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Archiv "Die endoluminale Therapie der Karotisstenose: Mehr Fragen als Antworten" (04.02.2000)

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Herr Kollege Mathias hat seine Erfahrungen bei der Dilatation von Karotisstenosen (633 Patienten, 799 Stenosen) dargestellt, die auf eine nicht randomisierte, retrospektive Erhebung von mehr als zehn Jahren zurückgeht.

Er hat auf diesem Gebiet mit die größ- te Erfahrung und kann auf sehr gute Ergebnisse zurückblicken (5). Den- noch sind die Ergebnisse schlechter als bei operativer Karotis-Thrombendar- teriektomie. In einer Literaturzusam- menstellung von insgesamt 684 Inter- ventionen an der Karotis zeigte sich bei einer Erfolgsrate von durchschnittlich 94 Prozent und einer Letalität von 0,1 Prozent, dass die Morbiditätsrate unter Berücksichtigung sämtlicher Kompli- kationen eine Frequenz zwischen 4,6 und 44 Prozent erreichte (3). Die Ge- samtkomplikationsrate lag bei 12 Pro- zent und die Rezidivstenoserate bei 10,5 Prozent. Demgegenüber konnte bei Berücksichtigung der Behand- lungsergebnisse nach Operation von Karotisstenosen bei insgesamt 8 890 operativen Eingriffen eine Letalitätsra- te von 0,8 Prozent und eine Morbidi- tät von 2,1 Prozent festgestellt werden.

Die Gesamtkomplikationsrate lag bei 2,9 Prozent. Die Rezidivstenoserate betrug lediglich 2,9 Prozent (3). Die Rezidivstenoserate bei Dilatation und Stentimplantation von kleinkalibrigen Arterien wird mit einer Frequenz bis zu 30 Prozent nach Ablauf von zwei Jah- ren angegeben (82). Außerdem musste eine randomisierte Studie, bei der es um den Vergleich „Karotisangioplastie und Stenting versus Karotisendarteri- ektomie“ ging, aus ethischen Gründen wegen der schlechteren Ergebnisse ab- gebrochen werden (6). Auch ein ande- rer Autor stellte fest, dass bei 107 Pati- enten mit 126 behandelten Karotiden und 189 Stentimplantationen eine Ge- samtkomplikationsrate von 9,3 Prozent vorlag (8). Eine endovaskulär routi- nierte Arbeitsgruppe kam bei 109 be- handelten Patienten mit 116 Arterien und 129 Stentimplantationen zu einer Schlaganfallrate von 6,4 Prozent sowie vorübergehenden neurologischen Er- eignissen von zusätzlich 4,5 Prozent.

Die Letalität lag bei 1,8 Prozent, die Gesamtkomplikationsrate bei 12,7 Pro-

zent. Karotisoperationen sollten nur durchgeführt werden, wenn die Kom- plikationsrate unter sechs Prozent und bei asymptomatischen Patienten unter drei Prozent beträgt (4). Dies ist bisher jedoch in den meisten interventionel- len Studien nicht der Fall. Selbst Kolle- ge Mathias hat diese Ergebnisse trotz seiner langen Praxis bis jetzt nicht er- reicht. Die Angioplastie von Karotis- stenosen und deren Stenting sollte nur dann als Therapieverfahren empfohlen werden, wenn deren Ergebnisse eine vergleichbar niedrige Komplikations- rate aufweisen wie die Karotisend- arteriektomie (3, 7). Voraussetzung für eine ethisch vertretbare prospektiv- randomisierte Studie zur Validierung geeigneter Therapiemethoden (Dilata- tion versus Operation) sind vergleich- bare Ergebnisse in der retrospektiven Analyse. Hierzu gehört auch eine ge- ringere Rezidivstenoserate nach einer Verlaufsbeobachtung von zwei Jahren.

