MUSIK FEST
BERLIN
In Zusammen arbeit mit
# MusikfestBerlin
8.9.
2021
Collegium Vocale Gent Philippe Herreweghe
Don Carlo Gesualdo da Venosa
MUSIK FEST BERLIN
28.8.–
20.9.
2021
In Zusammenarbeit mitBildnachweise
S. 13 Igor Strawinsky und Robert Craft im Innenhof des Schlosses von Don Carlo Gesualdo da Venosa, 1956
Foto: Anonym (https://it.wikipedia.org/wiki/File:
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Bitte beachten Sie, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind.
Das Konzert wird von Deutschlandfunk Kultur am 8. September 2021 um 17:00 aufgezeichnet
und zeitversetzt am selben Tag um 20:03 übertragen.
Deutschlandfunk Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, bundesweit über Satellit, DAB+ und über Livestream auf
deutschlandfunkkultur.de zu empfangen.
Das Konzert wird außerdem von der Digital Concert Hall am 8. September 2021 um 20:00 live gestreamt.
Als Aufzeichnung können Sie das Konzert vom 9. September 2021 an auf Musikfest Berlin on Demand abrufen.
Mehr Informationen dazu finden Sie auf berlinerfestspiele.de/musikfest-ondemand.
Auch der dazu notwendige Festivalpass ist dort erhältlich.
Programm
S. 4Texte
S. 6Bernhard Schrammek
O schmerzensvolle Freude!
S. 10Aldous Huxley
Über Gesualdo
S. 12Musikfest Berlin 2021 – Digitale Angebote
Künstler*innenbiografien | Musikfest Berlin on Demand
S. 15Musikfest Berlin 2021 im Radio und online
S. 16Musikfest Berlin 2021 Programmübersicht
S. 18Impressum
S. 20MUSIKFEST BERLIN 2021
Mittwoch
8. September 17:00 Uhr &
21:00 Uhr
Mi / Wed, 8.9.
17:00 & 21:00
Philharmonie, Kammermusiksaal
Collegium Vocale Gent
Pietro Paolo Melli
( 1579 – ca. 1629)Il Carlino – Capriccio Cromatico
( instr.)Don Carlo Gesualdo da Venosa
( 1566– 1613 )Madrigali a cinque voci, Libro quinto
( 1611) I Gioite voi col cantoII S’io non miro non moro III Itene, o miei sospiri IV Dolcissima mia vita
Alessandro Piccinini
( 1566 – ca. 1638 )Ricercare Primo
( instr.)Don Carlo Gesualdo da Venosa
Madrigali a cinque voci, Libro quinto
V O dolorosa goiaVI Qual fora, donna VII Felicissimo sonno
Alessandro Piccinini
Toccata Cromatica III & VI
(instr.)Don Carlo Gesualdo da Venosa
Madrigali a cinque voci, Libro quinto
VIII Se vi duol il mio duoloIX Occhi del mio cor vita
X Languisce al fin chi da la vita parte XI Mercè grido piangendo
PROGRAMM
PROGRAMM
Die Igor Strawinsky und Carlo Gesualdo gewidmeten Gastspielkonzerte am 31. August, 6., 8., 13. und 15. September werden gefördert
aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds und der Aventis Foundation.
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin.
Alessandro Piccinini
Passacaglia
( instr.)Don Carlo Gesualdo da Venosa
Madrigali a cinque voci, Libro quinto
XIV Asciugate I begli occhiXV Tu m’uccidi, o crudele XIX O tenebroso giorno XXI T’amo, mia vita
Collegium Vocale Gent Miriam Allan
SopranBarbora Kabátková
MezzosopranMarine Fribourg
AltBenedict Hymas
Tenor ITore Tom Denys
Tenor IIJimmy Holliday
BassThomas Boysen
ChitarronePhilippe Herreweghe
LeitungPROGRAMM
TEXTE
Don Carlo Gesualdo da Venosa
Madrigali a cinque voci.
Libro quinto
I Gioite voi col canto
Gioite voi col canto, Mentre piango e sospiro,
Nè dal mio lagrimar punto respiro.
Ahi, misero mio core, Nato sol al dolore;
Piangi, ma piangi tanto Che vinta dal tuo pianto
Sia la mia donna e poi rivedi in lei Gli affanni e i dolor miei.
II S’io non miro non moro
S’io non miro non moro, Non mirando non vivo;
Pur morto io son, nè son di vita privo.
O miracol d’amore, ahi, strana sorte, Che ‘l viver non fia vita, e ‘l morir morte.
