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Union in Deutschland

Informations-Dienst

der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands

Zahlungen an Bundesgeschäftssteile der CDU Deutschlands, Bonn, Blücherstraße 14, Postscheckkonto Köln 36531 und Bankverein Westdeutschland, Filiale Bonn 748?

Nr. 74 Bonn, den 17. September 1952 VI. Jahrg.

Was will die SPD? - Nein zu Europa?

Ärger bei den Deutschen und Kopfschütteln bei den Ausländern

Während hoffnungsvoll und freudig der Auftrag des Ministerrates an das Parlament der Montan- Union, bereits jetzt eine euro- päische Verfassung auszuarbeiten, weithin begrüßt wurde und die Versammlung diesen Auftrag gegen die Stimmen nur der deut- schen Sozialdemokraten annahm, kommt nach dem Straßburger „Nein" der SPD ein .^zweites hartes „Nein" des Bonner Partei-

^vorstandes hinzu. Die SPD lehnt es ab, sich an den Verfassungsarbeiten zu beteiligten.

Als Begründung für diesen Entscheid be- hauptet die SPD, Beteiligung an der Ver- fassungsarbeit bedeute eine Vorwegnahme der Zustimmung zum Vertrag über die euro- päische Verteidigungsgemeinschaft.

Abgesehen davon, daß die ablehnende Haltung der Sozialdemokratie gegen jeden Versuch auf dem möglichen Wege nach Europa weiterzukommen, allmählich be- ginnt, mehr als nur störende Formen anzu- nehmen, scheint es uns unmöglich, daß die SPD einen wirklich unwiderlegbaren juri- stischen und politischen Beweis ihrer unsinni- gen Behauptung zu erbringen vermag.

Ernteten die deutsdien Sozialdemokraten durch ihr Verhalten bei der Wahl des Präsi- denten der Montan - Union - Versammlung bereits bei den deutschen Partnern harte und berechtigte Vorwürfe und bei den Aus- ländern verständnisloses Kopfschütteln, so war der deprimierende Eindruck des sozial- demokratischen Verhaltens in der Frage der Verfassungsarbeit im gesamten Straßburger

^^Bereich nicht zu verkennen.

'-ir Daß die deutschen Sozialisten für den bel- gischen und gegen den deutschen Kandida- ten stimmten, wiegt schwer, wenn man immer wieder hören muß, daß die SPD, und nur die SPD es verstehe, die rein deutschen Inter- essen wirklich deutsch zu vertreten. Der Beschluß wiegt aber noch schwerer, wenn man weiß, daß vor der Abfahrt der deut- sdien Delegierten nach Straßburg in Bonn eine Besprechung stattgefunden hat, an der u. a. die Abgeordneten von Brentano, der Vizepräsident der Hohen Behörde, Etzel und

— man höre und staune — der sozialdemo- kratische stellvertretende Vorsitzende, Erich Ollenhauer, teilgenommen habe und in der man sich auf die Kandidatur von Brentanos einigte. Die Stimmen der SPD in Straßburg aber gaben den Ausschlag für die Wahl des belgischen Sozialisten Spaak.

Über das Verhalten der Sozialdemokraten in dieser Angelegenheit hat der CSU-Abge- ordnete Franz Josef Strauß bereits deutliche Worte gesprochen, als er den Sozialdemo- kraten in Straßburg vorwarf, in einer ent- scheidenden Situation die deutsche Soli- darität durchbrochen zu haben. Die Sozial- demokraten hätten mit ihrer Stimmabgabe für Spaak den von ihnen theoretisch verfoch-

tenen Grundsatz der deutschen Gleidiberech- tigung in der Montan-Union aufgegeben.

„Die SPD soll es nie mehr wagen, sich zum Verfechter der Gleichberechtigung aufzu- werfen!"

Als der Vorschlag des Ministerrates in Luxemburg bekannt wurde, bereits die par- lamentarische Versammlung der Montan- union sollte mit der Ausarbeitung einer europäischen Verfassung beginnen, die ur- sprünglich der parlamentarisdien Gemein- schaft der EVG zugedacht war, begrüßten alle diesen Beschluß als selbstverständliche und vielfach sehnlichst erhoffte Beschleuni- gung der europäischen Entwicklung zur Ge- meinsamkeit. War dies doch ein Zeichen dafür, daß die Dynamik des europäischen Gedankens sich über theoretische Formeln hinwegzusetzen beginnt.

In der Straßburger Debatte der Parla- mentarischen Versammlung wurden zu diesem Auftrag lediglidi verfahrensmäßige Bedenken geäußert. Den juristischen Argu- menten, die z. B. der Belgier Paul Struye

gegen die Form, in der die Versammlung vom Ministerrat einen „Auftrag" erhalten habe, vorbrachte, wurde Verständnis ent- gegengebracht, gleichzeitig aber zurückge- wiesen mit der Feststellung, daß man ein- deutig der Auffassung sei, die große Auf- gabe, die der Ministerrat übertragen habe, lasse es nicht zu, sich mit Verfahrensfragen und juristischen Einzelproblemen das große europäische Konzept zu verderben.

Der Versuch, das zu tun blieb den deut- schen Sozialdemokraten vorbehalten, die als einzige gegen die Annahme des Auftrages stimmten. Und damit nicht genug! Der sozi- aldemokratische Vorstand gab klipp und klar zu verstehen, daß SPD-Vertreter sich an den nun beginnenden Arbeiten nicht beteiligen werden.

In vielen ähnlichen Fällen war es möglich, den Standpunkt der SPD damit zu erklären, daß es gelegentlich zweckmäßig erschien, sich ohne Verantwortimg und ohne große Kosten sozusagen „populär" zu machen, so z. B.

mit ihrer ablehnenden Haltung zur deutschen Beteiligung an der europäischen Verteidi- gungsgemeinschaft. Im Falle Straßburg bleibt für Wohlgesinnte und Unvoreinge- nommene aber vorerst nur ein Kommentar:

Unverständlich und unverantwortlich!

Prof. Dr. Theodor Heuß drei Jahre Bundespräsident

In diesen Tagen hat sich zum dritten Mal der Tag gejährt, da die Bundesversamm- lung Prof. Theodor Heuß zum Bundespräsi- denten wählte. Die politische Bedeutung dieses Ereignisses und die Persönlichkeit des deutschen Staatsoberhauptes rechtferti- gen eine besondere Würdigung dieses Jah- restages. Das „Bulletin" der Bundesregie- rung veröffentlicht aus diesem Anlaß einen Artikel, in dem es u. a. heißt:

„Unter den geschichtlichen Formen der Demokratie stehen, wenn sie rein verwirk- lidit sind, zwei zueinander im Gegensatz:

die parlamentarische Demokratie und die präsidiale. Ein vorzügliches Beispiel der Präsidialdemokratie sind die Vereinigten Staaten von Amerika. In Europa überwiegt der Typus der parlamentarischen Demokra- tie. Er ist am reinsten verwirklicht, von klei- neren Staaten abgesehen, in England und in der Deutschen Bundesrepublik.

Es gibt viele gute Demokraten, die eine Präsidialdemokratie der parlamentarischen vorziehen. Gründe dafür liegen auf der Hand. Die Wahl des Präsidenten durch das Volk rechtfertigt seine Machtfülle durch die Vereinigung der Funktionen eines Staats- oberhauptes und des Regierungschefs in seiner Person. Diese Machtfülle verspridit die Erfüllung seines Programms, und die Geschichte hat dies Versprechen oft genug eingelöst. Wenn trotzdem der Parlamenta- rische Rat in Bonn sidi gegen die Präsidial- demokratie für die parlamentarische ent- schieden hat, so deswegen, weil für die Präsidialdemokratie die Gefahrengrenze zur

Diktatur durch die Volkswahl, aus der der Präsident hervorgeht, zu nahe liegt, und die Machtfülle verlockt, diese Grenze zu über- schreiten.

