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„  Sind die Vorteile von Open Access wirklich so eindeutig?

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M E I N U N G

© 2019 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 18 (2019) Nr. 12 3

O

ne apple a day keeps the doctor away.“ Wer wollte dieser Volksweisheit widersprechen? Doch was würden Sie, liebe Physikerinnen und Physiker, wohl sagen, wenn Sie ab morgen jeden Tag einen Apfel essen müssten? Ein sol- cher Prozess spielt sich im Veröffentlichungswesen gerade vor unser aller Augen ab. An den Vorzügen eines freien Zugriffs auf Fachpublikationen – Open Access – dürfte es unter Forschern ebenso wenig Zweifel geben wie an der gesundheitsfördernden Wirkung von Äpfeln. Doch der von EU-Funktionär Robert-Jan Smits ersonnene Plan S geht weiter: „All scholarly articles that result from research funded by members of Coalition S must be openly avail- able.“ Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Falls Sie Mittel von einer Unterstützerorganisation von Plan S erhalten, müssen Sie ab 2021 Open Access publizie- ren. Konkret darf ein ERC-Preisträger mit Bewilligung ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr in Nature veröffentlichen.

Plan S wirft somit zwei Fragen auf: Sind die Vorzüge von Open Access wirklich so eindeutig? Und noch fun- damentaler: Ist der Zwang zu Open Access durch Plan S mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar?

Die Vorzüge von Open Access gegenüber dem Sub- skriptionsmodell begründen Befürworter mit drei zen- tralen Thesen: der These vom geldgierigen Verlag, der These vom kostenlosen Informationsrecht und der These vom enteigneten Wissenschaftler.

Die erste These besagt, das Ge- winnstreben von Wissenschafts- verlagen sei für die finanziellen Missstände des öffentlich finan- zierten Publikationswesens ver- antwortlich. Ich halte diese Kritik für unbegründet. In einer Markt-

wirtschaft ist das Streben von Unternehmen nach Gewin- nen ebenso legitim wie das Streben von Privatpersonen nach hohen Gehältern. Vorausgesetzt, alle Akteure halten sich an geltende Gesetze. Anstatt über Verlage zu lamen- tieren, steht es uns frei, unser Veröffent lichungswesen selbst zu organisieren, wie es etwa die Physik mit ihren APS-Journalen erfolgreich praktiziert.

Die These vom kostenlosen Informationsrecht unter- stellt, die Öffentlichkeit habe ein Recht auf das kostenlose Lesen von Fachaufsätzen, weil Wissenschaftler überwie- gend aus öffentlichen Mitteln finanziert seien. Ich halte diese These für ebenso falsch wie die Abschaffung von Studiengebühren und die Forderung nach bedingungs- losen Grundeinkünften. Eine von Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung geprägte Weltanschauung spie- gelt sich eher in der Volksweisheit: „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“ wider. Ich bezahle gern für meine Be-

suche in der Semperoper, obwohl die Musiker der Dresd- ner Staatskapelle aus Steuergeldern finanziert werden.

Die These vom enteigneten Wissenschaftler behauptet, der bedauernswerte Gelehrte müsse seine Urheberrechte ohne Gegenleistung an Wissenschaftsverlage abtreten. Ich halte auch diese Kritik für wenig stichhaltig. Denn dem Überlassen des Copyrights stehen die Gegenwerte einer hochwertigen Qualitätssicherung, einer exzellenten inter- nationalen Sichtbarkeit und einer professionellen journa- listischen Aufbereitung gegenüber.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Plan S mit der Freiheit von Forschung und Lehre vereinbar ist.

Sollte eine deutsche Forschungsförderorganisation Plan S beitreten und ihre Fördermittelempfänger zur Open-Access-Veröffent lichung zwingen, würde dies nach meiner Auffassung gegen Arti- kel 5, Absatz 3 des Grund gesetzes verstoßen. Das sieht offenbar auch die DFG so, denn sie ist der Coalition S nicht beigetreten.

Sollte der ERC als Mitglied von Coalition S seinen Preisträ- gern tatsächlich vorschreiben, nur noch Open Access zu publizieren, wäre die EU- Grundrechtscharta maßgeblich. In Artikel 13 ist dort die Garantie der Freiheit von Kunst und Forschung sowie die Achtung der akademischen Freiheit formuliert. Wie weit die Reichweite dieser Garantien zu verstehen ist, ist meines Wissens noch weitgehend ungeklärt – auch, weil es zu diesem Grundrecht bislang keine Musterklage vor dem Europäischen Gerichtshof gibt.

In dieser Situation liegt es an uns zu entscheiden, die Beschränkung unserer Veröffentlichungsfreiheit hinzu- nehmen oder Plänen entgegenzutreten, die einer freien Wissenschaft im Wege stehen. Am 70. Geburtstag des Grundgesetzes und zum 30. Jahrestag des Mauerfalls fällt mir die Entscheidung in dieser Frage leicht.

Die unter der Rubrik „Meinung“ veröffentlichten Texte geben nicht in jedem Fall die Meinung der DPG wieder.

Wehret den Anfängen!

Plan S gefährdet die Wissenschaftsfreiheit.

André Thess

Meine Meinung

„  Sind die Vorteile von Open Access wirklich so eindeutig?

Prof. Dr. André Thess ist Professor für Energie- speicherung an der Universität Stuttgart und Direktor des Instituts für Technische Thermo- dynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

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