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F Ärzte sorgen für Umdenken in der Krankenhausplanung

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Academic year: 2022

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Bad Segeberg 70. Jahrgang Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein Mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein

des Ärztevereins/Kreisausschusses der Ärztekammer und der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese stellte einstimmig fest, dass mit der Wei- terverfolgung der Pläne eine nicht opti- male Lösung zementiert werden könnte.

Denn damit bliebe es bei mehreren Tau- send Patiententransporten zwischen den beiden Standorten und einer erschwer- ten Zusammenarbeit. Mit ihrem klaren Statement spielen Flensburgs Ärzte den Ball nun in Richtung Landes- und Kom- munalpolitik. Die Stadt sucht mit Hoch- druck nach einem geeigneten Standort.

Unterstützung bekommen die Flensbur- ger Ärzte von der Ärztekammer Schles- wig-Holstein. „Derzeit erhalten die Flensburger Patienten nur die zweitbes- te Lösung in der Versorgung. Ein Neu- bau wäre die einzig vernünftige Varian-

F

lensburger Ärzte haben ein Umden- ken in der Klinikplanung für ihre Stadt bewirkt. Nach ihrem Eintre- ten für einen Klinikneubau haben sie eine Kehrtwende mit weitrei- chenden Folgen möglich gemacht.

Seit einer öffentlichen Veranstaltung im Rathaus steht statt umfangreicher Modernisierungen an den bestehen- den Standorten des Malteser St. Fran- ziskus Hospitals und des Diakonissen- krankenhauses nun die Suche nach ei- nem Grundstück für einen gemeinsa- men Neubau im Vordergrund.

Zuvor hatte das Land die Mittel für die Modernisierung der bestehenden Standorte im Stadtzentrum schon bewil- ligt und die Träger mit den Planungen begonnen. Unterstützt wurde die neue Entwicklung durch eine Versammlung

te. Deshalb würde die Ärztekammer es begrüßen, wenn man dem Votum der Flensburger Ärzte folgt“, sagt Kammer- präsident Dr. Franz Bartmann, der selbst Jahrzehnte in beiden Flensburger Klini- ken gearbeitet hat. Die Hürden zum ge- meinsamen Neubau sind immer noch hoch. Die Träger müssen sich für den gemeinsamen Betrieb auf eine Träger- organisation verständigen. Beide haben aber schon bewiesen, dass sie die Ab- stimmung beherrschen: Ihr vor elf Jah- ren gegründeter trägerübergreifender Klinikverbund galt damals bundesweit als Vorzeigemodell. Trägerübergreifend betreiben sie das Katharinen-Hospiz in Flensburg sowie das Ökumenische Bil- dungszentrum für Berufe im Gesund- heitswesen.

W E I T E R A U F S E I T E 6

Kommen die beiden Träger der Flensburger Krankenhäuser unter einem Dach zusammen? Ärzte würden ein solches Zentralklinikum begrüßen.

F L E N S B U R G

Ärzte sorgen für Umdenken in der Krankenhausplanung

Ärztliche Bedenken brachten die Wende: Krankenhausträger und Politiker sind nun gefordert, nach einer gemeinsamen Lösung für Flensburg zu suchen.

T H E M E N

10

Gesundheit in der Koalitions- vereinbarung

16

Die Woche der ambulanten Versorgung

21

Gesundheits- minister wollen Kliniken stärken

22

Ärztegenossen suchen Nach- wuchs

25

Gesundheits- Apps: Viele offene Fragen

(2)

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt informiert elf mal im Jahr über zentrale Themen aus dem Gesundheitswesen zwischen Nord- und Ostsee.

Das Mitgliedermagazin der Ärztekammer Schleswig-Holstein erreicht neben den Ärzten auch viele Entscheidungsträger aus dem Gesundheitswesen.

Kontakt: Stefanie Beinl 089 55241-240, stefanie.beinl@atlas-verlag.de

BESTER STELLENMARKT FÜR ÄRZTE

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt informiert elfmal im Jahr über zentrale Themen aus dem Gesundheitswesen zwischen Nord- und Ostsee.

Das Mitgliedermagazin der Ärztekammer Schleswig-Holstein erreicht neben den Ärzten auch viele Entscheidungsträger aus dem Gesundheitswesen.

Kontakt: Maxime Lichtenberger, 089 55241-246, maxime.lichtenberger@atlas-verlag.de

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

können Sie das nicht auch auf Deutsch sagen? Kann man! Aber bereits die Überset- zung dieses einfachen Begriffspaares kommt nicht ohne Erläuterung in mindestens der Länge eines Satzes aus. Um alle Nuancen zu erfassen, kann daraus sogar ein kleiner lin- guistischer Fachartikel werden. Denn die einfache Übersetzung ins Deutsche ist irre- führend. „Korrektheit“ im politischen Umfeld setzen wir ja als Selbstverständlichkeit bei demokratisch legitimierten Vertretern voraus. Deren Entscheidungen und Festle- gungen sollten allerdings auch im Allgemeinen nachvollziehbar und „vernünftig“ sein.

Das Entfernen eines Kinderliedes aus einem traditionellen Glockenspiel wegen der mentalen Betroffenheit Einzelner wird aber von Mehrheiten in der Bevölkerung als ge- nauso grenzwertig empfunden wie die Umsetzung einer durch die Zeit überholten Inf- rastrukturmaßnahme, nur, weil ansonsten Fördermittel verlorengingen, die bereits ge- flossen sind oder noch in Aussicht stünden.

So geschehen im Frühjahr dieses Jahres im Hinblick auf die Krankenhausplanung der nördlichsten deutschen Metropolregion Flensburg. Zugegeben: Ausgangspunkt war in diesem Fall nicht die Politik selbst, sondern waren die – nachvollziehbaren – In- teressen zweier konfessioneller Krankenhausträger. Diese haben bereits in der Vergan- genheit ein hohes Maß an Vernunft bewiesen, als sie eine bis dahin gepflegte Konkur- renzsituation aufgegeben und im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung vorhande- ne Doppelstrukturen tatsächlich abgebaut haben. Ein Quantensprung im Vergleich zu regelhaft bis heute bestehenden Verhältnissen in weiter südlich gelegenen Bundeslän- dern!

Aber was ökonomisch vernünftig und notwendig war, hat von Beginn an die Mitarbeiter(innen) beider Häuser vor immense organisatorische Herausforderungen gestellt, vor allem, um Nachteile für Patient(in)en bei regelhaft notwendigen Trans- fers zwischen den Einrichtungen zu vermeiden. Hinzu kommt, dass eine teilweise his- torisch gewachsene Bausubstanz längst nicht mehr den organisatorischen und logisti- schen Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines zeitgemäßen Patientenmanagements entspricht. Bauliche Veränderungen, in einem Fall sogar ein kompletter Neubau bei laufendem Betrieb, waren also nicht nur angesagt, sondern tatsächlich unvermeidbar.

Und jetzt kommt die Politik ins Spiel! Formal und „politisch korrekt“ ist diese im Rahmen der dualen Krankenhausfinanzierung für bauliche Strukturmaßnahmen tat- sächlich im Obligo. Diese – an sich – Selbstverständlichkeit wird aber regelhaft mehr als großzügige Zuschussmaßnahme zur Eigenleistung der Träger aus erwirtschafte- ten Mitteln aus der Patientenversorgung dargestellt und öffentlich zelebriert. Offenbar schien es in diesem Fall den politischen Verantwortungsträgern in Kiel sogar opportun, die Förderzuwendung im Vorfeld der Landtagswahl als besondere gesundheitspoliti- sche Leistung herauszustellen.

Die dadurch hergestellte Öffentlichkeit reagierte aber anders als in Kiel erwartet und erhofft. Ehemalige leitende Chefärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, betrof- fene Anwohner, aber auch leiderfahrene Patientinnen und Patienten reagierten aufge- schreckt und hochgradig alarmiert auf die Ankündigung der Fortschreibung und Ver- schlimmbesserung einer als unbefriedigend erlebten Ausgangslage. Öffentlich bekun- deten sogar Vertreter der Krankenhausträger ihr Verständnis und ihre Sympathie für diese Position, stellten jedoch die möglichen finanziellen Konsequenzen in den Vor- dergrund.

Die letzten Meldungen: Die Stadt Flensburg sucht mit Hochdruck nach einem ge- eigneten innerstädtischen Grundstück für einen gemeinsamen Krankenhausneubau.

Die Hoffnung bei der Suche nach einem Ausweg aus dem finanziellen Dilemma rich- tet sich auf die neue Landesregierung in Kiel. Dafür gibt es in der Tat dann ein knappes deutsches Begriffspaar ...

Political Correctness ...

... gesunder Menschenverstand.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ihr

Dr. Franz Joseph Bartmann P r ä s i d e n t

Schreiben Sie uns gerne Ihre Meinung – wir freuen uns über Kritik und Anregungen:

aerzteblatt@aeksh.de

Illustration: Bernd Schifferdecker

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Inhalt

NACHRICHTEN 4

Ärztekammer bezieht neues Gebäude 4

Lübecker Geriatrietage 4

Ausgezeichnete Integration in Itzehoe 5 KV macht junge Ärzte fit für die Niederlassung 5

Kurz notiert 5

TITELTHEMA 6

Flensburger Ärzte bringen Bewegung in Standortdiskussion 6

GESUNDHEITSPOLITIK 10

Die Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung 10 Meinung: Klimawandel und Gesundheit 12 Kommentar: Kommunikation der Ärztekammer 13 Hauptstadtkongress mit Rekordbeteiligung 14 Die Woche der ambulanten Versorgung im Norden 16

Abgeordnetenversammlung der KVSH 17

Eppendorfer Dialog: Rabattverträge bleiben umstritten 18 Medizinfakultäten wollen sich politisch stärker einbringen 20 Gesundheitsminister wollen Kliniken stärken 21 Ärztegenossen wenden sich an den Nachwuchs 22 Gespräch am Wasser: Die Versorgung chronisch Kranker 23

LESERBRIEF 23 IM NORDEN 24

Digitalisierung im Krankenhaus Reinbek 24 Gesundheits-Apps: Chancen und Risiken 25 AWO startet „FAIR-Work“ in der Pflege 26

PERSONALIA 27 RECHT 30

Schlichtungsfall 30

Wahlvorstand gesucht 31

FORTBILDUNGEN/AKADEMIE/ECS 32

Fortbildungstermine 32

Blitzsynkope abgestellt 34

KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG 35 ANZEIGEN 38

TELEFONVERZEICHNIS/IMPRESSUM 50

Titelbild: Adobe stock Foto: ÄKSH

Ärztekammer zurück in der Bismarckallee

Hauke Kraß (Mißfeldt Kraß Architekten), Karsten Brandstetter und Dr. Carsten Leffmann (v. li.)

Z

u den 5. Lübecker Geriatrietagen un- ter dem Motto „Bewegtes Alter“ wer- den am 15. und 16. September rund 120 Teilnehmer erwartet. Die Veran- staltung ist interdisziplinär ausgerich- tet und spricht alle Berufsgruppen an, die mit älteren Menschen arbeiten: nie- dergelassene Ärzte und Klinikärzte, Ge- rontologen, Sportwissenschaftler, Sozi- alarbeiter, Betreuungskräfte, Logopä- den, Psychologen, Ergo- und Physiothe- rapeuten sowie Pflegekräfte. Die zwei- tägige Veranstaltung nimmt alle, nicht nur „motorische“ Themen rund um das

„Bewegte Alter“ auf. Von der Fahreig- nung im Alter und bei demenziellen Krankheitsbildern über die eigene Sicht des Alters und der Entwicklungsmög-

S

eit Mitte Juni ist die Geschäftsstel- le der Ärztekammer wieder am alten Standort in der Bismarckallee. Nach einem Jahr intensiver Planung und eineinhalb Jahren Bauzeit ist die Sanie- rung und Erweiterung des alten Gebäu- des wie geplant abgeschlossen worden.

„Das Bürogebäude der Ärztekammer Schleswig-Holstein wurde 1975 errich- tet. Es war dringend erforderlich, die Ar- beitsbedingungen in dem Gebäude, die technische Ausstattung und seine Ener- giebilanz auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen“, begründete Karsten Brand- stetter, kaufmännischer Geschäftsführer der Kammer, die Sanierungsmaßnah- men. Das gesamte Gebäude wurde nach aktuellen Energiestandards saniert, so- dass es energetisch mit einem Neubau gleichzusetzen ist.

„Um den erforderlichen Mehrbe- darf an Nutzfläche zu generieren, haben wir eine Aufstockung in Form eines Staf-

felgeschosses vorgenommen. Der neue Baukörper schafft eine Verbindung der bestehenden Gebäude, indem er sich in L-Form darüber legt“, erläutert Archi- tekt Hauke Kraß. Auch aus ökologischen und raumklimatischen Gründen erfolg- te die Aufstockung in Massivholz mit ei- ner Holzfassade. Mit der Erweiterung um 400 auf 3.100 Quadratmeter bietet das Bürogebäude nun 100 moderne Ar- beitsplätze, ausgestattet mit tageslicht- und bewegungsabhängig gesteuerter LED-Beleuchtung und höhenverstellba- ren Schreibtischen. Für eine angenehme und gleichmäßige Temperaturverteilung sorgt eine Kühl- und Heizdecke in Kom- bination mit einer Luftwärmepumpe.

„Aus ökonomischen und ökologi- schen Gründen wurde eine Sanierung und Erweiterung des Bestandsgebäu- des einem Neubau vorgezogen und das Ergebnis bestätigt diese Entscheidung“, stellt Brandstetter zufrieden fest. (RED)

lichkeiten im Alter bis zu praktischen Erfahrungen mit dem neuen Präven- tionsgesetz reicht das Spektrum. Dazu werden wie in den Vorjahren Workshops sowie ein reger Austausch am Rande der Veranstaltung und beim abendlichen Get-together angeboten. Ausrichter ist das Krankenhaus Rotes Kreuz Lübeck (www.geriatrie-luebeck.de).

Die Lübecker Geriatrietage finden seit 2009 in zweijährigem Rhythmus statt. Zu jeder Veranstaltung wird ein Ta- gungsband publiziert, diesmal erstmals als PDF. Die Veranstaltung findet im Fortbildungszentrum der DRK-Schwes- ternschaft Lübeck e.V. direkt an der Wa- kenitz mit Blick auf die Lübecker Alt- stadt statt.(PM/Red)

Lübecker Geriatrietage

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B

erliner Gesundheitspreis für das Projekt „Bildung und Integration“ der Klini- kum Itzehoe Akademie: Das Projekt wurde in der Kategorie „Integration von Fachkräften mit Migrationshintergrund in das deutsche Gesundheitssystem“

ausgezeichnet, wo es den mit 10.000 Euro dotierten ersten Platz belegte.

Für den bundesweiten Wettbewerb von AOK Bundesverband, Ärztekammer Berlin und AOK Nordost gingen rund 80 Bewerbungen ein, fünf Preisträger wur- den ausgewählt. Ziel des Itzehoer Projektes ist es, geflüchteten Menschen eine beruf- liche Orientierung zu ermöglichen. Die Teilnehmer absolvieren einen sechsmona- tigen Kurs, bei dem sie mehrere Berufsfelder der Gesundheitsversorgung kennen- lernen, Sprach- und Bewerbungstrainings und ein Erste-Hilfe-Seminar durchlau- fen. Auch ein dreimonatiges Praktikum im Itzehoer Krankenhaus zählt zum Kurs.

Neben der konkreten beruflichen Perspektive will Projektleiterin Regine Kracht den Teilnehmern den deutschen Arbeitsalltag und Werte wie Pünktlichkeit und Verläss- lichkeit vermitteln. Bislang haben rund 50 Menschen unterschiedlicher Herkunft und Alters an den Kursen teilgenommen. Einige von ihnen nehmen demnächst Tä- tigkeiten im Klinikum Itzehoe im Bereich Pflege, Küche und Technik auf.

Die Jury sieht das Projekt als Vorbild für eine gelungene Integration, die zu- gleich eine Antwort auf den Fachkräftemangel bietet. Kracht nennt das Projekt ei- nen „Gewinn für alle Beteiligten im Krankenhaus“ und sagt: „Sich mit anderen Kul- turen auseinanderzusetzen, ist eine tolle Erfahrung.“ Das Klinikum Itzehoe versteht sich als weltoffenes Haus. Derzeit sind dort nach eigenen Angaben Menschen aus 40 Herkunftsländern beschäftigt. Auch die Zahl der Patienten mit Migrationshinter- grund nimmt zu. (PM/Red)

Foto: klinikum itzehoe

I

m nächsten Traineeprogramm der KV Schleswig-Holstein für junge Ärzte steht am 9. September die IT-Ausstat- tung in der Niederlassung im Mittel- punkt. Experten der KV werden berich- ten, welche Hardware und welche Pro- gramme für niedergelassene Ärzte in- frage kommen und welche Kosten da- mit verbunden sind. In einem weiteren Modul geht es um den Datenaustausch mit anderen Partnern im Gesundheits- wesen und die dafür erforderliche Aus- rüstung. Auch Datenschutzanforde- rungen werden diskutiert. Neben die- sem Schwerpunkt ist das Thema Praxis- Homepage geplant: Worauf haben Pra- xisinhaber bei der Gestaltung zu achten, welche Kosten sind damit verbunden?

Wie bei jedem Traineeprogramm wird es auch wieder einen Arztbericht aus der Praxis geben, der den Alltag in der Niederlassung schildert. Wie immer steht in der Zeit von 10 bis 15:30 Uhr ausreichend Zeit für Fragen zur Ver- fügung. Das 2014 entwickelte Trainee- programm richtet sich an Ärzte in Wei- terbildung, angestellte Ärzte in Pra- xen oder kürzlich niedergelassene Ärz- te. Die Veranstaltung findet wie stets im Bildungszentrum der Ärztekammer Schleswig-Holstein in der Esmarchstra- ße in Bad Segeberg statt und ist kosten- frei. Die teilnehmenden Ärzte erhal- ten Fortbildungspunkte. Weitere Info:

Bettina Fanselow, Telefon 04551 883 255 (bettina.fanselow@kvsh.de) (red)

Junge Ärzte fit für die Niederlassung

Ausgezeichnete Integration in Itzehoe K U R Z N O T I E R T

Ausstellung für malende Ärzte

2015 präsentierte der Kunstverein Sulzbach in Kooperation mit der Stadt Sulzbach die Ausstellung „Malende Ärzte“, die nach Angaben des Veranstalters auf große Resonanz stieß.

„Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland führten dort ein- drucksvoll vor Augen, was passieren kann, wenn sie den wei- ßen Kittel ablegen und sich einer ganz anderen Materie zu- wenden. Wenn sie das breite Feld der Freien Kunst betreten und die eigene schöpferische Seite in den Vordergrund rü- cken. Wenn nicht mehr die Wissenschaft mit ihren beweisba- ren Fakten im Vordergrund steht, sondern Fantasie und Kre- ativität gefragt sind“, heißt es in einer Mitteilung des Vereins.

Nun sind erneut Ärzte aus ganz Deutschland eingeladen, ihre Werke in Sulzbach zu präsentieren. Die Ausstellung wird am 29. September um 19:30 Uhr eröffnet. Schirmherrin ist die Vi- zepräsidentin der Bundesärztekammer Dr. Martina Wenker.

Dauer der Ausstellung: 29. September bis 22. Oktober 2017.