Dabei soll und kann nidit bestritten wer- den, daß die Präsidialdemokratie sich über- all da als ideale Lösung anbietet, wo die Spannung zwischen dem föderativen Ur- sprung des Staates und dem unitaren Drang des aus dem „Bundesvolk" gewählten Par- laments die Aktionsfähigkeit der Regierung in Frage stellt. Deshalb ist auch noch in einem späteren Stadium der Verhandlungen des Parlamentarischen Rats in Bonn die Präsidialdemokratie von der Freien Demo- kratischen Partei als die bessere Konstruk- tion zur Uberbrückung der dezentralistischen Tendenzen des Föderalismus einerseits, des zentralistischen des Parlamentarismus an- dererseits empfohlen worden. Aber die bösen Erfahrungen im tausendjährigen Reich mit der Wahl des Präsidenten durch das Volk (nach der Weimarer Verfassung) gaben den Ausschlag gegen die Präsidialdemo- kratie.

Nach dem Grundgesetz wird der Bundes- präsident durch die Bundesversammlung gewählt. Diese besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und einer gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Ver- hältniswahl gewählt werden. Sie muß also in jedem Fall der Wahl eines Präsidenten ad hoc gebildet werden. Das schließt nicht aus, daß die Bundesversammlung „als Kreationsorgan des Repräsenlationsorgans:

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Bundespräsident" gleich diesem ein Ober- stes Staatsorgan des Bundes ist. Diese Fest- stellung ist widitig für die Erkenntnis, daß die Präsidentschaft weder eine rein plebis- zitäre noch eine rein parlamentarische Ein- richtung ist. Sie ist vielmehr entsprediend der Bildung der Bundesversammlung eine gemischt unitarisdi-föderative Institution.

Sie macht damit ihren Inhaber, den Bundes- präsidenten in gleicher Weise zum Vertrau- ensmann des Bundesvolkes und seiner Re- präsentation, des Bundestages, wie zum Ver- trauensmann der Länder und ihrer Parla- mente. Niemand wird dem gegenwärtigen Bundespräsidenten bestreiten können, daß er dem Vertrauen des Volkes wie dem der Länder vorbildlich gerecht geworden ist.

Seine repräsentativen Rechte und Pflidi- ten als Staatsoberhaupt, die wir als bekannt voraussetzen dürfen, legen ihm trotz der ab- soluten Stellung des Regierungsdiefs eine große Verantwortung auf. Sdiließlidi treten alle Gesetze erst nach seiner Unterzeichnung in Kraft. Er trägt daher audi die Verant- wortung dafür, daß die Gesetze nicht im Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Diese Verantwortung ist durdiaus politisch. Das kam zum öffentlichen Bewußtsein, als der Bundespräsident nach Unterzeichnung des Vertrages über die EVG und des Deutsdi- landvertrages durch den Bundeskanzler sidi im Hinblick auf die anstehenden Ratifizie- rungsgesetze ein Gutaditen des Bundesver- fassungsgerichtes erbat. Der Volksmund, daß

der Bundespräsident nach dem Grundgesetz

„Nichts zu sagen hat", redet so daher. Das

„Volksohr" könnte ihn eines Besseren be- lehren. Der Bundespräsident hat zwar nidit zu regieren, aber sehr viel zu sagen. Und er sagt es auch.

Der englische König ist der erste Gentle- man seines Reiches. Wenn er es wirklidi ist

— den Begriff Gentleman in seinem editen englisdien Wort genommen — ist seine mo- ralisch-politische Autorität unmeßbar groß und ein Politicum, wie es durdi keinen Ver- fassungssatz geschaffen werden könnte. Für die Position und die Wirkungsmöglichkeit des Bundespräsidenten gilt Ähnliches. Wir sagen nicht das Gleiche. Denn uns fehlt als Komparent zur Position des englischen Königs die „Gesellschaft", in der diese ruht.

Aber die Wahl von Professor Theodor Heuß zum Bundespräsidenten hat ein soziologisch sehr wichtiges Element unseres politisdien Lebens zur Sicherung und Steigerung der Position des Bundespräsidenten herangezo- gen. Das ist die Gemeinschaft des humani- tären-christlidien Denkens und Handelns, die der erste Bundespräsident in seiner gei- stigen Leistung und persönlichen Lebens- führung repräsentiert. Er spricht für das Gewissen der Nation. Jeder fühlt das. Und in dieser Gewißheit ruht die mo- ralisch-politisdie Autorität, die ein deutscher Bundespräsident gewinnen kann und ge- winnen muß.

Ernst Bach 50 Jahre

Der Bundesschatzmeister der CDU, Ober- bürgermeister Ernst Badi aus Siegen, voll- endet am 19. September sein 50. Lebens- jahr. Dieses Jubiläum ist ein berechtigter Anlaß, wenigstens in einigen Worten von diesem Manne zu sprechen, der mutig und unerschrocken mit klarem Verstand und mit fast beispielloser Vitalität seiner Aufgabe dient.

Am 19. September 1902 in Castrop-Rauxel als Sohn eines Grubenbeamten geboren, verbrachte Ernst Bach seine Jugendzeit im Siegerland und in Essen-Steele, wo er das Gymnasium besuchte. Die Not des Vater- landes nadi dem ersten Wellkrieg bewog ihn zur Gründung einer vaterländischen Bewegung in Essen, mit der er tatkräftig am Widerstand gegen die Ruhrbesatzung teilnahm. Er mußte flüchten und kehrte in die Heimat, das Siegerland, zurück. 1923 zum Geschäftsführer der Deutsdinationalen Volkspartei für die Kreise Siegen, Olpe und Wittgenstein berufen, lebte er von Hause aus in den Gedankengängen des früheren Hofpredigers Adolf Stöcker, dessen christ- lich-soziale Ideen gerade im Siegerland Wurzeln geschlagen haben. Als sich im Jahre 1930 die Christlidi-Sozialen von der Deutschnationalen Volkspartei trennten, wurde Ernst Bach Hauptgeschäftsführer des Christi. Volksdienstes für Westdeutschland und für Westfalen. So wie er sich mit aller Leidenschaft gegen die verderblichen Ein- flüsse des Marxismus wandte, so setzte er sich auch mit bemerkenswertem Erfolg ge- gen den aufkommenden Nationalsozialismus zur Wehr. Kein Wunder, daß seine politi- sche Betätigung im Jahre 1933 zunächst ein Ende fand.

Er ging ins Wirtschaftsleben, machte sidi 1933 als Vertreter selbständig und trat 1936 in die Siegener Firma Großanstrich Müller

& Bach als Teilhaber und Betriebsführer ein.

Nach dem Zusammenbruch 1945 setzte sich Ernst Bach sofort für den politischen Zusammensdiluß der beiden christlichen Konfessionen ein. Paradoxerweise wollte

der britische Kommandant ihm, dem ent- schiedenen Gegner Hitlers, die politisdie Betätigung verbieten. Mit der ihm eigenen Energie konnte Bach diese Schwierigkeiten überwinden. So wurde er einer der Mit- begründer der CDU, bald zählte er zu den stärksten Persönlichkeiten seiner Partei in Nordrhein-Westfalen.

1946 erneut in die Siegener Stadtverord- netenversammlung gewählt, übernahm er als Vorsitzender der größten Fraktion den Vor- sitz im Wohnungsausschuß und damit die damals unpopulärste Aufgabe. Siegen war bekanntlidi eine der vom Kriege am stärk- sten betroffenen Städte. Daß die Spuren des Krieges heute weitgehend beseitigt sind, das ist nach allgemeiner Überzeugung der Siegener Bevölkerung — ohne Unterschied der Partei — in erster Linie das Verdienst von Ernst Bach, den das Vertrauen der Wähler 1948 auf den Posten des Ober- bürgermeisters berief. Siegen wurde, wie die Landesregierung in Düsseldorf wieder- holt anerkannte, führend im Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen. Diese Tatsache charakterisiert Ernst Bach besser als viele Worte. Nicht minder bezeidinend ist für ihn, daß er, um sidi weiterhin dem Wieder- aufbau seiner Stadt widmen zu können, auf ihm angetragene parlamentarisdie und son- stige Ehren verzichtete. Seit 1948 Mitglied des Polizeiaussdiusses für den Regierungs- bezirk Amsberg und seit 1949 Vorsitzender dieses Ausschusses, war Bach die treibende Kraft für wesentliche Verbesserungen des Polizeikörpers in diesem großen und poli- tisch wie wirtschaftlich sehr wichtigen Ge- biet.

