prednisolon < 5 mg pro die) in vielen Fällen die Krankheitsprogression nur unzureichend aufhält (3). Insofern hat sich mittlerweile bei schweren Verlaufsformen weltweit die höhere Effizienz einer Kombinationstherapie von meh- reren Basistherapeutika (beispielsweise MTX plus Hydroxychloroquin, Sulfasalazin oder MTX plus Ciclosporin A) aufgrund von kontrollierten Therapiestudien durchgesetzt (9). Auf die Indi- kationsstellung und die verschiedenen Kombi-

nationsstandards wird Zeidler (Hannover) in dieser Serie detailliert eingehen.

Weltweit gehören die NSAR zu den am häu- figsten verschriebenen Medikamenten. Gravie- rende Nebenwirkungen – zum Beispiel am Ga- strointestinaltrakt, an den Nieren – sind häufig dramatisch und Folge der Hemmung der Zyklo- oxygenase (COX), dem Schlüsselenzym der Prostaglandinbiosynthese. Seit einigen Jahren sind zwei Isoenzyme der COX bekannt:

Während die COX-1 für Zellfunktionen, zum Beispiel in der Niere und im Gastrointestinal- trakt benötigt werden und somit durch die Hem- mung Schäden entstehen können, ist die COX-2 als induzierbares Enzym hauptsächlich für pa- thophysiologische Prozesse – zum Beispiel im Rahmen einer Entzündung – verantwortlich.

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen wird Brune (Erlangen-Nürn- berg) auf den heutigen Stand der selektiven COX-2-Inhibitoren eingehen, bei denen von ei- ner geringen Inzidenz an unerwünschten Wir- kungen im Gastrointestinaltrakt und in der Nie- re ausgegangen wird.

Mit Leflunomid (LF) wurde ein völlig neu- es Basistherapeutikum hervorgebracht (5). LF verhindert als Dihydroorotat-Dehydrogenase- (DHODH-)Blocker die Neubildung von Pyri- midinnukleosiden und beeinträchtigt somit be- sonders die DNA- und RNA-Synthese von Lym- phozyten, da aktivierte T-Zellen im Vergleich zu sonstigen Zellen einen etwa achtfach erhöhten Pyrimidinbedarf haben. Schon lange ist be- kannt, dass aktivierte T-Zellen eine wichtige Rolle in der Pathogenese der RA spielen. Rein- hold-Keller (Lübeck) wird auf dieses neue, in schon zahlreichen kontrollierten Studien ge- prüfte Immunsuppressivum eingehen.

Zu hohe Erwartungshaltung bei Antizytokintherapie

Nicht selten wird die Antizytokintherapie der RA als Meilenstein in der Behandlungsent- wicklung angesehen und mit dem Fortschritt ver- glichen, der vor circa 50 Jahren mit dem Cortison erreicht wurde. Frappierende Ergebnisse wer- den selbst bei therapieresistenten Patienten mit den verschiedenen Substanzen erzielt, die das entzündungsfördernde Zytokin Tumor-Nekro- se-Faktor alpha (TNFa) blockieren, wie die ver- schiedenen monoklonalen Antikörper (zum Bei- spiel Infliximab) und das TNFa-Rezeptor–Fc- Fusionsprotein (zum Beispiel Etanercept) (8).

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Auch wenn im Vergleich zur beginnenden Corti- sonära die Euphorie im Hinblick auf Heilung der RA mit diesen Substanzen ausblieb, so ist doch eine zum Teil unkritische Erwartungshaltung zu beobachten. So wird den Nebenwirkungen oft wenig Beachtung geschenkt und man ist schon eher erstaunt, wenn durchaus kritische Kom- mentare – wie kürzlich im Lancet (1) – diese Pro- blematik stärker unterstreichen: Bei der Anti- körpertherapie ist hiernach in fünf Prozent der Fälle mit allergischen Reaktionen zu rechnen und bei 13 Prozent der Patienten (hier M.

Crohn) kommt es zur Entwicklung von Antikör- pern gegen Infliximab, die die Wahrscheinlich- keit der Infusionsreaktionen erhöhen und die Halbwertszeit des Antikörpers sowie die damit verbundene klinische Wirksamkeit herabsetzen.

Auch wenn das Auftreten von Anti-DNA-Anti- körpern bisher noch nicht zu einem Lupus-ähnli- chen Syndrom geführt hat und keine wirklich schweren Infektionen beobachtet werden konn- ten, ist doch eine erhöhte Inzidenz von Lympho- men nach Anti-TNFa-Behandlung (5 von 771 Patienten) sehr kritisch zu sehen. Kalden (Erlan- gen) wird das neue Therapieprinzip beschreiben und auf den Indikationsbereich eingehen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1815–1817 [Heft 26]

Literatur

1. Bell S, Kamm MA: Antibodies to tumor necrosis factor aas tre- atment for Crohn’s disease. Lancet 2000; 355: 858–860.

2. Campbell SM, Wernick R: Update in rheumatology. Ann Intern Med 1999; 130: 135–142.

3. Emery P: Rheumatoid arthritis: not yet curable with early inten- sive therapy. Lancet 1997; 350: 304–305.

4. Emery P, Zeidler H, Kvien TK, Guslandi M, Naudin R, Stead H, Verburg KM, Isakson PC, Hubbard RC, Geis GS: Celecoxib ver- sus diclofenac in long-term management of rheumatoid arthritis:

randomised double-blind comparison. Lancet 1999; 354:

2106–2111.