III Itene, o miei sospiri
Itene, o miei sospiri, Precipitate ‘l volo
A lei che m’è cagion d’aspri martiri.
Dítele, per pietà, del mio gran duolo;
C’ormai ella mi sia Come bella ancor pia Che l’amaro mio pianto
Cangerò, lieto, in amoroso canto.
Erfreut euch durch Gesang.
Während ich wein und seufze
Und nicht mehr atmen kann vor Tränen.
Elendes Herz, ach,
Nur zum Schmerz geboren, So weine doch, weine so sehr,
Dass ganz von deinen Zähren besiegt wird Die Geliebte und in ihr sich widerspiegeln Mein Kummer und meine Schmerzen.
Wenn ich nicht schaue, so sterbe ich nicht, Wenn ich nicht schaue, so lebe ich nicht,
So bin ich tot und doch nicht des Lebens beraubt.
O Wunder der Liebe, welch seltsames Los, Wo das Leben kein Leben und Sterben kein Tod.
Geht, meine Seufzer, Eilet im Fluge
Zu der, die Ursach’ meiner herben Qualen.
Sprecht voll Erbarmen ihr von meinem großen Schmerz, Damit sie endlich mir sei
Nicht schön nur, sondern auch gütig, So werde ich fröhlich mein bitteres Weinen Verwandeln in Liebesgesang.
TEXTE
IV Dolcissima mia vita
Dolcissima mia vita,
A che tardate la bramata aita?
Credete forse che ‘l bel foco ond’ ardo Sia per finir perchè torcete il guardo?
Ahi, non fia mai che brama il mio desire O d’amarti o morire.
V O dolorosa goia
O dolorosa gioia, O soave dolore
Per cui quest’alma è mesta e lieta more!
O miei cari sospiri, Miei graditi martiri,
Del vostro duol non mi lasciate privo Poichè sì dolce mi fa morto e vivo.
VI Qual fora, donna
Qual fora, donna, un dolce “oimè!” d’Amore Se quell’ “oimè!” che da voi tragge, ahi lasso, Lieve dolor, così m’incende il core?
Misero, a ciascun passo
Vo desiando, e so ch’indarno il bramo, che un dì col cor diciate: “oimè, ch’io t’amo!”
VII Felicissimo sonno
Felicissimo sonno
Che ne le luci di madonna vivi E noi di luce privi,
Deh, con un sogno messaggier le mostra L’afflitta anima nostra!
Fa che in partir da lei pietà vi resti E pietosa si desti.
Mein allersüßestes Leben,
Warum haltet zurück Ihr die ersehnte Hilfe?
Glaubt Ihr vielleicht, die schöne Flamme, die mich verzehrt, Verlösche, weil Ihr den Blick abwendet?
Ach, mein Wunsch ist nichts andres doch als die Begierde Zu lieben Euch oder zu sterben!
O schmerzliche Freude, O labender Schmerz,
Durch die meine Seele sich grämt und fröhlich stirbt!
O meine kostbaren Seufzer, Meine geliebten Qualen, Erlöst mich nicht von eurer Pein,
Die mir den Tod und das Leben so süß macht.
Was bedeutet, Geliebte, ein süßes „Ach“ Amors, Wenn das „Ach“, das Euch – weh mir – entlockt Ein leichter Schmerz, so das Herz mir entzündet?
Ich Elender! Bei jedem Schritt
Wünsch’ ich – und ich weiß, dass umsonst ich’s begehre –, Dass eines Tages Ihr von Herzen sagt:
„Ach, wie liebe ich dich!”
Du überglücklicher Schlaf,
Der du in den Augen meiner Herrin wohnst Und mich des Lichts beraubst,
Ach, durch einen Traum als Boten zeige ihr Meine betrübte Seele!
Lass bei deinem Entweichen bei ihr Erbarmen zurück Und sie mitleidig erwachen.
TEXTE
VIII Se vi duol il mio duolo
Se vi duol il mio duolo Voi sola, anima mia, Potete far che tutto gioia sia.
Deh, gradite il mio ardore
Ch’arderà lieto nel suo foco il core, E quel duol che vi spiace
In me sia gioia, in voi diletto e pace.
IX Occhi del mio cor vita
Occhi del mio cor vita,
Voi mi negate, oimè, l’usata aìta!
Tempo è ben di morire, a che più tardo?
A che serbate il guardo?
Forse per non mirar come v’adoro.
Mirate almen ch’io moro!