Daß die führenden Persönlichkeiten der CDU bereits in der ersten Zeit auf diesen energiegeladenen und klugen Mann auf- merksam wurden, kann nicht überraschen.

Ihm wurden die Kassengeschäfte der Partei für das ganze Bundesgebiet übertragen.

Unbestritten ist Ernst Bach heute eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Christlidi- Demokratischen Union. Ein unerbittlicher Streiter in grundsätzlichen Fragen, der aus

seiner bewußt konservativen christlichen und sozialen Einstellung heraus den mar- xistisdien Sozialismus ablehnt, ist er ein Politiker, der mit offenem Visier kämpft und bei aller Entschiedenheit niemals die Gebote der politisdien Fairneß verletzt. Das hat ihm die Achtung auch seiner politischen Gegner eingetragen. Wir wünschen dem erfolgreichen Politiker, daß »er nodi lange, wie bisher, in vorderster Front für eine diristliche und Sbziale Staatsgesinnung stehen möge.

Wirklich Auflösung der SRP?

Die recht seltsam begründete Selbstauf- lösung der SRP ist im ersten Augenblick in seriösen politischen Kreisen mit einigem Schmunzeln zur Kenntnis genommen wor- den. Zwar diskutierte man eifrig, ob diese Selbstauflösung von langer Hand vorbe- reitet, oder ob sie aus einer spontanen Tor- sdilußpanik vor dem befürdileten Verbot der Partei entstanden sei. Kenner der Ver- hältnisse innerhalb der SRP weisen auch hin auf die persönlidien Spannungen zwi- schen führenden Mitgliedern der Partei, die wahrsdieinlidi wesentlich zu dem plötz- lichen Entschluß beigetragen haben.

Soweit es um die SRP geht, könnte maiij das Thema zu den Akten legen mit einem'.!, warnenden Hinweis an jene staatlichen Or- gane, denen der Schutz der Verfassung ob- liegt, etwaigen Tarnversuchen gegenüber ein wachsames Auge zu haben. Daß man ohnedies auf alle Bewegungen im Rechts- lager genau achtet, beweist das Verbot der geplanten Reidistagung ehemaliger SRPler in Bielefeld.

Nun ist es aber der SPD vorbehalten ge- blieben, eine pikante Note in einen zwar interessanten, aber keineswegs aufreizen- den Vorgang hineinzubringen. Herr Heine vom Vorstand der SPD hat — wahrschein- lich weil man weiß, wie wenig an den Un- terstellungen ist — in vorsichtig verklau- sulierter Frageform der CDU — und Be- amten in hohen Regierungsstellen — vor- geworfen, sie hätten die Auflösung der SRP betrieben, um sich selbst parteipolitische Vorteile zu versdiaffen.

Der Bundesvorstand der CDU -hat zu- 'gleich im Namen des Landesverbandes Niedersadisen umgehend erklärt, die CDU habe nicht das geringste mit den Vorgängen in Niedersachsen zu tun, sie sei durch die Selbstauflösung ebenso überrascht worder-]'' wie die gesamte Öffentlichkeit. Ferner wird '.

in der Verlautbarung ausdrücklich betont, an der ablehnenden Haltung der CDU ge- genüber der SRP ändere sich nichts, das gleiche gelte auch für etwaige Nachfolge- organisationen der SRP.

Im übrigen braucht die CDU kein Alibi für ihr Verhalten gegenüber allen rechts- radikalen Bestrebungen. Jedermann, der die Verhältnisse in Niedersadisen kennt, weiß, daß beispielsweise bei den letzten Land- tagswahlen die CDU fast allein die Last des Kampfes gegen die SRP trug, während die SPD mit schadenfrohem Lächeln zusah, wie die Rechtsradikalen das niehtmarxistische Lager zersplitterten und damit die sozial- demokratische Regierung Kopf indirekt in den Sattel setzten. Unvergessen ist die Hal- tung der niedersächsischen Polizei, die mehr als duldsam gegen Remer und Genossen auftrat.

Wäre die SPD gut beraten, sie würde statt unqualifizierbarer Vorwürfe gegen an- dere Parteien den Willen bekunden, ge- meinsam mit allen demokratisdien Kräften darauf zu achten, daß die Selbstauflösung der SRP wirklidi zum Verschwinden des Reditsradikalismus führt.

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Archivdienst der „Union in Deutschland' 1

Nr. 74 Bonn, den 17. September 1952 VI. Jahrg.

A I a Auswärtige Beziehungen

Die Ergebnisse der Konferenzen in Luxemburg Der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft für Kohle

und Stahl trat am 8., 9. und 10. September 1952 unter dem Vor- sitz von Dr. Adenauer in Luxemburg zu seiner ersten und kon- stituierenden Sitzung zusammen. Im Anschluß an diese Sitzung fand eine Konferenz der Außenminister der vertretenen Mächte statt.

Der Ministerrat der Gemeinschaft gab sich eine Geschäfts- ordnung, richtete ein Sekretariat ein und bestimmte Christian Calmes (Luxemburg) zum Sekretär des Rates. Die Minister bestimmten die Einzelheiten der Rechtsstellung der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Der Ministerrat nahm einen Bericht des Präsidenten der Hohen Behörde, Monnet, über die von der Hohen Behörde bisher geleisteten und in Aussicht genommenen Arbeiten ent- gegen. Der Präsident der Hohen Behörde berichtete ferner über die Fühlungnahme mit den Regierungen von Großbritannien und der USA über eine Assoziierung dieser Staaten mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Diese Ge-

^ spräche haben zur Errichtung ständiger Missionen der beiden V^ genannten Regierungen geführt.

Der Ministerrat behandelte schließlich Fragen, die nach dem Uberleitungsabkommen des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Verhältnis zu dritten Ländern und anderen internationalen Organisationen zu klären sind. Botschafter Suetens (Belgien) wurde mit der Vorbereitung der Verhandlungen mit den Unterzeichnerstaaten des General Agreement on Trade and Tariffs (GATT) beauftragt. Der Mi- nisterrat beschloß ferner die Errichtung einer Kommission für Handelsvertragsfragen.

Die Konferenz der Außenminister beschloß, den Mitgliedern der Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, ergänzt durch zugewählte Mitglieder, die Aufgabe zu übertragen, den Entwurf eines Vertrages über die Gründung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft auszuarbeiten. Die Außenminister gingen dabei von einem französisch-englischen Vorschlag aus und berücksichtigten den Art. 38 des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, die Ent- schließung Nr. 14 der Beratenden Versammlung des Europa- rates vom 30. Mai 1952 und die Vorschläge der britischen Re- gierung im Hinblick auf eine enge Verbindung der supranatio- nalen Gemeinschaften mit dem Europarat. Der französische und der deutsche Außenminister berichteten schließlich der Konferenz über den Stand der Gespräche über eine europäische Lösung des Saarproblems. Ministerpräsident de Gasperi unterstrich die Bedeutung der Lösung der Saarfrage für die Organisation fiSL Europas und fand für seine Äußerungen die Zustimmung des -i» Rates. 17. September 1952

SPD bleibt Straßburger Verfassungsarbeiten fern

Das Montan-Parlament nahm am 13. September in Straßburg mit großer Mehrheit den Auftrag des Ministerrates der Montan- union an, unverzüglich an die Vorbereitung zur Bildung einer europäischen politischen Behörde heranzugehen. Gegen diesen Auftrag stimmten nur die vier deutschen Sozialdemokraten. — Der Vorstand der SPD beschloß am 14. September in Bonn, daß sich die Delegierten der Partei an den Beratungen der Ver- fassunggebenden Versammlung für eine spätere Europa-Gemein- schaft nicht beteiligen werden. Der Versuch der Gemeinsamen Versammlung, der Montanunion die Ausarbeitung einer Ver- fassung „im Sinne der Europäischen Verteidigungsgemeinsdiaft"

zu übertragen, birgt nach Ansicht der SPD die Absicht in sich, von den wirtschaftlichen Aufgaben, die sich aus dem Schuman- plan ergeben, auf allgemein politische Fragen „abzulenken".

17. September 1952

A III 3 Internationale Parteiverbindungen Erste Europa-Fraktion

Neunzehn liberale Abgeordnete des Montanparlaments haben sich am 12. September in Straßburg zu einer übernationalen Fraktion zusammengeschlossen. Zum Vorsitzenden wurde der frühere französische Minister Delbos gewählt. Stellvertreter sind der belgische Senator Motz und der italienische Abgeordnete Giovannini. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Di. Preusker wurde zum Parlamentarischen Sekretär bestimmt. Diese liberale Gruppe ist die erste Fraktion, die europäische Abgeordnete gleicher politischer Einstellung ungeachtet ihrer Staatsangehörig- keit zusammenschließt. 17. September 1952

AI a Auswärtige Beziehungen

Wiedergutmachungsvertrag mit Israel

Ein deutsch-israelisches Wiedergutmachungsabkommen ist am 10. September im Luxemburger Stadthaus unterzeichnet wor- den. Für die Bundesrepublik signierte Bundeskanzler Dr. Ade- nauer, für Israel Außenminister Moshe Sharett. In dem Abkom- men verpflichtet sich die Bundesrepublik zu einer Zahlung von drei Milliarden DM an Israel und weiterer 450 Millionen DM zugunsten der jüdischen Weltorganisationen; auch diese Zah- lung ist an Israel zu riditen. Israel verpflichtet sich, gegenüber der Bundesrepublik wegen der durch nationalsozialistische Ver- folgung entstandenen Schäden keine weiteren Forderungen zu erheben. Individuelle Ansprüche israelischer Staatsangehöriger auf Grund der geltenden oder künftigen Wiedergutmachungs- gesetzgebung der Bundesrepublik werden durch das Abkommen jedoch nicht berührt. Die Bundesregierung verpflichtet sich viel- mehr, die Entschädigung und Rückerstattung in der Bundes- republik sobald wie möglich, spätestens in zehn Jahren, durch- zuführen. Umgekehrt verpflichtet sich Israel, die nach dem Kriege in Israel beschlagnahmten deutschen Vermögenswerte zurückzuerstatten. 17. September 1952

SPD stimmt gegen deutschen Kandidaten

Mit einer Überraschung endete am 11. September in Straß- burg die Wahl des Präsidenten für die Gemeinsame Versamm- lung der Montanunion. Entgegen der allgemeinen Erwartung und entgegen dem Vorschlag des Präsidenten der Hohen Be- hörde, Jean Monnet, wurde nicht der deutsche Delegierte Dr. von Brentano gewählt, sondern der Belgier Paul Henry Spaak. Den Ausschlag gegen Brentano gaben die französischen Delegierten und die deutschen Sozialdemokraten, die geschlossen für den Sozialisten Spaak stimmten. Das Stimmenverhältnis war 38:30 für Spaak. Hätten die sieben deutschen Sozialdemokraten dem deutschen Kandidaten ihre Stimme gegeben, so wäre er glatt gewählt worden. Für Spaak stimmten alle französischen, belgischen und luxemburgischen Abgeordneten, zwei italieni- sche Liberale und die deutschen, holländischen und italienischen Sozialisten. Für Brentano stimmten die zwölf Abgeordneten der Bonner Regierungskoalition und der Föderalistischen Union, elf italienische Abgeordnete der Christlich-Demokratischen Partei und sieben holländisdie Abgeordnete. Der CDU-Bundes- tagsabgeordnete Dr. Pünder wurde zum ersten Vizepräsidenten der Gemeinsamen Versammlung gewählt. Pünder' erhielt 61 der 68 Stimmen.

Nach der Wahl Spaaks kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Vertretern der CDU/CSU und der SPD. Der CDU- Generalsekretär Franz Joseph Strauß erklärte, die Sozialdemo- kraten hätten mit ihrer Stimmabgabe den von ihnen theoretisch verfochtenen Grundsatz der deutschen Gleichberechtigung in der Montanunion aufgegeben. „Die SPD soll es nie mehr wagen, sich zum Verfechter der Gleichbereditigung aufzuwerfen, denn sie hat in einer entscheidenden Situation die deutsche Solidarität durchbrochen." 17. September 1952

A V a Bayern

Für ein sozial gerechtes Schulgeld

Die Landtagsfraktion der CSU hat am 12. September im Bayerischen Landtag den auf der Ettaler Tagung angekündigten Gesetzentwurf über die Erhebung eines sozial gestaffelten Schulgeldes an den mittleren und höheren Schulen in Bayern eingebracht. Der Gesetzentwurf, der von der Gesamtfraktion unterzeichnet ist, will den Zustand beseitigen, daß auf Grund der unterschiedslosen Schulgeldfreiheit vom Steuerzahler allein im Rechnungsjahr 1952 ein Schulgeldausfall an den staatlichen Lehranstalten von 12,7 Millionen zu tragen ist. Weiter will er vor allem zur Existenzerhaltung der schwer gefährdeten nicht- staatlidien Anstalten beitragen. Die CSU-Vorlage sieht für ver- mögende Eltern die Wiedereinführung von 200 DM Schulgeld im Jahr vor, wobei den wirtschaftlichen und sozialen Verhält- nissen der Eltern jedoch durch gestaffelte Nachiaßregelung Rechnung getragen wird.

Außerdem hat die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag eine Gesetzesvorlage auf Aufhebung der Lernmittelfreiheit in den bayerischen Schulen eingebracht mit der Maßgabe, daß aus den Büchern, die bisher vom Staat angeschafft worden sind, Lern- mittelbibliotheken geschaffen werden, die Schülern aus sozial schwächeren Kreisen zur Verfügung stehen. In der Begründung wird betont, es habe sich erwiesen, daß gegen die unterschieds- lose Lernmittelfreiheit schwere soziale, pädagogisdie und hygie- nische Bedenken erhoben werden müßten. 17. September 1952

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A III 1 i SRP

SRP löst sich auf

Die Sozialistische Reichspartei, gegen die vor dem Bundes- verfassungsgericht eine Verbotsklage schwebt und der vor einiger Zeit von Bundesverfassungsgericht jede Propaganda untersagt wurde, hat sich mit sofortiger Wirkung aufgelöst..

Dies gab der Hauptgeschäftsführer der Partei, Fritz Heller, am 12. September in Hannover bekannt. Er teilte gleichzeitig mit, daß die Abgeordneten der SRP — ein Bundes tagsmitglied in Bremen — wahrscheinlich als Unabhängige weiter ihr Mandat ausüben würden, und daß „kein Parteivermögen mehr vor- handen" sei. In einer schriftlichen Erklärung des SRP-Vor- standes wurde die Selbstauflösung damit begründet, daß die in Niedersachsen beschlagnahmten Mitgliederlisten der SRP in die Hände des sowjetzonalen Staatssidierheitsdienstes gelangt seien.

Da man befürchten müsse, daß den Parteimitgliedern von sowjetr zonaler Seite besondere Schwierigkeiten gemacht würden, habe man „aus Gründen der Verantwortung gegenüber den Partei- mitgliedern" die Selbstauflösung beschlossen. Die SRP hatte angeblich „30 000 bis 40 000 Mitglieder" gehabt.

AUli SRP

CDU an SRP-Auflösung unbeteiligt

Die von dem SPD^Vorstandsmitglied Fritz Heine gestellte Frage, ob maßgebende CDU-Leute und Beamte in hohen Re- gierungsstellen an der Selbstauflösung der SRP aktiven Anteil haben, wurde von Bonner Parteistellen ausdrücklich zurück- gewiesen. Weder der Bundesvorstand der Christlich-Demo- kratischen Union noch der Landesverband Niedersachsen könnten mit der Auflösung der SRP in irgendeinen Zusammenhang ge-

>u9*t)radit werden. Die ablehnende Haltung der CDU gegenüber

'-'der SRP bleibe nadi wie vor bestehen. Diese Einstellung der Partei erstrecke sich audi auf mögliche Nachfolgeorganisationen.

Frühere SRP-Angehörige versuditen zwar seit längerer Zeit, An- schluß an andere Parteien zu gewinnen. Einige dieser Versuche seien aber bereits zurückgewiesen worden. Die CDU werde in jedem einzelnen Fall prüfen, ob es sidi um Personen handele, die sich von der SRP und ihren Praktiken eindeutig abgewandt hätten und sidi zweifelsfrei zu demokratischen Grundsätzen be- kehren. Nur wenn diese Haltung absolut klar geworden sei, werde die CDU möglidierweise in einen oder anderen Falle positive Entscheidungen über deren Aufnahme treffen. Auch im Bundeskanzleramt wurden alle Erklärungen, die von einer aktiven oder anders gearteten Teilnahme von Beamten der Bun- desregierung bei der Auflösung der SRP wissen wollen, mit großer Entsdiiedenheit zurückgewiesen.

17. September 1952

AIV 6 c Arbeitseinsatz

Gesetz gegen Schwarzarbeit gefordert

Einstimmig nahm der Bundestag am 11. September einen durch den Ausschuß für Arbeit nur geringfügig abgeänderten Antrag der CDU/CSU-Fraktion an, in dem die Bundesregie- rung ersucht wird, ein Gesetz zur Bekämpfung der Schwarz- arbeit vorzulegen. Durch dieses Gesetz sollen auch für Auftrags- Vergebung an Schwarzarbeiter ' Strafmaßnahmen getroffen ' /erden. Der CDU-Abgeordnete Schmücker erklärte, die Be- ämpfung der Schwarzarbeit werde immer dringlicher. Die Schwarzarbeiter würden teilweise kaum noch Zeit zum „Stern-' peln finden". Schwarzarbeit sei Diebstahl an denjenigen, die ihre Pflicht tun. Bundesarbeitsminister Storch versprach, den Entwurf vorzulegen, und drückte die Hoffnung aus, daß dann die „großen Schwindler" gefaßt werden könnten und nicht die

„kleinen Sünder" Strafmandate erhielten. 17. September 1952 C d Ausschüsse

Bundesausschuß „öffentliche Verwaltung" der CDU Der bisherige kleine Bundesaussdiuß „öffentliche Dienste"

wurde durch Beschluß des Bundesvorstandes in einen großen Ausschuß umgewandelt und trägt nunmehr die Bezeichnung

Bundesausschuß „öffentliche Verwaltung" der Christlich-Demokratischen Union Deutschlunds.

17. September 1952 C d Ausschüsse

Exil-CDU und Siegener Kreis tagen

Der Mitte März dieses Jahres in Siegen gegründete Arbeits- kreis evangelischer CDU-Politiker wird nadi Mitteilung seines Vorsitzenden, Bundestagspräsident Dr. Ehlers, nodi im Laufe dieses Monats zusammentreffen. Die vergangenen Monate seien in der Hauptsache zur Erweiterung des Mitarbeiterkreises und zur Vorbereitung auf die künftigen Aufgaben benutzt worden.

— Die Exil-CDU der sowjetisdien Zone wird ihren diesjährigen Parteitag vom 4. bis 6. Oktober in Hamburg abhalten, wie das Ostbüro der Exil-CDU bekanntgab. Unter der Parole „Einheit in Freiheit über alles" wird sich der Parteitag mit der ver- schärften Bolsdiewisierungspolitik in der Sowejtzone ausein- andersetzen. 17. September 1952

A IV 1 e Kirchen

Papst Pius: Sittliche Pflicht zur Verteidigung

Papst Pius XII. hat, wie dpa meldet, bei einer Audienz für Pilger aus Westeuropa die Überzeugung ausgesprodien, daß die Einigung Europas ein Mittel zum Frieden sein könne. Die Schaffung von Institutionen zur Einigung Europas setze einen neuen Weg der Beziehungen zwischen den Völkern voraus.

„Leider ist diese Voraussetzung nodi immer nicht Wirklichkeit geworden. Bis jetzt ist die Atmosphäre nodi nidit vorhanden, ohne welche diese neuen politischen Institutionen nicht von langer Dauer sein können. Im Falle eines Angriffs haben fried- liebende Völker nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich zu verteidigen. Kein Staat und keine Staatengruppe kann politische Knechtsdiaft oder wirtschaftlichen Ruin auf sich nehmen." Beim Widerstand gegen einen solchen Angriff müßten sich aber die dabei getroffenen Maßnahmen dem Friedens- zustand, der im streng juristischen Sinne noch zwischen An- greifer und Angegriffenem herrschte, vollkommen und ehrlidi anpassen. 17. September 1952

A V g Baden-Württemberg

CDU schützt den Religionsunterricht

Die „Schwäbisdie Rundschau", das Blatt der südwestdeut- schen CDU, beschuldigte in ihrer Ausgabe vom 12. September die Kultusverwaltung von Baden-Württemberg einer „syste- matischen Untergrabung der christlichen Grundlagen" der Schulen und einer religionsfeindlichen Beeinflussung der Lehrer- sdiaft. Der Anlaß zu diesen Vorwürfen ist ein von der badisdien Landesbezirksdirektion für Kultus und Unterricht von den Reli- gionslehrern an den Gewerbe- und Handelsschulen angeforder- ter Bericht über die in den Berufs- und Fachschulen bei Reli- gionsunterricht gemachten Erfahrungen. Die Lehrer wurden in einem Rundschreiben aufgefordert, sich zu einem der Unter- riditsverwaltung bereits vorliegenden Bericht zu äußern, wonach die große Mehrheit der Schüler religiösen Fragen teilnahmslos gegenüberstehe und der Religionsunterricht im allgemeinen entweder eine „gedankenlose Gewohnheit" geworden sei oder als „unliebsamer Zwang1' empfunden werde. Die CDU wirft der Kultusverwaltung vor, im Sinne des Entwurfs der Regierungs- parteien zur baden-württembergischen Verfassung (worin der Religionsunterricht nicht mehr als ordentliches Lehrfach bezeich- net wird) mit dieser Umfrage eine suggestive Wirkung auf die Lehrer auszuüben und die Beseitigung des Religionsunterrichts vorzubereiten. Die CDU weist darauf hin, daß die alte würt- tembergisdi-badische Verfassung vorläufig noch gültig und es zudem ungewiß sei, ob die Sdiulartikel der Koalitionsverfassung unverändert in Kraft treten würden. Abschließend forderte die CDU den baden-württembergischen Kultusminister Dr. Gotthilf Schenkel auf, sich zu dem betreffenden Rundsdireiben zu äußern. 17. September 1952

A IV I a Allgemeines

Für innerdeutsche Wiedergutmachung

Mit allen Stimmen bei Enthaltung der Kommunisten billigte der Bundestag am 11. September einen Vorsdilag des Rechts- ausschusses, in dem die Bundesregierung ersucht wird, in Kürze einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus durch ein Bundesergänzungs- und Rahmengesetz regelt. Ferner soll die Regierung einen Ge- setzentwurf über die Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und zur Behebung der durch die Rückerstattungsregelung der Besatzungsmächte eingetretenen Härten vorlegen. Gleichzeitig erörterte das Plenum in erster Lesung einen von der SPD eingebraditen Gesetz- entwurf „zur Anerkennung des deutsdien Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unredits". Der Entwurf wurde dem Reditsaussdiuß zur weiteren Beratung überwiesen, während die Mehrheit des Hauses eine gleichzeitige Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit ablehnte.

17. September 1952

A IV 7 a Allgemeines

30 000 vertriebene Landwirte angesiedelt

Auf Grund des Flüditlingssiedlungsgesetzes vom 10. August 1949 wurden bis zum 30. Juni 1952 rd. 30 000 heimatvertriebene Landwirte auf einer Gesamtfläche von 230 000 ha in die west- deutsche Landwirtschaft eingegliedert.

Von den 30000 Heimatvertriebenen wurden angesiedelt:

auf Neusiedlerstellen rd. 12 000 im Wege der Pachtung bestehender rd. 11000 im Wege des Erwerbs Betriebe rd. 7 000 Hiervon waren:

auslaufende Höfe rd. 7 000 stillgelegte Höfe rd. 2 000 sonstige Grundstücke rd. 21 000 Rund 17 000 Stellen hatten eine Größe bis 5 ha.

Für diese Maßnahmen wurden vom Bund in den Ländern rd. 417 Mill. DM zur Verfügung gestellt, von denen rd. 200 Mill.

DM aus Mitteln des Hauptamtes für Soforthilfe stammen.

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Was ist zu tun gegen „poLütScke <Aböünen<z?

Erst die mittelbare, dann die unmittelbare Wahlvorbereitung

Man hört bisweilen die Äußerung, daß unser Parlament in diesem letzten Jahr seiner Legislaturperiode wenig sachliche Arbeit mehr leisten werde, da doch alles nur unter dem Gesichtspunkt der Wahlpropa- ganda betrachtet werde. An dieser Behaup- tung dürfte etwas Richtiges sein. Die Frak- tionen des Bundestages werden sich mehr als sonst bei Gesetzentwürfen und Anträgen fragen „Was sagt der Wähler dazu?". Es ist in allen Demokratien der Welt so, daß del Wähler für seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten interessiert werden muß, und es ist selbstverständlich, daß man dies psy- chologisch geschickt tun möchte. Darum be- müht sich jede Partei, dem Wähler klarzu- machen, daß gerade sie seine Interessen am besten vertritt.

Bei einer wirklich interessierten und poli- tisch nüchternen Wählerschaft wäre wohl auch kein Grund, hiergegen ernste Beden- ken zu erheben. Leider haben wir in Deutschland eine solche Wählerschaft nicht. Es braucht Her sicher nicht wiederholt zu werden, was '..^fyn allerorten über die mangelnde staats- tfürgerliche Bildung und das mangelnde Interesse eines großen Teiles des deutschen Volkes hören kann. Es braucht nicht zur Entschuldigung wieder angeführt zu wer- den, daß wir eben erst am Anfang stehen, daß wir Geduld haben müssen usw. Es soll vielmehr gefragt werden, was denn gesche- hen ist oder noch geschehen muß, um die Anteilnahme der deutschen Bevölkerung am politischen Geschehen zu vergrößern.

Zuvor aber sei eines festgestellt; auch an- dere Länder wissen, daß die Anteilnahme ihrer Bürgerschaft am öffentlichen Leben nicht so ist, wie man sie einer wirklichen Demokratie (Volksherrschaft) wünschen möchte. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika zum Beispiel wählt bei den Präsidentenwahlen fast ein Drittel der Wahlberechtigten nicht. Dabei gehören die Präsidentenwahlen dort zu den Wahlen mit der größten Wahlbteiligung. So gibt man sich schon seit einiger Zeit, aber ganz be- sonders für die kommenden Präsidenten- wahlen, größte Mühe, die Bürger davon zu überzeugen, daß es ihre Pflicht ist, zur Wahl ML gehen. Ein groß angelegter „Aufklä- Liags- und Propagandafeldzug" ist dafür angelaufen. Aber, wohlgemerkt, nicht vom Staat her, sondern aus privater freier Initia- tive und getragen von privaten Vereinigun- gen. Natürlich sind auch die politischen Par- teien daran interessiert, aber nicht sie machen diese Propaganda, sondern neu- trale, fast möchte man sagen „unpolitische"

Vereinigungen. Die Parole heißt nicht

„Wählt Eisenhower" oder „Wählt Steven- son", sie heißt nur „Beteilige Dich an der Wahl"!

Bei uns in Deutschland hat man gewiß in den letzten Jahren manches getan, um dem Staatsbürger seine Rechte und Pflichten be- wußt zu machen. Es gibt eine Reihe von Schriften mit diesem Gegenstand, es gibt die verschiedensten Vereinigungen mit die- sem Ziel; es gibt Bürgerforen und Aus- sprachekreise, es gibt teilweise auch staats- bürgerlichen Unterricht. Welchen Erfolg alle diese Bemühungen haben, läßt sich schwer sagen. Eine Hebung der Wahlbetei- ligung haben sie bis jetzt nicht gebracht.

Das beweist die Statistik. Auch das Inter- esse für die politischen Parteien ist nicht größer geworden, eher ist das Gegenteil der Fall. Das beweisen die Umfragen der ver-

schiedenen Institute für Meinungsforschung in Deutschland.

Es dürfte bei uns erheblich mehr als ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung sein, das von den politischen Parteien nichts wissen will und nicht oder nur in einzelnen Fällen mit großer Anstrengung an die Wahl- urne gebracht werden kann. In dieser Ab- lehnung des Wählens oder der politischen Parteien kommt bei dem weitaus größten Teil dieser Leute nicht etwa eine neo- faschistische Haltung, eine Hinneigung zur Diktatur oder dergleichen zum Ausdruck sondern die mangelnde Einsicht in das Ge- füge unseres Staatslebens oder die Unzu- friedenheit mit den Parteien, ihrer Erschei- nungsform und ihrer Arbeitsweise.

Das ist eine Tatsache. Sie ist angesichts unserer Geschichte weniger verwunderlich,

als die andere Tatsache — daß nämlich die Parteien, jede für sich, bisher sehr eifrig in der Wahlpropaganda waren, jedoch gemein- sam und zusammen kaum um die Voraus- setzung für eine rechte Wirkung einer sol- chen Propaganda besorgt waren. Das gilt vor allem für nicht-revolutionäre Parteien.

Für die Klassenkampf parole oder andere Umsturzlosungen braucht natürlich bei einem Feind des Volkes nicht erst eine psychologische Voraussetzung geschaffen werden. Aber daß für die Anteilnahme des friedlichen Bürgers an einem nicht-revolu- tionären Staat durch die Vertretungen dieses friedlichen Elements so wenig gesorgt wurde, das nimmt wunder.

Sicherlich hat der Staatssekretär des Bun- deskanzlersamtes, Dr. Otto Lenz, recht, wenn er sagt, daß die mittelbare Wahlvor- bereitung mindestens ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger ist als die unmittelbare.

Diese mittelbare Wahlvorbereitung ist eine gemeinsame Aufgabe aller Parteien, die

Kein Streit um des Kaisers Bart!

Von Dr. Rudolf Vogel, MdB.

Was soll der Bundeskanzler Dr Adenauer nun eigentlich tun? Der SPD-Vorstand ver- langt von ihm, „er soll im Sinne der Bundes- tagsbeschlüsse wirksam werden". Gleich- zeitig beschließt die SPD, die Volkskammer- abordnung, die uns Pieck und Grotewohl auf den Hals schicken wollen, nicht zu empfangen. Dr. Pfleiderer von der FDP ver- langt in einer neuen Denkschrift, ganz Europa solle sich neutralisieren, um den Russen entgegenzukommen und sie zu einem Rückzug aus der Sowjetzone zu bewegen.

Was soll nun eigentlich geschehen? Der Bundeskanzler selbst erklärt, die Tür zu Verhandlungen mit den Sowjets solle nicht zugeschlagen werden.

Wir sind sehr gespannt, wie man das in der Praxis machen will. Beispiele, wie so etwas in den letzten fünf Jahren aussah, haben wir in der Fülle. Wir wollen hier von den Koreawaffenstillstandsverhandlun- gen und ihrem einjährigen Jubiläum schwei- gen, Aber inzwischen vollzog sich in dem Streit über den österreichischen Friedens- vertrag etwas für uns höchst Beachtens- wertes.

Nach 259 Konferenzen war man glücklich mit einem Vertragsentwurf fertig geworden.

Da die Russen sich seit nunmehr beinahe zwei Jahren weigerten, zu unterschreiben, ergriffen die Westalliierten von sich aus die Initiative. Sie boten dem Russen einen

„Kurzfriedensvertrag" an, das heißt, sie ließen die noch strittigen Punkte heraus und boten den Russen an, einen Sofort-Frieden zu unterzeichnen. Die Russen lehnten den Kurzfriedensvertrag wiederum ab.

Jetzt wird man vermutlich, um die Russen beim Wort zu nehmen, ihnen die noch strittigen finanziellen Forderungen bewilli- gen. Das ist eine bittere Pille für Österreich.

Vielleicht ist aber den Amerikanern ein Friedensvertrag ein paar Hundert Millionen Schilling wert.

Hier ist nun in der Tat jenes äußerste Maß an Verhandlungsbereitschaft gezeigt worden, das von der SPD und von anderen Kritikern der Politik der Westmächte gefor- dert wurde. Welchen Erfolg hatte diese Verhandlungsbereitschaft und Geduld? Kei- nen!

Das traurigste Kapitel ist die erbarmungs- würdige Rolle der österreichischen Regie- rung selbst! Sie genießt ja nun seit Jahren die sogenannten „Vorteile" eines einheit- lichen Bundesgebietes. Ihr Bundeskanzler

und ihr Außenminister reisen von Pontius zu Pilatus. Einen Mangel an Initiative kann man ihnen wirklich nicht vorwerfen. Was haben sie bis jetzt erreicht mit allem ihrem Ideenreichtum, ihrer Energie und ihrer Ausdauer? Nichts!

Aber dieses Beispiel schreckt keineswegs alle diejenigen Illusionisten bei uns in der Bundesrepublik. Ihre Taktik wird von Tag zu Tag merkwürdiger. Sie handeln nach dem Grundsatz: Wenn ich vor der entschei- denden Konferenz den eigenen Bundes- genossen in den Rücken falle und ihnen sage, daß sie zu viel fordern, dann mache ich ein gutes Geschäft. Täglich lesen wir in unseren Zeitungen, was man alles den Russen nicht zumuten dürfe. Jeden Tag zer- bricht man sich den Kopf der Russen. Jeder Kaufmann und Industrielle müßte mit sol- chen Geschäfts- und Wirtschaft sgrundsätzen im normalen Leben zugrunde gehen. Im politischen Leben unserer Tage windet man um solche Torheiten noch einen Glorien- schein.

Kann keine Erfahrung uns klüger machen?

Welche Trümpfe haben wir denn in unserer Hand? Zunächst doch überhaupt keine! So- lange wir nicht den Deutschlandvertrag und den EVG-Vertrag unterzeichnet haben, wären die Russen Narren, wenn sie uns ein wirkliches Anerbieten machen wollten.

Außerdem: Die Bundesregierung nimmt doch an den bisherigen Verhandlungen nur auf Grund eines politischen Vorschusses teil, den ihr die Westmächte a conto der kom- menden Vertragsunterzeichnungen im vor- aus eingeräumt haben. Sie sind keinesfalls verpflichtet, Deutschland überhaupt zu dem Notenwechsel mit der Sowjetunion hinzuzu- ziehen. Diese a-conto-Zahlung erreichte der Bundeskanzler durch seine beharrliche Poli- tik in Paris im November 1951.

Wenn die SPD heute dem Bundeskanzler Vorhaltungen machen will, dann ist das geradezu komisch. Sie verweigert die Zu- stimmung zu den Verträgen, auf Grund derer der Bundeskanzler überhaupt verhand- lungsfähig wird und wirft ihm im gleichen Atemzug vor, er tue nicht genug.

Sorgen wir doch zunächst einmal dafür, der Bundesrepublik eine wirkliche Verhand- lungsbasis zu geben. Unterzeichnen wir zu- erst die Verträge, die das gewährleisten.

Dann wollen wir weiter sehen. Alles andere ist Streiterei um des Kaisers Bart.

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ohne Umsturz eine echte Demokratie auf- bauen wollen. Nicht nur die Parteiorgani- sation oder der kleine Parteifunktionär hat diese Aufgabe, auch, ja ganz besonders den Parteien in den Parlamenten fällt sie zu.

Doch scheint gerade hier bisher noch viel zu wenig geschehen zu sein. Wohl hat Bun- destagspräsident Dr. Ehlers wiederholt auf diesen Punkt hingewiesen und eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die glücklich waren. Aber das Präsidium eines Parlaments kann nur verhältnismäßig wenig tun.

In erster Linie ist es Sache der Fraktionen, die rechten Maßnahmen zu ergreifen. Was sie aus den Parlamentssitzungen machen, das ist entscheidend. Freilich hat das Parla- ment von heute nicht mehr die Publizität wie ehedem. Das vergißt ein Teil der Ab- geordneten. Er tut darum manches, was völlig überflüssig ist und wirkungslos ver- pufft. Immerhin aber wird das vielleicht recht wenig Negative, das in den Parla- mentssitzungen geschieht, vom Volk wahr- genommen und als das Typische eines Par- laments betrachtet. Danach werden dann die Parteien beurteilt und verurteilt. „Viel Gerede, viel Streiterei, kaum etwas Posi- tives" heißt es vielfadi überspitzt. Das Volk hat nur allgemein das Bild der Zwietracht, des Haders, des Überflüssigen. Dieses Bild durch entgegenstehende positive Tatsachen korrigieren, das Volk von der Notwendig- keit und Fruchtbarkeit der parlamentari- schen Arbeit zu überzeugen, das Gemein- same der Parteien bekunden und so die Not- wendigkeit der politischen Parteien in der Demokratie aufzuweisen, das wäre der

erste Schritt einer günstigen Wahlvorberei- tung. Darin bestünde die mittelbare Vor- bereitung für eine edite Wahl, also auf eine Entscheidung zwisdien verschiedenen Par- teien oder Kandidaten.

Diese Aufgabe wäre aber auch wirklidi wert, von einem interfraktionellen Ausschuß des Parlaments behandelt zu werden. Ein

„Ehrenkodex", auf den sidi alle Fraktionen, jeder einzelne Abgeordnete verpflichtet fühlt, den die Presseberiditerstatter respek- tieren, nur eine Legislaturperiode hindurch strikte eingehalten, würde wahrscheinlich mehr erreichen, als so manche Wahlpropa- ganda. Mehr Versuche zu einer echten Dis- kussion anstelle von Fensterreden, straffere und knappere Erledigung von Punkten, die allgemein gebilligt werden oder keiner größeren Erklärung bedürfen, gemeinsame Stellungnahmen der verschiedenen Parteien, Deutlidimadiung erzielter Erfolge (gün- stige Auswirkungen erlassener Gesetze, Maßnahmen des Eingabenausschusses — um zwei Beispiele zu nennen) sind Punkte, mit denen sidi ein soldier Arbeitskreis beschäf- tigen könnte. Freilich muß dann die fleißige Arbeit kenntnisreicher und einwandfreier Abgeordneter dazukommen.

Noch ist es rechte Zeit, für die kommen- den Wahlen einiges zu tun. Ginge von der CDU eine Initiative in dem angedeuteten Sinne aus, so würde das sidier unser An- sehen im Volke heben, einen günstigen Wahlerfolg vorbereiten und einen editen Beitrag zur staatsbürgerlichen Bildung des deutschen Volkes liefern. Dr. Bruno Six

Geringer Anlaß und große Problematik

Innenminister Dr. Zimmer: Gewaltenteilung reformbedürftig

In Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes ist die gesamte Staatsgewalt in die drei Teile der Gesetzgebung, der vollziehenden Ge- walt und der Rechtsprechung gesdiieden.

Diese strenge Gewaltenteilung ist ein fun- damentales Merkmal der Demokratie, durch das sie sich vor allem von der autori- tären Staatsform mit ihrer Omnipotenz der Exekutive unterscheidet. An diesem Funda- ment kann und soll selbstverständlidi nidit gerüttelt werden. Eine andere Frage aber ist es — eine Frage, die sich aus der Praxis des staatlichen Lebens in der Bundesrepu- blik ergeben hat — ob die Sdiöpfer des Grundgesetzes bei der Zumessung des Ge- waltenanteils an die drei Säulen des Staates in allen Punkten zweckmäßig, d. h. in diesem Falle wirklich im Sinne der Stabilisierung einer starken Demokratie, verfahren sind oder ob sie (in begreiflicher Fraktion auf den unmittelbar vorher erfolgten Zusam- menbruch des totalitären Staates) nidit vor- ausschauend und genau genug abgewogen haben, was dem einen und dem anderen der drei tragenden Faktoren unseres Staats- wesens zugemessen werden durfte.

Die Rede, die der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Dr. Zimmer (CDU), ver- gangene Wodie im Landtag in Mainz ge- halten hat, beleuchtete die tiefe Problematik dieser Frage so hell, daß nidit nur der Prä- sident des Hauses im Namen der ganzen Versammlung, sondern auch der Fraktions- führer der oppositionellen SPD ausdrücklich erklärten, wie nachdenklich sie durch diese Rede gestimmt und wie stark sie davon beeindruckt worden waren. Den Anlaß zu dieser grundsätzlichen Stellungnahme des Ministers hatte ein Entschließungsantrag aller drei Parteien des Hauses gegeben, der sidi gegen die Madiensdiaften der Gegner des demokratischen Systems richtet, nachdem einige Vorgänge im Lande gezeigt haben,

daß sich wieder Tendenzen bemerkbar machen, die eine öffentliche Ablehnung der demokratischen Idee bekunden.

Selbstverständlidi tut die Regierung alles, um im Sinne dieser vom gesamten Landtag einstimmig angenommenen Resolution der- artige Madicnsdiaften tatkräftig zu be- kämpfen, aber Dr. Zimmer hielt es doch mit vollem Recht für seine Pflidit, dem Parla- ment klar zu machen, wie eng die verfas- sungsmäßigen Grenzen sind, innerhalb deren eine deutsche Regierung diesen Willen praktisch betätigen kann. Der an sich gering- fügige und keineswegs alarmierende Vor- gang, der den Ausgangspunkt der ganzen Diskussion gebildet hatte, war der Wunsch einer Kriegervereinigung von früheren An- gehörigen der Marine gewesen, die bei ihren Zusammenkünften gern die alte Skagerrak-Flagge entrollen wollten. Aus dieser Angelegenheit, die von der SPD zum Gegenstand einer Anfrage gemacht worden , war, soll sich nun (auch nach dem Willen der Fragesteller) keineswegs etwa ein neuer

„Flaggenkrieg" entwickeln, wie er seiner- zeit der Weimarer Republik so sehr zum Schaden gereichte, aber die Landesregie- rung war doch genötigt, den Fragestellern zu erklären, daß sie überhaupt keine Mög- lichkeit besitzt, in einem solchen oder einem ähnlichen Falle einzugreifen, denn sie muß riskieren, daß die Vereinigung, um deren Wunsdi es sidi vielleicht gerade handelt, beim nädisten Amtsgericht klagt und gegen die Regierung redit bekommt. „Man kann uns nicht zumuten", so betonte Dr. Zimmer sehr ernst und nadidrücklich, „daß wir Ver- fügungen erlassen, die der nädiste Amts- richter wieder aufhebt."

Ergibt sich daraus nidit ganz zwangs- läufig die Frage, ob die Legislative und die Exekutive in unserem Staatswesen über- haupt nodi den nötigen Aktionsradius

haben, den sie brauchen, um den Staat wirksam zu schützen, Hat man — so fragte Dr. Zimmer weiter — der dritten Gewalt, der Geriditsbarkeit, nicht zu viel zugemutet und ihr Aufgaben zugewiesen, die ihr im Grunde wesensfremd sind, womit zugleich die Funktionen der ersten und der zweiten Staatsgewalt, der Legislative und der Exe- kutive, zu sehr eingeengt worden sind? An einigen Beispielen aus England und der Schweiz, also aus Ländern, die niemand totalitärer Neigungen bezichtigen wird, wies der Minister nadi, daß die Gerichte dort nidit in der Lage sind, politische Ent- sdieidungen umzustoßen, während bei uns jeder Amtsgerichtsrat die Anwendung einer Regierungsverordnung, die zum Schütze des Staates erlassen wird, für nidit anwendbar erklären kann. Was soll man dazu sagen, wenn ein deutsches Amtsgericht (wie es tatsädilidi Vorgekommen ist) die Entschei- dung trifft, die katholisdie Kirche habe keinerlei Sdiadensersatzansprüche, denn es sei nidit nachgewiesen, daß sie vom nazisti- schen Regime geschädigt worden sei!

Der Innenminister von Rheinland-Pfalz hat ein Problem aufgegriffen, das zweifellos weit über die Grenzen des Landes hinaus auch in anderen Ländern der Bundesrepu- blik die politisch verantwortlichen Kreiso, mehr oder weniger lebhaft bewegen dürf;

Die Regierungen und die Parlamente det Länder sind jedodi angesidits der Bestim- mungen des Grundgesetzes nicht in der Lage, den bestehenden Zustand, so sehr sie ihn im Interesse des wirksamen Schutzes der Demokratie bedauern mögen, von sich aus abzuändern. Es ist daher verständlich, wenn Dr. Zimmer dem Wunsche Ausdruck gab, daß die zuständigen Instanzen der Bundesrepublik die gesetzlichen Grundlagen dafür sdiaffen mögen, daß durch eine sinn- vollere Teilung der Gewalten die Stärkung und die Verteidigung unserer demokrati- schen Staatsordnung erleiditert wird.

Briefe von „Drüben"

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich mödite Ihnen im Namen der meisten Meck- lenburger danken, daß Sie bei Ihrer Arbeit um das Wohl unseres Vaterlandes uns Ost- ler nidit vergessen. Es tut so gut, wenn wir am Radio darüber hören. Allen, die gegen Sie arbeiten, möchten wir nur das Leben vier Wochen in der Ostzone wünschen, da riR bekämen Sie, Herr Bunde., kanzle r, es leichter. (Unterschrift)

„Hochverehrter Herr Bundeskanzler!

Es ist unser heißer Wunsch, daß ein güti- ges Schicksal Sie, Herr Bundeskanzler, in Gesundheit noch lange Jahre an der Spitze der Regierung stehen läßt, daß Sie bald, recht bald auch unser Bundeskanzler sein möchten! Haben Sie Dank für alle Arbeit, alle Sorgen, die Sie für Deutschland tragen!

Meinen Namen kann ich Ihnen nicht sa- gen. Sie werden es verstehen. Ich spreche mit vielen Menschen unserer großen Stadt- randgemeinde — habe noch nicht einen ge- hört, der anders dächte als ich. Deshalb mache ich midi zum Sprecher.

Wir verstehen hier die Hakung der SPD nicht. Für uns gibt es nur eins, den Deutsch- landvertrag so schnell wie möglidi ratifi- zieren und weiter auf diesem Weg! Nur dies ist unsere Rettung, nur dies ist uns Trost! Im Namen vieler Ostzonenbewohner

eine deutsche Frau.

Herausgeber: Bundesgeschäftsstelle der CDU Deutschlands, Bonn, Nassestr. 2. • Redaktion:

Bonn, Pressehaus IV am Bundeshaus, Schließfach 102 Druck: Buch- u. VerlagsdruckereiL.Leopold, Bonn.

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