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NDR Info Podcast 13.02.2021 /19.35-20.00 Uhr STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN 14.02.2021 /12.35-13.00 Uhr Andreas Flocken/Christoph Prössl E-Mail: streitkraefte@ndr.de

www.ndr.de/streitkraefte

Themen:

Zukunftspapier der Bundeswehrführung - ein Hilferuf?

SCHWERPUNKT

Deutsche Marine - kleinste Teilstreitkraft mit großen Ambitionen

SICHERHEITSPOLITISCHE NOTIZEN

- Defender Europe 2021 - Erneute Großübung trotz Corona - Marseille-Kaserne - Warten auf Umbenennung

Abschrift Schwerpunkt

Zur Verfügung gestellt vom NDR

Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede an- dere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.

Flocken:

Die Marine ist die kleinste Teilstreitkraft der Bundeswehr, nach Heer und Luft- waffe. Sie hat rund 16.000 Soldatinnen und Soldaten. An der Spitze der See- streitkräfte gibt es im März einen Wechsel. Dann geht der Marineinspekteur Andreas Krause in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Kai Achim Schön- bach. In den vergangenen Jahren ist viel passiert bei der Marine. Sie hat neue Schiffe und Boote bekommen, zugleich aber sind die Anforderungen deutlich gestiegen. Stichworte sind: Auslandseinsätze und NATO-Verpflichtungen.

Deshalb wollen wir Bilanz ziehen. Wo steht die Marine heute? Wo will sie hin?

Der Titel unseres Schwerpunktes daher: „Deutsche Marine, kleinste Teilstreit- kraft mit großen Ambitionen?“ Christoph, Du hast zu diesem Thema recher- chiert - und vor allem auch ein langes Interview mit dem scheidenden Inspek- teur der Marine, Andreas Krause, geführt...

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Prössl:

Ja, das stimmt. Wir haben gemeinsam Bilanz gezogen in dem Interview. In vol- ler Länge kann man das auch nachhören auf der Internetseite von Streitkräfte und Strategien unter ndr.de/streitkraefte. Dort ist ein Link zu diese diesem In- terview.

Flocken:

Christoph, aber zum Einstieg ein paar Fakten: wie viele Schiffe hat die Marine eigentlich?

Prössl:

Ja, ich habe mich schlau gemacht, und ein bisschen zusammenzutragen, damit man sich ungefähr vorstellen kann, worüber wir heute reden. Es gibt zehn Fre- gatten, über die die Bundeswehr, die Marine, verfügt. Die Fregatte Lübeck wird 2021 außer Dienst gestellt. Außerdem gibt es es zwei weitere der Klasse 125 geben, die jetzt dazu kommen. Das ist immer so ein bisschen in Bewegung.

Deshalb füge ich das jetzt noch mal mit an. Außerdem hat die Bundeswehr fünf Korvetten, fünf weitere sind beauftragt, werden also gebaut - und sie hat sechs U-Boote. Insgesamt gibt es zehn Minenjagd-Boote, drei Einsatzgruppenversor- ger und zwei Tanker. Und dann gibt es noch weitere Hilfsschiffe, die will ich jetzt nicht weiter aufzählen.

Flocken:

Aber das Besondere bei den Tankern ist ja, dass die Besatzung gar keine Sol- daten sind…

Prössl:

Ja, das ist richtig. Das vergisst man oft bei der Bundeswehr oder in diesem Fall dann ja auch bei der Marine, dass es da Zivilbeschäftigte gibt. Und das ist manchmal nicht so ganz einfach bei den Missionen, weil dann die Frage ist, wie die Bedingungen für diese Zivilbeschäftigten sind. Aber so bemüht man sich, die Personallage auch etwas zu entspannen, wenn man hier Zivilbeschäf- tigte anheuert.

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Flocken:

Die deutsche Marine ist aber auch in der Luft präsent. Sie hat nicht nur Hub- schrauber, sondern sie hat auch Aufklärungsflugzeuge - Maschinen, die auch für die U-Boot-Bekämpfung geeignet sind.

Prössl:

Ja, das ist richtig. Es gibt eigene Flugzeuge, P3C Orion, so heißt dieser Flug- zeugtyp. Die wurden von den Niederländern gebraucht gekauft - das sind so- genannte Seefernaufklärer. Die sind auch von der Fähigkeit ziemlich wichtig.

Wir gehen da später noch einmal drauf ein, weil das auch ein ganz interessan- tes Beispiel dafür ist, was falsch laufen kann.

Flocken:

Nun hört man immer wieder, die Flotte sei in den vergangenen Jahren massiv geschrumpft. Zugleich ist von der kleinsten Teilstreitkraft die Rede, also im Vergleich zu Heer und Luftwaffe. Wie klein ist die Marine denn im Vergleich zu den vergangenen Jahren?

Prössl:

Wir können ja den Vergleich mal ansetzen. Seit 1955, also der Gründung der Bundeswehr, habe ich im Internet auch ganz interessante Zahlen gefunden:

Mitte der 80er-Jahre gab es rund 80 Schiffe. Und interessant ist, dass bei die- sen 80 Schiffen jetzt nur die Korvetten, Fregatten, Flugkörper-Schnellboote und U-Boote gezählt wurden. Das heißt, diese ganzen Hilfsschiffe sind gar nicht dabei. Das zeigt, wo wir heute mit den Zahlen stehen. Es gibt 16.000 Soldatin- nen und Soldaten. Damit ist das die kleinste Teilstreitkraft - zum Vergleich:

Beim sind 63.000 und bei der Luftwaffe sind es 27.000.

