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Chinesische Firmen kaufen Schweizer Traditionsunternehmen | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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FIRMENÜBERNAHMEN

44 Die Volkswirtschaft  1–2 / 2020

Chinesische Firmen kaufen Schweizer Traditionsunternehmen

In den letzten Jahren haben chinesische Privatunternehmen mehrere Schweizer Traditions- firmen aufgekauft. Die Übernahmen scheinen sich für beide Seiten auszuzahlen, wie drei Fallbeispiele zeigen.  Juan Wu, Suzanne Ziegler

D

ie Finanzkrise traf das Schwellenland China weniger stark als die meisten In- dustriestaaten. Dies eröffnete chinesischen Unternehmen Investitionsmöglichkeiten im Ausland. Entsprechend wuchs die Zahl der chinesischen Firmenübernahmen im Ausland (Mergers & Acquisitions) von 146 im Jahr 2010 auf 573 im Jahr 2016.

Diese Übernahmen sind auch im Sinne der chinesischen Staatspartei, die in ihrer

«Strategie 2025»1 Branchen aufgelistet hat, in denen das Land 2025 global zu den führen- den Anbietern gehören soll. Darunter finden sich etwa die Maschinenindustrie, die Infor- mations- und Kommunikationstechnologie sowie die Biomedizin. Das Reich der Mitte strebt somit zunehmend hin zu einem Quali- tätswachstum oder von «Made in China» zu

«Created in China». Auch Schweizer Unter- nehmen liegen wegen der ausgeprägten Innovationskraft, der weltbekannten Marken, der guten Reputation der Schweiz und der Offenheit für ausländische Investoren im strategischen Fokus der chinesischen In- vestoren.

In den Medien fanden vor allem Über- nahmen wie die des Agrarchemiekonzerns Syngenta durch Chemchina oder die Zukäufe der chinesischen HNA-Gruppe Aufmerk- samkeit. Diese Übernahmen durch staats- nahe Konzerne sind in der Schweiz – wie die Motion des Walliser CVP-Ständerats Beat Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» vom Februar 2018 zeigt – nicht unumstritten. Moniert

1 McKinsey Greater China (2018): China Is Betting Big on These 10 Industries, Juni.

Abstract    Chinesische Privatfirmen übernehmen zunehmend Unternehmen in der Schweiz. Welche strategischen Überlegungen stehen hinter den Investitionen?

In einer dreijährigen Längsstudie haben wir die Übernahmen von drei Schweizer Traditionsunternehmen (Sigg, Steiger und Schmidlin) untersucht. Wie sich zeigt, scheinen Übernahmen in derselben Branche erfolgversprechend zu sein, da sich Syn- ergien ergeben und sich den Unternehmen neue Absatzmärkte erschliessen. Eine Herausforderung sind jedoch die Kommunikation und das Zusammenbringen der ver- schiedenen Kulturen.

wird in der Motion namentlich, dass die aus- ländischen Übernahmen der Wettbewerbs- fähigkeit der Schweizer Wirtschaft schaden würden.

Privatsektor gewinnt an Einfluss

Weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen Übernahmen durch chinesische Privatunter- nehmen: Seit 2002 ist es Privatfirmen erlaubt, grenzüberschreitende Übernahmen zu täti- gen. Von weltweit 498 M&A-Deals chinesi- scher Firmen im Jahr 2015 wurden drei Viertel von Privatfirmen getätigt. Zwischen 2010 und 2017 stieg der Anteil der Privatfirmen am chinesischen Bruttoinlandprodukt von rund 20 Prozent auf 60 Prozent.2 Vier Fünftel aller Arbeitnehmer Chinas sind inzwischen im Privatsektor beschäftigt.

In der Schweiz stammten im Jahr 2017 von 80 Firmen mit chinesischen Eigentümern mehr als drei Viertel aus dem Privatsektor.

2 MSCI (2017). Morgan Stanley Research 2017.

Unter den Übernahmen finden sich Traditionsunternehmen wie der Maschinen- bauer Saurer, der Strickmaschinenhersteller Steiger, der Trinkflaschenproduzent Sigg, der Schuhhersteller Bally und das Designteam des Fassadenbauers Schmidlin.