Auch hier sind die Voraussetzungen für eine Therapieempfehlung zur Dilatati- on bislang nicht gegeben. Daher kann dem Autor nicht zugestimmt werden.

Transluminale Angioplastie und endo- luminäre Stentimplantation der hirn- versorgenden Arterien sind derzeit we- der Routineverfahren noch für die Ver- sorgung von Hochrisiko-Patienten ge- eignet. Möglicherweise wird sich in Zu- kunft eine gesicherte Indikationsaus- wahl für Karotisdilatationen ergeben.

Auf dem Boden der Kautelen einer

„evidence based medicine“ muss der- zeit die interventionelle Methode bei Karotisstenosen als Therapieversuch bezeichnet werden.

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Helmut Kogel Abteilung für Chirurgie und Gefäßchirurgie

Dreifaltigkeits-Hospital gem. GmbH Klosterstraße 31 · 59555 Lippstadt

Es erstaunt uns, dass der oben ge- nannte Artikel in der Rubrik „zur Fort- bildung“ erscheint, obgleich das Stent- ing von Karotisstenosen bislang nicht in größeren vergleichenden Studien evaluiert worden ist. Diese Auffassung

teilt auch die American Heart Associa- tion: „. ..we must remember a basic tenet of medicine: primum non nocere ... at this point, with few exceptions, use of carotid stenting should be limited to well-designed, well-controlled ran- domized studies ... this will allow accu- rate comparison of a promising tool with the well-described, relatively safe gold standard of surgical carotid end- arterectomy ... (1). Der Hinweis auf der Titelseite: „Karotisstenose: endo- luminale Behandlung erfolgreich“ ist inakzeptabel! Der „Goldstandard“ Ka- rotis-TEA steht auch in Deutschland auf hohem Niveau zur Verfügung: Die seit 1995 durchgeführte Qualitätssiche- rung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) erbrachte an mittlerweile über 30 000 Operationen in 169 Kliniken eine stadienunabhän- gige Apoplex-Rate von 1,9 Prozent und eine Letalität von 0,7 Prozent. Hiermit werden die maximal akzeptierten Komplikationsraten von 3 beziehungs- weise 5 Prozent für asymptomatische und symptomatische Karotisstenosen deutlich unterschritten. Die Arbeit von Mathias et al. hinterlässt mehr Fragen als Antworten: 791 von 799 Stenosen konnten beseitigt werden. Was geschah mit den restlichen acht Karotissteno- sen? Wie hoch ist die stadienbezogene Komplikationsrate? Wie viele lokale (A. spurium, AV-Fistel und andere), re- nale und zerebrale Komplikationen traten bei der Angiographie auf? Wie viele Patienten wurden tatsächlich nachuntersucht? Wie errechnet sich die Offenheitsrate von 91 Prozent nach fünf Jahren? Die Angabe eines mittle- ren Stenosegrades ist unpräzise, wie viele relevante Residualstenosen wur- den beobachtet? Die Abbildung 1 zeigt einen Karotisstent mit angeblich nor- malem Lumen; als Gefäßchirurg würde man hier eine > 50-prozentige Residu- alstenose attestieren. Die „Aufrichtung der ACI“ resultiert möglicherweise in einem Abknicken des Gefäßes distal des Stents, ein Problem, welches bei der offenen Chirurgie nicht auftritt, da Elongationen problemlos beseitigt werden können. Viel wichtiger als die Offenheitsrate wäre es, die Häufigkeit postoperativer Schlaganfälle im Fol- low-up zu dokumentieren! Wie lange war die stationäre Verweildauer? War- um bleibt eine randomisierte Studie aus Leicester unerwähnt, die bereits

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Keine Voraussetzungen für Therapieempfehlung