Flocken:

Wir haben diesen Schwerpunkt überschrieben mit dem Titel „Marine kleinste Teilstreitkraft mit großen Ambitionen“. Deswegen als zweites gleich noch mal die Frage: welche Anforderungen werden oder wurden an die Marine gestellt?

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Prössl:

Ich glaube, es ist der Mix, der es der Bundeswehr im Moment so schwer macht. Also auf der einen Seite gibt es die Einsätze, die zugenommen haben und dann gibt es Manöver, die natürlich regelmäßig abgehalten werden müs- sen und deutsche Schiffe, die auch dafür zu die NATO-Verbände entsendet werden. Insgesamt kann man für die gesamte Bundeswehr beobachten, dass in den vergangenen Jahren die Landesverteidigung wieder wichtiger geworden ist. Und zwar nach der Annexion der Krim 2014. Und das spielt auch auf See eine wichtige Rolle. Bei der Marine wird öfter betont, aber auch in der NATO ist zu hören, dass russische U-Boote beispielsweise in der Nordsee unterwegs sind. Wir kennen das - das ist ein Katz-und-Maus-Spiel: Wir werden nicht ge- sehen, wir gucken mal, ob die NATO uns überhaupt findet. Da gibt es auch immer wieder aktuelle Meldungen, die das immer wieder zeigen und deutlich machen. Und die Marinesoldaten sagen insgesamt: die Belastung ist enorm hoch. Es gibt Fälle, bei denen vor allem betroffen sind - wo Soldaten eben ge- rade nach Hause kommen, ihre Wäsche waschen und dann wieder los müs- sen, weil sie dann sofort wieder in den Einsatz müssen, weil sie unentbehrlich sind, weil die Personaldecke so dünn ist. Darüber habe ich auch mit Vizeadmi- ral Krause gesprochen. Wir hören mal rein:

O-Ton Krause:

„In der Tat ist die Marine tatsächlich derzeit die mit der kleinsten Flotte ausge- stattet, die wir jemals gehabt haben mit einer Vielzahl von Aufgaben. Das hat in der Vergangenheit ja auch alles gut geklappt. Jetzt kam die Landesverteidi- gung, die Bündnisverteidigung hinzu. Und die neuesten Entwicklungen zeigen auch darauf hin, dass wir noch weitere Verantwortung weltweit übernehmen wollen. Die Marine segelt seit 2015 wirklich sehr sehr hart am Wind. Ich versu- che, den Begriff Belastungsgrenze schon ein bisschen zu vermeiden, aber auch unter den Rahmen der Covid-Pandemie und den Problematiken, die wir mit der Instandsetzung haben, ist das ein sehr sportliches Unterfangen, das wir derzeit haben. Wir müssen dringend wachsen.“

Flocken:

Sportliches Unterfangen, Marine segelt hart am Wind, sagt Andreas Krause.

Ich verstehe nicht, warum der Marineinspekteur das Wort „Belastungsgrenze“

vermeiden will - denn Mittel und Aufgaben müssen ja im Einklang stehen, sonst

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kann das Ganze überhaupt nicht funktionieren. Andernfalls kann man von einer Überdehnung sprechen. Und manche Kritiker sehen das durchaus so. Denn die Marine hat viele Missionen, ist viel unterwegs - du hast es eben geschildert.

Und die Marine wird ja nicht nur auf See eingesetzt. Man trifft Marineoffiziere auch in Einsätzen, wo man sie nicht unbedingt vermuten würde: in Afghanistan, in Mali und im Niger werden Spezialkräfte der Marine - und damit auch Kampf- schwimmer - zur Ausbildung ebenfalls eingesetzt. Andere Soldaten beteiligen sich außerdem an Kleinst-Missionen im Südsudan. Ist die deutsche Marine al- so nicht doch am Limit? Mehr geht doch eigentlich gar nicht…

Prössl:

Ja, das interpretiere ich auch so. Aber dieses Wort „Belastungsgrenze“ - Du hast das eben gut ausgeführt - das will Andreas Krause partout nicht in den Mund nehmen. Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass er deutlich machen will, dass die gestellten Aufgaben sehr gut von der Marine durchgeführt werden können. Ich glaube, das kann man auch unterm Strich schon sagen, dass die Marine sehr bemüht ist und wirklich sehr viel umsetzt, was die Politik ihr als Aufgabe gestellt hat. Aber wenn man sich bei vielen Soldatinnen und Soldaten umhört, dann wird auch deutlich, dass das schon jenseits der Belastungsgren- ze ist und man das nicht weiter über Jahre so treiben kann. Aber vielleicht noch ein Beleg dafür, wie hoch die Belastung ist. Ich habe Andreas Krause inter- viewt, und habe ihn auch gefragt, ob die Marine beispielsweise einen neuen Auslandseinsatz übernehmen könnte, neben all den Verpflichtungen, die ja bereits schon übernommen worden sind. Und da sagte Krause nein, Das sei nicht möglich. Wenn ein Schiff entsandt werden müsste, dann müsste die Ma- rine aus irgendeiner anderen Aufgabe heraus.

Flocken:

Und weil es immer neue Aufgaben für die Marine gibt, will die Marine größer werden. Sie will also wachsen, und da ist auch einiges in der Pipeline, wenn ich das mal so sagen darf. Die Marine hat neue Schiffe bekommen - wenn auch mit mehrjähriger Verspätung. Und weitere sind geplant. Du hast bereits einige erwähnt. Da ist die Klasse F125. Insgesamt vier Einheiten sollen es werden.

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Zwei sind bereits in Dienst gestellt worden, fünf neue Korvetten soll es geben, und die Fregatte F126 ist ebenfalls in Auftrag gegeben worden...

