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Das Bündnis 1 - Gefährten des Schicksals -

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Academic year: 2022

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Cindy Blum

Das Bündnis 1

- Gefährten des Schicksals -

Fantasyroman

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Das Buch

Antharu, ein ungelehrter Magier, lebt mit seiner Frau ein erfülltes Leben als Kartenzeichner in einer großen Handelsstadt im Herzen des Waldlandes.

Als eines Abends das Pendel, ein Erbstücks seines Vaters, über einer fast vollendeten Landkarte ausschlägt, weiß Antharu zunächst nicht, wie er dieses Zeichen deuten soll. Erst als ihm kurz darauf ein seltsamer Fremder, ein Bote aus dem unbekannten Land Jeva, einen Besuch abstattet, wird ihm bewusst, dass er eine Aufgabe zu erfüllen hat. Gefolgt von seinem treuen Freund, dem rauen aber großherzigen Jäger Harras, macht Antharu sich auf den Weg, um nach den Ursachen des Pendelschlags zu suchen.

Auf seiner Reise trifft Antharu auf den schwachen, aber klugen Bauernjungen Mannah, der, von täglichen Visionen heimgesucht, eine Verbindung zwischen dem Pendel und Antharus Aufgabe zu sein scheint. Und welches Geheimnis vermag sich hinter der schönen, aber kühlen Sammlerin Carma verbergen?

Doch erst als der Bote aus Jeva ihm offenbart, was die Zeichen des Pendels bedeuten, wird Antharu bewusst, welch schwere Bürde ihm von seinem Schicksal auferlegt wurde.

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Die Autorin

Cindy Blum, geboren 1986 im Schwarzwald, studiert derzeit Deutsch und Theologie in Baden-Württemberg. Sie nahm zweimal am Landeswettbewerb für Literatur teil und erhielt 2006 den Scheffelpreis. Bereits im Sommer 2002 begann Cindy Blum mit der Planung der Bündnistrilogie.

Inzwischen hat Cindy Blum zusätzlich zur Bündnis- trilogie ein Buch mit CD veröffentlicht. „Mein Meer“

ist eine ungewöhnliche Symbiose von Buch und Musik.

Widmung:

Für meine Cousine Daniela

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrecht- lich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfälti-

gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in

elektronischen Systemen.

Copyright © 2008 essencia Verlag oHG, Bammental Umschlaggestaltung: komessenz, Lampertheim

Satz: essencia Verlag oHG, Bammental

www.essencia-verlag.com

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Prolog

„Ich stehe am Ufer eines Flusses, inmitten von wil- dem Klatschmohn … Es ist früher Morgen. Der Tau auf den roten Blütenblättern und dem satten Grün der Gräser glänzt wie bunte Perlen unter den ers- ten warmen Strahlen der Morgensonne …

Ich höre das sanfte Rauschen des Flusses und schmecke die Frische der Luft, die mich frei von al- len Gedanken macht …

Und ich sehe nach unten in das schimmernde, klare Wasser, das sich vor mir her seinen gemächli- chen Weg abwärts ins Tal bahnt. Das Flussbett ist nur eine Handbreit tiefer und ich sehe ovale, weiße Kiesel, die von dem Wasser umschlossen sind, klei- ne silberne Fische, die gegen den Strom schwim- men und moosbewachsene Hölzer, die durch die glatte Wasseroberfläche stoßen …

Ich stehe am Ufer dieses Flusses … und ich denke, es ist die Wirklichkeit! Ich glaube, mein Leben ist ein Traum und dieser Traum ist mein Leben …

Ich kann kaum mehr an etwas anderes denken, denn ich glaube, dass es etwas zu bedeuten hat. Ich habe etwas gespürt, ich war voller Gefühle … doch es war so ungewiss, so unscharf … Und doch konn- te ich alles sehen und fühlen. Die Sonne, die Luft, die kleinen Fische, die schimmernden Kiesel, die blutroten Blüten …

Ich kann nicht aufhören daran zu denken, es macht mich wahnsinnig! Es ist immer da, wie ein

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Sog zieht es mich dorthin zurück. Sobald ich Ruhe finde, kommt es wieder, immer wieder …“

Mannahs Augenlider klappten nach unten und bedeckten das leuchtende Blau seiner tief liegen- den, glasigen Augen. Wie in Trance kniete er nun auf dem Boden, den Kopf leicht in den Nacken ge- kippt, den Mund mit den farblosen schmalen Lip- pen geöffnet, die Arme um den schmalen Oberkör- per geschlungen. Sein Brustkorb hob und senkte sich rasch und hektisch, als hätte man ihm die Luft zum Atmen genommen.

„Wenn er mich ruft, muss ich gehen, dann muss ich dorthin zurück … Er zwingt mich dazu und ich kann nichts dagegen tun. Ich kann nicht da- gegen ankämpfen, er ist einfach zu stark. Seit ich diesen Traum habe, bin ich nicht mehr ich selbst.

Die Nächte sind leer und die Tage bringen mich um meinen Verstand!“

Gepresste, gebrochene Worte huschten über seine Lippen und die Hilflosigkeit in ihnen weitete sich in den dunklen Abendhimmel über den Baumkro- nen von Fehars Holoh aus und ragte bis weit hin- auf zu den leuchtenden Sternen. Ein Hauch milder, weicher Sommerluft streifte durch Mannahs pech- schwarze, aufgewühlte Haare und bei dem vertrau- ten Rascheln der trockenen Gräser, die seine nack- ten Beine streiften, öffnete er wieder langsam die Augen.