Mehr Fragen als Antworten

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nach kurzer Zeit aus ethischen Grün- den abgebrochen werden musste, da fünf von sieben Karotis-Stent-Patien- ten einen Apoplex erlitten (3)? Anstel- le präziser Angaben werden nicht be- legte Behauptungen aufgestellt (wie geringeres Trauma, kürzere Verweil- dauer). Die hierzu verfügbare Literatur zeigt keine Überlegenheit des Stent- ings gegenüber der operativen Thera- pie (2). Zu allem Überdruss werden Differenzialindikationen zum offenen und endovaskulären Vorgehen angege- ben, die aus Sicht der Autoren berech- tigt sein mögen, wissenschaftlich aber nicht haltbar sind. Nur vergleichende Studien können Klarheit schaffen. Es genügt nicht, die technische Machbar- keit einer Methode zu belegen (für die Karotis-TEA seit über 40 Jahren be- kannt!). Entscheidend ist die neurolo- gisch kontrollierte Rate zerebraler Komplikationen und die Häufigkeit von Schlaganfällen im Langzeitverlauf.

Für die Operation ist ein dauerhaft pro- phylaktischer Effekt belegt (NASCET, ECST), für das Karotisstenting fehlen vergleichbare Daten! Eine interdiszi- plinäre randomisierte Studie ist in Vor- bereitung (Stent-geschützte perkutane Angioplastie versus Karotisendarteri- ektomie). Es bleibt zu hoffen, dass auch Herr Mathias sich aktiv an dieser Stu- die beteiligen wird.

Literatur

1.American Heart Association/Science Advi- sory: Carotid stenting and angioplasty, a sta- tement for healthcare professionals from the councils on cardiovascular radiology, stroke, cardio-thoracic and vascular surgery, epide- miology and prevention and clinical cardio- logy. Stroke 1998; 27: 336–338.

2.Jordan WD, Voellinger DC, Fisher WS, Red- den D, McDowell HA: A comparison of ca- rotid angioplasty with stenting versus endar- terectomy with regional anesthesia. J Vasc Surg 1998; 28: 397–402.

3.Naylor AR, Abbott RJ, Pye IF et al.: Rando- mized study of carotid angioplasty and stent- ing versus carotid endarterectomy: a stopped trial. J Vasc Surg 1998; 28: 326–334.

Priv.-Doz. Dr. med.

Hans-Henning Eckstein Gefäßchirurgische Klinik Klinikum Ludwigsburg

Posilipostraße 4 · 71640 Ludwigsburg Dr. med. Hans Niedermeier

Abteilung für Gefäßchirurgie Städtisches Krankenhaus München-Neuperlach Oskar-Maria-Graf-Ring 51 81737 München

Es freut uns, dass unsere Veröf- fentlichung eine Reihe von Lesern ver- anlasst hat, Kommentare zu dieser Ar- beit abzugeben. Der Tenor der Kom- mentare lautet: Die chirurgische Be- handlung der Karotisstenose ist gesi- chert und gut, die endoluminale Thera- pie experimentell und damit von fragli- chem Wert. Zahlenangaben und Zitate sollen diese Aussage untermauern. We- gen des inhaltlichen Gleichklangs wird auf die Kritikpunkte zusammenfassend eingegangen. Der Nutzen der Karotis- chirurgie in der Prophylaxe des Schlag- anfalls im Vergleich zur medikamen- tösen Therapie wurde 1991 38 Jahre (!) nach der ersten überlebten und damit erfolgreichen Karotisoperation in zwei Studien bei symptomatischen Patien- ten (NASCET, ECST) belegt. An der NASCET-Studie beispielsweise nah- men nach Operationsfrequenz und Jahreskomplikationsrate streng selek- tionierte Operationszentren teil, die wiederum ein hoch selektioniertes Kol- lektiv symptomatischer Patienten ope- rierten. Ausgeschlossen wurden Pati- enten älter als 79 Jahre, mit einer vor- aussichtlichen Lebenserwartung unter fünf Jahren, mit Vorhofflimmern, insta- biler Angina pectoris, einem Herzin- farkt in den letzten sechs Monaten, ei- nem schlecht kontrollierten Bluthoch- druck, Diabetes mellitus oder einer Lungenerkrankung. Von den verblei- benden Patienten mit Karotisstenose wurden weniger als ein Drittel für die Studie randomisiert, sodass eine weite- re Selektion nach unbekannten Kriteri- en erfolgte. Bei den im Rahmen der Studie operierten Patienten betrug die Operationsmortalität 0,6 Prozent. Me- dicare untersuchte in denselben Klini- ken, wie die Komplikationsrate bei den nicht randomisierten Patienten aussah, und fand mit 1,4 Prozent eine mehr als doppelt so hohe Mortalität. Daraufhin wurde die Operationsmortalität in Zentren untersucht, die nicht an der Studie teilnahmen und eine Mortalität von 2,5 Prozent gefunden. Wohlge- merkt – Mortalität, nicht Morbidität!