Bewerbungen bitte per Post oder Mail bis zum 14. August 2017 an Dagmar Günther, Kunstverein Sulzbach/Saar, Bayernstra- ße 46, 66280 Sulzbach/Saar, Telefon 06897/88032, Mail: kunst- verein-sulzbach-saar@web.de. Infos auch unter: www.kunst- verein-sulzbach-saar.de ext. (pm/red)

Hohe Teilnahmeraten im Norden

In Schleswig-Holstein nehmen so viele Kinder an Früherken- nungsuntersuchungen teil wie in keinem anderen Bundes- land. Bei den Untersuchungen U3 bis U9 weist unser Bundes- land nach Angaben der Barmer die höchsten Teilnahmeraten auf. Nur bei drei von 100 der bei der Barmer versicherten Kin- der wurde von den Ärzten in den Jahren 2013 bis 2015 keine der Untersuchungen U4 bis U7a abgerechnet (Bundesdurch- schnitt fünf bis sechs). Bei den Untersuchungen U8 und U9 waren es in Schleswig-Holstein vier von 100 Kindern (Bun- desdurchschnitt: zehn bis elf). Schleswig-Holsteins Barmer- Chef Thomas Wortmann führt die guten Quoten im Norden u.

a. darauf zurück, dass die Eltern hier doppelt auf anstehende Untersuchungen hingewiesen werden. (pm/red)

AOK: Gewinn, aber weniger Filialen

Einen Überschuss in Höhe von 32,3 Millionen Euro und einen Zugang von 67.000 neuen Versicherten gab die AOK Nord- west vergangenen Monat für das Jahr 2016 bekannt. Die stabi- le Finanzlage führt die Kasse in erster Linie auf steigende Mit- gliederzahlen und die damit verbundenen Mehreinnahmen zurück. Aber auch „günstige Kostenentwicklung, wirtschaft- liches Handeln und innovative Versorgungskonzepte“ werden genannt. Während die Einnahmen je Versicherten in 2016 um 4,3 Prozent gestiegen sind, gab es bei den Leisungsausgaben je Versicherten nur ein Plus von 1,9 Prozent. Mit den Überschüs- sen will die AOK ihre Rücklagen stärken. Zugleich wurde be- kannt, dass die Krankenkasse die Zahl ihrer Geschäftsstellen reduziert. (pm/red)

Studiengang Hebammenwissenschaft

Hebammenwissenschaft, Logopädie, Ergotherapie sowie Hör- akustik und Audiologische Technik werden von der Uni Lü- beck als neue Studiengänge zum Herbst vorbereitet. Der Ba- chelor-Studiengang Hebammenwissenschaft wird damit erst- mals an einer Universität in Deutschland angeboten, bisher war dieses Studium nur an Fachhochschulen möglich. 20 Plät- ze gibt es für das duale Studium, das nach sechs Semestern die staatliche Prüfung zur Hebamme/zum Entbindungspfleger integriert und nach einer Regelstudienzeit von acht Semestern mit dem Bachelor abschließt. Bisher war ausschließlich die Ausbildung zur Hebamme möglich, die durch die UKSH-Aka-

demie durchgeführt wird. (pm/red) Der aktuelle Kurs „Bildung und Integration“ am Klinikum Itzehoe mit Leiterin Regine Kracht.

(6)

S

tartschuss für das größte Pro- jekt in der Geschichte der traditi- onsreichen Flensburger Klinik“:

So begann eine Pressemitteilung der Kieler Staatskanzlei vor einem Vierteljahr. Der damalige Minis- terpräsident Torsten Albig (SPD) überreichte mitten im Wahlkampf einen Förderbescheid über 2,5 Millionen Euro an Wolfgang Boten, den Vorstandsvor- sitzenden der Diako. Das Geld sollte für anfallende Planungskosten verwendet werden und war nur die erste Rate für ei- nes der größten Investitionsvorhaben in der Kliniklandschaft im Norden. Weite- re gut 50 Millionen Euro wollte das Land in die Finanzierung des ersten Bauab- schnittes stecken, insgesamt sollte die Diako-Modernisierung mindestens 128 Millionen Euro kosten.

F L E N S B U R G

Meinungsumschwung für Zentralklinikum

Bevor das Land einen dreistelligen Millionenbetrag in die beiden bestehenden Standorte steckt, wollen die Flensburger über ein neues Zentralklinikum reden. Nun wird ein Grundstück gesucht.

„Flensburg kann sich so zu einem Standort entwickeln, der modernste me- dizinische Versorgung in einem starken Klinikverbund garantiert“, hieß es noch vor wenigen Monaten.

Auch das benachbarte Malteser St.

Franziskus-Hospital hatte Investitions- bedarf angemeldet und war erhört wor- den. Auch dort pressewirksamer Politi- kerbesuch zur Übergabe des Fördermit- telbescheids: Die damalige Gesundheits- ministerin Kristin Alheit (SPD) brach- te den Förderbescheid persönlich vorbei:

25 Millionen Euro für den ersten Bauab- schnitt. Bis 2019 sollte ein neues Betten- haus mit 124 Betten errichtet und eine Kernsanierung der bestehenden Statio- nen an der Waldstraße mit weiteren 238 Betten vorgenommen werden. Ab 2020 sollten für den zweiten Bauabschnitt

weitere 41 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. „Zusammen mit der Di- ako entsteht eine zukunftssichere Struk- tur“, sagte Alheit in Flensburg und fügte hinzu: „Ich bin überzeugt, dass die Lan- desmittel hier gut investiert sind.“

Davon ging auch Malteser-Ge- schäftsführer Klaus Deitmaring aus. Er hielt es für „nur folgerichtig“ dass das Krankenhaus bedarfsgerecht erweitert und modernisiert werden sollte. Ober- bürgermeisterin Simone Lange freu- te sich zu diesem Zeitpunkt, dass das St.

Franziskus-Hospital mit dem Moderni- sierungs- und Sanierungsprozess starten kann, „damit wir am Gesundheitsstand- ort Flensburg noch bessere klinische Pa- tientenversorgung und Arbeitsbedin- gungen gewährleisten können und für die Zukunft gut aufgestellt sind.“

Großer Andrang herrschte im Flens- burger Rathaus, als öffentlich über die Zu- kunft der stationä- ren Versorgung in der Grenzstadt diskutiert wurde. Die Versamm- lung machte deutlich, dass viele Menschen die hohen Investitio- nen in einem zentra- len Klinikum besser als an zwei Standor- ten angelegt sehen.

Fotos: kathrin ove - stadt flensburg

(7)

Die Botschaft war deutlich: Das Land, zuvor oft kritisiert wegen nicht ausreichender Mittel für die Kranken- häuser in Schleswig-Holstein, kümmert sich mit Millionenbeträgen um eine bes- sere stationäre Versorgung. Träger und Kommunalpolitik gingen von den bis- lang bestehenden Bedingungen aus und waren deshalb sicher, mit einer Moder- nisierung das optimale Ergebnis zu er- zielen.

Nur: Mit einer Summe im dreistel- ligen Millionenbereich eine Struktur zu modernisieren, deren Nachteile of- fensichtlich sind, leuchtete vielen ande- ren Menschen in Flensburg nicht ein.

Ob die von Albig angesprochene „mo- dernste medizinische Versorgung“ er- reicht werden kann, solange die stationä- ren Angebote weiterhin an zwei Standor- ten mitten in der Stadt vorgehalten wer- den, wurde von verschiedenen Seiten bezweifelt. Eine im Mai einberufene Ver- sammlung im Flensburger Rathaus zeig- te dann, wie verbreitet und berechtigt diese Zweifel waren. Auch Ärzte melde- ten sich in der Diskussion unter dem Ti- tel „Krankenhaus-Dialog“ zu Wort und machten deutlich, wie groß ihre Beden- ken sind. Für ehemalige ärztliche Direk- toren und Chefärzte beider Flensburger Krankenhäuser sagte Dr. Ulrich Schro- eder: „Uns eint die Sorge, dass der bis- her eingeschlagene Weg in der Flensbur- ger Krankenhausentwicklung in einer Sackgasse ohne Wendemöglichkeit en- det und heute ein fataler und nicht mehr korrigierbarer Fehler in der Struktur des sonst erfolgreichen Klinik-Verbundes zementiert wird.“

Schroeder, früher ärztlicher Direk- tor in der Diako, ließ keinen Zweifel da- ran, dass die beiden frei-gemeinnützi- gen Träger mit dem 2006 eingeschlage- nen Weg eines Klinikverbundes einiges erreicht haben: Er bedeutete das Ende ei- ner 100-jährigen Konkurrenz der beiden Häuser und damit das Ende des medizi- nischen Wettrüstens und fast identisch doppelt vorgehaltener Fachabteilungen.

Mit anderen Worten: Der Verbund er- möglichte die Einsparung erheblicher Ressourcen. Zugleich wurde mit der Schaffung des Verbunds aber ein nach- haltiger Konstruktionsfehler begangen.

Schroeder erinnerte daran, dass Ärzte schon früher für ein gemeinsames Kli- nikgebäude eingetreten waren – damals vergeblich. Stattdessen wurden die neu geschaffenen Fachabteilungen zwischen den beiden Trägern aufgeteilt. Es wa- ren nach seiner Beobachtung die Träger, die auf den Erhalt von zwei Standorten und auf unveränderte Größenverhältnis- se drängten. Die Folge war, dass die Di- ako seitdem für Hirn, Herz, Knochen, Nieren, Blutgefäße und die radiologische Diagnostik mit MRT zuständig war und das Malteser Krankenhaus für Lunge, Leber, Magen-Darm, Diabetes, Onko-

logie, Strahlentherapie und Nuklearme- dizin. „Dieser Konstruktionsfehler“, so Schroeder, „ändert sich nicht bei einem Neubau an den alten Standorten.“ In sei- nem Plädoyer gab er zu bedenken: „Bis heute leiden Patienten und Pflegekräfte an den ständigen Transporten zwischen den Krankenhäusern – ganz zu schwei- gen von den Kosten.“

Diese Transporte finden nach sei- nen Angaben geschätzte 5.000 Mal im Jahr statt. „Die zwei Standorte behin- dern die Ärzte in ihrer notwendig engen Zusammenarbeit in der Zentralen Not- aufnahme, bei den gemeinsamen Visiten auf den Intensivabteilungen und bei ih- ren Konsilen am Krankenbett, bei Fall- besprechungen und Konferenzen.“ Sein Appell: „Die entscheidenden Nachtei- le des alten Konstruktionsfehlers können nur in einem gemeinsamen Zentralkli- nikum, das alle Kompetenzen, Abteilun- gen und Großgeräte unter einem Dach bündelt, ein Ende finden.“ Schroeder sprach von einer „einmaligen Chance“

für Flensburg für ein gemeinsames Kli- nikum in konfessioneller Trägerschaft und eine gut gelöste gemeinsame Lei- tungsstruktur.

