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Archiv "Mißbrauch von Ketamin: Neue Modesubstanz der Szene" (29.10.1999)

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eit einiger Zeit ist Ketamin in den USA und Großbritannien als weitere Modedroge – ne- ben MDMA1und GHB2– in der von Experimentierlust geprägten Dro- genszene verbreitet. Die amerikani- sche Drogenbehörde warnt bereits seit einiger Zeit vor dem stetig stei- genden Mißbrauch. Auch in Deutsch- land zeichnet sich eine solche Ent- wicklung ab.

Die eigentlich als Narkosemittel eingesetzte Substanz3 ist seit 1963 bekannt und wird primär in der Not- fallmedizin als Analgetikum, Narko- tikum und in der Behandlung des Sta- tus asthmaticus eingesetzt. Struktu- relle Ähnlichkeiten gibt es zu Phency- clidin (PCP), das in der Drogenszene ebenfalls als halluzinogen wirkende Substanz konsumiert wird und als

„Angel Dust“ vornehmlich in den USA zu trauriger Berühmtheit ge- kommen ist.

Ketamin – in der Szene-Sprache unter anderem Special-K, Kate oder Vitamin-K genannt – ist wegen seiner medizinisch unerwünschten Neben- wirkungen in der Abklingphase der eigentlichen Wirkung für die Dro- genszene interessant geworden. Es kann in dieser Postnarkose-Phase zu Halluzinationen mit ausgeprägter Formen- und Farbenvielfalt kom- men, die verbunden sein können mit Gefühlen der Ich-Entgrenzung und Ich-Auflösung. Gerade diese Wir- kung hat den Anstoß zu sogenannten Flatliner-Parties gegeben, die es an- geblich auch während der letzten Love Parade in Berlin gegeben ha- ben soll.

Hier werden durch die Einnahme von Ketamin Nah-Tod-Erfahrungen induziert; das heißt, die Konsumenten versetzen sich in Zustände, die dem Sterben nicht unähnlich sein sollen.

Beschrieben werden unter anderem folgende Erfahrungsstufen:

c Losgelöstsein vom Körper c Gehen durch einen Tunnel c Wahrnehmen einer Lichtquelle c Eintreten in das Licht

c Empfindung tiefen Friedens.

Vernachlässigt werden dabei je- doch die erheblichen Risiken, durch einen ketaminbedingten Atemstill- stand den Weg aus dem Hades nicht mehr zurückzufinden.

Ketamin wird zumeist als Race- mat hergestellt und vertrieben, wobei die Mischung der zwei Enantiomere auch die oben genannten Nebenwir- kungen mitbedingt. Das (teurere) Präparat Ketanest S® besteht primär

aus dem Enantiomer, das die medizi- nisch unerwünschten Nebenwirkun- gen nicht hervorruft. Ketamin setzt an verschiedenen Punkten des Nervensy- stems an; es ist ein Up-take-Hemmer von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin und wirkt analgetisch, an- ästhetisch, sympatho- und parasympa-

thomimetisch. Neben Einflüssen auf adrenerge, dopaminerge und choli- nerge Systeme spielen auch NMDA4 eine wichtige Rolle bei der Ketamin- wirkung. Diese Rezeptoren sind für die Wirksamkeit verschiedener Arz- neimittel (Lachgas) und auch Drogen (PCP, Alkohol) bedeutsam.

Die Wirkung nach i.v.-Gabe einer medizinischen Dosis (zum Beispiel in der Anästhesie: 4 bis 8 mg/kg KG) kann innerhalb von 45 bis 60 Sekun- den einsetzen. Zunächst stellt sich Analgesie ein, die dosisabhängig von etwa zehnminütigem Koma begleitet wird. In der Folge kann sich eine zirka 30minütige Phase der verminderten Schmerzempfindlichkeit und Somno- lenz anschließen. Protektive Reflexe (zum Beispiel Pharyngeal-Laryngeal- reflex, Lid-, Schluck-, Hustenreflex) sind in dieser Phase erhalten. In der Aufwachphase können sich zum Teil intensive Wahrnehmungsverzerrungen und optische Halluzinationen einstel- len. Es finden sich – ohne adäquate Begleitmedikation – Zeichen der zere- bralen Vasodilatation, des gesteiger- ten zerebralen Stoffwechsels und des erhöhten intrakraniellen Drucks.