Prössl:

Ja, genau das ist richtig. Es sind viele neue Schiffe bei der Marine oder eben beauftragt oder werden gerade geschweißt. Und ich finde das ganz interes- sant, auch vor dem Hintergrund, was wir vorhin im Zusammenhang mit dem Positionspapier der Bundeswehr besprochen haben - weil da für mich schon deutlich wird, dass hier ist über Jahre so viel gespart worden ist. Und jetzt sind die Aufgaben auf einmal so schnell größer geworden, dass es diese Probleme gibt. Vor allem muss man sich vergegenwärtigen, dass zehn Fregatten sich erst einmal viel anhören - aber die Frage ist ja immer: wie viele kann ich denn davon jetzt in den Einsatz schicken? Und da gibt es eine grobe Daumenregel in der Marine, und die lautet: ein Drittel der Schiffe ist in der Werft, ein Drittel in der Ausbildung und dann bleibt nur noch ein Drittel der Schiffe, die ins Manöver bzw. in einen Einsatz geschickt werden können. Was eben schon so ein biss- chen anklang, aber das muss man vielleicht auch noch einmal erwähnen: Bei den Korvetten, ja, auch bei den Fregatten ist inzwischen irgendwie alles gere- gelt. Aber es gibt massive Probleme bei den Tankern. Das sind im Moment noch Einhüllentanker. Das sind uralte Schiffe, die Indienststellung erfolgte1977, und Sicherheitsstandards werden da gar nicht mehr eingehalten, die heute ei- gentlich die Regel sind. Heute werden Zweihüllentanker gebaut, also Doppel- hüllentanker, um bei einer Havarie sicherzustellen, dass kein Öl austritt. Und es gibt in der Tat schon Häfen, die sagen: Solche Schiffe - bei uns bitte nicht. Das zeigt, da gibt es noch viel Nachholbedarf.

Flocken:

Du hast den Nachholbedarf angesprochen. Du hast aber auch die neuen Ein- heiten angesprochen, die die Marine bekommen wird. Aber eins muss man doch sehen: Man bekommt zwar neue Schiffe, aber was nützen die vielen Schiffe, wenn es an qualifiziertem Personal hapert? Denn die ganze Bundes- wehr, das bezieht sich nicht nur auf die Marine, hat ja ein riesiges Personal- problem. Und das gilt insbesondere für die Marine. Wir haben in der NDR Info- Sendereihe Streitkräfte und Strategien immer wieder darüber berichtet. Es

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heißt immer wieder, hier in Norddeutschland, in den Küstenländern sei alles bereits „abgegrast“ - deswegen versuche man auch Bewerberinnen und Be- werber aus Süddeutschland zu gewinnen. Und bereits jetzt sind doch auch bei der Marine zahlreiche Dienstposten nicht besetzt. Das hat der Wehrbeauftragte jüngst beklagt. Und trotzdem soll es weitere Dienstposten geben, obwohl die bestehenden nicht besetzt werden können. Das kann doch gar nicht funktionie- ren, oder?

Prössl:

Nein, das ist meiner Meinung nach ein großes Delta, da fehlt Personal. Klar, Andreas Krause selbst sagt das nicht. Er sagt, man sei mit der Personallage zufrieden. Vielleicht muss man da auch noch in die Zukunft schauen, wenn jetzt die zwei weiteren Fregatten kommen. Das sind Fregatten, die haben einen sogenanntes Mehrbesatzungskonzept...

Flocken:

…was heißt Mehrbesatzungskonzept?

Prössl:

…dabei geht es darum, dass ich diese Schiffe sehr lange im Einsatz stehen lassen kann - also bis zu zwei Jahren und dass dann die Besatzung ausge- wechselt vor Ort wird. Also nehmen wir mal ein Beispiel: eine Fregatte fährt ins Mittelmeer und kann sich dort länger an einem Einsatz beteiligen. Technisch ist das alles möglich. Das Schiff muss zwischendurch nicht mehr in die Werft oder überholt werden. Und um die Besatzung dann nicht zwei Jahre unten im Mit- telmeer rumschippern zu lassen, das ist einfach nicht zumutbar, würde man sie dann nach ein paar Monaten austauschen. Und das kann man wiederholen, weil man sagt, diese Schiffe sind jetzt so genormt, dass jedes Schiff in der Handhabung dem anderen sehr ähnelt. Und mit Einführung des Mehrbesat- zungskonzepts - das ist dieser Begriff - kann die Besatzung durchgetauscht werden. Eine Besatzung ist nicht mehr automatisch mit einem Schiff verbun- den, wie es bislang der Fall war.

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Flocken:

Aber bekommt man so mehr Personal und kann das Personalproblem so wirk- lich lösen?

Prössl:

Nein, das glaube ich nicht. Genau das ist der Punkt. Ich vermute, dass das Personalproblem erst einmal eher größer wird, weil das Schiff ja dann auch länger im Einsatz steht und ich dadurch auch mehr Personal brauche, das dann auch trainiert werden muss, etc. und ich daher mehrere Besatzungen für die Schiffe brauche. Es reicht dann nicht nur ein Schiff, eine Besatzung - son- dern, ich muss austauschen können. Da gibt es Transferzeiten etc. Also, ich brauche wieder mehr Leute. Und da wird es, glaube ich, in den nächsten Wo- chen und Monaten interessant. Die Frage ist, wie sich das für die Marine ge- staltet.

Flocken:

Man hört ja auch immer wieder, dass Experten, z.B. Sonarexperten etc. fehlen.

Ich habe gehört, dass auch das Mehrbesatzungskonzept nur teilweise funktio- niert, weil dann der eine oder andere Experte doch wieder in den Einsatz muss, obwohl er gerade im Einsatz war - weil der andere Experte dann doch nicht vorhanden ist.