Neben den medizinischen Argu- menten wurden beim Krankenhaus-Di- alog im Rathaus auch andere genannt:

Die beiden Kliniken mitten in der Stadt

sorgen schließlich für viel Verkehr mit entsprechender Belastung für die Um- gebung. Auch wirtschaftlich gesehen spricht einiges für ein Zentralklinikum:

Weniger Transporte bedeuten geringere Kosten, kürzere Wege effizientere Abläu- fe. Allerdings dürften die Kosten für ei- nen Neubau auch über den für die Mo- dernisierung der bestehenden Kranken- häuser vorgesehenen Investitionsmit- teln liegen.

Vier Wochen nach dem Dialog im Flensburger Rathaus zeigte eine Ver- anstaltung des Flensburger Ärztever- eins / Kreisausschusses der Ärztekam- mer und der Kreisstelle der Kassenärzt- lichen Vereinigung, wie stark die Ärzte sich mit diesem Thema auseinanderset- zen: Mehr als 100 Teilnehmer waren der Einladung zu dieser Veranstaltung ins Diakonissenkrankenhaus gefolgt. „Das ist ein ungewöhnlich großes Interesse“, sagte Dr. Ingeborg Kreuz vom Flensbur- ger Ärzteverein dem Schleswig-Holstei- nischen Ärzteblatt – immerhin waren dies rund fünf Mal so viele wie sonst üb- lich. Das Ergebnis war trotz der hohen Ärztezahl deutlich: Einhellig sprachen sich die Teilnehmer für einen Kranken- hausneubau an einem verkehrstechnisch günstigen Standort aus. In einem State- ment heißt es: „Im Mittelpunkt muss jetzt die bestmögliche Patientenversor- Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange

194 Mio.

Euro würde die erfor- derliche Modernisie- rung an den beiden bestehenden Klinik- standorten in Flens- burg kosten.

230 Mio.

Euro: Auf diese Sum- me kommen erste Schätzungen für ei- nen zentralen Kli- nikneubau an einem neuen Standort. Be- lastbare Kalkulatio- nen gab es bis Redak- tionsschluss aber noch nicht.

(8)

Foto: kathrin ove - stadt flensburg

gung stehen. Kurze Wege mit geringen Wartezeiten und ein umfassendes Inei- nandergreifen der verschiedenen Fach- disziplinen werden sowohl die Patien- tenversorgung verbessern als auch die Belastung des medizinischen Fachper- sonals verringern helfen.“ Landes- und Kommunalpolitik seien jetzt gefordert, hieß es weiter, den geweckten Erwartun- gen auch Taten folgen zu lassen. Mah- nend stellen die Ärzte fest: „Hierbei dür- fen nicht vorrangig ökonomische Über- legungen oberste Richtschnur sein, son- dern die langfristig gesicherte gute Ver- sorgung der Patientinnen und Patienten im nördlichsten Landesteil.“

Die Ärztekammer schließt sich der Meinung der Flensburger Ärzte an.

Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann, durch seine Arbeit an beiden Kranken- häusern mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut, sagte: „Die Ärztekam- mer Schleswig-Holstein würde es begrü- ßen, wenn dem Votum der Ärzte gefolgt wird.“ Die Kammer unterstützt die Ärz- te in ihrem Anliegen und hält ein Zent- ralklinikum in Flensburg für die „einzig vernünftige Variante“.

Es gibt aber nicht nur Befürworter für einen Klinikneubau in Flensburg. In einem Internetforum wurde nach dem Stimmungsumschwung gemutmaßt, dass sich „einige Kommunalpolitiker mit solch einem Projekt offensichtlich auch ein Denkmal setzen wollen“. Verwie- sen wird auch auf die voraussichtlichen Kosten für einen Neubau – angeblich bis zu 230 Millionen Euro. Allerdings lag bis Redaktionsschluss keine Kalkulati- on vor.

Auch der mögliche Standort wirft Fragen auf. Wo ein solches Zentralklini- kum errichtet werden könnte, steht noch nicht fest und könnte erneut für Diskus- sionen sorgen. Kritiker verweisen zu-

dem auf mögliche Verzögerungen, die bei Bauvorhaben dieser Größenord- nung häufig auftreten. Eine nicht zu un-

terschätzende Hürde ist die Frage, wie die beiden Träger gemeinsam ein neu- es Klinikum betreiben könnten. Vorbil- der gibt es nicht. Aber Malteser und Di- ako haben schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie Kooperation können:

Bei der Schaffung des Klinikverbundes, beim gemeinsam betriebenen ökume- nischen Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen und beim Kathari- nen-Hospiz.

Beide Träger zeigten sich nach der Wende positiv überrascht und aufge- schlossen für ein gemeinsames Kranken- haus. Dr. Christian Peters, Krankenhaus- direktor der Diako, sagte: „Wir sind sehr angetan und erfreut von dem großen En- gagement der Stadt, einen geeigneten Standort für ein zukunftsfähiges Zent- ralklinikum zu finden. Auch die Ärzte- schaft Flensburgs ist ebenso wie wir da- von überzeugt, dass es keine Alternati- ve zu einem Zentralklinikum für Flens- burg und die Region gibt.“ Malteser-Ge- schäftsführer Klaus Deitmaring sagte:

„Wir würden das machen. Wir fühlen uns geehrt, dass man das für möglich

hält.“ Er räumte ein, dass die Träger von der Entwicklung überrascht wurden:

„Damit haben wir nicht gerechnet. Es gab keinen Austausch hierzu. Jetzt sind wir ergebnisoffen.“

Damit zeigt Deitmaring, dass noch einige Hürden genommen werden müs- sen, damit es zum gemeinsamen Neubau kommt. Die entscheidenden Fragen be- treffen Grundstück und Finanzierung.

Bis zum Sommer wurden 16 ins Spiel ge- brachte Grundstücke auf sechs reduziert, die nun eingehender geprüft werden. Bis Herbst will man zu einer Standortemp- fehlung kommen. Die Zeit drängt, weil man, wie Flensburgs Oberbürgermeiste- rin Simone Lange dem Flensburger Ta- geblatt sagte, die „Förderkulisse“ nicht gefährden dürfe. Doch die zugesagten Mittel für die Modernisierung der bei- den Standorte würden nach Schätzun- gen der Experten nicht reichen, um ei- nen Neubau zu bezahlen. Peters sag- te zur Finanzierung: „Für ein Zentral- klinikum wird man gemeinsam kreati- ve Finanzierungsmöglichkeiten suchen müssen.“ Deitmaring drückte es deutli- cher aus: „Die ohnehin schon hohe För-

derung für die Modernisierung beider Standorte würde für den Neubau nicht reichen. Wir als Träger haben aber nicht das Vermögen, um den zusätzlichen Be- darf aus Eigenmitteln zu decken.“ Des- halb wartete man in Flensburg Ende Juni noch etwas ungeduldiger als im restli- chen Land auf die Regierungsbildung in Kiel, um möglichst noch in diesem Mo- nat in Gespräche mit politischen Ent- scheidungsträgern eintreten zu können.

Als vergleichbar geringe Hürde schätzt Deitmaring dagegen die Zusam- menarbeit mit der Diako ein. „Die Sou- veränität beider Träger steht außer Fra- ge. Wir gehen den ökumenischen Weg“, sagt er. Möglich mache dies die Erfah- rung, dass Diako und Malteser in vie- len Fragen nah beieinander lägen: „Sonst hätten wir den Klinikverbund auch nicht hinbekommen.“ Für Deitmaring steht fest, dass alle mit der Zusammenarbeit anstehenden Fragen später beantwor- tet werden können: „Das können wir lö- sen, wenn die Umfeldbedingungen ge- klärt sind.“

dirk Schnack

„Die Nachteile des alten Konstruktions- fehlers können nur in einem gemeinsamen Zentralklinikum, das alle Kompetenzen, Abteilungen und Großgeräte unter einem Dach bündelt, ein Ende finden.“

Sie müssen reden: Die beiden kaufmännischen Geschäftsführer der Flensburger Kliniken, Martin Wilde (Diako, links) und Klaus Deitmaring (Mitte, Malteser).

(9)

Krankenhäuser der Zukunft: Dänemarks „Super-Hospitals“

D

ie Dänen haben große Visionen:

schnellere Diagnosen, besser koordi- nierte Patientenströme, größere Pa- tientensicherheit, eine bessere Lern- umgebung und verbesserter Ressour- ceneinsatz. All das soll durch den Um- bau der Krankenhauslandschaft unseres nördlichen Nachbarn, der seit 2009 vo- rangetrieben wird, erreicht werden. Die Konzentration auf wenige „Super-Kran- kenhäuser“ mit umfangreichen Fach- richtungen und modernster Ausstat- tung statt auf viele kleinere Kliniken soll ein Schlüssel zum Erfolg sein. 16 Super- Hospitals mit einer Größe von 50.000 bis 250.000 qm sollen entstehen, wovon sechs Häuser in Aarhus, Aalborg, Gød- strup, Odense, Køge und Hillerød neu gebaut und zehn saniert, modernisiert und vergrößert werden sollen. Einige kleinere Häuser werden zugunsten der neuen spezialisierten Kliniken geschlos- sen. Auch die 24-Stunden-Notfallabtei- lungen sollen abgespeckt werden: Von 40 Häusern bleiben nur noch 21 Kliniken für die Notfallversorgung übrig. Sie wer- den sich laut Plan in Regionen mit einem Einzugsgebiet von 300.000 bis 350.000 Menschen befinden. Daneben soll auch die ambulante und sektorenübergreifen- de Versorgung gestärkt werden.

