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Dienstag (Vormittag), 26. März 2013

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Sitzungstitel7 2011.1751 1

Der Grosse Rat des Kantons Bern

Le Grand Conseil du canton de Berne

Dienstag (Vormittag), 26. März 2013

Finanzdirektion

59 2011.1751 Gesetz Steuergesetz (StG) (Änderung)

Gemeinsame Beratung der Geschäfte 2011.1751, Traktandum 59, Steuergesetz (StG) (Änderung), zweite Lesung / 2012.0831, Motion 151-2012 FDP (Müller, Bern), Traktandum 60 / 2012.1292, Mo- tion STGRev14 (Brand, Münchenbuchsee), Traktandum 61. Die Abstimmungsresultate sind unter den jeweiligen Geschäftstiteln aufgeführt.

Beilage Nr. 11 2. Lesung

Präsidentin. Ich danke dem Erziehungsdirektor für seine Anwesenheit und wünsche ihm noch ei- nen erfolgreichen Nachmittag. – Damit kommen wir bereits jetzt zu den Geschäften der Finanzdirek- tion. Ich begrüsse die Finanzdirektorin und ihre Mitarbeitenden zur Beratung der Finanzgeschäfte.

Die folgenden drei Traktanden, das Steuergesetz, die Motion FDP (Müller, Bern) «Bern verliert bei Unternehmen den Anschluss – Jetzt handeln» sowie die Kommissionsmotion STGRev14 (Brand, Münchenbuchsee), werden gemeinsam behandelt.

Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP), Kommissionspräsident. Ich kann mich relativ kurz fassen:

In der ersten Lesung im November 2012 wurde Artikel 95 des Steuergesetzes in die Kommission zurückgewiesen. Das Thema dieses Artikels ist die Unternehmensbesteuerung. Die Kommission traf sich im Dezember zu einer halbtägigen Sitzung. Dabei wurden die Themen «Besteuerung klei- ner Landwirtschaftsbetriebe», Artikel 25 und Artikel 56, sowie «Unternehmensbesteuerung», Arti- kel 95, noch einmal diskutiert. Über Artikel 25 und 56 werden wir in der Detailberatung des Geset- zes sprechen. Zu Artikel 95, Unternehmensbesteuerung, legen wir keinen Antrag vor. Er soll in die- ser Revision nach dem Willen der Kommission nicht geändert werden. In der Kommission wurde ein Antrag, der für das Jahr 2016 eine Senkung der Gewinnsteuern von Unternehmen vorgesehen hät- te, mit 9 gegen 8 Stimmen abgelehnt. Obwohl die Gesetzesvorlage in der Kommission an sich be- reinigt wurde, müssen wir nun eine ganze Reihe von Artikeln beraten, weil der Regierungsrat Diffe- renzen geschaffen hat. Über alle Artikel, bei denen die Regierung Differenzen geschaffen hat, stimmte der Grosse Rat bereits einmal ab. Er hat seine Meinung kundgetan. Wenn Sie das Ergeb- nis der ersten Lesung betrachten, könne Sie sehen, dass über diese Artikel schon einmal abge- stimmt wurde. Auf diese Artikel werde ich im Rahmen der Detailberatung zurückkommen.

Philippe Müller, Bern (FDP). Was will die Motion? Der Kanton Bern soll konkurrenzfähig bleiben, wenn es darum geht, Unternehmen hier anzusiedeln oder zu behalten. Der Kanton Bern ist der grösste Industriekanton. Es gibt jedoch keine Garantie, dass das auch so bleibt. Die anderen Kan- tone bewegen sich, unter anderem senken sie ihre Unternehmenssteuern. Unsere Nachbarkantone Jura, Neuenburg und Luzern haben ihre Unternehmenssteuern zum Teil massiv gesenkt. Man kann das unsympathisch finden, aber eines ist sicher: Es hatte Auswirkungen, viele Unternehmen, die auch in den Kanton Bern hätten kommen können, haben sich dort angesiedelt. Die Höhe der Steu- ern ist ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Standortwahl eines Unternehmens. Auch das kann man sympathisch finden oder nicht: Es ist nun einmal so. Wenn man 5 Kilometer jenseits der Kantonsgrenze mehr oder weniger dasselbe erhält, gleichzeitig aber Millionen an Steuern sparen

