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Archiv "Schauspiel: „Die Akte der Auguste D.“" (16.01.2004)

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A

A126 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 316. Januar 2004

Wie üblich war ich in Eile.

Krankenhauskorridore sind zur Mittagszeit voll von sich langsam bewegenden Patien- ten und ihren Verwandten. Ei- ne junge Frau im Rollstuhl, die von ihrer Mutter geschoben wurde, stellte sich mir in den Weg. Nachdem es mir gelun- gen war, ihnen auszuweichen, schritt ich wieder tüchtig vor- an, bis ich plötzlich jemanden meinen Namen rufen hörte.

Überrascht drehte ich mich um, um die beiden Frauen zu finden, die mich riefen – Wie- dererkennen auf ihren Ge- sichtern. Ich zerbrach mir den Kopf, um mich zu erinnern, woher ich sie kannte. Patien- ten erkennen ihre Ärzte sofort wieder, aber umgekehrt ist das nicht der Fall. Sie sehen so an- ders aus, wenn es ihnen wieder besser geht.

Ach ja, das war es. Die jun- ge Frau lag vor kurzem auf der Intensivstation. Die Frau, die ich sah, entsprach in keinerlei Hinsicht meiner Erinnerung an sie. Ich erinnerte mich an sie als abhängig von künstlicher Beatmung, aufge- schwemmt und zu schwach, um selbst ihre Hand aus dem Bett zu heben. Es hatte lange gedauert, sie von der künstli- chen Beatmung abzugewöh- nen, und ihr Fortschritt war zu

bestimmten Zeiten unmerk- lich langsam. Sie hatte immer noch eine Tracheostomie, war aber fähig, mithilfe einer Sprechklappe zu sprechen. Ih- re Mutter schäumte über vor Freude bei den begeisterten Berichten über den Fortschritt ihrer Tochter.

Die beiden schienen ex- trem dankbar, dabei hatte ich das Gefühl, nur sehr wenig ge- tan zu haben. Sie war eine jun- ge Frau, die unter anderem an akuter Porphyrie litt. In den letzten beiden Jahren hatte sie mehr als zehn Monate auf der Intensivstation verbracht. Es gab Zeiten, da fühlte ich mich hilflos.Alles, was wir tun konn- ten, war, sie zu beatmen, ihr Methadon gegen die Schmer- zen zu verabreichen und ihr die bestmögliche Pflege zu- kommen zu lassen. Ich fühlte mich verlegen, wenn ich sie auf der Intensivstation sah, weil ich ihr medizinisch kaum helfen konnte. Aber ich bemühte mich. Ich war immer beeindruckt, wie ruhig sie in manchen schwierigen Situa- tionen blieb. Sie gab nie auf und konnte schließlich die Station verlassen. Anschlie- ßend, wie so oft, verlor ich den Kontakt zur ihr.

Jetzt sah ich sie vor mir:

stolz und glücklich zu leben und dankbar für die medizinischen Eingriffe, die ich für so unzurei- chend gehalten hatte. Plötzlich schien meine Eile nicht mehr so groß. Ich blieb ste- hen und unterhielt mich mit ihr. Ich

Wieder belebt

Die von der Redaktion des Deutschen Ärzteblattes übersetz- te Geschichte (Revitalized) wurde dem British Medical Journal (BMJ 2001; 322: 1409 [9 June]) entnommen.

Das British Medical Journal berichtet in unre- gelmäßigen Abständen über besondere Arzt- Patienten-Beziehungen.

Das Deutsche Ärzteblatt beabsichtigt, demnächst auch literarisch anspruchsvolle Geschichten aus der Ärzteschaft zu veröffentlichen. Diese sollten eine Länge von 4 800 Anschlägen nicht überschreiten. Wer andere an seinen Erfahrungen und Erlebnissen teil- haben lassen möchte, schicke bitte seine Beiträge an die Feuilleton-Redaktion des Deutschen Ärzteblattes (Ottostraße 12, 50859 Köln, Fax: 0 22 34/70 11-142, E-Mail: aerzteblatt@aerzteblatt.de). Weitere Informa- tionen: Telefon: 0 22 34/70 11-110.

erfuhr, wie sie lernte, wieder zu gehen und wie sie ihre er- sten Schritte machte. Ich erfuhr von ihren regelmäßi- gen Ausflügen im Rollstuhl, einschließlich ihrer Besuche im Pub. Ich erfuhr, dass ihr Leben wertvoll war.