Bei dem Anblick des leuchtenden Vollmonds am Firmament huschte ein zaghaftes Lächeln über sei- ne trockenen Lippen. Die Liebe zur Nacht spiegelte sich darin wieder und die Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit. Seit Tagen waren es immerzu

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die Nächte gewesen, die ihm Sicherheit gegeben hatten, in sie konnte er sich flüchten, mit all seinen Sorgen.

Und so saß er nun ein weiteres Mal dort, am Ran- de des Gebirgsplateaus Fehars Bey, und vertraute sich der Nacht an, wie er es schon viele Male zu- vor getan hatte. Dabei sehnte er sich nach einem Ausweg, malte sich in Gedanken aus, wie er ent- kommen und niemals wieder zurückkehren würde.

Doch dann kam der Morgen … und er musste gehen.

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1. Kapitel

Es war eine ruhige, klare Nacht. Der blaue Nacht- himmel war von tausenden, kleinen Sternen über- sät und das weiche Mondlicht fiel auf die hellen Pflastersteine der engen Gassen herab, die sich zwischen den vielen kleinen und großen Häusern aus Ziegel- und Backsteinen hindurchschlängelten.

Lautes Gelächter fiel mit flackerndem Licht und tanzenden Schatten durch die Fenster eines die- ser kleinen Häuser, und wenn man näher an die of- fen stehende Tür herantrat, erkannte man das ver- blichene Schild, auf dem ein schwarzes Pferd auf- gemalt war. „Zum wilden Hengst“ hieß die kleine Schenke im Herzen von Fehars Glenn, die belieb- teste in der ganzen Stadt überhaupt.

Die Schenke war überfüllt mit lachenden Men- schen, ebenso Frauen wie Männern, die um und auf den klobigen Holztischen tanzten und sich um die breite Theke aus altem Eichenholz gedrängt hatten. Musik spielte und das Klirren der Gläser und Flaschen ging beinahe in dem lauten Grölen der fröhlichen und betrunkenen Menschen unter.

Es war wie jeden Abend. Wie jeden Abend fei- erte man hier bis zum Morgengrauen, wie jeden Abend wurde hier die Nacht zum Tage und wie je- den Abend gab es auch heute den einen oder ande- ren kleinen Höhepunkt, der die Meute dieses Mal dazu veranlasst hatte, sich um einen breiten, lan- gen Tisch inmitten der Bar zu drängen. Die blin- kenden Münzen in den Händen vieler ließen vermu-

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ten, dass es sich einmal mehr um eine Wette han- deln musste.

Mitten unter ihnen stand ein großer, kräftiger Mann, schon an die vierzig Jahre alt, mit kurzen rotbraunen Haaren und einem stoppeligen Vollbart.

Er machte einen recht starken und robusten Ein- druck und seine schmalen, braunen Augen ließen ihn auf den ersten Blick sogar bedrohlich wirken.

Laute Rufe der Männer und Frauen wurden in die Mitte der Menge gerichtet, aber der Rotbärtige ju- belte nicht, er hatte auch keine Münzen in den gro- ßen, breiten Händen. Er kämpfte sich nur mit eini- gen geschickten Armbewegungen durch die Menge hindurch, um zum Zentrum des Geschehens zu ge- langen und für einen Mann mit seinen Kräften war es kein Hindernis, dass mehrere Dutzend andere ihm den Weg versperrten.

An dem breiten Tisch, um den sich die Menschen gedrängt hatten, saßen zwei Männer. Ein Glatz- köpfiger, recht muskulös mit einem auffällig gro- ßen, goldenen Ring an der Hand und einem blonden Schnauzbart. Er hatte sicher schon an die fünfzig Jahre hinter sich. Er lachte und man konnte deut- lich die beiden Zahnlücken sehen, in denen früher einmal ein Eck- und ein Schneidezahn gesessen hatten.

Der Mann, welcher ihm gegenübersaß, war jün- ger, vielleicht ebenso alt wie der Rotbärtige, der sich soeben durch die Menge nach vorne gedrängt hatte. Jedoch war er nicht so muskulös wie sein Ge- genüber, allerdings aber auch keineswegs schmäch- tig, sondern gut gebaut, mit dunkelbraunen Haa- ren, die ihm bis auf die Schultern reichten, einem

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eher feinem als kantigem Gesicht und grünen Au- gen. Er lachte nicht, er sah sogar recht ernst, fast schon wütend aus und der Rotbärtige in der Menge wusste, dass der Glatzkopf ihn provoziert hatte. Er kannte sie beide und er wusste, dass der Jüngere sich normalerweise niemals auf so eine Sache ein- gelassen hätte … normalerweise!

Als er die beiden Flaschen entdeckte, die zwischen den beiden Männern auf dem Tisch standen, hatte sich ein Ausdruck der Panik in den Blick des Rot- barts geschlichen und er sah hilflos auf den braun- haarigen Mann herab, der gleichzeitig mit dem Glatzkopf zu einer der Flaschen gegriffen hatte.

„Antharu, was soll das, bist du verrückt ge- worden!“, brüllte er den Mann namens Antharu schließlich an, dieser jedoch sah nicht zu ihm auf, weil er ihn unter den Rufen der vielen Menschen nicht gehört hatte.