Drei Fallbeispiele im Überblick

Welche strategischen Überlegungen liegen hinter den privaten Investitionen aus China?

In drei Fallbeispielen – Sigg, Steiger und Schmidlin – gingen wir dieser Frage nach und untersuchten, ob sich die Übernahmen auch aus Schweizer Sicht gelohnt haben (siehe Tabelle).3

Die dreijährigen Längsschnittstudien basieren methodisch auf halbstrukturierten Interviews mit Entscheidungsträgern der involvierten Unternehmen und fokussieren auf das Zusammenführen von strategischen Ressourcen nach der Übernahme und auf die daraus entstehenden Synergien. Auch wenn die Fälle individuell sind, lassen sich gewisse Muster erkennen.

In allen drei Fällen handelt es sich um Horizontalübernahmen im Produktions- bereich. Alle Schweizer Firmen sind deutlich älter als die chinesischen. Die chinesischen Unternehmen sind börsenkotiert, haben Zugang zum Kapitalmarkt und verfügen über

3 Daten stammen aus einer laufenden Doktorarbeit der Autorin Juan Wu an der Universität Freiburg.

Übernahmen von Sigg, Steiger und Schmidlin

Übernommenes Unternehmen (Gründungsjahr)

Produkt/Industrie Chinesischer Investor

(Gründungsjahr) Jahr der Akquisition

Sigg Switzerland Bottles,

Frauenfeld (1908) Herstellung von

Thermoflaschen Haers (1996) 2016

Steiger, Vionnaz VS (1949) Textilmaschinenbau Ningbo Cixing (1988) 2010 Designteam Schmidlin,

Basel (1936)

Fassadenbau Yuanda (1993) 2008

WU (2019)

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Seit 2016 in chinesischen Händen:

Sigg-Trinkflaschen in Frauenfeld.

KEYSTONE

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FIRMENÜBERNAHMEN

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ausreichenden finanziellen Spielraum für Ak- quisitionen. Anders als Staatsfirmen kommen sie nicht in den Genuss von günstigen Kre- diten und Subventionen. Im Heimmarkt sind die chinesischen Unternehmen Konkurrenz ausgesetzt; sie sind lokal gut vernetzt und reagieren schnell, innovativ und flexibel auf Kundenwünsche.

Die drei Übernahmen waren strategi- scher Art: Der chinesische Investor Haers kaufte mit Sigg eine starke, 108-jährige Marke, das Produktdesign, einen Schwei- zer Produktionsstandort und ein euro- päisches Absatznetzwerk. Ningbo Cixing übernahm Steiger wegen der Reputation im Weltmarkt, wegen der Technologie für computergesteuerte Strickmaschinen und wegen seiner Produktionsfähigkeit für hoch- wertige Maschinen im High-End-Bereich.

Und Yuanda integrierte das Designteam der bankrotten Schmidlin aufgrund der Qualität, des Marketingnetzwerks und der Projekt- entwicklungsfähigkeit. Wichtige Gründe für die Übernahmen waren zudem die Reputa- tion der Schweiz und das «handwerkliche Können» der Firmen.

Türöffner für chinesischen Markt

Weshalb konnten die chinesischen Privat- firmen die Schweizer Traditionsunternehmen überhaupt übernehmen? Klar ist: Das Vor- handensein von Investitionskapital reichte nicht als Übernahmegrund. Chinesische Privatfirmen sind vielmehr attraktive In- vestoren, weil sie über einen Zugang zum chinesischen Absatzmarkt verfügen. Zudem können sie auf billige Arbeitskräfte zurück- greifen. Weiter verfügen sie über effiziente Wertschöpfungsketten sowie ein grosses Kundennetzwerk und ein professionelles Marketing.

Ein wichtiger Grund ist auch das chine- sische Bekenntnis zur Aufrechterhaltung, Stärkung und Nutzung der Schweizer Marke.

