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12. Hauptgutachten der Monopolkommission 1996/1997

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Stellungnahme des

Deutschen Gewerkschaftsbundes Bundesvorstand

Anhörung des Bundesministeriums für Wirtschaft zum

12. Hauptgutachten der Monopolkommission 1996/1997

am 18. November 1998 in Bonn

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Stellungnahme

des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum 12. Hauptgutachten der Monopolkommission

Im folgenden konzentriert sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seiner Stellungnahme auf

Abschnitt 5. „Zur Deregulierung des Handwerks“ des Kapitels „Aktuelle Probleme der Wettbewerbspolitik“

Aktuelle Probleme der Wettbewerbs- politik

5. Zur Deregulierung des Handwerks

Deregulierung ist nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes kein Wert an sich, sondern unterliegt einer bestimmten Zwecksetzung, die zu prüfen ist. Im hier von der Monopolkommission reklamierten Zusam- menhang der „Beseitigung der hohen Arbeitslosigkeit" durch Schaffung neuer, modisch formuliert innovativer Arbeitsplätze, ein sicherlich legitimes Vorgehen. Trotzdem überrascht erst einmal angesichts der gesetzlichen Aufgabenzuweisung in § 24b GWB die Befassung der Monopolkommis- sion mit Handwerk.

Neue oder zusätzliche Arbeitsplätze entstehen im Verständnis der Mitglie- der der Monopolkommission durch (Neu-)Gründer insbesondere im Bereich kleiner und mittlerer Dienstleistungsunternehmen. Da sie ein besonderes, bisher nicht ausgeschöpftes Beschäftigungspotential im klein- und mittel- betrieblich strukturierten Handwerk sieht, konzentriert sie sich u. a. auf die Untersuchung der ordnungspolitischen Vorgaben im (Voll-)Handwerk mit dem Schwerpunkt Großer Befähigungsnachweis.

Für die 94 in der Anlage A der Handwerksordnung (HwO) aufgeführten Gewerbe („Vollhandwerke") gilt grundsätzlich, dass deren selbständige Ausübung die Eintragung in die Handwerksrolle voraussetzt [§1 (1), Satz 1 HwO]. Eingetragen in die Handwerksrolle wird nur, wer die Meisterprüfung bestanden hat (§7 (1), Satz 1 HwO). Im hier gemachten Zusammenhang ist

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Mit der Meisterprüfung ist ein Handwerker nicht nur zum selbstständigen Betrieb seines Handwerks, sondern auch zur Lehrlingsausbildung berech- tigt. Anders formuliert: Die Meisterprüfung als Großer Befähigungsnachweis verbindet zwingend das Recht (und die Fähigkeit) zur Gewerbeausübung mit dem Recht (und der Fähigkeit) zur Lehrlingsausbildung.

Der Gewerbeausübungsvorbehalt „Großer Befähigungsnachweis" zur selbstständigen Ausübung eines Vollhandwerks begründet sich nicht wie im Mittelalter „betriebswirtschaftlich" mit Sicherstellung eines „auskömmlichen Broterwerbs" oder einem „standesgemäßen Einkommen" der Betriebsinha- ber, sondern über volkswirtschaftliche Interessen und Verbraucherinteres- sen:

¨ Der Fähigkeit zur selbstständigen Führung eines Gewerbes durch nachgewiesene betriebswirtschaftliche und kaufmännische Qualifizie- rung (Minimierung des Konkursrisikos bei neuem Markteintritt oder bei Übernahme eines Gewerbes) als Voraussetzung des Rechts zur Gewerbeausübung.

¨ Vorkehrungen für die volkwirtschaftlich notwendige, erwünschte und den Wettbewerb voraussetzende qualifizierte duale Berufsausbildung zu treffen (Potentialbildung durch verpflichtenden Erwerb der „Ausbil- dereignungsprüfung").

¨ „Zertifizierung" eines verbindlichen, vergleichbaren fachlichen Qua- litätsstandards der Produkte und Dienstleistungen der Vollhandwerke.

„Der große Befähigungsnachweis schafft eine wirksame Orientie- rungshilfe für die Nachfrage nach nichtstandardisierten Produkten und Dienstleistungen" (RWI, Essen, 1996).

¨ Mittelstands- und Gewerbeförderung durch Selbstregulierung:

Wirtschaftlich stabile kleine und mittlere Betriebe nicht als volkswirt- schaftlicher Nachteil, sondern politikgewollt.