„Antharu, du wirst dich doch nicht von diesem Großschnauz herausfordern lassen!“, versuchte der Rotbart abermals, ihm ins Gewissen zu reden und nun blickte er schließlich doch zu ihm auf. Bevor er allerdings etwas sagen konnte, fiel ihm der Glatz- kopf, den der Rotbart soeben als Großschnauz be- zeichnet hatte, ins Wort.

„Oh nein, Jäger, dein Freund hier ist der Heraus- forderer und es wird mir ein Vergnügen sein, ihn unter den Tisch zu saufen!“

Der Jäger sah Antharu fassungslos dabei zu, wie er die Flasche mit einer energischen Armbewegung an die Lippen setzte und die Augen zusammen- presste, während er einen Schluck nach dem ande- ren des braunen Inhalts in sich hineinsaugte. Sein

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Gegner tat es ihm gleich, und während sie um die Wette tranken, riefen und brüllten die Menschen um sie herum begeistert und warfen ihre Wettein- sätze auf den Tisch. Der Jäger biss hilflos die Zähne zusammen und sein Blick pendelte von Antharu zu dem Glatzkopf und wieder zurück. Er wusste, dass sein Freund nicht sonderlich viel vertrug, noch dazu war dieses Zeug mit Abstand das ekelhafteste Ge- söff, was man hier in der Gegend bekommen konn- te. Es musste in der Tat ein recht heftiger Streit gewesen sein, der Antharu dazu veranlasst hatte, tatsächlich zu einem Wetttrinken herauszufordern, welches er ohnehin haushoch verlieren würde. Er war nicht halb so trinkfest wie sein Gegenüber, der noch grinsend zu seinem Herausforderer hinüber- blickte, als er die Flasche schon beinahe zur Hälfte geleert hatte.

Soweit kam Antharu nicht einmal. Seine Schlu- cke wurden nach und nach kleiner und seine Hand begann zu zittern. Der Jäger hätte ihm die Fla- sche am liebsten aus der Hand gerissen, aber diese Blamage wollte er seinem Freund nicht auch noch zumuten. Es würde ohnehin schlimm genug für ihn werden, dessen war er sich sicher.

Und so war es auch. Antharu hatte die Flasche zur Hälfte geleert, da schüttete er sich auch schon den restlichen Inhalt über Gesicht und Brust und die Flasche klatschte mit einem dumpfen Knall zu Boden. Die Menge um ihn herum lachte schallend, als Antharus Kopf nach vorne fiel und er keinen Augenblick später wie ein Sack Kartoffeln vom Stuhl kippte und neben dem Tisch hart auf dem unebenen Holzboden der Schenke aufschlug.

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Der Glatzkopf lachte laut auf und stellte die lee- re Flasche ab, stockbesoffen, jedoch war seine Fla- sche leer und was noch wichtiger war, er saß. Im Gegensatz zu Antharu, der auf allen Vieren auf dem Boden hockte und mit glasigem Blick vor sich auf die leere Flasche starrte.

„Zum Henker, Antharu!“, fluchte der Jäger wü- tend, bevor er sich zu Boden kniete und dem be- trunkenen Freund auf die Beine half.

„Bring deinen Freund ins Bett, Harras, der hat für heute genug!“ Der rotbärtige Jäger namens Harras wusste nicht, wer ihm diese spöttischen Worte soeben an den Kopf geworfen hatte, aber es war ihm auch egal. Er packte Antharu unter den Armen und zog ihn hinter sich her, durch die Men- ge hindurch, aus der Schenke auf die Straße, ohne den Glatzkopf oder jemanden sonst noch eines Bli- ckes zu würdigen.

Antharu blinzelte, als er spürte, wie ihm zwei zar- te, weiche Hände über die Wangen streichelten und als er das hübsche Gesicht mit den großen blauen Augen über sich erblickte, das von blonden Locken umrahmt war, schlug er die bereits halb geöffneten Augen ganz auf. Milde Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und ließen die geröteten Wangen der Hübschen leuchten. Antharu fühlte sich unwohl, sein Kopf war schwer und seine Glieder schmerzten, er hatte ein flaues Gefühl im Magen, doch bei dem süßen Lächeln der jungen Frau grinste er beschämt und richtete sich mühsam stöhnend auf. Die junge Frau, sie war etwa dreißig Jahre alt, setzte sich an

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den Rand des breiten Bettes mit den weißen Laken und sah ihm zu, wie er sich die Schläfen massierte und schwerfällig an das Bettgestell lehnte, bevor er zu ihr aufsah und leise seufzte.

„Harras hat dich nach Hause gebracht“, erklärte sie schließlich geduldig, während sie die gefalteten Hände in den Schoß legte. Sie trug ein weißes Kleid mit einem Gürtel aus rotem Seidenstoff, den Antha- ru ihr einmal geschenkt hatte. Wie sie so an seinem Bett saß, von der warmen Morgensonne beschienen, spürte Antharu geradezu die Fürsorge, die in ihren schönen Augen lag.

„Ich weiß, Liebes, ich weiß. Du brauchst mir auch nicht zu sagen, wie betrunken ich gewesen bin. Ich weiß es ja selbst …“, nuschelte er einsichtig und be- schämt, bevor er den Kopf auf die Hände stützte und fest die Augen zusammenpresste.