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hier niederzulassen. Bis vor kurzem lag der Kanton Bern bezüglich der Unternehmenssteuer in der ersten Hälfte der Kantone. Bald werden wir nur noch auf Platz 19 sein. Deshalb verlangt die Motion, die Steuern dergestalt auszulegen, dass sich der Kanton Bern wieder in der Mitte der Kantone be- findet. Er muss nicht zuvorderst liegen, aber er sollte sich etwa in der Mitte bewegen. Wenn der Kanton Bern nämlich mit der roten Laterne winkt, werden ihn viele Unternehmen gar nicht erst in Erwägung ziehen. Deshalb bitte ich den Rat, die Motion zu unterstützen, damit wir Steuersubstrat im Kanton Bern halten können. Sie haben es gehört: Die Motion wurde in der vorberatenden Kom- mission ganz knapp abgelehnt. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass eine Motion mit ähnli- chem Inhalt von der Kommission gutgeheissen wurde. Je nach Verlauf der Debatte, insbesondere auch bezüglich der Kommissionsmotion, behalte ich mir vor, unsere Motion in ein Postulat zu wan- deln oder zurückzuziehen.

Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP), Kommissionspräsident. Es ist wichtig, zu betonen, dass es sich um eine Kommissionsmotion handelt und nicht um meine persönliche Motion. Die Kommission hat das Thema Unternehmensbesteuerung, wie ich vorhin ausführte, intensiv diskutiert, und zwar vor der ersten Lesung und erneut bei der Vorbereitung der zweiten Lesung des Gesetzes. In beiden Sitzungen lagen Anträge auf Senkung der Unternehmenssteuern bereits für das Jahr 2016 und eine entsprechende Änderung von Artikel 95 des Steuergesetzes schon in der aktuellen Revision vor.

Diese Anträge wurden knapp mit 9 gegen 8 Stimmen abgelehnt. Stattdessen beschloss die Kom- mission mit 10 gegen 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen, eine Kommissionsmotion einzureichen, über die wir nun diskutieren. Der Text dieser Motion wurde von den Vertretern der BDP eingebracht.

Die Motion beinhaltet im Sinne eines Langschusses und einer Zielsetzung für das Jahr 2016 zwei Punkte: Im ersten soll der Regierungsrat Vorkehrungen treffen, damit in der Periode 2016–2020 die Gewinnsteuern für Unternehmungen auf die Hälfte reduziert werden können. Im zweiten Punkt ver- langt die Motion spätesten mit Inkraftsetzung 2016, den Gewinnsteuertarif im Rahmen der nächsten Steuergesetzrevision auf die Hälfte zu reduzieren. Philippe Müller hat es vorhin gesagt: Der Kanton Bern war früher im Bereich der Unternehmensgewinnsteuern bei den Spitzenreitern. Das hat auch neue Unternehmungen in den Kanton Bern gebracht. Im Laufe der Zeit rutschte der Kanton Bern jedoch immer weiter ab. Neu ist er auf Rang 17 und damit jetzt schon unter dem Durchschnitt. Man muss damit rechnen, dass der Kanton auch in diesem Bereich, bei den Unternehmenssteuern, wei- ter abrutscht. Die Halbierung der Gewinnsteuern bei den Unternehmungen würde bedeuten, dass es der Kanton 2016 voraussichtlich wieder ins Mittelfeld schaffen würde. Von einem vorderen Rang in diesem Bereich spricht schon gar niemand mehr. Die Motion soll dem Regierungstrat eine Ziel- setzung vorgeben. Eine verbindliche Änderung des Steuergesetzes im jetzigen Zeitpunkt, bei der aktuellen Revision, lehnte die Kommission, wie gesagt, ab. Ich bitte den Rat im Sinne eines Lang- schusses und einer Zielsetzung, die Kommissionsmotion zu unterstützen.

