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Archiv "Ärzte unterstützen Wiederaufbau" (25.01.2002)

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Behandlung des Öfteren zu derartigen Situationen führt. Glücklicherweise kann mit den Mitarbeitern des irani- schen Halbmondes geklärt werden, dass es bereits seit Wochen eine Verein- barung mit dem UNHCR gibt, die die Kostenübernahme in solchen Fällen re- gelt.

Bemerkenswert sind die faszinieren- de ethnische Vielfalt der Patienten, aber auch die krassen Unterschiede, was den Gesundheits- und Ernährungs- zustand der Menschen angeht. Viele Kinder sind in einem außerordentlich schlechten Zustand. Besonders betrof- fen macht der apathische und depressi- ve Ausdruck der Mädchen und jungen Frauen. Sie wirken verloren, hilflos, oh- ne Hoffnung und Zukunft. Die Vergan- genheit, die fundamentalistische Ausle- gung des Islam den Frauen gegenüber, hat hier tiefe Wunden und Narben hin- terlassen, die durch keine medika- mentöse Therapie heilbar sind. Man kann nur ahnen, was sie erdulden muss- ten und vielleicht immer noch müssen.

Die medizinische Hilfe hat auch Symbolcharakter

Im Beisein der Ehemänner dürfen wir auch Frauen untersuchen. Zwar muss der Auskultationsbefund durch die dünne Kleidung erhoben werden, aber immerhin dürfen wir zumindest ansatz- weise so etwas wie eine körperliche Un-

tersuchung durchführen. Viele Frauen klagen über „whole body pain“, Ganz- körperschmerzen, die sicher in vielen Fällen auf eine psychosomatische Ge- nese hindeuten.

An unserem letzten Tag fegt ein mit- telschwerer Sandsturm über das Flücht- lingslager. Der Sand dringt durch jede Ritze im Behandlungszelt. Medika- mentendosen, Otoskop und Stethoskop sind mit einem feinen Sandschleier bedeckt. Auch am Körper spüren wir überall den Sand. Doch die Patienten harren unter schwierigsten Bedingun- gen vor dem Zelt aus, bis sie endlich an der Reihe sind.

Wir erfahren von den französischen Kol- legen von „Ärzte ohne Grenzen“, dass in der vergangenen Nacht im Lager zwei Kinder ge- storben sind. Ein weite- res Kind sei außerhalb des Camps erfroren. Sie wollen nun erneut mit der Lagerleitung und dem iranischen Halb- mond dringend not- wendige Verbesserun- gen erörtern und mas- siv einfordern. Wir wer- den die Kollegen in die- ser Zeit vertreten.

Was am Ende des Einsatzes bleibt, ist die Frage, ob unsere Tätig-

keit hier sinnvoll und nützlich war. Die Bilanz:

❃Die medizinische Versorgung dient in erster Linie der Existenzsicherung für einen gewissen Zeitraum in der Hoffnung, dass sich die grundlegenden Lebensumstände ändern werden. Vor Ort hat diese Form der ärztlichen Ver- sorgung nur Sinn, wenn parallel präven- tiv gearbeitet wird. Die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln muss ge- währleistet sein. Verbessert werden müssen die hygienischen Verhältnisse.

Es muss ausreichend viele Latrinen und Waschmöglichkeiten geben. Die Men- schen müssen über hygienische Stan- dards aufgeklärt werden. Ein Gesamt- konzept notwendiger Maßnahmen muss erstellt und in Absprache mit den vor Ort tätigen Hilfsorganisationen um- gesetzt werden. Kommunikation und

Kooperation sind notwendig, Konkur- renz hat hier keinen Platz.

❃Der Symbolcharakter humanitärer Hilfe vor Ort, die persönlichen zwi- schenmenschlichen Begegnungen sind ebenfalls bedeutsam. Die Erfahrung, dass Menschen von sehr weit her ge- kommen sind, um den allzu oft zu schnell vergessenen Opfern von Krieg und Terrorismus in ihrer fast unerträgli- chen Lebenssituation zu helfen, hat für sich allein genommen schon einen Stel- lenwert.

❃Dass Christen nicht nur mit Gewalt assoziiert werden, sondern auch mit

dem Versuch, Muslimen in ihrer Not zu helfen, ist mehr als ein Symbol. Das wurde uns in vielen Gesprächen immer wieder bestätigt.

❃ Die Menschen in Europa und Nordamerika für die Lebenssituation der afghanischen Bevölkerung zu sensi- bilisieren ist immer wieder aufs Neue sinnvoll und notwendig.

Es bleibt die Frage, ob man mit Ste- thoskop (medizinischer Versorgung) und Kreidetafel (Bildung) nicht mehr gegen die Wurzeln des Terrorismus aus- richten kann als mit Gewehrkugeln und Bomben.

Prof. Dr. med. Gerhard Trabert Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg University of Applied Sciences

Bahnhofstraße 87 90402 Nürnberg

E-Mail: gerhard.trabert@fh-nuernberg.de T H E M E N D E R Z E I T

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A178 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 4½½½½25. Januar 2002

Ärzte unterstützen Wiederaufbau

Der Afghanisch-Deutsche Ärzteverein leistet seit 1997 humanitäre Hilfe in Afghanistan. Ziel ist es, vor allem die medizinische Versorgung der Frauen und Kinder zu verbessern. Seit 1999 unterstützt der Verein eine von ihm gegründete Mutter-Kind-Klinik in Jalal-Abad mit Geld und medizinischen Geräten und will sich jetzt auch beim Wiederaufbau des Ge- sundheitssystems in Afghanistan engagieren. Dafür benötigt der Verein die Hilfe der in Deutschland le- benden afghanischen Ärzte. Mit Unterstützung der deutschen Behörden soll medizinisches Fachperso- nal für begrenzte Zeit in Afghanistan eingesetzt werden. Der Verein ist für seine Arbeit dringend auf Spenden angewiesen. Kontakt: Afghanisch-Deut- scher Ärzteverein e.V., Kaiser-Joseph-Straße 205, 79098 Freiburg, Telefon: 07 61/27 27 12, Fax:

2 02 48 35, Internet: www.adav.de, Spendenkon- to: Sparkasse Freiburg, BLZ: 680 501 01, Konto:

2 308 638 EB

Der überwiegende Teil der Lagerflüchtlinge sind Kinder. Um ihre Versorgung kümmert sich hauptsächlich „Ärzte ohne Grenzen“.

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