„Aber ich … Es musste einfach sein, er hat mich provoziert“, versuchte er, sich zu rechtfertigen und sie lachte amüsiert.

„Manchmal benimmst du dich wie ein kleiner Jun- ge. Warum lässt du dich auch immer so leicht pro- vozieren?“ Antharu sah mit fragendem Blick zu ihr auf und sie beugte sich zu ihm nach vorne und drückte ihm sanft einen Kuss auf den Mund.

„Harras wird später kommen“, flüsterte sie, bevor sie ihm einen zweiten Kuss auf den Mund hauchte und sich von der Bettkante erhob. Antharu über- legte kurz und starrte nachdenklich auf das weiße Lacken, während sie das Schlafzimmer des kleinen Hauses schon beinahe wieder verlassen hatte.

„Harras?“, fragte Antharu schließlich ein wenig verwirrt, bevor er den Kopf hob und ihr hinterher

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sah. „Wieso Harras? Was will er denn hier?“, frag- te er hilflos, denn er konnte mit diesen Auskünften beim besten Willen nichts anfangen.

Die junge Frau streckte lächelnd ihren Kopf zu- rück ins Schlafzimmer und musterte ihn kurz.

„Er hat gesagt, du würdest ihm helfen, seine Fal- len aufzustellen“, antwortete sie, bevor sie wieder aus dem Türrahmen verschwand. Antharu stockte und legte die Stirn in Falten, bevor er vor sich in den Spiegel starrte, der gegenüber dem Bett an der Wand hing. Er war an diesem Morgen mit seinen Gedanken noch nicht richtig wohlauf, doch es be- durfte dennoch nur wenige Augenblicke, bis er be- griffen hatte, was sie damit gemeint hatte.

„Oh nein … der Wald …“

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2. Kapitel

Fehars Glenn war eine recht große Stadt, die größte in ganz Fehars Holoh. Die meisten Menschen hier lebten vom Handel, denn durch Fehars Glenn führ- te ein wichtiger Handelsweg, über den Gewürze, Tabak, Stoffe, Schmuck und Keramik transportiert und hier verkauft oder gegen Alkohol, Felle und Wolle eingetauscht wurden. Einst aus einem klei- nen Bauerndorf entstanden, gab es hier ideale Be- dingungen für eine große Wirtschaft, denn die Bö- den waren fruchtbar, die Weiden groß und der Wald voller Leben. Das machte Fehars Glenn zum wich- tigsten Ort in ganz Fehars Holoh, denn hier kam man an seltene Güter heran, von denen manch ei- ner noch nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gab.

Antharus Haus lag ein wenig abseits des Stadtzen- trums, am Rande des Waldes, der die vielen kleinen Schaffarmen und deren Weiden rund um die Stadt eng umschloss. Antharu war weder Händler noch Farmer, sondern arbeitete in einem uralten Laden in der Stadt, einem der ersten, die es je in Fehars Glenn gegeben hatte. Es war ein kleiner Karten- laden gegenüber dem Marktplatz, jedoch für die gute Qualität der Karten, die dort gezeichnet und vervielfältigt wurden, bekannt, weshalb Antharu schon oft die Bekanntschaft manch eines fremden Händlers gemacht hatte, der hier in Fehars Glenn eine Landkarte erwerben wollte. Antharus Karten waren sehr beliebt, denn sie besaßen die Schönheit

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und Genauigkeit, wie es nur wenig andere taten.

Jedoch war das Anfertigen von Karten nicht sein einziges Talent, denn die Fähigkeit sich voller Hin- gabe auf etwas zu konzentrieren, hatte ihm noch eine andere Gabe in die Wiege gelegt.

Harras hingegen war aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Er war, ebenso wie Antharu, kein Farmer oder Händler, sondern ein Jäger, dessen Re- vier, Fehars Holoh, seit je her seine Heimat gewesen war und in dessen Herzen, Fehars Glenn, er sich somit niedergelassen hatte. Harras war stark, ro- bust und kräftig, eben ein Jäger wie er leibt und lebt. Wer mit Harras reiste, brauchte sich niemals zu fürchten, denn nur ein Verrückter würde es wa- gen, den Jäger in seinem eigenen Revier zu über- fallen. Sein Gehör war besser als das eines jeden anderen, sein Blick schärfer als der eines jeden an- deren und die Bolzen seiner Armbrust trafen fast immer ihr Ziel.

Harras war ein Draufgänger, ein wahrer Lebens- künstler. Wer ihn nicht in den Wäldern oder in sei- ner kleinen Jägerhütte antraf, wie jeder die Bruch- bude auf der anderen Seite der Stadt nannte, fand ihn gewöhnlich äußerst munter in einer seiner Lieb- lingskneipen, raufend, um die Wette saufend oder mit einer hübschen jungen Frau auf dem Schoß.

In ihrem Wesen unterschieden sich Antharu und Harras somit um einiges. Dennoch waren sich die beiden trotz ihrer Verschiedenheit schon von Kin- desbeinen an in einem Punkt einig. Sie waren Freunde und würden für den anderen ihre Hand ins Feuer legen.