Prössl:

Genau, das ist das, was ich eben meinte mit Wäschewaschen. Also, der kommt nach Hause, wäscht einmal die Wäsche durch, sagt seiner Familie „Hal- lo“ und dann wird er wahrscheinlich auch schon wieder in den Einsatz ent- sandt.

Flocken:

Und man muss, glaube ich, auch sehen, dass es schwierig ist, junge Leute ge- rade für die Marine zu gewinnen Denn so ein Einsatz auf See dauert inzwi- schen sechs Monate. Früher waren es vier. Und junge Leute wollen ja gerne online sein - das wird hier auf See extrem schwierig.

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Prössl:

Ja, absolut. Ich glaube, dass auch dazu kommt, dass auf See die Arbeitszeit- richtlinie etc. nicht eingehalten werden. Man muss wirklich Lust haben, zur See zu fahren, dieses Abenteuer annehmen - und das ist vielleicht nicht jeder- manns Sache.

Flocken:

Christoph, ich will noch mal auf die Seefernaufklärer zu sprechen kommen.

Das ist ja auch so ein Problemfall. Du hast es bereits angedeutet, wir haben eben über die Orion gesprochen. Die Deutsche Marine hat vor einigen Jahren acht gebrauchte Maschinen von der niederländischen Marine übernommen.

Aber dieser Kauf, der war wohl, das kann man jetzt rückwirkend sagen, viel- leicht ein Fehlkauf. Denn die Marineflieger sind alles andere als zufrieden mit diesem Flugzeug. Die Marinesoldaten sind bereits happy, wenn sie gerade mal zwei dieser acht Maschinen in die Luft bekommen. Und selbst das ist keine Selbstverständlichkeit. Zuletzt soll sogar keine Maschine mehr einsatzbereit gewesen sein, obwohl diese Maschine für einen Auslandseinsatz vorgesehen ist…

Prössl:

Ja, das ist richtig. Also von den acht Maschinen ist der Zustand so desolat, dass es eine Zeitlang so war, dass keine Maschine einsatzbereit war. Das ist natürlich bitter, weil diese Maschinen gern in den Auslandseinsatz geschickt worden wären. Sie wird also gerne angefordert und die Bundeswehr schickt auch gerne diese Flugzeuge, weil das keine Kampfeinsätze sind, sondern See- raumüberwachung. Da hat man die Kapazität. Die Maschinen schickt man auch gerne - das passt eben auch politisch.

Flocken:

Die Truppe ist genervt, weil diese Seefernaufklärer nur bedingt einsatzfähig sind. Außerdem liegen Marineschiffe inzwischen immer länger in der Werft, weil sie alt sind und dringend benötigte Ersatzteile fehlen. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die Marineführung bei Missionen und den Aufträgen immer wieder draufsattelt. Die Frage ist für mich immer noch: Warum sagt die Marine-

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führung gegenüber der Politik nicht auch mal: „Nein, die Mission können wir nicht übernehmen, weil wir keine Kapazitäten mehr haben.“ Kritiker sagen auch, eigentlich hätte man zum Beispiel die Seefernaufklärer für die Mission zur Überwachung des Libyen-Embargos gar nicht zur Verfügung stellen dürfen.

Wie ist denn der scheidende Marineinspekteur Andreas Krause mit diesem Problem umgegangen? Die Anforderungen, die Aufträge durch die Politik an die Marine steigen – obwohl man nur bedingt das dafür benötigte Material hat.

Das ist doch erst einmal ein Widerspruch.

Prössl:

Ja, ich glaube, das ist die Arbeitsplatzbeschreibung eines Inspekteurs, der ge- nau in dieser Rolle steckt, dass er das, was er auf dem Hof stehen hat, ein- satzbereit halten muss - so gut das eben geht, das Personal trainiert halten muss und dass man dann schauen muss, möglichst viele Anforderungen der Politik erfüllen zu können. Also, dass Training, Manöver, Ausbildung, alles stattfindet und darüber hinaus eben noch die ganzen Auslandseinsätze. Aus der Truppe ist schon öfter mal Genörgel zu hören. Aber der Inspekteur hält sich da eher zurück. Interessant wäre natürlich zu erfahren, wie ist das, wenn er beispielsweise mit dem Generalinspekteur zusammensitzt. Oder wie ist das, wenn er mit der Ministerin spricht oder die Ministerin ihn vielleicht sogar fragt, was geht denn eigentlich noch? Oder was müssen wir jetzt wirklich dringend finanzieren? Insofern große Zurückhaltung von Seiten der Inspekteure insge- samt. Es wäre auch interessant, wenn man mal auf die anderen schaut. Ich nehme mal Karl Müllner raus, der war ja bis zum Mai 2018 Inspekteur der Luft- waffe. Das ist eine ganz interessante Persönlichkeit, weil er gerade zum Ende seiner Dienstzeit auch gerne Interviews gegeben hat, die dann, euphemistisch ausgedrückt, für großen Ärger im Ministerium gesorgt haben. Zum Beispiel hat er gesagt…

Flocken:

…er wollte das F35-Kampfflugzeug haben, richtig?

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Prössl:

Genau. Er wollte ein richtig schönes Flugzeug haben, die F35, Tarnkappen- flugzeug der USA. Kostet viel Geld, ist die neueste Generation von Kampfjets - dafür hat er sich sehr deutlich ausgesprochen. Da gab es auch sehr viel Krach hinter den Kulissen. Da ist die Frage, hat er das tun können, weil er gerade in den letzten Monaten seiner Amtszeit war? Er ist vielleicht auch ein anderer Charakter, der dann schon mal Widerstand hervorrufen möchte und vielleicht auch ein Interview nutzt, um weiterzukommen in den Gesprächen.