Diese Zahlen machen klar, dass es sich bei den in der NASCET-Studie Rando- misierten um hoch selektionierte Pati- enten handelte, die in bekannt guten Operationszentren ihren Eingriff er-

hielten. Dennoch lag die Rate perma- nenter neurologischer Defizite über fünf Prozent, bei kontralateralem Ka- rotisverschluss über 14 Prozent (bei uns 3,1 Prozent)! In der ECST-Studie ist die Komplikationsrate noch höher, obwohl Patienten mit messmethodisch bedingt geringeren Stenosegraden behandelt wurden. Für asymptomatische Patien- ten mit Karotisstenose – etwa 40 Pro- zent aller operierten Patienten – sieht es noch ungünstiger aus. In der Asymp- tomatic Carotid Atherosclerosis Study (ACAS; 1995) mussten 83 Patienten operiert werden, um einen Schlaganfall zu vermeiden. Die Mayo Asymptoma- tic Carotid Endarterectomy Study mus- ste wegen des schlechten Abschneidens der chirurgischen Gruppe vorzeitig ab- gebrochen werden. In der CASANO- VA-Studie konnte die Operation keine besseren Resultate als die Aspiringabe nachweisen. Diese Studien belegen ei- nen Vorteil für die Operation bei sym- ptomatischen Patienten mit einer Ste- nose von angiographisch > 70 Prozent und unter Berücksichtigung zahlrei- cher Ausschlusskriterien in hoch selek- tionierten Zentren. Bei asymptomati- schen Patienten ist aus randomisierten Studien kein eindeutiger prophylakti- scher Gewinn durch die Karotisopera- tion belegt. Die alltägliche klinische Wirklichkeit sieht anders aus. So wer- den jährlich Tausende Patienten ope- riert, bei denen die Studienbedingun- gen weder vonseiten des Patienten noch des Operateurs erfüllt sind. Die Daten von NASCET und ECST wer- den auf diese Patienten extrapoliert und damit die Evidenz-basierte Medi- zin verlassen. Über die experimentelle Natur ihrer Behandlung werden die Pa- tienten nicht aufgeklärt. Betrachtet man beispielsweise die Qualitätssiche- rung Karotis-TEA der Deutschen Ge- sellschaft für Gefäßchirurgie, so wird dies deutlich. Bei den hier gemeldeten mehr als 27 000 Eingriffen wurde eine Schlaganfallrate von 1,8 Prozent und Mortalität von 0,6 Prozent gefunden.