Die Monopolkommission hätte untersuchen müssen, ob es sich bei den genannten Punkten um volkswirtschaftlich gewünschte Ziele handelt und ob ihr Abbau wirklich zu qualitativ mehr Beschäftigung und innovativer(!) Existenzneugründung führt.

Wirtschaftstheoretische Überlegungen können akademisch reizvoll sein, für konkrete Politikberatung taugen sie im Zweifelsfall wenig. Zu befragen ist die Monopolkommission, ob es nicht wirklich relevante Wettbewerbsfra- gen in der Volkswirtschaft gibt, die zwischen Handwerk, Industrie und Handel bestehen?

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Einige Anmerkungen:

Eine Erkenntnis der Existenzgründungsprogramme in Ostdeutschland ist, dass es nicht reicht, „eine Idee" zu haben, sondern, dass zusätzlich zu der fachlich-(technischen) Seite die notwendige betriebswirtschaftliche Qualifi- kation treten muss. Untersuchungen belegen, dass die Insolvenzquote (Gesamtvollstreckung) bei Vollhandwerken deutlich geringer ist als in ande- ren Gewerben: „Auf 10 000 Unternehmen kamen 1992 48 Insolvenzen. ...

Im Handwerk schneidet man am besten ab; hier beträgt die Insolvenzquote 20 Betriebe pro 10 000. Diese 'Sterblichkeitsrate' ist in den letzten Jahren etwa gleich geblieben" (Verband der Vereine Creditreform, 1993). Eine ge- samtheitliche Verbindung von fachlicher und betriebswirtschaftlicher Quali- fikation senkt die volkswirtschaftlichen Kosten einer Insolvenz bzw. Gsamt- vollstreckung. Dass, wer unter Kosten kalkuliert und sich mit solchen Ange- boten am Markt letztendlich selbst liquidiert, spricht nicht dagegen, „richtig Kalkulieren gelernt zu haben" - dies ist ein unübersehbares Problem bei dauerhafter Nachfrageverknappung; z.B. im Baugewerbe in Ostdeutsch- land.

Ist es volkswirtschaftlich wünschenswert und verantwortbar, auf das Ausbil- dungspotential Handwerk zu verzichten und würde dies deutlich mehr sta- bile Existenzgründungen bringen? Ein Deregulierungsvorschlag schränkt ein und besagt, dass es zukünftig zur Existenzgründung im Handwerk aus- reiche, dass die Gründerin, der Gründer zur Eintragung in die Handwerks- rolle „nur" fachliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse nachzuweisen habe („Kleiner Befähigungsnachweis“) und die „Ausbildereignungsprüfung"

zu einem späteren Zeitpunkt „nachzuweisen" habe - wann, und was pas- siert wenn nicht?

Im Zusammenhang mit der Zielsetzung, neue zusätzliche Existenzgründun- gen im Handwerk zu initiieren, wäre wohl richtiger, die Frage zu untersu- chen: Woran liegt es, dass es eine so große „Meisterreserve" im Handwerk gibt? „Meisterreserve" meint nichtselbstständig beschäftigte Meister; nur ein Drittel der erfolgreichen Meisterprüfungsabsolventen macht sich auf längere Sicht tatsächlich selbstständig (Handwerkskammer Düsseldorf, 1991).

„Kumuliert man .. die Zahl der nichtselbständigen Meister über einen Zeit- raum von 20 Jahren, so ergibt sich bundesweit eine 'Meisterreserve' von etwa 435 000 unselbständigen Handwerksmeistern, die theoretisch und ...

auch praktisch in den Markt einsteigen könnten." (RWI, Essen 1996). Wa- rum mit dem sogenannten „Kleinen Befähigungsnachweis" eine wahre Gründungswelle im Handwerk induziert werden könnte, bleibt somit ein Ge- heimnis der Monopolkommission. Unabhängig davon bleibt die qualitative Befragung der Politikentscheidung „volkswirtschaftlich wünschenswerten Gut Ausbildungspotential" unberücksichtigt. Statt das Handwerk aus seiner Verpflichtung zur verbindlichen Ausbildungsfähigkeit zu entlassen, hätte sich die Monopolkommission darüber Gedanken machen sollen, ob das

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Einerseits ist darauf hinzuweisen, dass im Verhältnis zu anderen europäi- schen Ländern die niedrigere Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland sicher- lich dem „Ausbildungspotential Handwerk" zuzurechnen ist. Andererseits ist auch die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland noch zu groß, worauf die Politik der neuen Regierungskoalition bekanntlich mit einem Sofortpro- gramm reagieren wird.