Präsidentin. Damit haben wir eine Auslegeordnung vorgenommen. Nun geben die Fraktionen ihre Stellungnahmen grundsätzlicher Art zu den Motionen ab. Anschliessend folgt die Detailberatung.

Dort debattieren und befinden wir über Anträge. Danach kommen erneut die Motionen an die Reihe, und die Motionäre können darlegen, ob sie ihre Motion aufrechterhalten, wandeln oder zurückzie- hen. Die Abstimmung über die Motionen folgt am Schluss.

Hans Kipfer, Thun (EVP). Aus meiner Sicht ist das Verfahren, das wir hier durchführen, etwas er- staunlich: Motionen, die in die Zukunft wirken, werden gleichzeitig mit einem Gesetz in zweiter Le- sung behandelt. Offenbar ist das aber so gewollt, auch von der Präsidentenkonferenz. Nachdem sich die Mehrheit der Kommission wohlweislich und in Anbetracht der finanziellen Situation mehr- heitlich auf die Anpassungen an das Bundesgesetz beschränkt hat, liegen jetzt trotzdem zwei Steu- ersenkungsmotionen auf dem Tisch. Man darf sich angesichts der Situation durchaus fragen, ob den Motionären und den dahinterstehenden Parteien die finanzpolitische Weitsicht fehlt oder ob einfach der eigenen Klientel mit leeren Versprechungen ein wenig Genüge getan werden soll. Wir wissen alle um die Situation, die wir heute haben. Wir sprechen hier aus meiner Sicht nicht nur von leeren Versprechungen, sondern sogar von einer gefährlichen Situation, die wir damit öffnen – ge- fährlich, weil sie den Weg in eine völlig falsche Richtung aufzeigt. In den nächsten Jahren brauchen wir die aktive Mithilfe aller Bevölkerungsteile, aller KMU und aller Grossfirmen, um das strukturelle Defizit des Kantons zu beseitigen und gleichzeitig die Wirtschaftskraft des Kantons zu erhalten.

Wollen wir die guten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und die Standortattraktivität des Kan- tons einigermassen auf dem durchschnittlichen, guten Niveau halten, dürfen wir gerade Grossfir-

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men keine zusätzlichen Steuergeschenke machen oder auch nur versprechen. Was wollen die bei- den Motionen konkret? Beide Motionen wollen in den Jahren bis 2020 die Unternehmenssteuer um gut 200 Mio. Franken entlasten. Das braucht es, um eine Rangierung in der ersten Hälfte zu errei- chen. Diese 200 Mio. Franken entsprechen ungefähr der Hälfte dessen, was wir bisher an Unter- nehmenssteuern eingenommen haben. Sie wissen selber, was es heisst, 200 Mio. Franken einzu- sparen – wir haben eine Übung mit 100 Mio. Franken gemacht; also das mal zwei. Bezeichnender- weise wird in den Motionen nirgends gesagt, wo diese 200 Mio. Franken zu kompensieren wären und auf welche kantonalen Leistungen verzichtet werden soll, ohne die wirtschaftliche Standortatt- raktivität zu schwächen. Weiter fordert die Motion der FDP den Umstieg auf den proportionalen Ta- rif, und zwar so, dass für kein Unternehmen eine Verschlechterung entsteht. Das heisst konkret: ein Umstieg auf den heute tiefsten Tarif der progressiven Dreistufentarife. Gewinner sind also die gros- sen, gewinnstarken Unternehmen. Kleine und gewinnschwache Unternehmen werden geschädigt, denn die 200 Mio. Franken werden fehlen, um für die KMU attraktive Rahmenbedingungen zu erhal- ten. Ich spreche von «erhalten», nicht von «neu schaffen». Unser Steuerprinzip beruht auf der Be- steuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und ist deshalb progressiv angelegt. Ein Umstieg auf einen proportionalen Tarif verletzt unser Steuerprinzip und wirkt sich, wie erwähnt, sehr nachtei- lig auf die gewerbliche Struktur im Kanton Bern aus.