Dies war der entscheidende Grund, weshalb Sigg den chinesischen Akquisiteur im Biet- prozess bevorzugte. So wurde befürchtet, dass andere Investoren die Schweizer Marke und den Schweizer Standort aufgegeben hät- ten. Haers kaufte im Grunde die Marke «Sigg»

und will diese als Kernwert langfristig nutzen.

Synergien nutzen

Um die Stabilität der übernommenen Firmen zu sichern, machten die chinesischen Firmen Zugeständnisse an die Mitarbeitenden in der Schweiz – etwa durch Kündigungs- und Versicherungsschutz. Ein «light-touch ap- proach» mit weitgehender Beibehaltung be- stehender Strukturen sollte für Kontinuität im Schweizer Management sorgen, was bei Steiger und dem Designteam von Schmidlin von Beginn weg gelungen ist und bei Sigg nach eher wechselhaften Zeiten inzwischen auch gegeben ist.

Ob durch die Übernahme ein Mehr- wert geschaffen wird, hängt im Wesent- lichen davon ab, wie Ressourcen der über- nehmenden und der übernommenen Firma gebündelt werden. Mögliche Synergien er- geben sich beispielsweise, wenn die Schwei- zer Technologie mit chinesischer Effizienz in der Produktion verbunden wird oder wenn die Produktlinien kombiniert werden, um neue Kundengruppen zu erschliessen.

Ein Mehrwert resultiert auch aus der gegenseitigen Erschliessung der jeweiligen Absatzmärkte und aus der gemeinsamen Innovationskraft. Forschung, Entwicklung und Vermarktung erhalten einen Schub, wenn es gelingt, Schweizer Kreativität mit chinesischer Kostenoptimierung zu kombi- nieren. Weitere Synergien ergeben sich, wenn die Traditionsmarke mit der chinesischen Pro- duktion und dem chinesischen Marketing- netzwerk kombiniert wird. So lassen sich die Schweizer Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen auf dem chinesischen und dem Globalmarkt etablieren. Diese Bündelungen von Ressourcen stärken die Innovationskraft und die Marktmacht, erhöhen die Effizienz und führen zu Wachstum.

Kulturelle Differenzen

Die drei übernommenen Schweizer Firmen wurden durch die Übernahme aus existenz- bedrohenden finanziellen Schwierigkeiten befreit. Sigg steht auf finanziell festen Füssen und schreibt schwarze Zahlen. Yuanda wie- derum integrierte Schmidlins Designteam nach dem Konkurs der Firma. Bereits hat Yuanda Europe zahlreiche Projekte gewonnen

und expandiert gewinnbringend. Steiger schliesslich durchlief in den neun Jahren nach der Übernahme eine Schrumpfkur, ist aber konkurrenzfähiger als vor der Übernahme und kann dank finanzieller Unterstützung durch Cixing bisher auf Eis gelegte Innovationsideen realisieren.

In allen Fallbeispielen ergaben sich Kultur- schwierigkeiten, welche man durch intensive Kommunikation zu meistern versuchte.

Beispielsweise berichtete ein Schweizer Ma- nager von Yuanda Europa, dass das schwei- zerische und das chinesische Team rund fünf Jahre gebraucht hätten, um miteinander sachbezogen und offen diskutieren zu kön- nen. Der Schweizer Chef von Steiger meinte, die chinesische und die Schweizer Seite hät- ten viel voneinander gelernt. Er wünsche sich manchmal, dass die Chinesen ein bisschen schweizerischer und die Schweizer ein biss- chen chinesischer werden könnten.

In allen Fallbeispielen sind die Über- nahmen auf gutem Weg. Ob sie sich auch langfristig für beide Seiten als strategisch erfolgreich erweisen, muss noch weiter beobachtet werden.

Juan Wu

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung für Banking, Finance und Insurance, ZHAW School of Management and Law, Winterthur;

Doktorandin, Universität Freiburg

Suzanne Ziegler

Professorin für Banking & Finance und Leiterin Abteilung Banking, Finance, Insurance, ZHAW School of Management and Law, Winterthur

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