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Archiv "Sprengel Museum Hannover: „Die Trümmer in meinen Träumen“" (25.05.2001)

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V A R I A

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A1406 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 21½½25. Mai 2001

A

uf den Schlachtfeldern von Verdun/ finden die Toten keine Ruhe./

Täglich dringen dort aus der Erde/ Helme und Schädel, Schenkel und Schuhe.“ So der Beginn von Erich Kästners

„Verdun, viele Jahre später“.

Diese Zeilen drängen sich un- willkürlich bei Betrachtung des Radierzyklus „Der Krieg“ von Otto Dix auf. Er war Zeit- zeuge der Gemetzel, des (Ab-) Schlachtens während des Er- sten Weltkrieges an 27 ver- schiedenen Frontabschnitten, in Schützengräben als Maschi- nengewehr-Stoßtruppenführer.

„Ich bin eben Wirklichkeits- mensch. Alles muss ich sehen.

Alle Untiefen des Lebens muss ich erleben. Deswegen gehe ich in den Krieg.“ (Otto Dix)

E

rst 1923 war er fä- hig, die ihm damals wi- derfahrenen Traumen künstlerisch aufzuarbeiten.

Sein fünfzig Blatt (fünf Map- pen) umfassendes Radierwerk

„Der Krieg“ zeigt keine natu- ralistische Wiedergabe des Krieges. Es zeigt vielmehr „ei- ne zur Metapher menschlicher Brutalität verdichtete Hyper- realität“. Der Begriff Karika- tur verbietet sich bei dieser Thematik, der millionenfa- chen sinnlosen Tode. Es ist ein Nekrolog, exemplarisch durch

„Residuen“ verschiedenster Individuen dokumentiert. Wo- zu sich geradezu die von Dix meisterlich beherrschten Tech- niken, Ätzverfahren, Kaltna- delradierung und Aquatinta- verfahren aufdrängten. Er gibt Relikte, vom Krieg Übrigge-

bliebenes, Übrigbleibendes wieder, „Zustände, die der Krieg hervorgerufen hat, und die Folgen des Krieges“. Des Krieges, politisch angeordne- ten Menschenmordens: ge- stern, heute und morgen. Der Tod steht im Mittelpunkt des Zyklus: Erstarrte (Giftgas-) Tote, verwesende Leichen, zerfetzte Körper. Unendliche Trümmerfelder, unzählige Bombentrichter bilden ebenso deren Lebens(?)raum wie marode Schützengräben.

Mit einigen Werken der Mappe 4 ergänzt Dix das ei- gentliche Thema „Krieg“ um einen „zivilen“ Aspekt: weg von den bizarren Körpern auf den Schlachtfeldern und in der Erde hin zu Soldaten, die

käufliche Liebe suchen, zu Kneipen, Essen und Trinken fern der Front. Hierzu gehört auch die Darstellung des Ver- suchs einer Rekonstruktion eines zerfetzten Gesichtes, das, seiner Identität beraubt, durch eine Transplantation und dadurch neu geschaffene Defekte, wiederhergestellt werden soll.

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nter den (nicht allzu häufig im Original zu sehenden) Blättern be- finden sich nur wenige Kampfszenen, etwa: „Lens wird mit Bomben belegt“,

„Sturmtruppe geht unter Gas vor“ und „Überfall einer Schleichpatrouille auf einen Grabenposten“. Allesamt Vanitasdarstellungen des 20.

und folgender Jahrhunderte!

Dix, der alles erlebt hatte, was der erste moderne Krieg des letzten Jahrhunderts zu bieten hatte, sagte 1965: „Die Trüm- mer waren fortwährend in meinen Träumen . . . Ja, nach- dem man draußen alle diese Dinge ganz genau, brutal rea- listisch gesehen, als Zeichner und auch als Mensch regi- striert hatte, nicht als Literatur hingeschrieben, sondern er- lebt, mit den Augen aufge- nommen, mit der Nase gero- chen, mit allen Sinnen erlitten hatte – dann sah man eben auch, wenn man zurückkam, seine ganze Umgebung in die- sem Sinne. (. . .) Wenn es dar- auf ankommt, können Sie den Menschen groß und auch ganz klein sehen, sogar viehmäßig.

Das gehört zur Vollständigkeit seiner Anlage. . .“ „Auf den Schlachtfeldern von Verdun/

wachsen Leichen als Ver- mächtnis./ Täglich sagt der Chor der Toten: ,Habt ein bes- seres Gedächtnis‘“ So endet Kästners „Verdun, viele Jahre später“.

Dem Interessierten sei der Erwerb des Kataloges „Otto Dix: Der Krieg – Radierwer- ke 1924“ empfohlen, heraus- gegeben vom Verein August Macke-Haus. Er findet dort alle fünfzig Abbildungen und erfährt Wesentliches über de- ren Geschichte.

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er das Sprengel Mu- seum bis zum 24. Ju- ni besucht, hat bis dahin noch die Möglichkeit, sich dort die im Kontext zur Dix-Ausstellung stehenden Werke des italienischen Futu- rismus (1909 – 1918) anzu- schauen. Dr. med. Dr. med. dent.

Hans-Walter Krannich

Sprengel Museum Hannover

„Die Trümmer in meinen Träumen“

Otto Dix’ fünfzig Blatt umfassendes Radierwerk beschäftigt sich mit den Folgen des Krieges.

Rechts: Otto Dix: Toter Sappenpo- sten, Der Krieg, Blatt 18, 1924, Ra- dierung, Blatt: 35 x 47 cm Oben: Otto Dix: „Schädel – Der Krieg“, Blatt 31, 1924, Radierung:

Blatt: 35 x 47 cm

Die Ausstellung: „Otto Dix – Der Krieg“ ist bis zum 12.

August dienstags von 10 bis 20 Uhr, mittwochs bis sonn- tags von 10 bis 18 Uhr zu besichtigen. Montags ge- schlossen. Sprengel Muse- um Hannover, Kurt-Schwit- ters-Platz, 30169 Hannover, Telefon: 05 11/1 68-4 38 75, Telefax: 05 11/1 68-4 50 93, Internet: www.sprengel- museum.de

Feuilleton

Fotos: Sprengel Museum

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