Erlauben Sie mir, in dem Zusammenhang einige Zahlen zu nennen: Im Kanton Bern zählen wir rund 35 000 Unternehmen. Davon zahlen gut ein Drittel Steuern. Von den Motionsforderungen profitiert die gewinnstarke obere Hälfte der steuerabliefernden Unternehmen. Es sind vorwiegend die gros- sen Unternehmen. Das sind auch diejenigen, die durch eine grössere Anzahl von Mitarbeitenden auch deutlich von den entsprechenden Rahmenbedingungen profitieren, die wir über den ÖV, die Bildung, die sozialen Netze schaffen müssen, wo wir das Geld einsetzen. Die EVP ist überzeugt, dass in dieser schwierigen Situation gerade von diesen Unternehmen weiterhin ein Beitrag an einen gesunden Kanton erwartet werden darf. Eine andere Zahlenkette: Seit dem Spitzenjahr 2007 sank der Beitrag der juristischen Personen an die Steuereinnahmen des Kantons von knapp 600 Mio. Franken auf zirka 450 Mio. Franken. In Gegenzug stiegen die Einnahmen durch die natür- lichen Personen um 250 Mio. Franken. Der prozentuale Anteil am Mittragen des Kantons ist bei den Unternehmen deutlich gesunken. Das muss uns zu denken geben. An anderer Stelle wurde hier von einem SVP-Vertreter gesagt, das Problem liege nicht bei der Unternehmensbesteuerung. Wir dürfen vor allem von den Grossfirmen im Kanton ihren Beitrag an einen gesunden Kanton einfor- dern. Wenn wir das nicht machen, werden wir auch diese Firmen verlieren, weil wir nicht mehr wie bisher gute Trümpfe bei der Standortattraktivität in der Hand haben.

Die EVP ist der Meinung, im Zusammenhang mit der Steuergesetzrevision und auch der laufenden ASP sei diese Thematik genügend geprüft worden. Die EVP ist gegen leere Versprechungen für die Zukunft. Deshalb lehnen wir, wie begründet, die Motion wie auch ein allfälliges Postulat deutlich ab.

Wir empfehlenden Motionären, die Vorstösse in finanzpolitischer Weitsicht und Ehrlichkeit zurück- zuziehen. Werden sie in ein Postulat gewandelt, beantragen wir die Abschreibung.

Heinz Siegenthaler, Rüti bei Büren (BDP). Im Gegensatz zu meinem Vorredner stelle ich zwi- schen der Gesetzesdebatte und den Motionen ganz klar einen Zusammenhang fest. In Artikel 3 Absatz 6 bestand nach der ersten Lesung eine Differenz. Die Kommission wollte dort, dass man eine Steuerstrategie macht, während die Regierung das nicht wollte. Inzwischen konnte diese Diffe- renz bereinigt werden. Die BDP half mit, diesen Antrag auf eine Steuerstrategie zu unterstützen. Die Regierung leistete dem Folge. Aus diesem Grund sind wir klar der Meinung, dass die beiden Motio- nen, die eine Änderung bei den Unternehmenssteuern fordern, innerhalb der Steuerstrategie, wel- che die Regierung in Angriff nehmen will, wirken müssen. Beide Motionen fordern aber klare Aufträ- ge und lassen keine Prüfung mehr zu. Die Motion Müller will bereits ab 2014 – das ist bereits im nächsten Jahr und damit budgetrelevant – solche Massnahmen. Das ist sehr kurzfristig und eigent- lich schon fast nicht mehr möglich. Die Motion der Kommission, die wir als Kompromisslösung mit- tragen halfen, will ab 2016 klare Massnahmen. In Ziffer 2 der Motion steht: «[…] zwecks Inkrafttre- ten spätestens am 1.1.2016 vorzulegen.» Das ist auch schon bald. Nachher besteht in der Steuer- strategie kein Handlungsspielraum mehr. Der Hauptpunkt, weshalb wir bereit sind, die beiden Moti- onen als Prüfungsauftrag zu überweisen, ist das Zauberwort, das wir ständig benutzen, von dem aber niemand weiss, was es eigentlich ist, was dabei herauskommt und wie die Massnahmen aus- sehen, wenn denn der Grosse Rat überhaupt zustimmt: die ASP. Nach der Debatte der letzten Wo- che – besonders im Bereich öffentlicher Verkehr – habe ich bei der Mehrheit des Parlaments noch keinen besonderen Sparwillen verspürt. Deshalb können wir nun nicht verbindlich Steuersenkungen