Flocken:

Aber verstehe ich Dich richtig: es geht vor allem ums Geld und um die Mittel?

Die Marine ist ja die kleinste Teilstreitkraft, 16.000 Soldatinnen und Soldaten.

Wie ist denn Dein Eindruck nach den Gesprächen mit den Marineangehörigen?

Wird die Deutsche Marine auch vor diesem Hintergrund möglicherweise den Kürzeren ziehen, wenn es um Verteilungskämpfe mit der Luftwaffe geht? Wir haben das riesige Projekt FCAS, das Luftkampfsystem, was möglicherweise hundert Milliarden Euro kosten könnte. Zwar erst am Zeitstrahl bis 2040. Aber da bleibt doch die Frage: wo bleibt dann die möglicherweise die Marine als kleinste Teilstreitkraft? Wird sie möglicherweise den Kürzeren ziehen?

Prössl:

Das finde ich total schwer zu bewerten. Ich habe schon den Eindruck, da gibt es jetzt Korvetten, es gibt jetzt neue Fregatten, das MKS 180. Ich habe gelernt, die offizielle Bezeichnung lautet jetzt F126. Da ist viel Geld geflossen. Aber das reicht eben immer noch nicht. Ich habe auch mit Marco Thiele vom Bundes- wehrverband gesprochen. Er ist dort zuständig für den Bereich Marine. Wir hö- ren mal rein:

O-Ton Thiele:

„Wir, die Marine ist sich im klaren darüber, dass die Flottendienstboote, die schon recht alt sind, die sind aus der Zeit des Kalten Krieges, unsere beiden Tanker, die dringend ersetzt werden müssen, das dauert einfach alles lange, bis es neu zuläuft. Das hat der ehemalige Wehrbeauftragte Dr. Bartels schon mehrfach angemahnt. Und ich frage mich allen Ernstes, ob nicht mal langsam rangehen möchte, das zu ändern? Das Problem liegt nicht darin, zu definieren,

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was wir brauchen, sondern das umzusetzen, was wir dann anschließend in Auftrag geben.“

Flocken;

Also das heißt, die Aufgaben der Marine sind eigentlich klar definiert, sie sind auch nicht strittig. Aber ein Problem ist es immer dann, wenn es darum geht, die dringend benötigten Mittel bereit zu stellen. Als Beispiel wird dann schnell die Fähigkeit zur Seefernaufklärung aus der Luft aufgeführt – mit diesen alten Flugzeugen vom Typ Orion. Da gib es bei der Marine die Besorgnis, weil die- ses Flugzeug kaum noch einsatzfähig ist, dass diese Fähigkeit möglicherweise verloren gehen könnte - weil dieser Flieger marode ist und es dafür möglicher- weise keinen adäquaten Ersatz gibt, weil die Mittel nicht vorhanden sind.

Prössl:

Ja, genau. Da muss man noch einmal etwas ausholen. Wir haben das auf NDR Info auch mehrfach berichtet, auch für Streitkräfte und Strategien, da gibt es die alte P3C Orion vom US-Hersteller Lockheed und die Bundeswehr hat diese Maschinen 2004 von den Niederländern gekauft. Die waren in einem ziemlich schlechten Zustand. Das waren insgesamt acht Stück und die sollten instand- gesetzt werden, die sollten zum Beispiel neue Flügel bekommen. Das ist nichts ungewöhnliches, wenn das Material alt ist, muss das bei Flugzeugen durchge- führt werden. Da gab es Aufträge, dass das ganze bis 2023 durchgeführt wird.

Dazu sollten technische Geräte ausgetauscht werden und die Schwierigkeit bestand darin, dass diese Arbeiten in Deutschland durchgeführt werden sollten - nicht in den USA, wo der Hersteller sitzt. Das heißt, der Hersteller hat diese Flügel zwar geliefert, die sind zu Airbus gekommen, und in Deutschland klapp- te das mit dem Dranschweißen nicht. Da ging es schon los, dass das länger dauerte und und und. Dann sind zuletzt alle Maschinen ausgefallen. Vielleicht muss man auch noch sagen, warum wir diese Maschinen gerade so brauchen:

Die sind zur U-Boot-Jagd so wichtig. Es gibt in der NATO nicht so viele Natio- nen, die diese Maschinen betreiben. Deutschland hat dort auch Fähigkeiten angemeldet. Das heißt, da gibt es eine gewissen Bündnisverpflichtung. Im Nordatlantik braucht man ein klares Lagebild, man muss wissen, wo möglich- erweise russische U-Boote sind. Das ist eine Grundregel: als Kommandeur schicke ich meine Schiffe nicht ein Seegebiet, in dem möglicherweise russi-

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sche U-Boote sind oder wenn, dann will ich zumindest wissen, wo. Jetzt gibt es ein neues Projekt mit Frankreich, das ist angeschoben worden, aber bis dahin schaffen es diese P3C Orion nicht. Das heißt, man muss eine Zwischenlösung finden, eine Anschaffung angehen.

Flocken:

Wie könnte die aussehen diese Zwischenlösung? Wie sieht denn der Marinein- spekteur, Andreas Krause, das Problem mit diesen altersschwachen Seefern- aufklärern?

Prössl:

Auch darüber habe ich mit ihm gesprochen. Wir hören rein:

O-Ton Krause:

„Es besteht aber eindeutiger Konsens darüber, dass wir auf die Fähigkeit der Seefernaufklärer nicht verzichten wollen. Es werden derzeit Alternativen unter- sucht, die als Übergangslösung genutzt werden bis wir in das Programm

„MAWS“ – Maritime Airborne Warfare System – gemeinsam mit Frankreich einsteigen. Und da gibt es verschiedene Optionen, und die werden derzeit un- tersucht. Ich gehe davon aus, dass dann zu gegebener Zeit eine Entscheidung dann auch getroffen wird, wenn wir nicht in eine Fähigkeitslücke rein laufen wollen.“

Flocken:

Und was heißt das, eine Fähigkeitslücke? Was meint er damit konkret?