X Languisce al fin chi da la vita parte
Languisce al fin chi da la vita parte E di morte il dolore
L’affligge sì che in crude pene more.
Ahi, che quello son io, Dolcissimo cor mio,
Che da voi parto e, per mia crudel sorte, La vita lascio e me ne vado a morte.
XI Mercè grido piangendo
Mercè grido piangendo
Ma chi m‘ascolta? Ahi lasso, io vengo meno;
Morrò dunque tacendo.
Deh, per pietade almeno, Dolce del cor tesoro,
Potessi dirti pria ch’io mora: «Io moro!»
Wenn mein Schmerz Euch schmerzt, So könnt allein Ihr, meine Seele, Machen, dass alles Freude werde.
Ach, nehmt entgegen meine Glut,
Dass froh in seinem Feuer mein Herz entbrenne Und dieser Schmerz, der Euch missfällt, Mir Freude sei, euch Lust und Friede.
Augen, meines Herzens Leben,
Ihr verweigert mir, ach, die gewohnte Hilfe!
Zeit ist es wohl zu sterben, warum noch zögere ich?
Wozu spart ihr die Blicke?
Vielleicht um nicht zu sehn, wie ich euch huldige?
Seht wenigstens, dass ich nun sterbe!
Es siecht dahin, wer da vom Leben scheidet, Und des Todes Qual
Bedrängt so sehr ihn, dass in bittrem Gram er stirbt.
Ach, ich bin’s selber, Mein geliebtes Herz,
Der von Euch scheidet und um meines grausamen Geschickes willen
Verlasse ich das Leben und geh in den Tod.
Mitleid erfleh ich weinend,
doch wer hört mir zu? Weh mir, ich geh dahin, ich werde schweigend sterben.
Ach, aus Erbarmen wenigstens,
meines Herzens süßer Schatz, möchte ich Dir, bevor ich ende, sagen: „Siehe, ich sterbe!“
TEXTE
XIV Asciugate i begli occhi
Asciugate i begli occhi, Deh, cor mio, non piangete Se lontano da voi gir mi vedete!
Ahi, che pianger debb’io misero e solo, Che partendo da voi m’uccide il duolo.
XV Tu m’uccidi, o crudele
Tu m’uccidi, o crudele, D’Amor empia omicida,
E vuoi ch’io taccia e ‘l mio morir non grida?
Ahi, non si può tacer l’aspro martire Che va innanzi al morire,
Ond’io ne vo gridando:
“Oimè, ch’io moro amando!”
XIX O tenebroso giorno
O tenebroso giorno, Infelice mio stato,
O mio cor tristo, sol a pianger nato!
Quando lieto ritorno Farai dinanzi a quella Che è più d’ogni altra bella, Più leggiadra e più vaga,
Che con suoi sguardi morte e vita appaga?
XXI T’amo, mia vita
“T’amo, mia vita!” la mia cara vita Mi dice, e in questa sola
Dolcissima parola
Par che trasformi lietamente il core Per farsene signore.
O voce di dolcezza e di diletto, Prendila tosto, Amore, Stampala nel mio core!
Spiri solo per te l’anima mia
“T’amo, mia vita”, la mia vita sia.
Trocknet Eure schönen Augen, ach, Geliebte, weinet nicht,
wenn Ihr nun seht, dass ich von Euch mich wende!
Weh, bin’s doch ich, der jammert, einsam und verlassen, denn, so ich von Euch gehe, tötet mich der Schmerz.
Du tötest mich, Grausame, ruchlose Mörderin Amors,
und forderst Schweigen und dass mein Sterben nicht laut klage?
Ach, nicht kann man das schwere Leid verschweigen, das vor dem Sterben kommt,
und also rufe ich:
„Wehe, mich tötet Liebe!“
O finstrer Tag,
O Zustand, unglückselig,
O traurig Herz, zum Weinen nur geboren!
Wann kehrst du froh Zurück zu Jener,
die schöner ist als jede Andre, anmutiger und lieblicher,
die Tod und Leben kann mit ihrem Blick versöhnen?
„Ich liebe Dich, mein Leben!“, mein teures Leben sprachs und durch dies einzige,
so wundersüße Wort
scheint sich mein Herz in Frohsinn zu verwandeln, um Herr in ihm zu werden.
O Laut der Anmut und der Wonne, nimm schnell ihn auf, Amor, und präg ihn mir ins Herz!
Nur für Dich lebe meine Seele!
„Ich liebe Dich, mein Leben“ – sei du fortan mein Leben!