Für den Rest des Tages fühlte ich mich wie auf Wolken. Völlig aus meiner depressiven Stimmung her- ausgeholt, hatte ich ein posi- tives Feedback von einer Pa- tientin, von der ich dachte, dass ich sie nicht optimal therapiert hätte – dafür hatte es Sinn gemacht, über den Korridor zu gehen. Die Da- seinsberechtigung der Intensiv- medizin war auf Anhieb wie- der hergestellt. Perry Board

B

undestagspräsident Wolf- gang Thierse eröffnete im Oktober 2003 im Kino Central, Rosenthaler Straße 39 (neben den Hackeschen Höfen) in Berlin, die Ausstellung „Fund- grube. Die verborgene(n) Ge- schichte(n) des Hauses Ro- senthaler Straße 39“, eine Präsentation des Anne Frank Zentrums zusammen mit dem Haus Schwarzenberg e.V. und dem Museum Blindenwerk- statt Otto Weidt.

Der historische Ort spie- gelt nach Angaben des Bun- destages vielfältige Facetten der Geschichte in der Mitte Berlins wider. Das Anne- Frank-Zentrum ist die deut- sche Partnerorganisation des Anne-Frank-Hauses in Am- sterdam und engagiert sich seit Jahren in der Präventi- onsarbeit gegen Rechtsextre- mismus, Rassismus und Frem- denfeindlichkeit. Seit Herbst 2002 befindet sich das Anne-Frank-Zentrum im Haus Schwarzenberg an der Rosen- thaler Straße 39. EB

Ausstellung

„Fundstücke“

Die verborgene(n) Geschich- te(n) des Hauses Rosentha- ler Straße 39 in Berlin

D

ie 1995 wiederentdeckte Krankenakte der ersten Alzheimer-Patientin,Augu- ste Deter, des Frankfurter

„Irrenarztes“ Alois Alzhei- mer (1864–1915) ist Aus- gangspunkt für die deut- sche Erstaufführung des Theaterstücks, das am 29.

Oktober in Würzburg Pre- miere hatte.

Das Stück des Frankfur- ter Psychiaters, Prof. Dr.

med. Konrad Maurer, und seiner Frau, Ulrike Maurer, greift mit Mitteln des Thea- ters ein Thema auf, das in einer Gesellschaft, deren durchschnittliche Lebens- erwartung weiter steigt, immer mehr an Bedeutung gewinnt: die Alzheimersche Erkrankung. Der Theater- text basiert auf authenti- schen Gesprächen, die Alois Alzheimer 1901 als Oberarzt an der Frankfur- ter „Anstalt für Irre und Epileptische“ mit der im Jahr 1850 geborenen Pati- entin Auguste Deter ge- führt hat.

Knappe Stimmungsbil- der und Dialoge, die auf kli- nischen Befunden basieren, rekonstruieren nicht nur ei- nen Einzelfall, sondern schildern auch die sozialen und ideologischen Begleit- umstände. Als Metapher steht „Alzheimer“ für eine Form von Besorgnis, der niemand entkommt: die Angst, sein Gedächtnis zu verlieren, und die Hoffnung auf einen menschenwürdi- gen Tod. Aufführungen:

Theater Bockshorn im Kul- turspeicher, Veitshöchhei- mer Straße 5, 97080 Würz- burg. Kartenbestellungen:

Telefon: 09 31/4 60 60 66.EB

Schauspiel

„Die Akte der Auguste D.“

Das Theaterstück beschäf-

tigt sich mit der Alzhei-

merschen Erkrankung.

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