Eine unabhängige neurologische Un- tersuchung vor und nach dem Eingriff erfolgte nur bei einem verschwindend kleinen Anteil der Patienten. Der An- teil asymptomatischer Patienten, bei denen der Nutzen der Karotisoperati- on nicht ausreichend belegt ist, beträgt 38 Prozent (!). Der Stenosegrad wurde überwiegend sonographisch bestimmt

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Schlusswort

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und damit häufig überschätzt. Es gibt keine Studie, die einen Nutzen der Ka- rotisoperation auf der diagnostischen Basis der Sonographie belegt. Man muss davon ausgehen, dass bei minde- stens einem Drittel der operierten Pati- enten nach den Kriterien der zitierten Studien keine oder noch keine Operati- onsindikation vorlag. Vor diesem Hin- tergrund kann man nicht von einer Qualitätsstudie, sondern lediglich von einem Melderegister der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie spre- chen. Wie nun sind die Morbiditäts- und Mortalitätsrate dieses Registers zu werten? Rothwell et al. haben dies in einer Metaanalyse aller bis 1996 publi- zierten Karotisoperationen dargelegt.

Die von Chirurgen publizierten kombi- nierten Morbiditäts- und Mortalitäts- angaben belaufen sich danach auf 2,3 Prozent – Register der deutschen Ge- fäßchirurgen 2,4 Prozent. Die in dersel- ben Zeit publizierten Studien mit neu- rologischer Kontrolle ergaben dagegen 7,7 Prozent, also eine 3,3-mal höhere Rate. Legt man diesen Faktor an die Zahlen der deutschen Gefäßchirurgie an, so kommt man auf eine Mortalitäts- und Morbiditätsrate von acht Prozent, zu der noch die Raten der meist transi- enten Hirnnervenlähmungen von mehr als fünf Prozent und Wundheilungs- störungen von mehr als zwei Prozent zu rechnen sind. Diese Komplikationsrate liegt dann in dem Bereich, der in der CAVATAS-Studie (1992–1996), in der ein prospektiver Vergleich von chirur- gischer und endoluminaler Behand- lung mit neurologischer Überwachung bei 560 Patienten stattfand, festgestellt wurde, nämlich 9,9 Prozent für die ope- rierten und 10,0 Prozent für die noch überwiegend ohne Stent und grund- sätzlich ohne zerebrale Protektion en- doluminal behandelten Patienten. Das internationale Register für die Stentan- gioplastie der A. carotis, das von M.

Wholey in San Antonio (Texas) geführt wird und mehr als 6 000 Eingriffe um- fasst, weist eine kombinierte Morbi- dität und Mortalität von 3,9 Prozent aus und liegt damit unter den Werten der NASCET- oder ECST-Studie. Die Deutsche Röntgengesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Angiologie haben eine Qualitätsicherungsstudie bei der Bayerischen Arbeitsgemein- schaft für Qualitätssicherung initiiert, die die behandelten Patienten – auch

unsere – umfänglich dokumentiert. Die Patienten erhalten alle eine Angiogra- phie zur Bestimmung des Stenosegrads nach der NASCET-Methode. Eine un- abhängige neurologische Untersu- chung wird ausgewiesen. Diese Vorge- hensweise hat den Vorteil, dass auch Patienten unter standardisierten Be- dingungen behandelt werden, die unter die Ausschlusskriterien einer Karotis- operation fallen, an einer Rezidivste- nose nach Operation leiden oder einer Hochrisikogruppe angehören.

Zusammenfassend halten wir fest:

Die Karotischirurgie hat einen Nutzen für ein hoch selektioniertes Patienten- kollektiv bewiesen, aber nur für dieses.

Deshalb gilt die Feststellung (Eckstein und Niedermeier, Hacke et al., Kogel, Mumme, von Sommoggy), dass es sich bei der Stentangioplastie der A. carotis um eine experimentelle Methode han- delt, in gleicher Weise für die Karo- tischirurgie, wenn nicht gemäß den NASCET- und ECST-Kriterien Patien- ten ausgewählt und operiert werden.

Für einen großen Anteil der heute operierten Patienten ist die Behand- lung experimentell, da bei oft fehlender angiographischer Diagnostik, fehlen- der Berücksichtigung der Ausschluss- kriterien, fehlenden routinemäßigen fachneurologischen Untersuchungen und hohem Anteil asymptomatischer Patienten Notwendigkeit und Nutzen des Eingriffes nicht belegt sind.