Die Vorbereitung auf dieses Amt legte eine standesgemäße Ehe nahe, ausgewählt wurde für ihn seine Cousine Maria d’Avalos. Diese Verbin- dung führte jedoch schon nach wenigen Jahren zur Katastrophe: Nachdem Gesualdo seine Frau mit deren Liebhaber in flagranti ertappt hatte, tötete er beide. Aus dem sich anschließenden Gerichts- prozess ging er straffrei hervor und zog sich auf das familiäre Anwesen im kleinen Ort Gesualdo nahe Avellino zurück. Der adlige Doppelmord fand schon damals eine große Resonanz unter Dichtern und Sensationsreportern. Dabei wurde viel schmückendes Beiwerk hinzuerfunden und die Ansichten der Autoren schwankten zwischen heftiger Verurteilung und Mitleid.
Vier Jahre nach der Mordnacht ging Gesualdo eine weitere Ehe ein, die durch Vermittlung seiner illustren Verwandtschaft zustande gekommen war:
Er heiratete Leonora d’Este in Ferrara und hielt sich längere Zeit an diesem norditalienischen Hof auf. Hier kam er in Berührung mit einer überragen- den Madrigalkultur, die vor allem durch den Ferrareser Hofkomponisten Luzzasco Luzzaschi emporgekommen war. Inspiriert davon, veröffent- lichte Gesualdo seine ersten vier Bände mit fünfstimmigen Madrigalen und kehrte schließlich mit seiner Gemahlin in seine Heimat zurück.
Auf dem Familiensitz in Gesualdo entstanden in den folgenden Jahren noch weitere Vokalwerke, darunter zwei Madrigalbücher und die berühmten Responsorien; gesicherte Details jedoch über das
G
esualdo – dieser Name hat in der Musik- welt einen schillernden und zugleich auch geheimnisvollen Klang. Er steht für eine Persönlichkeit, die an der Schwelle des 16. zum 17. Jahrhundert einzigartig expressive Vokal- musik komponiert hat und deren außergewöhn- licher Lebenslauf bis heute Anlass zu vielfältigen Spekulationen gibt.Don Carlo Gesualdo stammt aus der süd - italienischen Adelsfamilie der Grafen von Consa und Fürsten von Venosa und wuchs vermutlich in Neapel auf. Hier erhielt er im Rahmen der damaligen höfischen Gepflogenheiten auch eine gründliche musikalische Ausbildung, die den Gesang, das Spiel auf verschiedenen Instrumenten sowie die Grundlagen der Kontrapunktik um- fasste. Als Lehrer kommt möglicherweise der franko-flämische Kapellmeister Giovanni de Macque in Frage, der sich nach Stationen in Wien und Rom in Neapel aufhielt und Kontakt zur Familie Gesualdo pflegte.
Als zweitältester Sohn des amtierenden Fürsten Fabrizio Gesualdo musste sich Carlo zunächst keine größeren Gedanken um eine Regierungskarriere machen und mag sich daher verstärkt den schönen Künsten hingegeben haben.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass er bereits in dieser frühen Zeit mit dem Komponieren begonnen hat.
Als jedoch 1584 sein älterer Bruder überraschend starb, wurde der 18-jährige Carlo Gesualdo zum einzigen männlichen Erben des Lehens Venosa.
O schmerzensvolle Freude!
Carlo Gesualdos 5. Madrigalbuch
ESSAY
ESSAY
Leben des Komponisten sind kaum bekannt.
Stattdessen blühen die Spekulationen, wonach Gesualdo in tiefe Depression, Melancholie und religiösen Fanatismus verfallen sei, die ihm die Regierungsgeschäfte unmöglich machten, wohl aber eine Auseinandersetzung mit der Musik. Dass der Fürst 1613 aus unbekannter Ursache starb und kurz zuvor in der Palastkapelle von Gesualdo ein rätselhaftes Altarbild unter dem Titel „Die Vergebung des Carlo Gesualdo“ anfertigen ließ, öffnete uferlosen Gerüchten und Spekulationen Tür und Tor.