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Die weißen Pflastersteine klapperten unter den be- schlagenen Hufen ihrer Pferde, als Antharu und Harras den Marktplatz überquerten. Es war der schnellste Weg, um auf die andere Seite von Fehars Glenn zu gelangen, wo Harras seine Fallen in den Wäldern aufstellen würde, rund um die Schaffar- men am Waldrand. Der Marktplatz war groß, und obwohl es noch recht früh war, herrschte hier schon reges Treiben, denn Osthändler waren in der Nacht mit ihren großen Karren eingetroffen und luden ihre Waren ab. Viele Menschen, vor allem Kinder, drängten sich, um zu sehen, was die Männer aus dem Osten mitgebracht hatten. Der würzige Duft von Chili und Kräutern lag in der Luft.

„Sag mir eines, Harras, habe ich mich sehr da- neben benommen, heute Nacht?“, fragte Antharu nach einer Weile, ohne zu Harras neben sich aufzu- sehen. Harras grinste amüsiert. Antharu knurrte wütend, denn er hatte Kopfschmerzen und ihm tat jeder einzelne Knochen weh.

„Es ist mit Sicherheit das letzte Mal, dass du dich auf ein Wettsaufen mit Kaijan einlässt, das versi- chere ich dir. Gegen den Kerl kann kaum einer ge- winnen“, erwiderte Harras schließlich selbstsicher.

Antharu schaffte es zu lächeln.

„Ja, keiner außer dir natürlich“, murmelte er liebe- voll und Harras nickte stolz.

„Sicher. Und ich freue mich schon darauf, wenn ich ihn das nächste Mal herausfordern darf.“ An- tharu hörte die Vorfreude geradezu aus Harras’

Worten heraus und er seufzte leise und lang ge- zogen. Er sah sich nicht auf dem Marktplatz um,

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denn er wusste, dass es heute Morgen einige gab, die ihm mit einem Grinsen im Gesicht hinterher se- hen würden, denn er war ein bekannter Mann in Fehars Glenn. Jedoch weder dafür, dass er sich dem Wetttrinken seines Freundes anschloss, noch dass er einen Gauner wie Kaijan zum Wetttrinken he- rausforderte, obwohl er doch kaum etwas vertrug.

Sie benötigten nicht allzu lange, bis sie das an- dere Ende der Stadt erreicht hatten und ihre Pfer- de auf einen kleinen Wanderpfad lenkten, der sie in den Wald führen würde. Auf den sonnenbeschie- nenen Wiesen am Waldrand grasten weiße Scha- fe, deren Lämmer wild um die Alten herumtobten.

Antharu gähnte und blinzelte müde zu Harras hi- nüber, der seinen Blick über die Schafweiden glei- ten ließ und schließlich zum Unterholz blickte, das nicht weit von den Stallungen der Tiere begann.

„Wir werden nach den lichtesten Stellen suchen.

Dort wo ein Wolf sich durch das Unterholz schlei- chen kann, ohne dass ihn das Gestrüpp zu sehr be- hindert“, murmelte er schließlich konzentriert und Antharu nickte desinteressiert.

„Glaub mir, mein Freund, da werde ich dir heute keine große Hilfe sein“, nuschelte er nur abwesend, während er die Ohren seines Apfelschimmels Him- melstänzer beobachtete, die zeitweise hin und her gekreist waren.

„Oh doch, keine Sorge, du wirst mir eine sehr gro- ße Hilfe sein. Irgendjemand muss doch die Löcher graben.“ Antharu sah verwirrt zu Harras auf.

„Löcher? Was für Löcher?“, stotterte er empört und Harras lachte.

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„Ich werde niemals einen Wolf mit einem Fangei- sen erlegen, Antharu, genauso wenig wie jedes an- dere Tier. Wir werden Erdfallen graben, denn die Netze können wir nur etwas weiter im Inneren des Waldes aufstellen, wo die starken Bäume stehen und das Netz sich nicht im Gestrüpp verfangen kann.

Hatte ich das nicht erwähnt?“ Harras lächelte bei- nahe liebevoll auf Antharus hilflosen Blick, bevor er sein nussbraunes Pferd Grashüpfer zum Stehen brachte. Es war ein stämmiges Tier, wie man es in der ganzen Stadt nicht noch einmal finden konnte, denn es war aus einer seltenen Zucht.

„Du hast nie etwas von Erdfallen erwähnt“, ver- suchte Antharu, sich nervös zu verteidigen, aber Harras grinste nur, als er sich von dem Rücken sei- nes Reittieres schwang.

„Nein, habe ich nicht, aber auch wenn ich es getan hätte, würdest du dich sowieso nicht mehr daran erinnern können“, antwortete er, bevor er Grashüp- fers breite Satteltasche öffnete und ein Grabeisen aus Metall heraus holte. Ein Gerät, das etwa einen halben Meter lang und halb so breit war und mit dem man ebenso rasch ein Loch schaufeln konnte, wie mit einem einfachen Spaten.

„Harras, wir könnten uns doch irgendwie einigen“, jammerte Antharu bittend. Aber Harras reagier- te, indem er seinem Freund das Eisen in die Hand drückte und ihn breit angrinste, sodass die kleinen braunen Augen sich in zwei winzige, schadenfrohe Schlitze verwandelten.