5. Madhok R, Capell HA: Outstanding issues in use of disease-mo- difying agents in rheumatoid arthritis. Lancet 1999; 353: 257–258.

6. Mau W, Zeidler H: Epidemiologie, Manifestationen und Kom- plikationen der chronischen Polyarthritis. Versicherungsmedizin 1999; 51: 59–65.

7. Mau W, Zeidler H: Verlauf und Prognose der chronischen Poly- arthritis. Versicherungsmedizin 1999; 51: 115–121.

8. O’Dell JR: Anticytokine therapy – a new era in the treatment of rheumatoid arthritis? N Engl J Med 1999; 340: 310–312.

9. Pincus Th, O’Dell JR, Kremer JM: Combination therapy with multiple disease-modifying antirheumatic drugs in rheumatoid arthritis: a preventive strategy. Ann Intern Med 1999; 131:

768–774.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Wolfgang L. Gross Poliklinik für Rheumatologie der

Medizinischen Universität zu Lübeck und Rheumaklinik Bad Bramstedt

Oskar-Alexander-Straße 26 24576 Bad Bramstedt

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M E D I Z I N EDITORIAL/FÜR SIE REFERIERT

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000

Über viele Jahre wurden perikardiale Verkalkun- gen bei Röntgen-Thorax-Aufnahmen von Patienten mit Herzinsuffizienz als Hinweis auf eine konstriktive Peri- karditis gewertet. Bei abnehmender Tuberkuloseinzi- denz wird heutzutage die kalzifizierende konstriktive Perikarditis als eher seltener Befund angesehen und die Wertigkeit von perikardialen Verkalkungen in der mo- dernen Kardiologie angezweifelt. Aus der Mayo-Klinik in Rochester wurde nun über die Erfahrungen mit 135 konsekutiven Patienten mit operativ bestätigter kon- striktiver Perikarditis berichtet. Perikardiale Verkalkun- gen waren radiologisch nur bei 27 Prozent der Patienten zu sehen. Diese Patienten hatten häufiger schwere Ver- laufsformen ihrer Erkrankung mit Arrhythmien und ei- ner erhöhten perioperativen Mortalität, dagegen war die postoperative Prognose gleich denen ohne Perikardver- kalkungen. Die Ursache der Perikarditis konnte bei den Patienten mit Verkalkungen nur in 33 Prozent nachge- wiesen werden, der größere Teil blieb unklar. acc

Ling HL et al.: Calcific constrictive pericarditis: Is it still with us?

Ann Intern Med 2000; 132: 444–450.

Dr. Ling, Department of Medicine, National University of Singapore, Kent Ridge Crescent, Singapore 119074.

Eine Knochenmarks- oder Stammzelltransplantati- on von einem HLA-kompatiblen verwandten Spender ist bei Kindern mit einer akuten lymphatischen Leukä- mie (ALL), die zytogenetisch positiv für das Philadel- phiachromosom (chromosomale Translokation [9; 22]) sind, anderen Transplantationsregimen oder intensiver Polychemotherapie überlegen. Dies ergab die Überprü- fung der Krankheitsverläufe von 326 Kindern im Alter von 0,4 bis 19,9 Jahren, die in der Zeit zwischen 1986 und 1996 in zehn internationalen Studien oder großen Klini- ken behandelt wurden. Für Kinder aus der Gruppe mit guter Prognose (eingeteilt nach Alter und Leukozyten- zahl bei Diagnose) ergab sich eine krankheitsfreie Fünf- Jahres-Überlebensrate von 49 Prozent. In der Gruppe mit mittlerer Prognose überlebten dagegen 30 Prozent und in der mit der schlechtesten Prognose sogar nur 20 Prozent. Damit zeigte sich, dass trotz der risikoangepas- sten Therapieschemata die Aussichten von Kindern mit dem Philadelphiachromosom immer noch schlechter sind als bei denjenigen mit ALL ohne diese Chromoso- menveränderung. Bei Letzteren liegen die Fünf-Jahres- Überlebensraten bei 75 Prozent oder höher. silk

Arico M et al.: Outcome of treatment in children with Philadel- phia chromosome-positive acute lymphoblastic leukemia. N Engl J Med 2000; 342: 998–1006.

Dr. Arico, Clinica Pediatrica, IRCCS Policlinico San Matteo, 27100 Pavia, Italien.

Kalzifizierende konstriktive Perikarditis

Behandlung von Kindern mit

akuter lymphatischer Leukämie

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