Zwei Jahre vor seinem Tod machte Carlo Gesualdo mit einer Doppelpublikation auf sich aufmerksam:
Er veröffentlichte 1611 seine Madrigalbücher 5 und 6 mit insgesamt 44 Kompositionen für jeweils fünf Vokalstimmen. Dass Gesualdo diese beiden Drucke mit besonderer Sorgfalt vornahm, zeigt die Tatsache, dass er den neapolitanischen Verleger Carlino samt Druckerpresse in sein Schloss zitierte und sämtliche Arbeiten an den Bänden persönlich überwachte. Im Vorwort zum 5. Madrigalbuch ist nachzulesen, dass Fürst Gesualdo mit der Veröf- fentlichung eine unkontrollierte Weitergabe seiner Werke an „gewisse Komponisten“ verhindern wollte, die „ihren eigenen Mangel an Begabung durch betrügerische Mittel wettzumachen ver- suchten“. Offensichtlich hatte sich also der Ruhm Gesualdos als expressiver Madrigalkomponist herumgesprochen und Trittbrettfahrer hervor- gebracht. Ferner ist der Vorrede zu entnehmen, dass Gesualdo die Madrigale bereits 15 Jahre zuvor komponiert habe, also während seines Aufent- haltes in Ferrara. Dafür spricht auch, dass immer- hin fünf Texte des 5. Buches auch vom Ferrareser Meisterkomponisten Luzzaschi vertont wurden.
Die Madrigale dieses 5. Buches von Gesualdo sind gleich in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich, folgen sie doch einem ebenso einzigartigen wie anachronistischen Stil. Während sich die musika- lische Welt in den Jahren um 1600 gerade in Italien mitten in einem Epochenwandel befand, hielt sich der Fürst von Venosa grundsätzlich noch an den alten, polyphonen Stil ohne Basso continuo. Die bestehenden Madrigalkonventionen, die von Kom- ponisten wie Luca Marenzio, Giovanni Pierluigi da Palestrina oder auch Luzzasco Luzzaschi zur Perfektion getrieben worden waren, lotete Gesualdo hier noch einmal bis an die äußersten
Grenzen aus. Hinsichtlich der Expressivität, der Wortausdeutung und dem Affektenreichtum kam er damit kurioserweise den Prinzipien des modernen, barocken Stils, wie er sich etwa in den neuen Madrigalen von Claudio Monteverdi manifestierte, sehr nahe.
Als Textvorlagen für die Madrigale wählte Gesualdo kurze Gedichte, die in verschiedensten Facetten die Qualen der Liebe beschreiben.
Wesenseigen ist diesen Dichtungen der starke Kontrast zwischen Freude und Schmerz, zwischen Leben und Tod, zwischen Lust und Trauer.
„O dolorosa gioia“ („O schmerzensvolle Freude“) oder auch „Oimè, ch’io moro amando“ („O weh, ich sterbe im Lieben“) sind Musterbeispiele dieses literarischen Mittels. Es liegt auf der Hand, dass Gesualdo mit diesen Texten seinen eigenen Seelen- zustand spiegeln wollte, zumal wenn man auf die radikale musikalische Umsetzung dieser Kontraste hört: Unerwartete Harmonien reihen sich anein- ander, Dissonanzen häufen sich, chromatische Linien sind zu vernehmen und auch rhythmisch setzt Gesualdo heftige Akzente. So beginnt etwa das Madrigal „Gioite voi col canto“ geradezu scheinheilig mit „netten“, das heißt konsonanten Harmonien, um dann umso schärfer mit Dissonan- zen das Weinen und die Schmerzen zu schildern.
Umgekehrt geht es im Madrigal „Itene, o miei sospiri“ zu, wenn der unglücklich Verliebte seine
„bitteren Klagen“ in „verliebte Gesänge“ ver- wandeln möchte und Gesualdos Harmonien dafür einen deutlichen Anklang liefern.
Ergänzt werden die grandiosen Madrigale von Gesualdo mit Lautenwerken seiner Zeitgenossen Pietro Paolo Melli und Alessandro Piccinini.
Besonders zu Letztgenanntem ergibt sich ein enger Zusammenhang, da Piccinini Ende des 16. Jahrhunderts Hoflautenist der d’Este in Ferrara war und Gesualdo bei dessen Aufenthalt persön- lich begegnet ist.
Bernhard Schrammek
Bernhard Schrammek, Jahrgang 1972, lebt als freiberuflicher Musikwissenschaftler und Autor in Berlin. Er moderiert Rundfunksendungen auf RBB, MDR und Deutschlandfunk, schreibt Einführungstexte und entwirft Konzertprogramme.
