Die Klägerin leidet seit ihrem 13. Lebensjahr an krankheits- bedingter, nicht behandelba- rer totaler Haarlosigkeit. Bis 1996 bewilligte ihr die beklag- te Krankenkasse jährlich ei- ne maßgefertigte Perücke aus blondem europäischen Haar.
Den Antrag der Klägerin, ihr auch 1997 wieder eine solche Perücke zu finanzieren, lehnte die Krankenkasse erstmals ab.
Sie hielt eine serienmäßig her- gestellte Perücke für ausrei- chend.
Orientierung am Blick eines unbefangenen Beobachters Das Bundessozialgericht hat den Rechtsstreit an das Lan- dessozialgericht zurückver- wiesen. Zuvor stellte es fest, dass ein völliger Haarverlust bei einer Frau eine Behinde- rung im Sinne des § 33 SGB V darstelle. Die Klägerin sei we-
gen ihrer Krankheit in ihrer körperlichen Funktion beein- trächtigt, da hierzu auch Krank- heiten oder Verletzungen mit entstellender Wirkung zählen könnten.
Eine kahlköpfige Frau zie- he ständig alle Blicke auf sich und werde zum Objekt der Neugier. Das habe in aller Regel zur Folge, dass sich die Betroffene aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzie- he und zu vereinsamen dro- he. Somit habe sie Anspruch auf die Perücke, allerdings nur auf ein Exemplar, das den Verlust des natürlichen Haupthaares für einen unbe- fangenen Beobachter nicht gleich erkennbar werden lässt.
Welche Perücke diesen An- forderungen gerecht wird,müs- se das Landessozialgericht prü- fen. (Bundessozialgericht, Ur- teil vom 23. Juli 2002, B 3 KR
66/01 R) Be
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte An- spruch auf eine Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Ein- zelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszuglei- chen. Diese Versorgung fällt nur dann in die Leistungs- pflicht der Gesetzlichen Kran- kenversicherung, wenn sie die Auswirkung der Behinde- rung nicht in einem bestimm- ten Lebensbereich (Beruf, Gesellschaft, Freizeit), son- dern im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürf- nis des täglichen Lebens be- trifft.
Den Altersgenossen im Spiel folgen können
Die elementare Bewegungs- freiheit ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) ein solches Grundbedürfnis.
Bei Kindern und Jugendlichen lassen sich die Lebensberei-
che nicht wie bei Erwachsenen trennen. Ein Grundbedürfnis von Kindern sei die Teilnah- me an der üblichen Lebens- gestaltung Gleichaltriger als Bestandteil des sozialen Lern- prozesses.
Für den Kläger sei das begehrte Dreirad mehr als bloßer Fahrradersatz. Seine durch eine Fußfehlstellung und eine Teillähmung der Bei- ne eingeschränkte Gehfähig- keit lasse eine Teilnahme an vielen der üblichen Betäti- gungen Gleichaltriger nicht zu. Mit einem seiner Behin- derung angepassten Dreirad werde der Kläger jedoch in die Lage versetzt, seinen Al- tersgenossen im Spiel zu fol- gen. Er hat daher nach Auf- fassung des BSG einen An- spruch gegen die Krankenkas- se auf Versorgung mit einem behindertengerechten Fahr- zeug. (Bundessozialgericht, Ur- teil vom 23. Juli 2002, Az.: B 3
KR 3/02 R) Be
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1221. März 2003 AA801
Damenperücke: Kostenübernahme
Streit um maßgefertigtes Exemplar zurückverwiesen
Behindertengerechtes Dreirad für Kinder
Teilhabe am täglichen Leben ist ein Grundbedürfnis.
Rechtsreport