Als Droge wird Ketamin in gelö- ster oder in kristalliner Form konsu- miert: intravenös, intramuskulär, be- ziehungsweise transnasal oder oral.

Die Substanz stammt entweder aus Apotheken- und Praxiseinbrüchen (bevorzugt bei Veterinärmedizinern) oder aus illegaler Produktion. Die Wir- kungsintensität hängt von der Darrei- chungsform und der Konzentration ab, zumeist tritt die Wirkung innerhalb von Minuten ein, erreicht nach zirka

A-2724 (28) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Mißbrauch von Ketamin

Neue Modesubstanz der Szene

Die Konsumenten streben nach Halluzinationen, die mit Gefühlen der Ich-Entgrenzung und Ich-Auflösung verbunden sein können.

S

1 MDMA = Methylendioxymethamphetamin (zumeist synonym mit Ecstasy verwendet)

2 GHB = Gammahydroxybuttersäure (als Li- quid Ecstasy bezeichnet, ohne strukturelle Ähnlichkeit zu MDMA)

3 2-(2-Chlorphenyl)-2-(methylamino)cyclo- hexanon

4 NMDA = N-Methyl-D-Aspartat (Amino- säurederivat)

Nah-Tod-Erfahrungen sind der „Kick“, den Ketamin dem Konsumenten vermitteln soll. Foto: Superbild

(2)

A-2726

P O L I T I K

(30) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999 15 Minuten sein Maximum und dauert

zumeist ein bis zwei Stunden an.

Ketamin ist in Deutschland als verschreibungspflichtiges und ver- kehrsfähiges Arzneimittel eingestuft und unterliegt zur Zeit nicht den Auf- lagen des Betäubungsmittelgesetzes.

In Tierversuchen konnte eine Schädigung von unreifem ZNS-Gewe- be durch Ketamin nachgewiesen wer- den. Hier sind vor allem die NMDA- Rezeptor-assoziierten Regionen be- troffen. Diese werden durch Ketamin in ihrer Funktion als Glutamat-An- dockstellen blockiert, was den Unter- gang der Hirnzellen dieser Areale zur Folge haben kann. Die Übertragbar- keit dieser tierexperimentellen Ergeb- nisse auf den Menschen wird zur Zeit diskutiert. Auf die nicht unerheblichen Gefahren einer Abhängigkeitsentwick- lung bei fortgesetztem Mißbrauch von

Ketamin sei in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Bei Überdosierungen mit Ket- amin steht die Atemsuppression im Vordergrund. Die Ausprägung dieser Wirkung auf das Atemzentrum hängt von der Art der Applizierung ab und auch von dem eventuellen – in der „Szene“ leider weitverbreiteten – Hang zum Mischkonsum anderer zentralnervös wirkender Substanzen.

Der i.v.-Konsum von Ketamin kann dosisabhängig zu sofortigem Atem- stillstand führen, bei i.m.-Applizie- rung stellt sich die Wirkung weniger rasch ein, bei dem Schnupfen der Ketaminkristalle flutet die Wirkung relativ langsam an. Als weitere Sym- ptome einer Ketamin-Intoxikation können sich unter anderem einstellen:

Hypertonie, Tachykardie, Hypersaliva- tion, Angst/Panik-Zustände, psycho-

tiforme Zustände mit Halluzinatio- nen, Hirndrucksteigerung.