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unterstützen helfen. Die BDP wird beide Motionen als Postulat unterstützen, die Motionen lehnen wir ab. Auf das Steuergesetz komme ich bei der Debatte zu den einzelnen Artikeln und Anträgen zurück.

Adrian Haas, Bern (FDP). Sie haben sicher gemerkt, dass die FDP keinen Antrag gestellt hat, um in diesem Steuergesetz Gewinnsteuertarif-Anpassungen zu machen, obwohl wir das in der Kom- mission noch gemacht hatten. Dies, weil wir sehen, dass der Kanton Bern im Moment grossen Fi- nanzproblemen gegenübersteht. Wir wollen keine zusätzlichen Steuerausfälle produzieren. Es hat aber auch damit zu tun, dass wir uns sicher auch positiv zum Gegenvorschlag zur Abschaffung der Handänderungsteuer äussern werden. Wir finden, wenn man damit noch etwas Handlungsspiel- raum hat, müsste man ihn kurzfristig sicher dort einsetzen. Es ist aber eine Tatsache, dass die juris- tischen Personen im interkantonalen Vergleich heute auf Platz 19 besteuert werden. Der Kanton Bern steht damit schon jetzt sehr schlecht da. Vor der Tür stehen auch die Kompensationen, welche die Kantone als Folge des EU-Steuerstreits im Zusammenhang mit der Holdingbesteuerung und der Besteuerung von Verwaltungsgesellschaften, die nicht mehr akzeptiert, werden vornehmen werden.

Sie wissen auch, welche Massnahmen auf der kantonalen Ebene etwa vorgeschlagen werden: ei- nerseits die Lizenzbox, anderseits auch Tarifsenkungen bei den Gewinnsteuern. Das heisst: Die Entwicklung geht Richtung Senkung der Gewinnsteuern. In dem Sinn ist der Kanton Bern gezwun- gen, auch dort eine gewisse Antwort zu geben. Das war auch der Grund, weshalb die Kommission relativ deutlich die Kommissionsmotion unterstützte: Sie sieht langfristig oder allenfalls schon mittel- fristig Handlungsbedarf. Die Motion verlangt keine sofortige Senkung, sondern spricht von der Ziel- setzung 2020. Die Schritte sind nicht vorgegeben.

