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Löhr, Barbara; Schüssler, Berthold; Terhag, Jürgen: "Musikkulturen - fremd und vertraut" Der AfS-Bundeskongress für Musikpäadagogik in Berlin war ein Riesenerfolg

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Academic year: 2022

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AfS-Aktuell

(indischer Dhrupad-Gesang mit mit- telalterlich-neapolitanischen Texten) beleuchteten das Kongressthema von der künstlerischen Seite, bevor am nächsten Tag für die Teilnehmer/innen die musikpädagogische Arbeit begann.

Je nach Interesse konnte man nun

in die Workshop-Arbeit einsteigen oder sich dem Kongressthema erst einmal im theoretischen Überblick der einführenden Podiumsdiskussion mit dem ironisch provozierenden Titel „Der Untergang des Abendlands“ nähern.

Unter der Diskussionsleitung von Jür- gen Terhag diskutierten die eingelade- nen Kolleg/innen aus Musikpädagogik (Birgit Jank, Irmgard Merkt, Wolfgang Martin Stroh) und Musikwissenschaft (Bernd Hoffmann, Anno Mungen) anschaulich und engagiert über Ver- änderungen der Gegenwartskultur an der Schnittstelle zwischen Schriftlich- keit und Neuer Mündlichkeit (siehe dazu auch den Beitrag von Robert Lug in dieser Ausgabe). Die interessanten Schlussfolgerungen über eine Neube- wertung historischer Bezüge abendlän- discher Kunstmusik machen neugierig auf den für 2003 angekündigten fünften Band der Kongress-Publikation „Musik- unterricht heute“.

Die zahlreichen Workshops und Vor- träge gaben mannigfaltige Gelegenheit, sich mit Musik aus allen Teilen der Welt praktisch und theoretisch auseinan- derzusetzen. Auf Grund der Vielfalt des Angebots sind hier nur exemplarische Beschreibungen möglich. Interessant

D

er AfS hatte zu seinem dies- jährigen Bundeskongress nach Berlin eingeladen und über 800 Interessierte aus allen musikpädgogi- schen Praxisfeldern waren gekommen.

Die Kolleginnen und Kollegen aus Schule, Musikschule, Hochschule und freier Szene konnten sich in rund 170 Workshops, Vorträgen, Diskussionsfo- ren und Konzerten in den Gebäuden des Kooperationspartners UdK Berlin über das interkulturelle Kongressthema informieren und sich für die eigene Pra- xis anregen lassen.

Energiegeladen begann der Kongress mit eindrucksvollen Darbietungen einer Berliner Improvisationstheater- Gruppe, die das Publikum von Anfang an durch diverse musikalische Kultu- ren reisen ließ, indem sie in ihre Thea- tersport-Szenen nicht nur Schlager, Rockmusik und Tango, sondern auch japanische Oper und italienische Gon- delmusik integrierte. Der Abend wurde stimmungsvoll mit vier Konzerten aus völlig unterschiedlichen Kulturen be- endet. Die Konzerte von Aziza A. and Orientation (deutsch-türkischer Rap), Honga Longa (Turkish-Klezmer-Cross- over), Christian Bollmann (Obertonge- sang), Amelia Cuni & Werner Durand

B A R B A R A L Ö H R B E R T H O L D S C H Ü S S L E R J Ü R G E N T E R H A G

„Musikkulturen – fremd und vertraut“

Der AfS-Bundeskongress für Musikpädagogik in Berlin war ein Riesenerfolg

Im Sonnenschein vor dem Tagungsbüro (Eingang Konzertsaal UdK)

Eröffnungsveranstaltung mit Improvisationstheater

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AfS-Aktuell waren die vielfältigen Rückkop-

pelungen zu den Eröffnungs- konzerten: Wer von Christian Bollmanns Obertongesang be- geistert wurde, konnte nun mit Hilfe des Künstlers versuchen, selbst Obertöne zu erzeugen.

Wen die Verbindung von tür- kischer Musik und Klezmer bei Honga Longa faszinierte, der konnte später Musik dieser Kul- turen singen, mit Instrumenten musizieren oder nach ihren Prinzipien improvisieren. Die Integration von Konzerten in den Kongressablauf bot immer wieder Möglichkeiten, Musik in direktem Kontakt statt aus zweiter Hand zu erleben. Auch bei ei- nem Workshop zur javanischen Musik ergaben sich durch das Spiel auf original indonesischen Gamelan-Instrumenten anspruchsvolle und interessante Begeg- nungen zwischen den Kulturen.