ZITAT
G esualdo schrieb Madrigale, und ein Madrigal ist, wie wir gesehen haben, eine nicht-geistliche
Motette. Was aber ist es sonst noch? Beginnen wir mit dem Hinweis auf das, was es nicht ist. Zunächst und vor allem ist das Madrigal, obwohl gesungen, kein Lied. Das heißt, es besteht nicht aus einer Strophe für Strophe wiederholten Melodie. Ebenso wenig hat es irgendetwas mit der Kunstform zu schaffen, die bei späteren Musikern als Arie bekannt war. Beim Madrigal gibt es keine Solostimme. Alle fünf oder mehr Stimmen haben das gleiche Gewicht und bewegen sich sozusagen geradlinig vorwärts, während die Arie und das Lied in den Äquivalenten von Kreisen oder Spiralen voran- schreiten. Mit anderen Worten, es gibt im Madrigal keine Rückkehr zum Ausgangspunkt, keine systemati- schen Wiederholungen … Es lässt sich als vokale Ton- Dichtung in kontrapunktischer Satzweise beschreiben … Im Laufe dreier Viertel des ersten Jahrhunderts seiner Existenz machte das Madrigal eine stetige Entwicklung in Richtung umfassenderer, sogar intensiverer Expres- sivität durch. Zu Beginn dieser Periode ist es ein
Stück emotional neutraler Polyphonie, dessen ganze Schönheit in der Reichhaltigkeit und Komplexität seiner vielstimmigen Textur liegt. An ihrem Ende ist es im Werk solcher Großmeister wie Marenzio, Monteverdi und vor allem Gesualdo zu einer Art musikalischem Wunder geworden, bei dem scheinbar nicht zu verein- barende Elemente in einer höheren Synthese versöhnt werden. Den Kunstgriffen der Polyphonie werden
die machtvollsten expressiven Wirkungen abgewonnen, und diese Polyphonie ist später so flexibel geworden, dass sie sich jederzeit in Akkordblöcke oder Passagen dramatischer Deklamation verwandeln konnte.
Aldous Huxley
Zitiert aus: Aldous Huxley, Essays Band II:
ESSAY
Philharmonie
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raschelt wieder jemand mit dem Programmheft!
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Musikfest Berlin 2021 – Digitale Angebote
Musikfest Berlin on Demand Musikfest Berlin Digital
Gemeinsam mit der Digital Concert Hall der Berliner Philhamoniker präsentiert das Musikfest Berlin der Berliner Festspiele ausgewählte Konzerte online.
Livestreams der Veranstaltungen sind in der Digital Concert Hall verfügbar.
Falls Sie noch kein*e Abonnent*in der Digital Concert Hall sind, haben Sie die Möglichkeit, für 30 Tage ein Schnupperabo für 14,90 Euro abzuschließen.
Details unter digitalconcerthall.com
Aufzeichnungen können Sie auf der Website der Berliner Festspiele ansehen.
Mit unserem Festivalpass erhalten Sie ab 5 Euro Zugang zu allen Konzert- aufzeichnungen. Diese werden, wenn nicht anders angegeben, am Folgetag des Live-Konzerts um 16:00 Uhr veröffentlicht und sind dann bis zu 10 Tage abrufbar.
Die genauen Verfügbarkeits zeiträume und Details finden Sie unter berlinerfestspiele.de/musikfest-digital
All Eyes on …
In der Gesprächsreihe geben Künstler*innen des Musikfest Berlin 2021 Einblicke in ihre Arbeit. In kurzen Interviews erzählen zum Beispiel Cathy Milliken oder Michael Schiefel von ihren Projekten beim Festival, ihrer ersten Begegnung mit der Musik von Igor Strawinsky und wie Berlin in ihren Ohren klingt.
Alle Interviews finden Sie unter berlinerfestspiele.de/all-eyes-on
Journal und Digital Guide
Zum Festival ist ein Journal erschienen, in dem Sie Texte und Interviews mit Winrich Hopp, Heiner Goebbels und Cathy Milliken finden.
Das Heft liegt in der Philharmonie Berlin aus und steht als pdf auf berlinerfestspiele.de/musikfest-publikationen zum Download bereit.
Außerdem können Sie in unserem digitalen Guide durch zusätzliche Texte, Bilder und Videos mehr über die programmatischen Schwerpunkte und die Künstler*innen der diesjährigen Festivalausgabe erfahren:
berlinerfestspiele.de/musikfest-digital-guide
Künstler*innenbiografien
Ausführliche Biografien der am Musikfest Berlin 2021 beteiligten Interpret*innen, Orchester und Ensembles sowie der Komponist*innen haben wir für Sie auf unserer Website zusammengestellt. Sie finden sie unter:
und berlinerfestspiele.de/musikfest-bios
Deutschlandfunk Kultur – Die Sendetermine
1.9.
