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Glosse: Unterrichtsinhalte im Gespräch. Heute: Das Volkslied

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Academic year: 2022

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34 A f S - M a g a z i n 1 7 / 2 0 0 4 AfS-Magazin (tippt Zahlenkolonne ins Tele-

fon): Hm, seltsame Vorwahl für das deutsche Volkslied; scheint wohl ausgewandert zu sein.

Volkslied: Tüt-tüüüt-tüt ... Ah, Deutsch- land aufm Display. Heim für gefallene Mäd- chen, Pforte!

AfS-Magazin: Äh, spreche ich mit dem deut- schen Volkslied?

Volkslied: Nö mit der Heilsarmee, Du Pfeife.

Wo brennt’s denn?

AfS-Magazin: Ja, ich - eh - würde gern ein Interview mit Ihnen machen und...

Volkslied: Wow, Interview, megageil! Für ne Musikzeitschrift?

AfS-Magazin: Ja und nein, das AfS-Magazin wird hauptsächlich von Musiklehrerinnen und –leh...

Volkslied: Tüüt-tüüüüt-tüt.

AfS-Magazin (tippt verunsichert erneut): Wir waren unterbrochen worden. Ich dachte...

Volkslied (brüllt): Ihr Arschlöcher! Ihr habt mein Leben zerstört! Tüüt-tüüüüt-tüt.

AfS-Magazin (tippt entschlossen): Hey Kum- pel, jetzt mal ganz langsam, so kannste mit mir nicht reden. Was regt Dich denn so fürch- terlich auf an uns Lehrern?

Volkslied: Bitte sagen Sie „an uns Lehrer- innen und Lehrern“, Ihr seid doch sonst immer so scheißkorrekt, Ihr verbeamteten Kinderquäler!

AfS-Magazin: ...und Kinderquälerinnen!

Einmal scheißkorrekt, immer scheißkorrekt.

Aber jetzt halt mal Deine Klappe und hör mir eine Minute zu.

Volkslied: Okay! 60, 59, 58...

AfS-Magazin: Ich muss schon sagen, Du irri- tierst mich ziemlich. Ich hatte irgendwie mit

„Feinsliebchen“ gerechnet oder so.

Volkslied: Das ist es ja. Das Feinsliebchen hat mich hier in Deutschland schlicht gekillt und Ihr seid schuld daran. Da darf ich mich wohl mal kurz aufregen. Erst habt Ihr mir die ver- dammte Notenschrift übergestülpt, die mich kolossal eingeengt hat, dann haben Eure ver- logenen Kollegen im 19. Jahrhundert mich

vor lauter Säuberung fast umgebracht! Und was dann bei mir noch nicht abgetötet war an „Volk“ und an „Lied“, das haben die Nazis erledigt, denen Ihr vorher sauber zugearbei- tet hattet. Danach kommt dann der dämliche Adorno und fragt, ob Singen not sei. Ich habe von Deutschland die Nase ge-stri-chen voll, das kannste mir glauben. Deswegen bin ich auch ausgewandert: Spätestens nach dem Krieg waren alle Volkslieder weg aus Deutschland. Das ist jedoch Euch Deutschen gar nicht aufgefallen, weil Ihr die populären Kollegen aus Übersee an unsere Stelle ge- setzt habt. Elvis-the-pelvis, dass ich nicht lache, das bisschen Hüftwackeln war erstens harmlos und hatte zweitens im Gegensatz zu uns keinerlei Tradition! Als meine Kumpels und ich hier in Deutschland noch unseren Job vernünftig erledigen konnten, hätte sich das Publikum über den harmlosen Elvis-Bubi köstlich amüsiert, denn da gab’s noch mega- geile Parties: Bei einem dreitägigen Tanzfest in Colonia wurden 95 Kinder gezeugt, da ging voll die Lucy ab, da kannste die ganze Fünfzi- gerjahrekacke vergessen. Rock’nRoll, Flower Power, Techno-Rave: Alles eiskalter Kaffee, alles schonmal dagewesen, das hatten wir alles voll drauf damals und...

AfS-Magazin: Jetzt mal langsam! Du behaup- test also, die Popmusik des Zwanzigsten Jahrhunderts hat Euren Platz eingenommen, weil wir Euch vorher vertrieben hatten? In an- deren Ländern gibt es doch auch Popmusik, auf der ganzen Welt gibt’s...

Volkslied: Aber anderswo sind die Popkol- legen nicht total isoliert von uns! Anderswo kann uns auch der Bastard Volkstümliche Musik nicht linken, den gibt’s nur in Ger- many. Nimm dagegen die Bretagne, guck nach Griechenland, in die Türkei, nach Italien: Überall bruchlose Traditionen von Volksmusik zur Popmusik; schließlich heißt populus bekanntlich „Volk“. Ich hätte heute Kohle ohne Ende, ich wär echt voll drin im Popbusiness.

AfS-Magazin: Wie Du redest leuchtet mir das direkt ein!

Volkslied: Du hast echt kei-ner-lei Ahnung!

Eure heutigen Popjungs singen harmlosen Schrott, der keinem weh tut und grooven oft ü-ber-haupt nicht. Wir hatten damals Traditi- on im Grooven - und da waren wir stolz drauf!

Alle kannten uns und konnten uns singen.

Wir hatten geile Rhythmen, schweinische Texte, literarische Texte, verbotene Texte, aber eben auch echte Tradition: Ich hab zum Beispiel ne ganze Weile mit meiner ziemlich coolen jüngeren Cousine zusammenge- wohnt. Die is’n Kunstlied; zwar’n bisschen etepetete, aber wir haben uns eigentlich ganz gut verstanden, halt Verwandtschaft...

Die hat mich immer auf so komische Kon- zerte mitgenommen. Irgendwie witzig, aber auch alles so’n bisschen steril. Andererseits war das Mädel aber auch öfter mit mir Tan- zen. Die hatte da auch was mit nem Typen, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber darüber sachtse nix. Eigentlich müsste ich heute voll im Popgeschäft drin sein. Popsongs kennt jeder Dummie, aber mich kennt keine Sau.

Frag doch Eure Kiddies: „Volkslied, so’n alter Kram“ sagen die, ohne mich ü-ber-haupt zu kennen. Die kennen ja nur das, was Ihr aus mir gemacht habt.

AfS-Magazin: Stimmt: „Mariechen saß wei- nend im Garten...“

Volkslied: ...ja, aber nur, weil die Lady über- legt, ob sie das Blag, das ihr Vater ihr gemacht hat, abtreiben oder austragen soll! Nix heile Welt, sondern das pralle Leben! Die „Zwei Königskinder“ wollten auch deutlich mehr als Händchenhalten...

AfS-Magazin: Ja, und was soll ich nun im nächsten Heft schreiben?

Volkslied (brummt): Mir egal. Schreib, die sollen sich mal um mich kümmern! (leise:) Manchmal hab ich schon ziemliches Heim- weh!

(Interview: Jürgen Terhag)

Unterrichtsinhalte im Gespräch

Heute: Das Volkslied

Glosse

AfS-Magazin-17.indd 34 15.05.2004, 12:52:54

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