Eine prospektive randomisierte Studie mit Vergleich von Operation und Stentangioplastie der A. carotis ist zur Klärung der Datenlage dringend geboten und wird von uns seit vielen Jahren gefordert, wurde von gefäßchir- urgischer Seite lange abgelehnt und ist bei der deutschen Gesundheitspolitik im Gegensatz zu Frankreich, England und den Vereinigten Staaten bislang im Projektstadium stecken geblieben.

Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass eine solche Studie in ihrer Aussage beschränkt ist und deshalb nicht als Argumentation (Eckstein und Niedermeier, Hacke et al.) überstrapa- ziert werden sollte. Die Patienten, bei denen eine Operation nicht möglich oder mit einem im Vergleich zur endo- vasalen Behandlung unvertretbaren Risiko verbunden ist, können nicht oh- ne Behandlung bleiben, weil dies nicht in das Studiendesign passt. Ergebnisse einer solchen Studie unter Einschluss

von Langzeitverläufen sind erst in fünf bis zehn Jahren zu erwarten.

Die Datenlage ist nicht Kaffee- satzlesen (Hacke et al.). Die mit der Stentangioplastie in Dortmund erziel- ten Daten sind von Zentren in Frank- reich, England und den Vereinigten Staaten bestätigt worden. Zwar sind die Behandlungszahlen kleiner als die der Gefäßchirurgie mit ihrer mehr als 50- jährigen Geschichte, halten einem qua- litativen Vergleich aber leicht stand, wenn man eine ausreichende Erfah- rung mit dem Verfahren voraussetzt.

Wir meinen nicht, dass die Stent- angioplastie der A. carotis nur unter den Bedingungen oder nach Durch- führung einer prospektiven Studie ein- gesetzt werden sollte. Das Verfahren ist dort angebracht, wo eine klare, durch umfängliche Diagnostik gesicherte In- dikation zur Beseitigung der Karotis- stenose besteht, eine obligate unabhän- gige neurologische Untersuchung vor und nach dem Eingriff gewährleistet ist, eine umfassende Dokumentation des Eingriffes und regelmäßige Nach- untersuchungen der Patienten erfol- gen. Werden unter diesen Vorausset- zungen Früh- und Spätergebnisse er- zielt, die gleichwertig oder besser sind als in wissenschaftlich akzeptierten, neurologisch kontrollierten operativen Studien, ist der Einsatz berechtigt.

Literatur

1.Ferguson GG, Eliasziw M, Barr HWK et al.: The north american symptomatic carotid endarterectomy trial. Surgical results. Stroke 1999; 30: 1751–1758.

2.Frericks H, Kievit J, van Baalen JM, van Bockel JH: Carotid recurrent stenosis and risk of ipsilateral strocke: a systematic review of the literature. Stroke 1998; 29: 244–250.

3.Goldstein LB, Samsa GP, Matchar DB, Od- done EZ: Multicenter review of preoperative risk factors for endarterectomy for asympto- matic carotid artery stenosis. Stroke 1998; 29:

750–753.

4.Rothwell PM, Slattery J, Warlow CP: A sys- tematic comparison of the risks of stroke and death due to carotid endarterectomy for sym- ptomatic and asymptomatic stenosis. Stroke 1996; 27: 266–269.

5.Rothwell PM, Slattery J, Warlow CP: A sys- tematic review of the risks of stroke and death due to endarterectomy for symptomatic carotid stenosis. Stroke 1996; 27: 260–265.

6.Rothwell PM, Warlow CP: Prediction of ben- efit from carotid endarterectomy in individ- ual patients: a risk-modelling study. Europe- an Carotid Surgery Trialist’s Collaborative Group. Lancet 1999; 353 (9170): 2105–2110.

Prof. Dr. med. Klaus Mathias Radiologische Klinik

Städtische Kliniken Dortmund Beurhausstraße 40 · 44137 Dortmund

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