Die Kölner Musik- und Muse- umspädagogin Bettina Sahr- mann führte in diesem Kurs von freier Improvisation zum Musi- zieren von Gamelanmusik. Das freie Spiel kombinierte hierbei europäische Melodik mit dem Orchesterklang des Gamelan und erleichterte so den Zugang zu einer für unsere Ohren unge- wöhnlichen Musik. Wer die hier demonstrierten, methodisch raffinierten Zwischenschritte im Unterricht nutzen möchte, muss eine Institution finden, die wie das Kölner Völkerkun- de-Museum fremdländisches Instrumentarium zur Verfügung stellt.

In vielen Veranstaltungen standen Verbindungen zwischen verschiede- nen Musikkulturen im Mittelpunkt.

So machte der Grazer Musikwissen- schaftler Maximilian Hendler die additive Rhythmik, die nicht nur die orientalische und balkanische, sondern auch die schwarz- und afro-amerikani- sche Musik prägt, in Hörbei- spielen und beim Mitgestalten als faszinierendes Phänomen erfahrbar. Die mit Formzah- len arbeitende Analyse wurde durch das umfassende Wissen des Referenten begreifbar und öffnete neue Sichtweisen auf die Musikgeschichte wie z.B. die Be- schreibung der Gregorianik als musikalische Nabelschnur zur orientalischen Musik. Wem das alles zu fremd erschien, kannte

sicherlich den additiven Rhythmus der lateinamerikanischen Musik, die Clave, additiv dargestellt als 3+3+4+2+4. Peter Imort dagegen ging vom (scheinbar) Vertrauten aus und ließ dieses fremd er-

scheinen, indem er Bachs Musik in den Dialog mit einem chinesischen Ritual, afrikanischen Instrumentations- und Klangvorstellungen oder Jazz brachte und durch diese Verfremdung die eige-

nen kulturellen Wurzeln deutli- cher erfahrbar machte.

Beim Blick auf unsere Schüler/innen wurde in einigen Veranstaltungen hinterfragt, was eigentlich unter die Kate- gorien „fremd“ und „vertraut“

fällt, denn vielen Jugendlichen sind u.U. kubanische Salsa oder jamaikanischer Reggae näher als Mozarts „Kleine Nachtmu- sik“. So stellte Lise Resznicek in ihrem Workshop über ver- schiedene Gesangsstile der Populären Musik vor allem die Klangideale in den Mittelpunkt, die den meisten Kindern und Jugendlichen wesentlich ver- trauter sein dürften als vielen traditio- nell ausgebildeten Musiklehrkräften.

Die Themenwahl, die den Focus auf die kulturelle Vielfalt der uns umgeben- den Musik richtet, veranschaulicht zwei

zentrale Anliegen des AfS: Zum Einen soll eine vielfältige mu- sikalische Praxis in die Schulen gebracht und an der persön- lichen Einstellung gegenüber ungewöhnlichen Klängen bei denjenigen Schüler/innen ge- arbeitet werden, die stark vom Mainstream der Medien geprägt sind, zum Anderen soll Musik, die Kindern und Jugendlichen fremd erscheint, im Unterricht möglichst in vertraute kultu- relle Zusammenhänge einge- bettet werden. Das intensive musikalische Erlebnis durch gemeinsames Musizieren kann bei Schülerinnen und Schü- lern eine günstige Basis für die Auseinandersetzung mit musikalischen und soziokulturellen Strukturen bilden.

Während die Workshops und Vor- träge zahlreiche interessante Möglich- keiten aufzeigten, kulturell vielfältigen

Musikunterricht zu gestalten, wurde in den Diskussionsforen darüber nachgedacht, wie sich diese Ansätze im bundesdeut- schen Schulalltag realisieren lassen. Denn falls weiterhin durch Streichungen in der Stundentafel am Musikunter- richt gespart wird oder die mu- sikpädagogische Ausbildung nicht auf die Veränderungen der gegenwärtigen Kulturland- schaft reagiert, bleiben die im Kongress aufgestellten Ansprü- che ebenso wie die in Berlin gebotenen faszinierenden Per- spektiven für die meisten Schu- len leider ohne Wirkung.

Podiumsdiskussion „Der Untergang des Abendlands“

Percussion-Workshop

Unterrichtsmaterialien

Referenzen

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