Mi 20:03 Gründungskonzert Bundesjugendchor Aufzeichnung vom 28.8.2.9.
Do 20:03 Mahler Chamber Orchestra Live-Übertragung5.9.
So 20:03 Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Aufzeichnung vom 4.9.6.9.
Mo 20:03 Orchestre des Champs-ÉlyséesCollegium Vocale Gent Live-Übertragung
8.9.
Mi 20:03 Collegium Vocale Gent Live - zeitversetztAufzeichnung vom Konzert um 17:00
14.9.
Di 20:03 Les Siècles Aufzeichnung vom 13.9.19.9.
So 20:03 Deutsches Symphonie-Orchester BerlinRundfunkchor Berlin Live-Übertragung
21.9.
Di 20:03 Berliner PhilharmonikerKirill Petrenko Aufzeichnung vom 17.9.
Folgende Konzerte werden aufgezeichnet und im Oktober gesendet.
Die Sendedaten stehen noch nicht fest und sind den Programminformationen des Senders zu entnehmen.
Concertgebouworkest Amsterdam Aufzeichnung vom 31.8.
Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO) Aufzeichnung vom 9.9.
RIAS Kammerchor Berlin
Kammerakademie Potsdam Aufzeichnung vom 15.9.
Deutschlandfunk Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, bundesweit über Satellit, DAB+ und über Livestream auf deutschlandfunkkultur.de zu empfangen.
Kulturradio vom rbb – Die Sendetermine
2.10.
Sa 20:03 Berliner PhilharmonikerJakob Hrůša Aufzeichnung vom 11.9. / 12.9.
Kulturradio vom rbb ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream auf kulturradio.de zu empfangen.
Das Musikfest Berlin 2021
im Radio und online
Konzerte in der Digital Concert Hall und auf Musikfest Berlin on Demand
Digital Concert Hall Live-Übertragung
30.8.
Mo 20:00 Heiner Goebbels A House of Call1.9.
Mi 20:00 Concertgebouworkest Amsterdam2.9.
Do 20:00 Mahler Chamber Orchestra3.9.
Fr 20:00 English Baroque Soloists / Monteverdi Choir4.9.
Sa 19:00 Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin6.9.
Mo 20:00 Orchestre des Champs-Élysées Collegium Vocale Gent7.9.
Di 20:00 London Symphony Orchestra8.9.
Mi 20:00 Collegium Vocale Gent9.9.
Do 20:00 Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO)12.9.
So 11:00 Ensemble Mini13.9.
Mo 20:00 Les SièclesRundfunkchor Berlin
15.9.
Mi 21:00 RIAS Kammerchor Berlin Kammerakademie Potsdam19.9.
So 20:00 Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Rundfunkchor Berlin20.9.
Mo 20:00 Karajan-Akademie der Berliner Philharmonikerdigitalconcerthall.com und berlinerfestspiele.de/musikfest-ondemand
Die meisten Konzerte stehen nach dem Livestream am Folgetag ab 16:00 Uhr auf Musikfest Berlin on Demand zur Verfügung.
Nähere Informationen unter berlinerfestspiele.de/musikfest-ondemand
Sa
28.8.
Philharmonie 17:00Gründungskonzert Bundesjugendchor Anne Kohler
Mo
30.8.
Philharmonie 20:00Eröffnungskonzert
Heiner Goebbels: A House of Call UA Ensemble Modern Orchestra
Di
31.8.
Philharmonie 20:00Concertgebouworkest Amsterdam Daniel Harding
Mi
1.9.
Philharmonie20:00
Ensemble Modern Neuer Kammerchor Berlin
Cathy Milliken: Night Shift – The Rehearsal UA
Do
2.9.
Philharmonie20:00
Mahler Chamber Orchestra Sir George Benjamin
Fr
3.9.
Philharmonie20:00
English Baroque Soloists Monteverdi Choir John Eliot Gardiner
Sa
4.9.
Philharmonie19:00
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Vladimir Jurowski
Kammermusiksaal 21:00
ENDOR
Anna Prohaska, Nicolas Altstaedt, Francesco Corti
So
5.9.
Philharmonie11:30
Ensemble Musikfabrik I Porträt Ann Cleare Philharmonie
15:00
Ensemble Musikfabrik II Enno Poppe: Prozession rbb Sendesaal
17:00 & 21:00
Heiner Goebbels: Liberté d’action
David Bennent, Hermann Kretzschmar, Ueli Wiget
Konzerthaus Berlin 18:00 & 21:00
Konzerthausorchester Berlin Max Neufeld | Johannes Kalitzke Hoffmanns Erzählungen
Mo
6.9.