Was Heinz Siegenthaler vorhin sagte, nämlich dass kein Handlungsspielraum mehr bestehe, war nicht ganz richtig. Es besteht sowohl bei der Motion Müller im ersten Punkt wie auch in der Kom- missionsmotion durchaus Flexibilität, um im Bereich der Unternehmenssteuer wieder zu den Leuten zu kommen. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass eine Senkung der Unternehmenssteuern durch- aus einen volkswirtschaftlichen Gewinn haben kann, indem zusätzliche Firmen, die übrigens auch bei den natürlichen Personen Steuergelder einbringen, in den Kanton Bern kommen. Es besteht auch ein gewisses Risiko, Firmen zu verlieren. Damit verlieren wir nicht nur die Steuern der juristi- schen Personen, sondern auch diejenigen der natürlichen Personen. Wir sehen mittelfristig dringli- chen Handlungsbedarf und unterstützen deshalb die Kommissionsmotion. Bei der Motion Müller geht es im zweiten Punkt um das Steuergesetz 14, das anschliessend beraten wird. Also wird sich dort entscheiden, was der Rat dazu meint. Der erste Punkt ist mehr oder weniger identisch mit der Kommissionsmotion. Die Fraktion neigt eher zur Präferenz der Kommissionsmotion.

Patric Bhend, Steffisburg (SP). Wir haben im Moment folgende Situation: Wir haben im Kanton Bern ein strukturelles Defizit von 450 Mio. Franken, zudem wurde ein Verzichtsauftrag von 600 Mio.

Franken deponiert. Die Halbierung der Unternehmensgewinnsteuern würde rund 200 Mio. Franken zusätzlich kosten. Wir hören nun die Argumente des Steuerwettbewerbs. Es wird der Teufel an die Wand gemalt, als ob wir da den Anschluss verlieren würden. Ich möchte Ihnen kurz schildern, wo- hin das führt: Langfristig führt der Steuerwettbewerb dazu, dass eines Tages ein Kanton sagen wird, er erhebe keine Unternehmenssteuern mehr, sondern setze sie auf null. Was passiert: Andere müssen folgen. Am Schluss wird bei allen ein entsprechendes Steuersubstrat fehlen. Profiteure sind zwar auch Kleinaktionäre, Familienunternehmen und gutmütige Patrons, vor allem aber Steueropti- mierer, Spekulanten und Abzocker. Die Leidtragenden werden die Bürgerinnen und Bürger insbe- sondere im ländlichen Raum sein. Das werde Sie sehen, wenn die Sparvorschläge der ASP auf dem Tisch liegen. Es wird, wie gesagt, der Teufel an die Wand gemalt, der Kanton Bern werde den Anschluss verlieren. Ich möchte Ihnen noch Folgendes sagen: Die Studie von BAKBASEL (BAK Basel Economics AG) aus dem Jahr 2009 zeigte, dass wir damals schlechter waren als der Kanton Zürich. International waren wir jedoch auch als Kanton Bern im Vergleich mit allen andern Ländern bereits an der Spitze. Heute sieht es etwas anders aus. Im Juli 2012 konnte man im «TagesAnzei- ger» lesen, dass wir vor Zürich liegen und besser rangiert sind. Ich frage Sie: Mit wem stehen wir denn in Konkurrenz, wenn man von Steuerwettbewerb spricht? Stehen wir wirklich mit Appenzell Innerrhoden in Konkurrenz? Oder doch eher mit den Metropolitanräumen? Gemäss jener Auswer- tung liegen sowohl Zürich wie auch Genf, Basel-Stadt sowie Waadt mit der Stadt Lausanne hinter dem Kanton Bern. Ich möchte noch einmal zum internationalen Vergleich kommen: Dort sind wir nach wir vor sehr gut aufgestellt – so gut, dass die EU Sturm läuft gegen die Holdingbesteuerungs- politik, welche die Schweizer Kantone betreiben. Aus unserer Sicht besteht kein Handlungsbedarf,

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insbesondere dann nicht, wenn man die finanzielle Situation im Kanton Bern betrachtet. Wenn man sieht, wohin das führen würde, muss man die beiden Vorstösse als absolut unverantwortlich be- zeichnen. Deshalb lehnen wir sie ab, sei es als Motion oder als Postulat, insbesondere zum jetzigen Zeitpunkt. Machen wir zuerst unsere Aufgaben und schauen wir, wohin das führt, bevor wir dem Kanton weitere Mittel entziehen.