5,7 Milliarden Euro ist Dänemark bereit, für das umfangreiche Projekt aus- zugeben, um der alternden Gesellschaft und der wachsenden Zahl chronisch kranker Bürger zu begegnen. 60 Pro- zent der Kosten werden dabei von der Regierung getragen, die restliche Inves- titionssumme wird auf die fünf Regio- nen des Landes verteilt. Dafür müssen die neuen Häuser aber auch etwas leis- ten: Um vier bis acht Prozent soll die Ef- fizienz im Vergleich zum vorherigen Be- trieb gesteigert werden. Ziel ist, die Aus- gaben für das dänische Gesundheitswe- sen zu reduzieren, ohne jedoch an Qua- lität einzusparen – im Gegenteil: Die Qualität soll durch die Maßnahmen ge- steigert werden.

Eine effiziente Infrastruktur der Ge- bäude sowie umfangreicher technischer Einsatz sollen zu schnelleren Diagno- sen und zügigerem Therapiebeginn füh- ren. Rund 20 Prozent der Gesamtinves- titionssumme sollen für moderne Medi- zin- und EDV-Technik wie elektronische Patiententafeln bei der Aufnahme aus- gegeben werden. Ein Tracking- & Tra- cing-System sorgt dafür, dass Geräte, ste- rile Materialien oder auch Betten elekt- ronisch geortet und mobile Objekte wie Ultraschallgeräte angefordert werden oder Behandlungen in den entsprechen- den Räumlichkeiten mit der gewünsch- ten Ausstattung geplant werden können.

Dazu gehört auch die Verteilung, War-

Die neue Universi- tätsklinik in Aarhus (DNU) soll 2019 fer- tiggestellt werden.

Das Krankenhaus soll 100.000 stationä- re und 900.000 ambu- lante Patienten jähr- lich medizinisch be- treuen. 9.000 Mit- arbeiter sind für das Krankenhaus einge- plant.

tung und Reinigung der Geräte oder Bet- ten, die über eine solche technische Inf- rastruktur organisiert werden kann. Im neuen Universitätskrankenhaus in Aar- hus soll nach Auskunft des dänischen Gesundheitsministeriums die weltweit größte Installation eines solchen Systems realisiert werden, um die Logistik so effi- zient wie möglich zu gestalten.

Ein durchschnittlicher Kranken- hausaufenthalt in Dänemark betrug 2013 4,3 Tage und liegt damit schon am unte- ren Ende der Vergleichsskala unter den Industrienationen. Kein anderes Land schickt seine Patienten schneller nach Hause. Doch auch diese Rate soll noch weiter reduziert werden, indem die Pa- tienten in Einzelzimmern untergebracht werden, wo sie nicht nur besser schlafen und sich dadurch entsprechend schnel- ler erholen. Diese Form der Unterbrin- gung hat auch den Vorteil geringerer In- fektionsgefahr sowie einer vertrauens- volleren Kommunikation mit Ärzten und Pflegepersonal. Dies soll schließlich zu einer kürzeren Verweildauer und we- niger Rückfällen führen und den Weg zur weiteren ambulanten Versorgung freimachen, die insbesondere durch Te- lemedizin unterstützt wird.

Telemedizin soll auch dazu beitra- gen, dass weniger Patienten stationär be- handelt werden müssen. Ein Beispiel da- für liefert die Behandlung von Geschwü- ren, in die 70 Prozent aller relevanten Pa- tienten bereits in diesem Jahr eingebun- den sein sollen: Eine Pflegekraft beim Patienten fotografiert das Geschwür mit ihrem Smartphone und schickt das Bild an den behandelnden Arzt, der über die

weitere Behandlung entscheidet. Sowohl der Arzt als auch das medizinische Per- sonal vor Ort haben dabei die elektro- nische Patientenakte vorliegen. So müs- sen weniger Patienten mit Geschwüren in Kliniken behandelt werden, der Pati- ent muss weniger Wege auf sich nehmen, die Kompetenz der örtlichen Pflegekräf- te wird verbessert und auch die Zufrie- denheit der Patienten steigt.

Bis 2025 will Dänemark sein Super Hospital-Projekt vollendet haben. Die ersten Kliniken sind bereits fertiggestellt, während 37 Prozent des Budgets bis- her verbraucht wurden. Auch die neue Uniklinik in Aarhus, die als derzeit größ- tes Krankenhausbauvorhaben in Nord- europa gilt, hat den Betrieb zum Teil schon aufgenommen. Nach der geplan- ten Fertigstellung wird das Megakran- kenhaus wie eine kleine Stadt anmuten – für 100.000 Menschen.

Anne Lütke Schelhowe

Fotos: Rådgivergruppen DNU I/S

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L A N D E S P O L I T I K

Die lange Reise nach Jamaika

Viele Punkte aus der Koalitionsvereinbarung werden erst mit Zeitver- zögerung Wirkung entfalten. Ärzte als Gesprächspartner erwünscht.

Kristin Alheit: Erst unbekannt, später anerkannt

K

ristin Alheit (SPD) war die Über- raschung im neuen Kabinett, das Schleswig-Holsteins Ministerpräsi- dent Torsten Albig nach der Land- tagswahl 2012 vorstellte. Es hieß, die Bürgermeisterin aus Pinneberg sei nicht erste Wahl gewesen. Und man war ge- spannt, wie lange sich die auf Landesebe- ne bis dato weitgehend und in der Ge- sundheitspolitik komplett unbekann- te Politikerin halten würde. Alheit über- stand nicht nur die komplette Legislatur- periode, sondern erwarb sich in vielen Bereichen ihres Aufgabengebietes – ne- ben Soziales und Gesundheit war sie auch für Familie, Gleichstellung und später auch noch für Wissenschaft zu- ständig – Anerkennung. Akzente setz- te sie u. a. in der Pflege. Bei viel Gegen-

wind setzte sie die Gründung einer Pfle- geberufekammer durch. Sie überstand die „Keimkrise“ am Kieler UKSH und hatte sich mit der seit Jahren anhalten- den Unterfinanzierung der Krankenhäu- ser auseinanderzusetzen. In ihrer Amts- zeit wurde außerdem die Spezialisierung und Konzentration im stationären Be- reich forciert und die medizinische Ver- sorgung der Flüchtlinge musste gewähr- leistet werden. Ohne öffentliche Auf- merksamkeit, aber wirkungsvoll war der direkte Austausch, der zwischen ihrem Ministerium und vielen Institutionen im Gesundheitswesen gepflegt und in- tensiviert wurde – auch ein Verdienst ih- rer Staatssekretärin Anette Langner, die zum fairen Dialog mit den Heilberufen beitragen konnte. (di)

Kristin Alheit (SPD) ist Juristin und war zu ihrem Amtsantritt 2012 auch vielen Par- teigenossen in Schles- wig-Holstein noch nicht bekannt. Ihre Ernennung war die große Überraschung im Kabinett Albig.

D

as aus CDU, FDP und Grünen be- stehende „Jamaika-Bündnis“ in Schleswig-Holstein hat seine Ar- beit begonnen. Im Kabinett von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) befindet sich mit Dr. Hei- ner Garg (FDP) ein Gesundheits- minister, den viele noch aus seiner ersten Amtszeit von 2009 bis 2012 kennen.

Erste Rückschlüsse auf die künfti- ge Gesundheitspolitik lässt der Koaliti- onsvertrag zu. Neben einem Bekennt- nis zu einer qualitativ hochwertigen und gut erreichbaren, aber auch bedarfs- gerechten Versorgung wird die Sicher- stellung einer flächendeckenden Ver- sorgung als zentrale Aufgabe gesehen.

Durch den Abschnitt Gesundheit zieht sich die Bereitschaft zum Austausch und zur Zusammenarbeit mit den Beteiligten wie ein roter Faden. Ungewöhnlich ist, dass eine Institution wie die Ärztekam- mer Schleswig-Holstein in einem Koali- tionsvertrag ausdrücklich erwähnt wird.

In diesem Zusammenhang wird auf die Chancen abgehoben, die die Telematik für die ländliche Versorgung, für das Zu- sammenspiel der an der Versorgung Be- teiligten und für die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten bietet.

Wörtlich heißt es in der Vereinba- rung:

Zur Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten wer- den wir

u die Selbstverwaltung bei der Einfüh- rung einer einrichtungs- und sekto- renübergreifenden elektronischen Patientenakte (ePA) unterstützen;

u gemeinsam mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein berufs- und standesrechtliche Anforderungen für die Nutzung von Telemedizin weiterentwickeln;

u die medizinische Versorgung von In-

seln und Halligen mit Unterstützung telemedizinischer Lösungen sicher- stellen;

u den Einsatz von telemedizinischen Anwendungen zur Unterstützung des nichtärztlichen medizinischen Rettungsdienstpersonals fördern;

u die intersektorale Zusammenarbeit zwischen der präklinischen und kli- nischen Patientenversorgung er- leichtern und hierzu in einem zu schaffenden Landeskrankenhausge- setz die Nutzung der Möglichkeit ei- nes webbasierten interdisziplinären Versorgungsnachweises (IVENA E- Health) regeln;

u die Inanspruchnahme von Förder- programmen zur Finanzierung des Ausbaus prüfen.

Insgesamt sollen laut Ankündigung des Jamaika-Bündnisses in den kom- menden Jahren 50 Millionen Euro in die Digitalisierung fließen. Weitere zentra- le Punkte aus dem Abschnitt Gesundheit

der 114-seitigen Koalitionsvereinbarung:

Ambulante Versorgung

Hier wird die Bedeutung der freiberuf- lichen Heilberufe besonders herausge- stellt. „Wir werden gemeinsam mit den Partnern der Selbstverwaltung für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwer- tige medizinische und pflegerische Ver- sorgung im ländlichen Raum sowie auf den Inseln und Halligen sorgen“, heißt es weiter. Schon im Studium soll künftig ausgelotet werden, wie angehende Ärzte für eine entsprechende Tätigkeit gewon- nen werden können. Die Niederlassung im unterversorgten ländlichen Raum soll gefördert werden. Zehn Prozent der Medizinstudienplätze in Schleswig-Hol- stein sollen künftig an Bewerber fallen, die sich nach Abschluss des Medizinstu- diums und der fachärztlichen Weiterbil- dung verpflichten, in unterversorgten Regionen zu praktizieren – was im Vor- weg u. a. von der Ärztekammer und der

114

Seiten umfasst die Koalitionsvereinba- rung. Im vierseiti- gen Abschnitt zur Ge- sundheit werden ne- ben den genannten Punkten u. a. auch die medizinische Ver- sorgung von Flücht- lingen, der Rettungs- dienst und der öffent- liche Gesundheits- dienst aufgegriffen.