Nur am Rande soll die Unseriösität des von der Monopolkommission vor- gestellten internationalen Vergleichs bei der Selbstständigenquote ange- deutet werden. (Mit diesem Vergleich will die Monopolkommission die Ver- mutung belegen, dass „die Gründungsdynamik in Deutschland wesentlich geringer ausgeprägt ist als im europäischen Durchschnitt".) Alle „reifen Volkswirtschaften“ befinden sich nicht zufällig im Bereich der oberen Hälfte der angeführten Tabelle des Anteils der Selbstständigen an den Erwerbs- personen in der EU 1994. Ist wirklich Griechenland mit seiner Selbstständi- genquote von 34,4 % mit der Selbstständigenquote von 9,3 % der Bundes- republik Deutschland vergleichbar? Hier wird Selbstständigkeit als quantita- tiver Wert an sich ohne qualitative Betrachtung gesetzt. Polemisch gefragt, empfiehlt die Monopolkommission ernsthaft, die Wirtschaftsstruktur Grie- chenlands aus beschäftigungspolitischen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland zu übertragen?

Damit soll nicht gesagt sein, dass die Förderung zu mehr Selbstständigkeit zukünftig größere Bedeutung haben sollte. Allerdings ist im Hinblick auf das Handwerk darauf hinzuweisen, dass gerade die Vorbereitung auf den Gro- ßen Befähigungsnachweis in ganz entscheidendem Maße auf Selbststän- digkeit orientiert. Dies hätte eine vorurteilsfreie Untersuchung der Meister- prüfungsvorbereitung belegt.

Die Frage nach der Innovationsfähigkeit des Handwerks, ob eine einmal abgelegte Prüfung lebenslange Markt- und Innovationsfähigkeit einschließt, stellt sich nicht allein für das Handwerk, sondern für alle Berufe mit Ab- schlussprüfung, insbesondere auch für Hochschulabschlüsse. Fordert die Monopolkommission hier eine Regulierung zugunsten lebenslanger Weiter- bildung? Auch das Handwerk muss sich am Markt bewähren und eine Un- tersuchung der Entwicklung der Vollhandwerke in den letzten 20 bis 30 Jah- ren belegt, dass bestimmte Handwerke stark ab- und andere zunahmen.

Die Flexibilität liegt in der Anpassung der Ausbildungs- und Meisterprü- fungsordnungen an neue Erfordernisse und in den nicht nur von der Selbst- verwaltung des Handwerks angebotenen existentiell wichtigen Weiterbil- dungsmaßnahmen. Unbeschadet dessen sind Überlegungen zur Verbesse- rung der Innovations-Förderung auch im Handwerk geboten. Eine wichtige Rolle kommt aus der Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes hier den Gewerbe-Förderungsaktivitäten der Selbstverwaltung des Handwerks zu. In diesem Zusammenhang ist das überbetriebliche Kooperationsmodell

Handwerk mit seiner Arbeitnehmerbeteiligung ein wichtiger gesamtwirt- schaftlicher Produktivitätsfaktor als „Soziale Kompetenz“ im Handwerk.

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Auch das Problem, dass der deutsche selbstständige Handwerker durch den Großen Befähigungsnachweis gegenüber der Mehrzahl der selbststän- digen „Handwerker“ aus EU-Ländern benachteiligt sei („Inländerdiskriminie- rung“), wird so vom Deutschen Gewerkschaftsbund nicht geteilt. 1. leistet Handwerk überwiegend nichtstandardisierte Produktion und/oder Dienst- leistung für einen lokalen Markt; 2. ist es laut EuGH unbenommen, dass Mitgliedsländer der EU für ihre Bürger höhere Standards erlassen als ande- re EU-Länder und 3. gilt auch für das deutsche Handwerk im Rahmen der EU das Subsidiaritätsprinzip.

Zusammenfassende Bewertung:

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht keine Notwendigkeit der Aufhe- bung des Großen Befähigungsnachweises. Er hält ihn als Zugangsvoraus- setzung zur selbstständigen Ausübung eines Vollhandwerks im Interesse der verbindlichen Vorhaltung eines Ausbildungspotentials für wünschens- wert und volkswirtschaftlich gerechtfertigt. Die von der Monopolkommission vorgelegten Argumente sind für ihn nicht überzeugend und sind überwie- gend theorie- und nicht praxisgeleitet.

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