„Vergiss es, Antharu, denn es ist nur zu deinem Besten. An diesen Morgen, an dem ich dich in den

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Wald geschleift habe, wirst du dich noch lange er- innern und es dir in Zukunft gut überlegen, ob du irgendjemanden zum Trinken herausforderst, dem du nicht gewachsen bist. Und das wird immer der Fall sein, denn ich bin mir sicher, dass es auf der ganzen Welt keinen Zweiten gibt, der so wenig ver- trägt, wie du.“

Harras kehrte am späten Nachmittag noch ein- mal in den Wald zurück, um nach den Fallen zu se- hen, welche er für die beiden Wölfe aufgestellt hat- te, die in den vorherigen Nächten einige Lämmer der Schaffarmen gerissen hatten. Antharu hinge- gen war in die Stadt gegangen, denn er hatte zu arbeiten, auch wenn er sich nach dem anstrengen- den Morgen am liebsten wieder in sein Bett gelegt hätte. Doch daran war nicht zu denken, denn die Osthändler würden in drei Tagen wieder nach Hau- se fahren und die Waren aus Fehars Glenn muss- ten bis dahin fertig zum Aufladen sein. Es galt eine Karte zu zeichnen, die einer der Männer aus dem Osten schon am frühen Morgen gebracht hatte und welche sich in solch einem schlechten Zustand be- fand, dass er es nicht wagte, mit ihr noch einmal die Heimfahrt anzutreten.

„Er war noch ein recht junger Bursche, vielleicht Mitte zwanzig.“ Der kleine weißbärtige Mann mit dem Buckel und den kleinen blauen Augen breitete das uralte Stück Pergamentpapier auf dem breiten Holztisch vor Antharu aus. Dem Buckligen gehörte das Geschäft und Antharu war der Einzige, der für ihn arbeitete. Der Alte war leicht schwerhörig und

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seine Augen waren längst nicht mehr scharf genug, um sich selbst ans Werk zu machen und Karten zu zeichnen und so war Antharu schon seit vielen Jahren hier beschäftigt. Dennoch verfügte der alte Mann über enorme Kenntnisse und es schien kein Land auf der Welt zu geben, dessen Namen er nicht zumindest einmal gehört hatte. Von den meisten konnte er einem sogar sämtliche wichtigen Han- delsstädte oder auch die Flüsse aufzählen, die meist durch Schiffsverkehr zum Austausch von Handels- gütern genutzt wurden.

„Er hat gesagt, dass er die Karte bis in zwei Ta- gen renoviert haben möchte. Aber da gibt es nichts mehr zu renovieren. Das Pergament ist abgegriffen und zu dünn, die Tusche kaum noch zu lesen“, er- klärte der Alte schließlich mit heiserer, recht hoher Stimme. Antharu nickte zustimmend, während er mit den Fingern das dünne Stück Pergament be- fühlte. Es war etwa drei Hand lang und zwei Hand breit und schien schon viele Reisen hinter sich zu haben, da kaum noch ein Strich zu erkennen war.

„Wie kann man nur so leichtsinnig sein und mit solch einer Karte den weiten Weg nach Fehars Glenn antreten. Der Mann kann von Glück reden, dass er und sein Gefolge die Stadt überhaupt er- reicht haben. Mit den Wäldern von Fehars Holoh ist nicht zu spaßen, es gibt kaum einen Menschen, der sich so gut darin auskennt, dass er ohne Karte zu reisen vermag.“ Der Alte brummte.

„Ich sagte bereits, der Kerl war noch jung, wahr- scheinlich ziemlich unerfahren. Aber er erschien mir heute Morgen schon recht seltsam, wie er so völlig vermummt das Geschäft gestürmt hat“, der

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Alte lachte, „und ziemlich ungeschickt an die La- dentheke gehumpelt ist.“ Antharu wandte neugierig den Blick von der Karte ab und sah zu dem Alten hinüber.

„Ich kann mich noch an einige der Männer er- innern. Sie waren letzten Winter schon hier und dumm schienen sie mir nicht zu sein. Aber dass sie einem solch jungen Spund die Führung ihrer Rei- se überlassen ...“ Er machte eine kleine Pause und überlegte.

„Aber er könnte auch einfach nur den Befehl er- halten haben, die neue Karte in Auftrag zu geben und wollte sich bei der Gelegenheit ein bisschen wichtiger fühlen, als er in Wirklichkeit ist.“ Der Alte nickte, leise in seinen weißen Vollbart hinein brummend, welcher ihm bis über die Brust nach unten gewachsen war.

„Jedenfalls wird er am Abend des morgigen Tages wiederkommen und sehen, wie weit die Arbeit fort- geschritten ist“, erwiderte er dann abschließend.

Antharu seufzte leise, denn zwei Tage waren nicht sehr viel, um solch eine Karte anzufertigen. Noch dazu war er heute sehr müde und demnach unkon- zentriert um solche Arbeit zu verrichten, denn Prä- zision und Genauigkeit spielten eine große Rolle, damit man sich nicht in den Weiten von Fehars Ho- loh verirrte.

„Am besten du machst dich gleich an die Arbeit, unter Zeitdruck lässt es sich nicht gut arbeiten“, riet der alte Mann schließlich noch, aber Antharu belächelte seine Worte nur abweisend.

„Der Zeitdruck hat mich schon eingeholt, bevor ich überhaupt von der Karte wusste, Gorga, zwei Tage

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sind knapp genug. Du wirst mir den Schlüssel heu- te Abend hier lassen müssen, ich werde wohl erst spät nach Hause gehen.“ Gorga nickte nur, klopfte Antharu auf die Schulter und verließ dann das Hin- terzimmer des Geschäftes, um ihn in Ruhe an die Arbeit gehen zu lassen.