Foto: SPD

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Dr. Heiner Garg: Kenner der Szene

G

esundheitspolitik ist ihm ein Anlie- gen, für das er seit über 20 Jahren im Kieler Landeshaus eintritt, erst als wissenschaftlicher Referent seiner FDP-Fraktion, dann als einfacher Land- tagspolitiker, 2009 bis 2012 als zuständi- ger Landesminister, anschließend in der Opposition und nun erneut als Minister.

Dr. Heiner Garg ist der wohl profilier- teste Gesundheitspolitiker in Schleswig- Holstein. Politiker, die sich über Jahr- zehnte so engagiert mit diesem Thema beschäftigen, findet man bundesweit sel- ten, in Schleswig-Holstein gar nicht.

Folgerichtig fiel seit Beginn der Koalitionsverhandlungen bei den Spe- kulationen über mögliche Minister für das Gesundheitsressort kein anderer Name mehr. Der 51-jährige Garg stammt aus Freiburg, ist diplomierter Volkswirt, seit 1990 Mitglied der Freien Demokra- ten und seit einigen Jahren auch Landes- chef seiner Partei. In Diskussionsrunden tritt er streitfreudig auf und nimmt dabei auch in Kauf, dass seine Positionen nicht bei jedem im Publikum gut ankommen.

Zum Thema Pflegekammer etwa bezog er klare Position und erntete damit mas- sive Kritik der Befürworter.

Garg schreckt vor ungewöhnlichen Vorschlägen auch dann nicht zurück, wenn diese in einer Berufsgruppe mehr- heitlich abgelehnt werden. Ärzte kennen diesen Willen, neue Wege auszuprobie- ren, noch aus Gargs erster Amtszeit: Das

von ihm in die Diskussion eingebrachte Docmobil durfte bei vielen Ärzten und bei ihren Körperschaften nicht auf Un- terstützung hoffen.

Unterschiedliche Auffassungen in Einzelfragen ändern aber nichts an ei- nem insgesamt guten Verhältnis. Garg ist einer der wenigen Politiker, die den Un- terschied zwischen Freiberuflichkeit und Selbstständigkeit kennen. Er weiß nicht nur um die Bedeutung von Freiberuf- lichkeit und Selbstverwaltung, sondern verteidigt diese auch gegen Bestrebun- gen, den Arztberuf in abhängige Bahnen zu lenken. (di)

Kassenärztlichen Vereinigung im Land kritisiert wurde.

Gemeinsam mit den Partnern der Selbstverwaltung, den Kommunen und den Praxisnetzen sollen „moderne, zu- kunftsfähige Versorgungskonzepte“ ent- wickelt werden. Regionale und mit kom- munalem Engagement unter Berück- sichtigung der Bedarfsplanung etablier- te Versorgungsangebote im ländlichen Raum wie etwa kommunale Gesund- heitszentren sollen gefördert und unter- stützt werden. Die Delegation von un- terstützenden ärztlichen Leistungen, die in Abstimmung mit niedergelassenen Ärzten deren Arbeitsbelastung vor Ort reduziert, wird begrüßt: „Die mit die- sen Leistungen betrauten Personen müs- sen eng in den Praxisalltag eingebun- den sein. Sie können eine wichtige Stütze sein und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bei delegierbaren Aufgaben entlas- ten“, heißt es in der Vereinbarung.

Stationäre Versorgung

Für die Krankenhäuser in Schleswig- Holstein kündigt die neue Regierung

„verlässliche Rahmenbedingungen“ an.

Mit einem Landeskrankenhaus- gesetz wollen die Koalitionspartner die

„Grundlagen für eine zukunftsorien- tierte Krankenhausplanung und die da- mit einhergehende Investitionsfinanzie- rung“ festschreiben. Konkret verspro- chen wird in diesem Zusammenhang eine Aufstockung der Krankenhausin- vestitionsmittel „um mindestens 50 Mil- lionen Euro“. Ziel: Abbau des bestehen- den Investitionsstaus. Bei der Umset- zung der bundesweiten Antibiotikastra- tegie soll Schleswig-Holstein eine Vor- reiterrolle einnehmen. Der Bau einer spezialisierten Infektionsstation in ei- nem schleswig-holsteinischen Kranken- haus soll als Modell wissenschaftlich be- gleitet und bei entsprechenden Ergebnis- sen ausgebaut werden. Damit Kliniken ihren Bedarf an qualifizierten Pflegekräf- ten decken können, will sich das Land auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Pflegeleistungen in den Fallpauschalen besser abgebildet werden als bisher. Um einen bundesweit einheitlichen Basis- fallwert zu erreichen, wird eine Normen- kontrollklage geprüft.

Geburtshilfe

Ein landesweit gültiges Geburtshilfekon- zept soll Erreichbarkeit und Qualität im gesamten Land sichern – auch unter Be- rücksichtigung der besonderen Situation der Inseln und Halligen sowie von struk- turschwachen Regionen. Voraussetzung für eine spezifische Bedarfsplanung ist die Erfassung der regional unterschiedli- chen Versorgungsstrukturen. „Gemein- sam mit den Verbänden der Hebammen, den Fachärzten für Geburtshilfe, den Krankenhausträgern, den Trägern des Rettungsdienstes, den Kommunen und

gegebenenfalls weiteren Beteiligten wer- den wir diese Bedarfserhebung auf den Weg bringen und unterstützen“, heißt es in diesem Abschnitt. Auch die besonde- re Situation der Inseln und Halligen und strukturschwachen Regionen soll das Konzept berücksichtigen. Die Einrich- tung „hebammengeleiteter Kreißsäle“ in Anbindung an Geburtskliniken auch im ländlichen Raum soll geprüft und Aus- bildungskapazitäten sollen „bedarfsge- recht“ ausgebaut werden. In Ausnahme- fällen soll auch Verantwortung für die Sicherung der Haftpflichtprämien für Hebammen und Geburtshelfer in nach- weislich unterversorgten Regionen über- nommen werden.

Drogenpolitik

„Kinder und Jugendliche sind vor Dro- genkonsum besonders zu schützen, des- halb werden wir Schulen, Kindertages- stätten sowie Spiel- und Sportstätten von Drogen vollständig freihalten“, lautet das Versprechen der neuen Koalition. In ei- nem „ganzheitlichen Ansatz“ sollen Prä- vention, Beratung, Therapie und Ent- kriminalisierung Vorrang vor Repressi-

on haben. Ein Modellprojekt zur kont- rollierten Freigabe von Cannabis soll ge- prüft werden. Wie wichtig diese Prüfung ist, zeigt ein Blick in die Geschichte: 1997 war Schleswig-Holsteins Sozialministe- rin Heide Moser (SPD) bei einem ver- gleichbaren Vorstoß am damaligen Bun- desgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) gescheitert. Derzeit ist offen, wie eine staatlich kontrollierte Abgabe er- folgen könnte. Die Apothekerkammer hat sich Medien gegenüber bereits ge- sprächsbereit geäußert, damit die Abga- be durch qualifiziertes Personal erfolgt.

Kritiker verwiesen darauf, dass Cannabis durch einen Modellversuch nicht ver- harmlost werden darf.

Keine Aussage enthält die Vereinba- rung zu der in Gründung befindlichen Pflegeberufekammer. CDU und FDP hatten sich im Vorweg noch gegen die Kammer und für die Einrichtung einer Organisation mit freiwilliger Mitglied- schaft ausgesprochen, nun scheint die Pflegeberufekammer doch in ihrer von der Vorgängerregierung geplanten Form zu kommen.

Dirk Schnack

Foto: FDP

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M E I N U N G

Die Ärzte und die Kohle

Zur Bedeutung von Klimawandel und Luftver- schmutzung als Bedrohung für die Gesundheit.

I

n den letzten Jahren häufen sich Be- richte über den Zusammenhang von Klimawandel, Luftverschmutzung und Gesundheit. Renommierte Wis- senschaftler sind sich einig, dass das Fossilzeitalter spätestens in 20 bis 30 Jahren beendet werden muss. Die ent- scheidende Frage ist, ob dies noch so rechtzeitig gelingen kann, dass eine Be- grenzung der Erderwärmung unter zwei Grad erreicht wird. Neue Studien zeigen, dass Kohlekraftwerke in Europa sogar innerhalb der nächsten zehn Jahre abge- schaltet werden sollten 1.

Nach zahllosen Klimakonferenzen existiert immer noch eine inakzeptab- le Differenz zwischen Absichtserklärun- gen und Realität. Die Pariser Klimakon- ferenz 2015 war ein Wendepunkt. Erst- malig konnte ein die Nationen binden- der Vertrag abgeschlossen werden, in dem alle Länder den Zusammenhang zwischen der Verbrennung fossiler Ener- gien und der Erderwärmung akzeptier- ten und sich zu einer Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad verpflichteten, wenn auch zunächst nur freiwillig.

Die Erderwärmung durch Klima- gase und die Luftverschmutzung durch Stickoxide, Schwefeloxide und Feinstaub erhöhen signifikant die Morbidität und Mortalität (siehe Infoleiste). Die immer noch unzureichenden Klimaschutzmaß- nahmen werden nach der Pariser Kon- ferenz in Politik und Gesellschaft en- gagiert diskutiert. Die globale „Divest- ment-Bewegung“ wächst seit Jahren ste- tig und ist zu einer politischen Kraft ge- worden. Unter Divestment versteht man das Gegenteil von Investment. Es bedeu- tet den gezielten Abzug von Aktien, An- leihen und Investmentfonds aus Fossil- Unternehmen, da sie dem Klima scha- den und ein hohes finanzielles Risi- ko beinhalten, vor dem Finanzinstitute wie die Bank of England, die HSBC, der IWF und die Weltbank warnen. Um in- nerhalb der Zwei-Grad-Grenze zu blei- ben, müssen 70 bis 80 Prozent der der- zeit vorhandenen und bilanzierten fos- silen Energiereserven im Boden blei-

ben und verlieren damit ihren Wert. Di- vestment trägt diesem Risiko Rechnung und sendet ein deutliches Signal an Po- litik und Investoren, dass das auf fossiler Energieerzeugung beruhende Geschäfts- modell keine Zukunft hat. Divestment erschwert solchen Unternehmen zudem die Refinanzierung. Aktuell haben sich in 76 Ländern 700 Institutionen mit fünf Billionen US-Dollar Anlagevermögen verpflichtet zu devestieren 4.