Prössl:

Fähigkeitslücke meint, man muss das durchrechnen. Das Projekt ist abgebro- chen worden. Das heißt, diese Maschinen können noch genutzt werden, wenn es gut läuft, bis 2025. Das heißt, bis 2025 kann das Personal mit diesen Ma- schinen fliegen, diese instandsetzen, sich daran ausbilden. Und wenn man dann 2025 feststellt, die Maschine fliegen nicht mehr, sie bleiben am Boden – wenn es dann heißt, jetzt warten wir zehn Jahre bis 2035 weil wir keine Ma- schinen haben, dann geht diese Fähigkeit verloren. Will heißen, das Personal kann nicht fliegen, das Personal kann nicht die nötigen Flugstunden absolvie- ren, die Systeme an Bord nutzen. Da sitzen zehn Leute drin, da geht es um

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Aufklärung, da geht es um Waffen, um Torpedos, die man abwerfen kann, da geht es um Sonarbojen, die gesetzt werden. Das muss man alles üben, das muss man in Manövern immer wieder durchspielen. Wenn das nicht passiert, ist diese Fähigkeit verloren. Das ist das, was der Marineinspekteur meint.

Flocken:

Aber über Fähigkeitslücken klagen doch auch alle anderen Teilstreitkräfte – also das Problem hat doch nicht nur bei der Marine. Da ist die Luftwaffe, die sagt, wir brauchen dringend einen Nachfolger für den Eurofighter oder einen Nachfolger für den CH53 Helikopter. Wir haben im letzten Podcast ausführlich darüber gesprochen. Die Teilstreitkräfte konkurrieren dann immer um begrenz- te Finanzmittel und begründen das immer mit Fähigkeitslücken, die sich da auf- tun.

Prössl:

Absolut richtig, so ist es. Fähigkeitslücke ist das Zauberwort für Mängel.

Flocken:

Aber noch einmal zurück zur Marine, Christoph. Es gibt noch keine Klarheit, wie die Nachfolge für den Seefernaufklärer genau aussieht. Wird es denn noch vor der Bundestagswahl eine Entscheidung geben?

Prössl:

Es gibt viele, die sagen, es muss vor der Bundestagswahl noch entschieden werden, sonst passt das nicht mehr. In der Bundeswehr selber, in der Marine, gibt es eine klare Präferenz für die Boeing P8. Das ist ein System, das schon am Markt eingeführt ist. Die Briten haben es auch gekauft - also da könnte man relativ schnell Maschinen erwerben. Jetzt ist die Frage, wo kommt das Geld her, ist das Geld schon bereitgestellt worden? Es waren ja gerade Haushalts- verhandlungen, gerade ist auch den Haushalts-Politikern eine Liste überreicht worden vom Ministerium, die ist allerdings nicht öffentlich. Und auf dieser Liste standen alle Vorhaben, die jetzt in der nächsten Zeit angeschafft werden sol- len. Da gibt es die sogenannten 25 Mio.-Vorlagen, also Vorlagen, die dem Par- lament zur Zustimmung vorgelegt werden müssen. Alle Beschaffungen über 25

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Millionen Euro müssen erwähnt werden, müssen mit so einer Vorlage ins Par- lament. Jetzt ist klar, das ist in dieser Liste drin, aber nicht unter dem Punkt 25 Mio Vorlage. Das heißt, da steht einfach nur „Finanzierung ist noch nicht sicher gestellt“. Da ist die Befürchtung in der Bundeswehr groß, da steht viel unter diesem Punkt. Das ist das Problem, das man gern ändern würde.

Flocken:

Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn der Marine diese Fähigkeit zur See- fernaufklärung verloren gehen würde? Man könnte doch auch sagen, das kann doch im Bündnis arbeitsteilig gemacht werden. Die Aufgabe könnte zum Bei- spiel von Bündnispartnern mitübernommen werden. Zum Beispiel von den Bri- ten, auch wenn das eine Mangelressource ist. Es ist immer die Rede von Ar- beitsteilung im Bündnis, von Pooling und Sharing. Das ist doch auch ganz klar:

eine Nation kann schon längst nicht mehr alle militärischen Fähigkeiten auf- rechterhalten. Und schon gar nicht, wenn man durchhaltefähig sein will. Das kann doch gar nicht funktionieren. Bei den Rüstungsprojekten in Europa geht man ja auch diesen Weg – Multinational ist angesagt. Wir haben ja den Trans- portflieger A400M, das war mulinational, Eurofighter, auch multinational. Also warum eine nationale Lösung bei dem Seefernaufklärer? Das ist doch gar nicht notwendig. Aber, das muss man auch sagen: Deutschland und Frankreich ar- beiten bereits an einem Nachfolgesystem, bilateral wenn man so sagen kann.