Die Dämmerung brach über Fehars Holoh herein und es bedurfte nur einer kurzen Weile, bis der wei- ße Vollmond und Tausende leuchtender Sterne über Fehars Glenn aufgegangen waren. Auf dem Markt- platz standen die abgedeckten Karren der Osthänd- ler und von der Schenke „Zum wilden Hengst“ fiel Licht, unter dröhnendem Gelächter und lautem Stimmengewirr, auf die Straße. Irgendwo in Fehars Holoh heulte ein Wolf und irgendwo in den Wäldern wachte Harras, um ihn zu erlegen.

Antharu saß im Hinterzimmer des kleinen Kar- tenladens und im Schein der alten, eisernen Pet- roleumlampe, welche neben ihm auf dem breiten Holztisch stand, zeichnete er an der Karte über Fe- hars Holoh, die weit über die Wälder von Fehars Glenn hinausreichte. Er war müde, aber er wusste, dass, wenn er jetzt einschlafen würde, er die Karte unmöglich bis übermorgen Abend fertig haben wür- de. Antharu hatte die Karte des Händlers einiger- maßen rekonstruieren können und zeichnete nun an der Kopie, doch inzwischen war er sich sicher, dass es nicht die einzige Karte sein konnte, die die Händler bei sich hatten. Es wunderte ihn, dass es nicht schon Gorga aufgefallen war, der ja wahrlich über genügend Kenntnisse verfügte, doch er erklär-

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te es sich mit den schlechten Augen des Alten, au- ßerdem war er wirklich nicht mehr der Jüngste.

Die Karte, die Antharu in Auftrag bekommen hatte, reichte in den Westen des Landes und endete zu Beginn einer Gebirgskette namens Krem Kshiri.

Doch die Händler kamen aus dem Osten und muss- ten Fehars Holoh somit von Osten aus durchqueren.

Auf dieser Karte jedoch war der Ostwald von Fehars Holoh nicht mehr vollständig eingetragen, woraus Antharu schloss, dass die Karte nicht für die Händ- ler selbst bestimmt war, sondern von irgendeinem anderen in Auftrag gegeben worden war. Trotzdem wunderte es Antharu, denn Karten konnte man auch woanders erwerben und so bekannt war sein Name nun auch wieder nicht, dass die Leute von so weit her auf seine Arbeiten erpicht waren.

Dennoch war Antharu zu müde, um sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Seine Aufgabe war, die alte Karte zu kopieren und das tat er ja auch. Alles andere war ihm egal. Hauptsache war, dass er bis morgen Abend soweit fertig sein wür- de, dass er sich wieder einmal richtig ausschlafen konnte.

Mit voller Hingabe auf seine Zeichnung konzen- triert, ließ Antharu bis spät in die Nacht hinein die Tuschefeder über das Pergamentpapier gleiten, zeichnete Wälder, Gebirge, Flüsse und Städte und benannte sie mit ihren Namen. Als er sich etwas weiter nach vorne beugte, glitt der Anhänger seiner goldenen Halskette aus seinem offenen Hemd und baumelte an seinem Hals über die Karte hinweg.

Antharu hatte es nicht bemerkt. Er seufzte nur lei- se und lehnte einen Moment lang mit geschlossenen

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Augen den Kopf in den Nacken. Die Arbeit strengte ihn an und er hatte mit der Müdigkeit zu kämp- fen. Dennoch beugte er sich nach einem kurzen Mo- ment wieder nach vorne, um sich abermals an die Arbeit zu machen. Der Anhänger seiner Halskette baumelte über den Skizzierungen des Gebirges und des Waldes, als Antharu die Tuschefeder ansetzte und ein kleines Gebirgsplateau beschriftete, dass nicht allzu weit entfernt am Rande vom Westwald Fehars Holohs lag. Fehars Bey schrieb Antharu in schönen deutlichen Lettern, doch im nächsten Mo- ment entfuhr ihm ein überraschter, heiserer Schrei.

Der Anhänger seiner Kette riss den Kopf des Man- nes nach unten.

Das Pendel hatte ausgeschlagen.

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3. Kapitel

Der Morgen graute. Der schwarze Nachthimmel verblasste bereits unter den ersten warmen Strah- len der Sonne und die letzten Sterne und der Voll- mond leuchteten immer schwächer, bis sie am Ende gar nicht mehr zu sehen waren.

Antharu öffnete die Augen. Warme Sonnenstrah- len fielen ihm durch das geöffnete Fenster ins Ge- sicht und einen Moment lang starrte er verwirrt zu dem kleinen Fenster hinüber, neben dem ein gro- ßes Wandregal mit vielen kleinen Fächern stand, in welche Dutzende alter Karten einsortiert waren.

Es bedurfte eines Augenblickes, bis Antharu begrif- fen hatte, dass er sich immer noch in dem kleinen Hinterzimmer des Kartengeschäftes befand. Als er schließlich den Kopf von der Tischplatte des breiten Holztisches hob, fiel sein Blick auf die alte Karte der Osthändler, wanderte zu seiner Kopie daneben und blieb an den letzten Tuschestrichen haften, an die er sich noch erinnern konnte, dem Namen eines kleinen Gebirgsplateaus am Rande des Westwaldes von Fehars Holoh. Antharu fasste sich stöhnend an den Kopf, denn er konnte sich nicht erklären, was mit ihm geschehen war. War er etwa über der Ar- beit eingeschlafen?