Den Klimawandel als wichtiges Ge- sundheitsthema zu begreifen, spielte in der deutschen Ärzteschaft bislang eine geringe Rolle, obwohl die WHO ihn als

„die entscheidende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit im 21. Jahr- hundert“ bezeichnet 5. Viele internati- onale medizinische Verbände wie der Weltärzteverband (WMA), die WHO, britische (BMA) und kanadische (CMA) Ärzteorganisationen, skandinavische Pensionskassen, englische Fachgesell- schaften (Royal Colleges) und Fachjour- nale (The Lancet, BMJ) positionierten sich dagegen früh und eindeutig für ein Divestment. Es gibt also neben morali- schen auch ökonomische Gründe, Geld aus fossilen Brennstoffen abzuziehen:

Geld hat eine positive Wirkung.

Ein in letzter Zeit im Vordergrund stehender Aspekt sind die staatlichen Subventionen für Produzenten fossi- ler Brennstoffe (weltweit 444 Mrd. USD/

Jahr, das entspricht knapp 1 Mio. USD/

Min.). Aus diesem Grund initiierte die NGO HEAL kürzlich eine neue Aufklä- rungskampagne 6.

Die „UK Health Alliance on Cli- mate Change“, die alle großen briti- schen Gesundheitsorganisationen um- fasst (BMA, Fachgesellschaften, das BMJ und The Lancet), hat die britische Regie- rung aufgefordert, Kohlekraftwerke bis 2025 zu schließen. Luftverschmutzung sei die zweitgrößte Public Health-Bedro- hung nach Rauchen. Das Beenden von Investitionen in Kohle sei ein doppel- ter Gewinn, um der zweifachen Bedro- hung durch Luftverschmutzung und Kli- mawandel zu begegnen 2. Ärzteorgani-

sationen sowie Fachkräfte im Gesund- heitswesen dürfen aus ihrer besonde- ren Verantwortung für die Gesundheit nicht gleichgültig gegenüber den Aus- wirkungen eines ungebremsten Klima- wandels handeln: Klimaschutz bedeu- tet Krankheitsprävention 3.

Nach einem Brief von 110 Mitglie- dern der Berliner Ärzteversorgung mit einer Divestment/Reinvestment-Forde- rung beschloss diese, ihre CO2-intensi- ven Anlagen bis Mitte 2016 zu beenden und die Kriterien ihres Divestments zu veröffentlichen. Sie ist damit Vorreiter unter den ärztlichen Versorgungswer- ken. Die übrigen 18 Versorgungswer- ke (mit einem Gesamtanlagevermögen über 90 Mrd. Euro) wurden im März 2016 durch eine bundesweite Petition aufgefordert, ihre Beteiligungen an den 200 größten fossilen Unternehmen of- fenzulegen, zu beenden und die Beiträ- ge in ethisch-sozial-ökologische Anla- gen umzuschichten. Die Prognose für die Divestment-Strategie ist insgesamt günstig (50 Prozent aller Energie-Inves- titionen weltweit sind inzwischen rege- nerativ). 2.800 Ärzte sowie fünf Ärzte- organisationen unterstützen den Ap- pell (https://www.weact.campact.de/ef- forts/aerzte-appell). Wir verstehen uns als Teil der Zivilgesellschaft und möch- ten den menschengemachten Klima- wandel begrenzen. Die hippokratische Weisheit „primum nil nocere“ ist ak- tueller denn je. Erweitert wird sie noch durch den Leitspruch der Divestment- Bewegung „Wenn es falsch ist, das Kli- ma zu zerstören, dann ist es falsch, von dieser Zerstörung zu profitieren“.

Die bisherige Reaktion auf unseren Appell war bei den Versorgungswer- ken unterschiedlich: Einige reagierten gar nicht, viele beteuerten, sich der Ver- antwortung bei ihren Anlagen bewusst zu sein und entsprechend zu handeln, andere wehrten unser Anliegen ab. Bei ersten Gesprächen mit zwei Vorständen von Ärzteversorgungswerken bestand Interesse und Dialogbereitschaft. Die Portfolios dieser beiden Versorgungs- werke – mit Überprüfen der Nachhal- tigkeit und Transparenz der Anlage- strategien – wurden uns gegenüber je- doch nicht offengelegt, somit sind wir als Mitglieder weiterhin auf Treu und Glauben angewiesen.

Bei der Bekämpfung des Klima- wandels dürfen wir den CO2-Fußab- druck des Gesundheitssektors – in Eng- land gibt es verbindliche CO2-Redukti- onsziele – wie auch den unseres eigenen Lebensstils nicht vergessen. Nach der

„UCL-Lancet Commission on Health and Climate Change“ ist der Klima- wandel „die größte Bedrohung für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert“

3. Die Zeit drängt.

Dr. Ludwig Brügmann, Wilfried Deiss

Info

Eine neue Studie in Großbritannien be- richtet von 40.000 vorzeitigen Todesfäl- len p. a. (meist Herz-/

Lungenerkrankun- gen) und die Kosten für das Gesundheits- system betragen bis zu 3,1 Mrd. Pfund p. a. 2. Die potenziell massi- ven direkten und indi- rekten Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit gel- ten im Grunde als ge- sichert und bedrohen alle Fortschritte in der Entwicklung und der globalen Gesundheit der letzten 50 Jahre 3.

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K O M M E N T A R

Auf dem Weg zum

geeigneten Austausch ...

Die Ärztekammer experimentiert mit neuen Wegen der Kontaktaufnahme mit ihren Mitgliedern. Das kommt nicht immer gut an, provoziert aber endlich einmal Reaktionen!

F

ür viele (Pflicht-)Mitglieder ist die Ärztekammer eine weitgehend un- bekannte, wenn nicht ungeliebte In- stitution. Dafür haben wir als haupt- amtliche Mitarbeiter sogar Ver- ständnis. Spätestens nach der Fach- arztprüfung gibt es nur noch wenige Berührungspunkte. Hinzu kommt, dass die Vielfalt ärztlicher Spezialisierungen und Tätigkeitsformen eine „geschlosse- ne“ Standesvertretung „der schleswig- holsteinischen Ärzteschaft“ durch die Kammer eigentlich unmöglich macht.

Die Gemeinsamkeiten eines vielleicht noch einheitlichen Studiums und einer Handvoll urärztlicher „Werte“ stehen in der angespannten Versorgungsland- schaft hinter vielen Partikularinteressen zurück. Wir leben in Zeiten, in denen – salopp gesagt – jeder Recht hat.

Allerdings werden diese Zersplitte- rung und die daraus resultierenden, lan- gen Abstimmungs- und Einigungspro- zesse auf dem Weg zu „weichgespülten“

Statements der Ärzteschaft von ande- ren sehr wohl zu ihrem eigenen Vorteil genutzt. Wir werden „links und rechts überholt“. Ärztinnen und Ärzte kom- men bald in der Ausgestaltung und kre- ativen Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems nicht mehr vor!

Noch nie war eine stetige Präsenz ärztli- cher Meinungsäußerungen in den Medi- en und im gesellschaftlichen Diskurs so wichtig wie heute. Der Ärzteschaft droht die endgültige Herabstufung zu „Leis- tungsanbietern“, der Ärztekammer der schleichende Wandel von der Selbstver- waltung zur Auftragsverwaltung.

Zur Kontaktaufnahme mit ihren Mitgliedern stehen der Ärztekammer verschiedene Möglichkeiten zur Verfü- gung.

u Das Ärzteblatt: Wie oft landet es gut gemeint auf dem Stapel, den man immer noch lesen wollte!? Feedback nach dem Neuauftritt des Schleswig- Holsteinischen Ärzteblattes im Janu- ar 2015 lässt uns allerdings vorsich- tig schließen, dass wir eine erfreulich große Leserschaft erreichen.

u E-Mails: wir haben inzwischen von knapp 75 Prozent unserer Mitglieder E-Mail-Adressen. Wir stoßen auf ex- trem heterogene Gewohnheiten un- serer Mitglieder im Umgang damit.

Für viele ist es die zeitnahe und zeit- gemäße Kommunikation schlecht- hin, andere fühlen sich durch reine

„Informations-E-Mails“ genervt, an- gesichts der anbrandenden Flut so- gar verständlich. Soll man die Leute trotzdem weiter nerven, in der Hoff- nung, dass die Genervten es ohne Groll einfach „wegklicken“, oder soll man diesen Weg lieber verlassen, um im Ansehen nicht noch weiter zu sinken?

u Persönliche Post (frankierter Um- schlag): bleibt im Kammerkontext in der Regel dem individuellen Anlie- gen im direkten Mitglied-Kammer- Kontakt vorbehalten und ist darüber hinaus in der heutigen Zeit bei Mas- senaussendungen aus Kostengrün- den nicht mehr vertretbar.

u Facebook oder andere soziale Me- dien: Zweijährige Erfahrungen mit den medizinischen Fachangestellten, für die die Kammer ebenfalls zustän- dig ist, lassen uns über eine Auswei- tung auf Ärztinnen und Ärzte nach- denken. Die Teilnahme wird selbst gewählt, mindestens die Generation

der „digital natives“ ist in dieser Welt zuhause.

Es ist aussichtslos, es allen Recht ma- chen zu können. Gestehen Sie uns daher bitte Experimente zu. So hatten wir am 19. Juni eine Mitteilung zum neuen Koalitionsvertrag für eine Schleswig- Holsteinische Landesregierung per E- Mail an über 12.000 Mitglieder versandt.