Eine Mischintoxikation kann zu einem unkontrollierbaren Verlauf mit Atemstillstand führen. Ein direk- tes Antidot für die Ketaminwirkung steht nicht zur Verfügung, so daß die Behandlung symptomorientiert er- folgen muß. Notfallmaßnahmen, wie die Freihaltung der Atemwege, falls nötig Intubation und unterstützte Be- atmung, sind zu ergreifen. Falls situ- ativ angemessen, kann die weitere Re- sorption von oral aufgenommenem Ketamin durch Emetika und Koh- legabe (mindestens 1 g/kg KG) ver- langsamt werden. Bei hypertensiven Krisen ist die Gabe eines kurz wir- kenden Betablockers anzuraten. Die Angst/Panik-Zustände können im Be- darfsfall mit Benzodiazepinen kou- piert werden. Dr. Thomas W. Heinz MEDIZINREPORT

Viele Endoprothesen müssen ge- wechselt werden, weil der synthe- tische Werkstoff des Implantats nicht mit dem biologischen Material des menschlichen Gewebes verwächst. Hat sich das Implantat erst einmal ge- lockert, kommt es häufig auch zu Infek- tionen und Fremdkörperreaktionen.

Viele Forschergruppen beschäftigen sich deshalb mit einer Verbes-

serung der Biomaterial-Ge- webe-Grenzschicht. Das Ziel ist ein Kunststoff, der eine feste biologische Verbindung mit dem Gewebe eingeht.

Ein aussichtsreicher An- satz ist dabei die Beschich- tung des Implantats mit natür- lichen Adhäsionsproteinen, die im menschlichen Gewe- be Zellen „zusammenkitten“.

Die Idee ist gut, aber die Umsetzung scheiterte bisher.

Probleme traten auf, weil viele Adhäsionsmoleküle zu schwach sind oder weil sie

nicht nur – wie gewünscht – an Osteo- blasten, sondern auch an einer Vielzahl anderer Zellen haften. Andere Pro- teine wurden vom Immunsystem ein- fach abgebaut, was ebenfalls keine Ba- sis für den langfristigen festen Sitz von

Endoprothesen ist. Schließlich ist die Einbindung von Eiweißen in Im- plantatmaterialien wie Polymethyl- methacrylat (PMMA) auch eine Ko- stenfrage. Die chemische Proteinsyn- these ist recht aufwendig.

Die Lösung dieser Probleme er- hoffen sich Prof. Horst Kessler und Martin Kantlehner von der Techni-

schen Universität München mit einem Verfahren, das sie in Zusammenarbeit mit der Firma Merck Biomaterial GmbH in Darmstadt entwickelt haben.

Sie beschichteten PMMA nicht mit den natürlichen Proteinen, sondern mit

kurzen Abschnitten des Eiweißes. Nur drei Aminosäuren lang (Arginin, Gly- cin und Asparaginsäure) sind die „ad- häsionsvermittelnden“ Abschnitte, mit denen das Protein Integrin an den sogenannten Integrin-Rezeptoren von Osteoblasten andockt. Über kurze Ket- tenmoleküle haben die Forscher diese Kurzeiweiße fest mit dem Kunststoff PMMA verbunden. In ei- nem Modellversuch wurden die beschichteten Kunststof- fe in eine Nährlösung mit Osteoblasten gelegt.

Daraufhin hafteten sich alle darin schwimmen- den Knochenzellen an die Kunststoffoberfläche. We- der durch Waschen noch durch Schütteln ließen sie sich entfernen. Innerhalb von 22 Tagen vermehrten sich die Osteoblasten auf dem Kunststoff sogar um das Zehnfache. Den Forschern erscheint es möglich, auf die- se Weise die gesamte Oberfläche des Implantates zu belegen. Ob diese Im- plantatbeschichtung im Körper besser haftet als konventionelle, wird man je- doch erst nach Prüfungen am Tier und in klinischen Studien wissen. RM

Vermeiden Kurzpeptide Implantatlockerungen?

Implantat

Biokompatible Knochenimplantate via Integrinliganden

Grafik

Knochen

Integrin aVb5

Osteoblasten

Oberflächenbeschichtung Gewebe

Referenzen

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