Blaise Kropf, Bern (Grüne). Ich kann mich relativ kurz fassen. Beim Steuergesetz wird die grüne Fraktion einhellig die Anträge des Regierungsrats unterstützen – mit Ausnahme von Artikel 25 und Artikel 56: Dort werden drei oder vier Personen den Kommissionantrag unterstützen. Genauso kurz kann ich es bei den beiden Vorstössen halten. Auch da ist die Haltung der grünen Fraktion klar: Wir lehnen die beiden Motionen ab. Es ist mir sowieso ein Rätsel, Kolleginnen und Kollegen, weshalb man nun so tut, als ob wir seriös über zwei derartige Vorstösse diskutieren würden. Vorredner ha- ben es bereits erwähnt: Wir haben ein strukturelles Defizit von 450 Mio. Franken, also von knapp einer halben Milliarde. Es wurde zusätzlich die Forderung erhoben, nicht nur in diesem Ausmass ein Abbauprogramm vorzulegen, sondern eins von 600 Mio. Franken. Das ist ein astronomischer Be- trag, ein astronomischer Anteil am Kantonsbudget. Allen ist klar, dass man das im Hinblick auf 2014 nicht einfach umsetzen können wird. Wenn man in dieser Grössenordnung sparen will, sind Geset- zesänderungen nötig. Das sind alles Sachen, die man hier wird diskutieren müssen. Sollten wir ir- gendwann gegen das Jahr 2016 an dem Punkt sein, wo das strukturelle Defizit halbwegs behoben wäre, ist es schlichtweg unverständlich, dass ausgerechnet dann weitere 200 Mio. Franken gespart werden sollen, die man dem Kanton schon jetzt mit einem Beschluss vorenthalten will. Ebenso un- verständlich ist es, wenn der Fraktionssprecher der FDP darauf hinweist, man halte sich ein wenig zurück und mache deswegen keine Anträge im Rahmen der Gesetzesrevision, sondern nur Vor- stösse, weil man dafür im Bereich der Handänderungssteuer noch einen Gegenvorschlag machen wolle.

Kolleginnen und Kollegen, in dieser Situation, da wir unser Leistungsangebot in einem riesigen Ausmass werden einschränken und abbauen müssen, solche Diskussionen zu führen, finde ich relativ schwierig. Ich möchte dennoch Folgendes anfügen: Wenn das mit der Standortattraktivität begründet wird und damit, dass wir Rahmenbedingungen erhalten sollten, die für unsere Wirtschaft attraktiv sind, möchte ich Ihnen zu bedenken geben, dass wir massiv abbauen müssen. Wir können nicht einfach die Zitrone etwas mehr auspressen, vielmehr werden konkrete Leistungsangebote dranglauben müssen: beispielsweise Ausbildungsgänge an der Fachhochschule. Beispielsweise etwas, was im Grossen Rat ebenfalls schon eingebracht wurde: Wir müssen eben schauen, wie wir mit den Investitionen im Bereich des öffentlichen Verkehrs umgehen. Eventuell muss ein Ausbau des Bahnhofs Bern verschoben werden. Oder das Tram Bern Region kann nicht realisiert werden oder muss verzögert werden. Wenn wir so weit sind, dass wir so wichtige Infrastrukturinvestitionen nicht mehr vornehmen können oder verschieben müssen, dann schaden wir der Wirtschaft wesent- lich mehr, als wenn wir das Steuerniveau vorläufig auf dieser Höhe stehenlassen. Wenn sich die Rahmenbedingungen in finanzieller Hinsicht etwas verändert haben, kann man sehr wohl wieder darüber diskutieren. In absehbarer Zeit wird das leider nicht der Fall sein. Von daher empfehlen wir Ihnen, die beiden Motionen abzulehnen.

