Dossier
55 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 11-2008
Statement
Schutz der Erwerbslosen längerfristig sichern
Die Arbeitslosenversicherung (ALV) sichert den erwerbslosen Personen einen angemessenen Erwerbsausfall. Sie finanziert die regionalen Arbeitsvermittlungs- zentren sowie die arbeitsmarktlichen Massnahmen, welche den erwerbslosen Personen helfen sollen, schnell wieder eine Stelle zu finden. Diese Ausgaben steigen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schnell an und nehmen in der Hochkonjunktur langsam ab. Mit möglichst konstanten Beiträgen an die ALV soll vermieden werden, dass die Abgabenlast ausgerechnet in Rezessionszeiten steigt. Dies erfordert jedoch Beiträge, die hoch genug bemessen sind, um die Ausgaben im Verlauf eines Konjunk- turzyklus decken zu können. Die hohen Schulden am Ende einer Hochkonjunktur von rund 4 Mrd. Franken zeigen, dass heute ein Ungleichgewicht zwischen Einnah- men und Ausgaben besteht.
Experten schätzen die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Verlauf eines Konjunkturzyklus in der Schweiz auf 3,2%. Die heutigen Einnahmen genügen jedoch nur zur Finanzierung der Ausgaben bei einer Quote von 2,5%. In Zahlen ausge- drückt fehlen der ALV für den längerfristigen Rechnungsausgleich jährlich rund 900 Mio. Franken. Zudem müssen die Schulden zurückbezahlt werden. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Das finanzielle Gleichgewicht kann nicht allein mit einer Erhöhung der Beiträge herbeigeführt werden. Diese müssten um 0,5 Lohnprozente erhöht werden, was angesichts der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer für die IV und des Anstiegs der Energiepreise für Haushalte und Unternehmen nicht
zumutbar wäre. Ebenso kann das Gleichgewicht nicht allein mit Leistungskürzungen hergestellt werden.
900 Mio. Franken jährlich einzusparen würde bedeuten, die Grundleistungen der ALV radikal zu kürzen. Der Bundesrat hat deshalb einen Mittelweg vorgeschlagen:
Wo vertretbar, werden die Leistungen gekürzt und der Beitragssatz wird um 0,3% erhöht, wovon 0,1% nur zeitlich befristet erhoben und für den Schuldenabbau verwendet werden.
Der Bundesrat will dort sparen, wo sich so genannte Fehlanreize beseitigen lassen. So sollen die Leistungen gekürzt werden, welche die wiederholte Inanspruchnahme von Taggeldern zu leicht machen. Auch soll die Leistungsdauer vermehrt von der Beitrags- dauer abhängig gemacht werden. Damit soll verhindert werden, dass Personen zu lange ausserhalb der Erwerbswelt bleiben, was deren Integrationschancen verringert.
Die ALV sichert den Erwerbslosen das Einkommen und hilft ihnen, möglichst schnell wieder eine neue Stelle zu finden.
Sie kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn sie sicher finanziert ist.
Dr. Serge Gaillard
Leiter der Direktion für Arbeit,
Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern