Psychotherapie
Folteropfer
Alfred Drees: Folter: Op- fer, Täter, Therapeuten.Neue Konzepte der psychothera- peutischen Behandlung von Gewaltopfern, Psychosozial- Verlag, Dr. Hans-Jürgen Wirth, Gießen, 1996, 271 Sei- ten, kartoniert, 38 DM
Gewaltopfer haben das Urvertrauen in die Mit- menschlichkeit verloren, er- starren förmlich in Emotions- und Kommunikationsblocka- den. Da Therapeuten regel- haft mit Einfühlungsversu- chen in das durchgemachte Leiden dieser Patienten über- fordert erscheinen, hat der Autor eine Arbeitsmethode entwickelt, die sich deutlich von klassischen Übertra- gungsvorstellungen abgrenzt:
die prismatische prozeßorien- tierte traum- und subjekt- defokussierende Psychothera- pie mit Stimmungsübertra- gungen und freien Phantasien ohne Deutungsversuche. Auf diese Weise können Zugänge
zu prätraumatischen emotio- nalen Befindlichkeiten und zum sozio-kulturellen Weltbe- zug wiedergewonnen werden.
Nach einem Überblick über die gegenwärtigen Fol- terpraktiken werden in einem theoretischen Exkurs die Grundelemente der prismati- schen Defokussierungsstrate- gien vorgestellt, wobei die bildsprachlich-metaphorische Kommunikation eine zentrale Rolle spielt. Sodann werden ausführliche Beispiele freier Phantasien mit gewalttrauma- tisierten Patienten sowie Gruppenverläufe prismati- scher Balintgruppen geschil- dert. Dabei geht es nicht nur um Folteropfer, sondern un- ter anderem auch um sexuel- len Mißbrauch und Vergewal- tigung, um Trennungs- und Verfolgungsängste.
Abschließend werden noch verschiedene positive Wirkungen dieser spezifi- schen psychotherapeutischen Methode im institutionellen Rahmen einer psychiatri- schen Klinik aufgewiesen.
Wolfgang Schweizer, Neuenmarkt
A-3232 (16) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 49, 6. Dezember 1996
S P E K T R U M BÜCHER
Von Konstanz aus fuhr das Schiff „Graf Zeppelin“ nach Meersburg und Romanshorn, dann über den Bodensee. An Bord waren auch mehrere Autoren: Monika Maron aus Deutschland, E. Y. Meyer aus der Schweiz, Wolfgang Her- mann aus Österreich und Le- on de Winter aus den Nieder- landen. Bei dieser vom In- ternationalen Bodensee-Club veranstalteten 9. Litera-Tour handelt es sich um einen kul- turellen literarischen Lecker- bissen. Leon de Winter las aus einem jüngsten Roman „Se- renade“. Eindrucksvoll und liebevoll war die Beziehung zu seiner Mutter beschrieben.
Monika Maron las aus „Ani- mal triste“. In diesem Roman berichtet sie mit großem er- zählerischen Talent über eine Liebe zwischen einer Paläon-
tologin aus Ost-Berlin und ei- nem Hautflügelforscher aus Ulm. Erzählt wird aus der Re- trospektive, viele Jahre später nach dem Fall der Mauer.
E. Y. Meyer las aus dem 1994 erschienenen Roman „Das System des Doktor Maillard oder die Welt der Maschinen“.
Aus einer Privatklinik für Gei- steskranke wird berichtet un- ter anderem über ärztliche Autorität und Ärztewahnsinn.
Dabei verwischen sich die Un- terschiede zwischen Norma- lität und Krankheit. Wolfgang Hermann stellt Ausschnitte aus noch nicht erschienenen Werken vor. Man darf ge- spannt sein auf die 10. Litera- Tour und sollte sich den Ter- min 13. September 1997 vor- merken.
K.-H. Junghanns, Titisee-Neustadt