Der Umstand, darin expressis verbis zu dem zukunftsweisenden Thema „Tele- medizin“ genannt zu sein, war es uns wert, mit dieser Meldung mal anzufan- gen. Uns erreichten Rückmeldungen im Promillebereich. Mengenmäßig somit in keinster Weise zufriedenstellend, allen- falls inhaltlich handelte es sich um einen (neudeutsch) „shitstorm“ im Verhältnis 3:1. Neben der falschen Wahrnehmung, die Kammer würde einer bestimmten Partei nahe stehen, bot diese (seltene) Mail der Ärztekammer interessanterwei- se eine offensichtlich willkommene Ge- legenheit, alles Übel dieses Gesundheits- systems (und der Welt) „auf den Hof der Kammer zu kippen“. Ganz ohne Häme:

Wir haben Reaktionen unserer Mitglie- der bewirkt! Es sind nur beileibe nicht genug... Im vagen Fahrwasser eines ge- setzlichen Auftrags und eines wie wir meinen vorzeigbaren Serviceangebo- tes ist es für eine Kammer erstrebens- werter, sich mit Mitgliedern „auseinan- derzusetzen“ und damit wahre Meinun- gen zu sammeln, als sich notgedrungen hauptsächlich Äußerungen einzelner (lauter) Interessensvertreter anschließen zu müssen, zumal sich im unmittelba- ren Kontakt mit kritischen Mitgliedern meist schon nach wenigen Sätzen ein entspannter Austausch entwickelt, der sehr oft ein bisschen mehr im gegenseiti- gen Verständnis endet. Nicht zuletzt an- gesichts der im Frühjahr 2018 anstehen- den Kammerwahl freuen wir uns in der Geschäftsstelle auf Rückmeldung und Beteiligung. Wir werden nicht alles „be- dienen“ können, aber nur ein gelegent- lich kontroverser, gleichwohl immer kol- legialer Diskurs kann uns weiterbringen.

Dr. Carsten Leffmann Dr. Carsten Leffmann, Ärztlicher Geschäftsführer

E-Mail

-Kontakt hat die Ärz- tekammer Schles- wig-Holstein zu ih- ren Mitgliedern an- lässlich der Veröf- fentlichung der Koa- litionsvereinbarung gesucht. Auch künf- tig ist dies unregelmä- ßig und zu besonde- ren Anlässen geplant.

Damit sollen Kam- mermitglieder bes- ser und ohne Zeitver- zug informiert wer- den. Von rund 12.000 der mehr als 17.000 Mitglieder liegen E- Mail-Adressen bereits vor. Wer nicht von uns per Mail über die Koalitionsvereinba- rung informiert wur- de, kann sich in den Verteiler für künfti- ge Informationen auf- nehmen lassen. Bitte kurze E-Mail an: flo- rian.horstmann@ae- ksh.de

Foto: ALS

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H A U P T S T A D T K O N G R E S S

Erfolgsstory mit weniger Medizin

Der 20. Hauptstadtkongress wartete mit Rekordzahlen auf, aber nicht alles hat sich nach Beobachtung unseres Autors verbessert.

Z

ufrieden verkündeten die Macher des Hauptstadtkongresses um Ex- MdB/ Ex-Senator Ulf Fink das „20.

Mal“ für den größten und wichtigs- ten Treffpunkt der maßgeblichen Akteure im deutschen Gesund- heitswesen. Wer seit Ende der 90er Jahre das Wachsen des Berliner Events verfolgt hat, registriert auf der einen Sei- te eine große Erfolgsgeschichte mit im- mer mehr Teilnehmern, mehr aktuellen Themen und durchaus auch argumenta- tivem Druck auf die jeweils Regierenden.

Auf der anderen Seite ist eine starke inhaltliche Tendenz von der klassischen Rolle der Medizin als Heilkunst für den kranken Menschen hin zur technisch und ökonomisch geprägten „Gesund- heitswirtschaft“ zu erkennen. Entspre- chend sind wohl anteilsmäßig immer weniger reine Ärzte dabei, ganz überwie- gend dagegen Interessenvertreter und Funktionäre. Ihnen geht es rollengemäß um mehr Einfluss, um mehr Vorteile für ihre Klientel, nicht zuletzt um „mehr Geld“. Umso ergiebiger waren bei jedem Hauptstadtkongress die grundsätzlichen, selbstkritischen Themen. Diesmal war es vor allem das medizinethische Basisthe- ma im „Hauptstadtforum Gesundheits- politik“: „Die Niere von Zimmer sechs – können wir uns Menschenwürde im Ge- sundheitswesen noch leisten?“ Gut be- sucht war dieser Workshop wie kaum eine andere Veranstaltung nach der Er- öffnung, auch wegen der Referenten, des Berliner Kammerpräsidenten, führender Wissenschaftler und erfahrener Kliniker und nicht zuletzt wegen des gut aufge- legten Arzt-Kabarettisten Dr. Eckart von Hirschhausen (Stiftung „Humor hilft heilen“): „Das Gesundheitswesen war im Kern nie gewinnorientiert, es hatte auch mit Barmherzigkeit zu tun, und die Hos- pitäler entstanden aus dem Geist der Gastfreundschaft (hospes = Gast), aber dieser Geist ist heute in Gefahr, durch die Ökonomisierung an den Rand ge- drängt zu werden – und Mitarbeiter an den Rand des Wahnsinns!“ Der Modera- tor wünschte sich, die Patienten würden

heute bei der Aufnahme in ein Kranken- haus wie ein Gast freundlich willkom- men geheißen und nicht etwa als Objekt im klinischen Wertschöpfungsprozess behandelt.

„Die Forderung nach Menschen- würde im Krankenhaus bezieht sich auf Artikel 1 Grundgesetz („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“), der eben- so wie die Normierung in der Allgemei- nen Erklärung der Menschenrechte und der UN-Charta erst nach 1945 aus Er- fahrungen der Vergangenheit formuliert wurde.“ Dies sagte Prof. Ralf Stoecker, der Philosophie an der Universität Bie- lefeld lehrt. Er definierte Menschenwür- de als den Anspruch, von anderen in sei- ner Individualität respektvoll behandelt zu werden. Verletzungen der Menschen- würde seien im Alltag leider häufig: in persönlichen Beziehungen (etwa durch Kränkungen), in der Schule (Mobbing), am Arbeitsplatz (durch einen ungerech- ten Chef). Gerade im Gesundheitswe- sen könne die Würde von Kranken und Behinderten leicht verletzt werden an- gesichts von Schwäche, Kontrollverlust und Abhängigkeit. Die Gefahr sei groß, im Routinebetrieb die oft schnell wech- selnden Patienten zum Objekt des pro- fessionellen Handelns zu machen und dann knapp von der „Niere von Zimmer sechs“ zu sprechen. Aber auch die Men- schenwürde der Mitarbeiter sei ange- sichts mancher Zumutung zu beachten.

Dagegen könne die Entwicklung einer klinischen Ethik helfen.

In die gleiche Richtung plädierte für die gastgebende Ärzteschaft Dr. Gün- ther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin. Er betont seit Jahren auch bei an- deren Gelegenheiten die medizinethi- sche Problematik. Der „gigantischen Er- folgsstory der Medizin“ der letzten Jahr- zehnte stellte er die Kehrseite der Öko- nomisierung gegenüber und bescheinig- te der Politik, seit den 80er Jahren mit ihrer Kostendämpfungspolitik „als Ant- wort auf die vorangegangene Leistungs- explosion grandios versagt“ zu haben.

„Wir brauchen keine Qualitätsdiskussi-

on als Alibiveranstaltung, vielmehr eine gute Patientenversorgung.“

Der Mensch, der Patient, dürfe nicht zum bloßen Fall („Niere“) werden, mahnte die Nestorin der deutschen Ge- rontologie, Prof. Ursula Lehr. Die Medi- zin dürfe den kranken, den alten Men- schen nicht bloß als defizitär sehen, son- dern müsse ihn mit seinen verbliebe- nen positiven Fähigkeiten wahrneh- men. Gute Medizin bedeute auch, die Bevölkerung nicht mit interessengelei- teten Panikbotschaften zu beunruhigen (Demenz unausweichlich auf dem Vor- marsch, nur eine Frage des Lebensal- ters!?), sondern diagnostisch sorgfältig auch Pseudodemenz zu erkennen. Ärz- te sollten schwer verständliche und un- nötig negative Informationen dem Pati- enten gegenüber vermeiden, dies könne den Gesundheitszustand verschlechtern.

„Also nicht einfach sagen, was der Pati- ent nicht (mehr) tun soll, sondern was er noch kann!“ Ursula Lehr knüpfte an das Oberthema des Workshops an: Men- schenwürde, Patientenwürde, das gehöre unbedingt zum Leitmotto der Geronto- logie: Nicht bloß dem Leben Jahre geben, sondern den Jahren Leben geben! Das antike Zitat war Leitmotiv des großen Hamburger Industriellen und Stifters Kurt A. Körber, dessen bundesweit be- kanntes Senioren-Modellprojekt „Haus im Park“ Ursula Lehr 1977 als Politikerin und spätere Bundesgesundheitsminis- terin eingeweiht hatte. Bemerkenswert:

Die derzeit Verantwortlichen der Träger- stiftung sind entschlossen, die hochaner- kannte spezifische Senioren-Einrichtung gegen den Protest vieler (über 7.000 Un- terschriften) zu schließen und ohne die medizinisch-therapeutischen Dienste in einen neu zu bauenden Großkomplex mehrerer Träger an anderer Stelle „für alle“ einzubringen.

Wie es anders geht, zeigte dann Dr.

Rainer Norden, Vorsitzender der Ge- schäftsführung des Evangelischen Kli- nikums Bethel. „Wir kümmern uns in- tensiv auch ergotherapeutisch um unse- re chronisch kranken Kinder und ver-

8.250

Besucher aus allen Bereichen des Ge- sundheitswesens ka- men in diesem Jahr zur 20. Auflage des Hauptstadtkongres- ses. Das ist nach An- gaben der Veranstal- ter die höchste bislang registrierte Teilneh- merzahl.

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