Prössl:

Ja, absolut. Bilateral wird daran gearbeitet. Ich finde die Idee schon richtig und wir erinnern uns: es gibt ein Transportkommando auf NATO-Ebene – außer- dem ein europäisches Kommando, das in Eindhoven verortet. Bei diesem Kommando können Mitgliedsländer Transportkapazitäten anmelden. Das ist wie eine Börse, weil das eine rare Ressource ist. Das heißt, wenn ein französi- scher Flieger beispielweise nach Mali fliegt, die Deutschen wissen, wir wollen was aus Mali zurück nach Europa bringen, dann müssen nicht eine eigene Maschine hinschicken, sondern wir können französische Kapazitäten auf dem Rückweg nutzen - dann wird das dort gemakelt. Genau so etwas kann man sich natürlich vorstellen auf NATO-Ebene oder auf europäischer Ebene. Mein Eindruck ist, dass die Kapazitäten insgesamt für Seefernaufklärung sehr gering

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sind und die Angst bei der Bundeswehr groß ist, wenn man wartet bis 2035, bis das neue deutsch-französische Flugzeug kommt, dass bis dahin diese Fähig- keit verloren gegangen ist. Entweder man müsse die neu aufbauen oder die Deutschen sagen „gut, dann fliegen jetzt die Franzosen damit und wir haben diese Fähigkeiten nicht mehr. Und wenn wir sie brauchen, dann fordern wir sie auf europäischer- oder NATO-Eben an“. Kann man drüber nachdenken, aber es ist klar, dass es da Widerstände gibt bei der Bundeswehr, bei der Marine.

Die wollen das gern erhalten.

Flocken:

Ich will noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Rüstungspolitik ist ja zugleich auch immer Industriepolitik, es geht auch um Arbeitsplätze. Dieser Sachverhalt spielt auch bei der Marine eine große Rolle. Das letzte große Ma- rine-Rüstungsprojekt MKS wurde international ausgeschrieben. Die Abkürzung MKS steht für Mehrzweckkampfschiff. Der Zuschlag ging an die niederländi- sche Dahmen-Werft. Das sorgte bei der deutschen Werftindustrie für große Empörung. Und künftig sollen Marineschiffe für die Deutsche Marine nur noch national ausgeschrieben werden.

Prössl:

Das ist ein Riesen-Thema. Dazu haben wir auch viel zu gemacht, weil das in Norddeutschland eine große Rolle spielt. Der Punkt war, dass es diese Aus- schreibung gegeben hat und dann hat doch für viele überraschend die nieder- ländische Werft gewonnen. Die haben zwar Lürssen mit im Boot und sagen immer, viel Arbeit wird auch in Deutschland erledigt. Aber in der Schiffbauin- dustrie, heißt es, es geht nicht darum zu schweißen, das kann jeder, sondern es geht darum, so ein riesiges Projekt zu managen. Das ist wahnsinnig kom- plex, die ganzen Waffensysteme da rein zu nehmen, Aufklärung und und und.

Das ist für jede Werft ein Schaufenstermodell, wenn man sagen kann, wir kön- nen solche enormen Milliarden-Projekte stemmen. Wir können diese ganzen Zulieferer koordinieren und wir können das technisch alles bewältigen. Weil das jetzt eben in die Niederlande gegangen ist, haben die Politiker, gerade aus dem Norden, da haben die Bundestagsabgeordneten gesagt, so geht es nicht:

Wir haben hier bei uns im Wahlkreis ziemlich viele Werften, wir hätten den Auf-

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trag gerne gehabt, wir hätten dieses Know-how auch gern in Deutschland be- halten, um möglicherweise für den Export Schiffe bauen zu können. Dann gab es viel Druck, dann ist beschlossen worden, dass der Überwasserschiffbau zur Schlüsseltechnologie definiert werden soll. Das klingt ziemlich abstrakt, heißt aber, die Bundesregierung kann sagen: wir bauen jetzt Marineschiffe, wir brau- chen die - also schreiben wir die jetzt nicht mehr europäisch aus, sondern wir schreiben die nur noch in Deutschland aus. Das Interessante dabei ist, dass ich immer wieder bei Andreas Krause, dem Marineinspekteur wahrgenommen habe, dass die Marine das nicht für notwendig erachtet und es dort den Stand- punkt gibt, wir bekommen gute Schiffe, wenn wir die ausschreiben, wenn Wett- bewerb herrscht. Ich habe auch im Interview mit ihm drüber gesprochen. Wir hören mal rein:

O-Ton Krause:

„Die Ausschreibung, die wir bei beim MKS-Projekt - jetzt Fregatte 126, seit dem 1. Januar heißt das Projekt jetzt offiziell Fregatte 126 – ich war ein überzeugter Anhänger dieser internationalen Ausschreibung, weil ich es durchaus auch als einen – nennen wir es mal – Weckruf für die deutsche Werftindustrie verstan- den habe. Ob das in Zukunft so weitergehen wird - das ist eine politische Ent- scheidung. Mit der Diskussion, die wir derzeit haben, und auch der Entschei- dung zu den maritimen Schlüsseltechnologien - auch dem Überwasserschiff- bau - gehe ich davon aus, dass wir nicht mehr international ausschreiben wer- den. Was aber nicht heißt, dass wir nicht mehr ausschreiben werden, sondern es werden dann nationale Ausschreibungen erfolgen. Und hier muss sich die Industrie dann doch nach dem Angebot strecken, um eben auch das beste An- gebot abgeben zu können.“

Flocken:

Ich kann das schon verstehen: eine rein nationale Ausschreibung kann nicht im Interesse der Marine sein, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich kann die Position und die Skepsis des Marineinspekteurs durchaus verstehen. Er will zu guten Konditionen pünktlich seine Schiffe haben. Das ist ja leider bisher nicht der Fall gewesen.

Prössl:

Genau das ist der Punkt. Es ist auch meine Einschätzung, man kann den In- spekteur verstehen. Ich kann auch die norddeutschen Abgeordneten verstehen

(18)

und die Politik – ich finde, es ist eine total schwierige Frage, wie man das ma- chen soll.