Sabine Kronenberg, Biel (glp). Schon vor dem letzten November haben wir die Weichen für diese Vorlage gestellt. Nun liegt die ergänzte Version vor. Wir befinden die zweite Vorlage für gut, auch wenn die Ergänzung mit dem irreführenden Titel «für Familien» nicht ganz im Sinn einer Fraktions- mehrheit war. Uns war schon damals klar, dass die Ablehnung dieser Ergänzung unliebsam und unpopulär wäre. Trotzdem sind wir grosso modo mit dem vorliegenden Text zufrieden. Besonders die Verquickung mit der Steuerstrategie begrüssen wir, damit man nicht nur mikropolitisch, sondern auch in den übergeordneten Zügen wirkt. Gerade im Finanzbereich kann man bekanntlich nicht oft genug betonen, wie wichtig strategische Herangehensweisen sind. Nur sie wirken mittel- und lang- fristig und sind keine kurzfristigen Feuerwehrübungen. Zudem finden wir auch die neue, präzisere Definition von Mitarbeiterbeteiligungen und vom Umgang damit wertvoll. Entsprechend begrüssen wir die Regelungen im Bereich Besteuerung nach dem Aufwand, die im letzten November formuliert wurden. Wir eingangs erwähnt, liegt aus unserer Sicht eine stichhaltige und auf gute Art bereinigte Fassung vor. Bei den Anträgen unterstützen wir diejenigen der Regierung, zum einen, weil wir sie moderater finden, zum andern, weil wir uns im Bereich SAK letzthin bereits so positioniert haben.

Zu den Motionen in Sachen Unternehmenssteuern nehme ich global Stellung. Zuerst ein kleiner Schritt zurück. Mit der letzten Unternehmenssteuerreform USTR II wurden auf Bundesebene insbe-

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sondere kleine und mittlere Unternehmen steuerlich entlastet. Um der Attraktivität der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb zu stärken, beschloss der Bundesrat weitere Reformschritte in der Unternehmensbesteuerung. Zum Beispiel sollen die Emissionsabgaben auf Eigenkapital abge- schafft und weitere Steuerlasten für Unternehmen reduziert werden. Geeignete Anpassungen der kantonalen Steuerstatus für Holding- und Verwaltungsgesellschaften sollen gleichzeitig die interna- tionale Akzeptanz des Steuersystems stärken. In- und ausländische Erträge dieser Gesellschaften sollen künftig gleich behandelt werden. Seit Dezember 2008 hat die EFD eine entsprechende Ver- nehmlassungsvorlage zu erarbeiten. Daraus nur ein Beispiel für die Kantone: Eine Angleichung der Gewinnbesteuerung zwischen den Kantonen wäre fatal. Das hat die EFD-Arbeitsgruppe nachge- wiesen. Hingegen will man beispielsweise die Holdingprivilegien und die Domizilgesellschaften ab- schaffen. So ist zumindest der aktuelle Stand. Weitere Massnahmen werden geprüft, man ist also dran. Ich kann nachvollziehen, dass man hier einen Pflock für Unternehmen und insbesondere für den Standort Bern einschlagen will. Dennoch halte ich und mit mir die glp-CVP-Fraktion ein Verzet- teln in Einzelmassnahmen für unseriös. In Massnahmen, die in eine bundesweite Stossrichtung eingebettet sind, sehen wir mehr Sinn und Zusammenhang. Deshalb kann ich kurz und zusammen- fassend für die glp-CVP-Fraktion sagen: Es gibt bereits ein Bundesprojekt, das dieser Thematik begegnet. Man ist daran, zusammen mit den Kantonen eine Lösung zu finden. Wir unterstützen die Motionen höchstens als Postulat, weil wir die Problematik grundsätzlich natürlich anerkennen. Eine Prüfung kann sich nur lohnen und dünkt uns hier gleich zielführend.

An dieser Stelle werden die Beratungen unterbrochen.

Schluss der Sitzung 16.29 Uhr.

Die Redaktorinnen:

Priska Vogt (d)

Catherine Graf Lutz (f)

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