Doch schon im nächsten Moment klappten seine Augenlider wieder mit einem Schlag nach oben und seine rechte Hand fasste eilig nach dem Anhänger seiner Halskette, der über seiner Brust baumelte.

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„Das ist nicht möglich“, flüsterte er fassungslos, als er sich daran erinnerte und seine zweite Hand in seinen Nacken führte, wo er die leichte Rötung spürte, die ihm die Glieder der Kette zugefügt hat- ten, als das Pendel seinen Kopf auf den Tisch gezo- gen hatte. „Das ist nicht möglich“, wiederholte er abermals, bevor er etwas den Kopf hin und her wog und wieder auf die Kartenkopie vor sich blickte.

„Fehars Bey …“, flüsterte er angestrengt nachden- kend und dann wieder, „Fehars Bey …“ Er streichel- te in Gedanken versunken den roten, glatt geschlif- fenen Rubin, der von fein verarbeiteten goldenen Schlingen umfasst war, bevor er wieder langsam den Kopf schüttelte. „Was soll das bedeuten, was willst du mir damit sagen?“, fragte er leise. „Fehars Bey ist doch nur ein kleiner unwichtiger Ort!“

Antharu seufzte und kämmte sich mit den ge- spreizten Fingern ratlos durch die dunkelbraunen Haare. Er wusste nicht, was geschehen war, was das Pendel, dass nun so viele Jahre geschwiegen hatte, ihm sagen wollte. Aber er wusste, wenn das Pendel ihm einen Weg zeigte, dann war Magie im Spiel … Und er war dazu berufen, diesem Weg zu folgen.

Es war früher Morgen. Gorga hatte den kleinen Kartenladen soeben betreten, und da er nicht ab- geschlossen war, glaubte er, Antharu im Hinter- zimmer anzutreffen. Doch dem war nicht so. Von dem Kartografen fehlte jede Spur. Der alte Mann stutzte verwirrt, denn in all den Jahren, die Antha-

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ru bei ihm arbeitete, war dergleichen noch niemals vorgefallen.

„Antharu?“, rief der Alte schließlich, aber es kam keine Antwort, „Antharu, bist du hier? Falls es ein dummer Witz sein sollte, so glaube ich, dass wir beide aus diesem Alter heraus sind!“ Aber es mel- dete sich niemand. Von Antharu fehlte jede Spur.

Gorga knurrte gereizt, doch auch hilflos, bevor er wieder ins Hinterzimmer trottete und sich über die Zeichnungen lehnte, die Antharu bisher angefer- tigt hatte. War er etwa schon fertig? Nein, gerade einmal ein Drittel der Karte hatte er bereits abge- tragen. Aber wo war er dann geblieben? Gorga war recht ratlos, denn unzuverlässig war Antharu kei- nesfalls. Deshalb war es eher die Sorge als die Wut, die den alten Mann an diesem frühen Morgen be- schlich, als er sich hinter die Theke seines Ladens setzte. Dass die alte, unleserliche Karte der Ost- händler nicht mehr im Hinterzimmer gelegen hatte, hatte der Alte nicht bemerkt.

Antharu hatte die hintersten Karren der Osthänd- ler erreicht, aus denen soeben etliche Fässer voll mit Gewürzen und getrockneten Früchten geladen wurden. Einige starke, schwarzbärtige Männer mit breiten Nasen und kleinen Augen waren am Werk, doch einen jungen, humpelnden Burschen entdeck- te er nicht unter den fremden Männern aus dem fernen Ostland. Antharu war besorgt. Er hatte den Kartenladen unverschlossen zurückgelassen, denn es gab nur einen Schlüssel und den hatte Gorga ihm am Abend zuvor gegeben. Der Alte hätte vor

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verschlossener Tür gestanden, wenn er nun gerade in der Zwischenzeit, in der Antharu auf die andere Seite des Marktplatzes hinüber gegangen war, ge- kommen wäre.

Es herrschte reges Treiben auf dem Marktplatz.

Etliche Menschen waren gekommen, um die Waren zu begutachten und mit den Männern zu handeln.

Es war von Vorteil zu wissen, wie viel die Güter wert waren, bevor man Tage später auf dem Markt von den Händlern aus Fehars Glenn übers Ohr ge- hauen wurde, mit welchen die Osthändler ihre Wa- ren schon am vorigen Abend getauscht hatten. An- tharu glaubte, unter den Händlern das eine oder andere bekannte Gesicht wieder zu erkennen, so- fern das überhaupt möglich war, denn die Männer sahen sich alle zum Verwechseln ähnlich. Dennoch war sich Antharu sicher, dass keiner von ihnen jün- ger als fünfunddreißig Jahre war, wenn man von dem kleinen Jungen absah, der schon die ganze Zeit auf der Ladeklappe eines Karren gesessen hatte und zu Antharu hinüberstarrte.

„Seid Ihr ein Händler?“, fragte der Kleine schließ- lich und Antharu lächelte ihn freundlich an. Der Junge hatte haselnussbraune Haut, ebenso wie die Erwachsenen, und kurze tiefschwarze Haare. Um seine Stirn hatte er ein grünes Tuch gewickelt und seine kleinen braunen Augen funkelten Antharu neugierig an. Antharu trat näher an den Kleinen heran und schüttelte den Kopf.

„Nein, ich bin kein Händler. Aber ich bin auf der Suche nach einem von euren Gefährten.“ Der Junge

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