tika (Erhöhung der Miktionsreiz- schwelle) nur eine untergeordnete Rolle.
Mit steigendem Lebensalter nimmt der Wasseranteil des Körpers ab, womit sich die Verteilung von Medikamenten und damit die Gewe- bekonzentration ändert. Da der Fettanteil an der Körpermasse zu- nimmt, können fettlösliche Arznei- stoffe stärker angereichert werden und längere Verweildauer bekom- men. Weil die Ausscheidungsfunk- tion der Nieren altersabhängig ge- ringer wird, muß die Dosierung nie- rengängiger Substanzen reduziert werden. Dagegen wird der Stoff- wechsel in der Leber im Alter nur geringfügig schwächer. Alte Men- schen können auf Medikamente stärker reagieren, weil manche Arz- neirezeptoren empfindlicher wer- den. Da bei älteren viel häufiger als bei jüngeren Patienten wegen ver- schiedener Gesundheitsstörungen
gleichzeitig mehrere Medikamente verordnet werden, kommt es häufi- ger zu Interaktionen, wobei sowohl Verstärkungen wie auch Abschwä- chungen bestimmter Wirkungen zu beobachten sind. Von Medikament zu Medikament sind die Folgen des Altwerdens auf die Pharmakokinetik (Aufnahme, Verteilung, Metaboli- sierung und Ausscheidung) verschie- den, während sich die Reaktionswei- se auf Arzneimittel (Pharmakodyna- mik) im Alter nur wenig ändert. Die Dosierung muß daher stets der Kine- tik angepaßt werden. Blutspiegelbe- stimmungen können dabei gelegent- lich hilfreich sein, werden aber zum Beispiel bei Theophyllin- oder Digi- talis-Therapie nur in seltenen Aus- nahmen erforderlich. Die klinische Beurteilung reicht hier in aller Regel aus. Anders ist es bei den Aminogly- kosiden, die wegen enger therapeuti- scher Breite bei Eliminationsstörung eine Kontrolle des Blutspiegels nahe- legen. Ebenso wird in der Transplan- tationschirurgie bei Zyklosporin-Be- handlung verfahren.
Die zur Diskussion aufgeforder- te Allgemeinärztin, Dr. Gisela Fi-
scher (Neu-Isenburg), konnte mit zahlreichen Hinweisen und Erfah- rungen aus der Praxis zu den hier re- ferierten Themen manches beitra- gen. Dabei wurde die Problematik der Patientencompliance und der Selbstmedikation besonders ange- sprochen. Sie machte auf die häufige chronische Exsikkose alter Men- schen aufmerksam, die, zumal bei Harninkontinenz, nicht selten von pflegenden Angehörigen durch star- ke Reduktion der Trinkmenge als vermeintliche Therapie induziert wird. Auch das Training geistiger Leistungsfähigkeit im Alter („Ge- hirn-Jogging") zur Bekämpfung von Konzentrationsschwäche und Ge- dächtnisstörungen wurde angespro- chen. Die Fülle dieser Anregungen und die Anmerkungen aus dem Zu- hörerkreis müssen dem bald erschei- nenden Berichtsband entnommen werden. Eine allgemein zu beherzi- gende Aussage von Frau Fischer soll diesen Bericht beschließen: Chroni- sche Krankheit ist nicht identisch mit chronischer Therapie.
Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow Koblenzer Straße 91 • 5300 Bonn 2
I Besonderheiten der
Pharmakotherapie im Alter
Antidepressiva
Ich darf zurückkommen auf die hervorragende Arbeit von Heino von Matthiessen et al. In dieser Ar- beit kommen Morphin beziehungs- weise die Opiate und die vorwiegend peripher angreifenden Analgetika sehr gut zur Geltung, andere meines Erachtens sehr wichtige Medika- mente und Methoden nicht.
Spätestens seit Wörz ist das al- gogene Psychosyndrom bekannt, welches die reaktiv depressive Ver- stimmung durch die Diagnose
„Krebs" noch potenziert. Deswe- gen ist bei uns die Therapie mit An- tidepressiva einer der wichtigsten Bestandteile der Schmerztherapie, zumal auch letztere intrinsic-analge-
tische Effekte aufweisen. Wir begin- nen in der Regel mit geringen Dosie- rungen, um die unerwünschten Wir- kungen möglichst gering zu halten, zum Beispiel mit 25 mg Anafranil, Aponal oder Equilibrin, und stei- gern dann bis zum Wirkungseintritt.
Um schneller zum Ziel zu kommen, kann man auch infundieren. Der Einsatz von Antidepressiva spart si- gnifikant Opiate ein, verbessert Stimmung und Antrieb und wirkt analgetisch. In Kombination mit Neuroleptika verstärkt sich der anal- getische Effekt, so daß man häufig auf Opiate ganz verzichten kann Professor Dr. med. Juan Berlin Gautner-Klinik • Waldparkstr. 20 7525 Bad Schönborn
DISKUSSION
Schlußwort
Professor Berlin hat die auch von uns gemachten Erfahrungen dargestellt, die zeigen, daß bei Gabe von Antidepressiva Analgetika gele- gentlich tatsächlich niedriger dosiert werden können. In unserer onkolo- gischen Schmerzambulanz geben wir antidepressiv wirkende Substanzen jedoch relativ selten, weil viele unse- rer Patienten Antidepressiva zu- rückhaltend bis ablehnend gegen- überstehen und uns die Einsparung von 10 bis 15 Prozent eines stark wir- kenden Opiates um den Preis eines zusätzlich eingenommenen Medika- mentes wenig relevant erscheint.
Privatdozent Dr. med.
Heino v. Matthiessen Universitätsfrauenklinik Tumorzentrum Düsseldorf Moorenstr. 5 • 4000 Düsseldorf 1
Therapie
tumorbedingter Schmerzen
Zu dem Beitrag von Privatdozent
Dr. med. Heino v. Matthiessen und Mitarbeitern in Heft 39 vom 24. September 1987
A-1206 (66) Dt. Ärztebl. 85, Heft 17, 28. April 1988