Flocken:

Ich möchte noch einmal zu den Belastungen der Deutschen Marine zurück- kommen. Die Deutsche Marine operiert am Limit, die Belastungsgrenzen sind zurzeit erreicht, wenn nicht sogar überschritten. So würde ich das sehen. Zu- gleich plädiert die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer für eine deut- sche Marinepräsenz im Indo-Pazifik - zusammen mit anderen europäischen Marineeinheiten. Der Hintergrund ist, dass man dort auch gegenüber China Flagge zeigen will. Politisch kann man das alles durchaus nachvollziehen. Er- staunlich ist aber, dass der scheidende Marineinspekteur sich ebenfalls ganz klar und deutlich zu einer solchen Präsenz bekennt. Angesichts der begrenzten Kapazitäten passt das doch nicht richtig zusammen. Denn Europa und die Ost- see sind doch die Haupteinsatzgebiete und Haupteinsatzszenarien für die Deutsche Marine. Was treibt da Andreas Krause? Warum ist der für den Ein- satz im Indo-Pazifik? Erhofft er sich weitere Mittel, neue Schiffe oder geht es allein ums Prestige?

Prössl:

Wir haben ihn am Anfang gehört – in dem O-Ton. Mein Eindruck ist, dass es darum geht, die Position Deutschlands in der Welt zu vertreten, dass der Han- del gesichert werden muss, dass man in der Region Präsenz zeigen muss. Ich kann das nur bedingt nachvollziehen, weil ich glaube, dass man eine Arbeitstei- lung haben müsste. Amerika hat das schon unter Obama klargemacht, dass er in diesem Raum Indo-Pazifik, südchinesisches Meer, Flagge zeigen will. Da war auch der Deal mit drin, dann müsst ihr Europäer euch aber auch stärker um die Region bei euch kümmern - also Nordafrika, Syrien, Libyen, Mittelmeer etc. Das ist für mich schlüssig. Deswegen kann ich nicht nachvollziehen, wa- rum er da ein Schiff entsenden will. Klar - auch für die Partner ist es immer ein Signal, wenn ein Schiff im Hafen einläuft. Aber es ist ein Schiff, wir schicken keinen Flugzeugträger. Und ich frage mich, ob das dann nicht auch eher belä- chelt werden könnte.

(19)

Flocken:

Nachfolger von Andreas Krause als Marineinspekteur ist Kay-Achim Schön- bach. Er wird in im kommenden Monat Marineinspekteur. Wofür steht er? Wird er auch eigene Akzente setzen oder wird es unter ihm ein „weiter so“ geben?

Oder wird er Kurs halten?

Prössl:

Ich glaube, ein „weiter so“ bestimmt nicht. Ich glaube, das ist keine einfache Situation, in der er an die Spitze kommt. Es ist eine ganz interessante Persön- lichkeit. Ich habe ihn selber schon getroffen an der Marineschule in Mürwik. Da war er Kommandeur. Wir haben uns getroffen und über das Thema Tradition in der Marine gesprochen. Er ist dann nach seiner Zeit an der Marineschule Mürwik stellvertretender Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Ministerium geworden. Das heißt, er ist jemand, der sehr gute Drähte in die Politik hat. Das könnte für ihn auch hilfreich sein bei den vielen Aufgaben, die anstehen. Wobei man auch sagen muss, Offiziere in diesen Dienstgraden, die haben alle ir- gendwann im Ministerium gearbeitet. Er gilt als ziemlich traditionsbewusst, das habe ich selber auch erfahren. Er hat schon ein starkes empfinden für bei- spielsweise die ganze Tradition an der Marineschule in Mürwik. Und man muss sagen, er ist relativ jung, 55 Jahre. Da hat sich schon der eine oder andere die Frage gestellt, wie lange er an der Spitze sein wird - und vor allen Dingen, wel- che Aufgabe er danach noch machen kann. Ich habe dazu auch länger mit Heinz Dieter Jopp gesprochen. Er war Marineoffizier, Marineflieger und be- schäftigt sich noch immer mit Sicherheitspolitik und Bundeswehr, schreibt Bü- cher und mit ihm habe ich auch den Ausblick besprochen:

O-Ton Jopp:

„Der alte Inspekteur, so wie seine Kameraden von Luftwaffe und Heer, haben letztlich immer versucht, das dann zum Laufen zu bringen, was ihre Vorgänger irgendwann entschieden haben. Das heißt, das Beschaffungsdickicht ist ein ziemlich unentwirrbares. Hier bleibt die Hoffnung, dass der neue Inspekteur mit den neuen geostrategischen Herausforderungen endlich Klartext spricht. Das heißt, versucht, auch deutlich abzuleiten, warum die deutsche Marine sowohl im NATO-Gebiet Nord- und Ostsee als auch im Mittelmeer und gegebenenfalls in Zukunft im Indischen Ozean einzusetzen ist. Hierzu brauchen wir eine

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Grundsatzentscheidung, die auch vom Parlament mitgetragen wird, um dann vernünftige Forderungen für zukünftige Waffensysteme zu stellen.“

Prössl:

Ich glaube, das ist gut deutlich geworden, darüber haben wir gesprochen, dass es genau dieses Spannungsfeld ist, was kann die Marine? Was soll die Mari- ne? Und das es diese zeitliche Verzögerung gibt, zwischen den Entscheidun- gen wir bauen Fregatten, aber dass die dann in geraumer Zeit erst zur Verfü- gung stehen. Das ist ziemlich zentral bei diesem Thema, wenn gleich es auch ein bisschen banal klingt.

Flocken:

Die kleinste Teilstreitkraft der Bundeswehr hat große Ambitionen. Danke Chris- toph für Deine Recherchen zur Marine. Das aufschlussreiche Interview mit dem scheidenden Marineinspekteur Andreas Krause steht auf der Internetseite von Streitkräfte und Strategien unter ndr.de/streitkraefte. Dort kann das fast 40 Mi- nuten lange Gespräch heruntergeladen werden.

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