Philharmonie20:00
Orchestre des Champs-Élysées Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe
Di
7.9.
Philharmonie20:00
London Symphony Orchestra Sir Simon Rattle
Programmübersicht
Mi
8.9.
Kammermusiksaal 17:00 & 21:00Collegium Vocale Gent Philippe Herreweghe
Philharmonie 20:00
Staatskapelle Berlin Martha Argerich Daniel Barenboim
Do
9.9.
Philharmonie20:00
Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO) Ilan Volkov
Fr
10.9.
Philharmonie 20:00Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin Donald Runnicles
Sa
11.9.
Kammermusiksaal 17:00Pierre-Laurent Aimard Sweelinck | Kurtág | Andre Philharmonie
19:00
Berliner Philharmoniker Jakub Hrůša
Kammermusiksaal 21:00
Pierre-Laurent Aimard | Frank Reinecke Mark Andre
So
12.9.
Philharmonie 11:00Ensemble Mini Joolz Gale Philharmonie
20:00
Berliner Philharmoniker Jakub Hrůša
Mo
13.9.
Philharmonie 20:00Les Siècles
Rundfunkchor Berlin François-Xavier Roth
Mi
15.9.
Philharmonie 21:00RIAS Kammerchor Berlin Kammerakademie Potsdam Justin Doyle
Do
16.9.
Kammermusiksaal 17:00 & 21:00Faust | Horwitz & Friends
Igor Strawinsky: L‘Histoire du Soldat Philharmonie
20:00
Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko
Fr
17.9.
Philharmonie 20:00Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko
Sa
18.9.
Philharmonie 19:00Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko
So
19.9.
Philharmonie 20:00Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Robin Ticciati
Mo
20.9.
Philharmonie 20:00Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Matthias Pintscher
IMPRESSUM Musikfest Berlin
Ein Geschäftsbereich der
Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH
Intendant
Dr. Thomas Oberender
Kaufmännische Geschäftsführung
Charlotte Sieben
Leitung Kommunikation
Claudia Nola
Assistenz Kommunikation
Nina Kraus
Grafik
Christine Berkenhoff, Nafi Mirzaii
Internetredaktion
Frank Giesker (Leitung), Anne Müller. Benedikt Schwank (Studentischer Mitarbeiter)
Marketing
Gerlind Fichte,
Jan Heberlein, Susanne Held.
Amadé Victor Hölzinger &
Isabel Rojas
(Studentische*r Mitarbeiter*in)
Presse
Sara Franke, Anna-Lina Hinz, Patricia Hofmann.
Helena Bschaden
(Studentische Mitarbeiterin)
Projektmanagerin Digitalprojekte
Isabell Rauscher
Redaktion
Andrea Berger (Leitung), Dr. Barbara Barthelmes,
Julian Dittrich, Anne Phillips-Krug, Lucien Strauch
Social Media
Anna Neubauer. Dilan Çapan (Studentische Mitarbeiterin)
Ticket Office
Ingo Franke (Leitung),
Simone Erlein (Stellvertretende Leitung), Peter Decker, Frano Ivić,
Uwe Krey, Karsten Neßler, Maren Roos, Torsten Sommer, Sibylle Steffen, Alexa Stümpke
Guest Accomodation
Marc Völz (Leitung), Frauke Nissen
Protokoll und Partnerschaften
Jeruna Tiemann
Danke an alle Mitarbeiter*innen der Berliner Festspiele.
Adresse
Berliner Festspiele
Schaperstraße 24, 10719 Berlin
+ 49 30 254 89 0
info@berlinerfestspiele.de berlinerfestspiele.de
Gefördert durch
Medienpartner Künstlerischer Leiter
Dr. Winrich Hopp
Organisation
Anke Buckentin (Leitung), Juliane Spence, Ina Steffan, Ivana-Elena Wirtz
Abendprogramm
Redaktion
Dr. Barbara Barthelmes, Julian Dittrich (Assistenz)
Lektorat
Anke Buckentin, Juliane Spence, Ivana-Elena Wirtz
Gestaltung
Christine Berkenhoff nach einem Entwurf von Eps51
Herstellung
Print Media Group GmbH, Leimen
Stand: 11. August 2021 Programm- und Besetzungs- änderungen vorbehalten
Berliner Festspiele
Förderer Berliner Festspiele / Musikfest Berlin
in Zusammenarbeit mit
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blog.berlinerfestspiele.de #MusikfestBerlin