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Archiv "Langenbeck-Virchow-Haus: Erneut zum Leben erweckt" (28.10.2005)

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A

ls die Deutsche Gesell- schaft für Chirurgie (DGCH) 1872 gegrün- det wurde, formulierten die Ärzte eine Aufgabe: Sie woll- ten „die chirurgischen Ar- beitskräfte einigen“. Heute, ein gutes Jahrhundert später, erhält dieser Vorsatz eine be- sondere Bedeutung. Vor dem Hintergrund der neuen Wei- terbildungsordnung mit ei- ner gemeinsamen Basisausbil- dung aller chirurgischen Spe- zialfächer vereint die neue Satzung alle chirurgischen Mitgliedsgesellschaften unter dem Dach der DGCH. Seit dem 1. Oktober 2005 existiert dieses Dach jedoch nicht nur gedanklich, sondern auch räumlich. Denn an diesem Tag wurde das Langenbeck- Virchow-Haus in Berlin-Mit- te wiedereröffnet. Das 7 000 Quadratmeter umfassende

„Zentrum der Medizin“ be- herbergt neben der DGCH und den chirurgischen Mit- gliedsgesellschaften die Ber- liner Medizinische Gesell- schaft (BMG) sowie unter an-

derem die Arbeitsgemein- schaft der Wissenschaftlich- Medizinischen Fachgesellschaf- ten und die forschende Medi- zintechnologiefirma Braun/

Aesculap.

Kostbare Einrichtung

Mit dem Haus an der Luisen- straße haben die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Berliner Medizinische Ge- sellschaft nicht nur ein eini- gendes Dach über dem Kopf erhalten. Sie haben auch ihren historischen Sitz wieder erhal- ten. 1913 für die beiden Fach- gesellschaften gebaut und 1915 eingeweiht, diente ihnen das Haus bis zum Zweiten Weltkrieg als repräsentativer Sitz und Tagungsgebäude.

Jährlich fand hier der deut- sche Chirurgenkongress statt.

Der 500 Zuhörer fassende Hörsaal erlebte Vorträge von bedeutenden Chirurgen, wie August Bier, Ferdinand Sauer- bruch und Erich Lexer. Die BMG, gegründet 1860 von dem berühmten Ophthalmo-

logen Albrecht von Graefe und dem Chirurgen Burkhard von Langenbeck, informierte hier bis 1945 im Abstand von zwei Wochen die Berliner Ärzte zu aktuellen medizinischen und standesbezogenen Themen.

Mit Kriegsende besetz- te die sowjetische Militär- behörde das Langenbeck- Virchow-Haus. In dieser Zeit geht ein Großteil der kostbaren Einrichtung, wie Gemälde, Büsten berühmter Ärzte, Gestühl sowie 250 000 Bücher, ver- loren. 1949 übergaben die sowjetischen Besatzer das Haus der Regierung der DDR, die die beiden Gesellschaften zwang, das Haus an sie zu verpach- ten. Damit erlebte das Langenbeck-Virchow- Haus einen zweiten, hi- storischen Höhepunkt. In sei- nem Hörsaal konstituierte sich das Parlament der DDR, die Volkskammer, und tagte hier bis 1976. 1953 wurde hier der erste Präsident des Arbei- ter- und Bauernstaates, Wil-

helm Pieck, gewählt und 1955 die Nationale Volksarmee der DDR ausgerufen. Aufgrund dieser „Inanspruchnahme“

nach der Aufbauordnung der DDR trug die Regierung das Haus in das Grundbuchamt als „Eigentum des Volkes, Rechtsträger Sekretariat der Volkskammer“ ein. Die Zah- lung einer Entschädigung an die Gesellschaften wurde 1963 abgelehnt.

Mit der politischen Wende 1989 schien sich erstmals die Rückgabe des Hauses an die Eigentümergesellschaften DGCH und BMG anzubah- nen. Eine neu gegründete Lan- genbeck-Virchow-Haus-GbR leitete deshalb ein Restituti- onsverfahren beim Landesamt zur Regelung offener Ver- mögensfragen ein. Unerwartet lehnten das Amt 1994 und auch die Widerspruchsbe- hörde die Rückübertragsan- sprüche ab. Begründung: Mit der Inanspruchnahme nach der Aufbauverordnung der DDR sei das Haus seinerzeit in das Eigentum des Volkes übergegangen. Das Haus schien für die beiden Gesell- schaften verloren.Der Berliner Senat übertrug das Gebäude der Charité und bot den frü- heren Eigentümern lediglich eine gemeinsame Nutzung an.

Ein Zufall brachte schließ- lich die Wende: Nach intensi-

ver Suche im Archiv des Deutschen Bundestages fand die GbR alte Dokumente der DDR-Volkskammer. Ein ein- zelnes A4-Blatt darunter do- kumentierte, dass das Lan- genbeck-Virchow-Haus für A

A2956 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 43⏐⏐28. Oktober 2005

Langenbeck-Virchow-Haus

Erneut zum Leben erweckt

60 Jahre nach Kriegsende ist der damalige Sitz der

Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Berliner Medizinischen Gesellschaft in Berlin wieder ein Zentrum der Medizin.

Feuilleton

Auch der Hörsaal wurde revitalisiert.

Das „Tageslicht“ ist jetzt künstlich.

Fotos:Langenbeck-Virchow-Haus

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V A R I A

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 43⏐⏐28. Oktober 2005 AA2957

die Zwecke der Volkskam- mer umgebaut wurde – und zwar vor der Enteignung.

2003 urteilte das Verwal- tungsgericht Berlin darauf- hin, dass das Gebäude an die beiden ursprünglichen Ei- gentümergesellschaften rück- zuübertragen sei.

Die Revitalisierung – die Architekten sprechen bewusst nicht von Restaurierung – konnte beginnen. Der Bau nahm ein Jahr in Anspruch (September 2004 bis Septem- ber 2005). „Wir haben Altes wiederhergestellt und an die heutige Zeit angepasst“, er- klärt Projektleiter Ulrich Baumann. Dies sollte in einer Umgebung geschehen, die an Altes erinnert, jedoch nicht antiquiert wirkt. So wurden beispielsweise die Räume im Erdgeschoss wieder so aufge-

teilt wie zu damaligen Zeiten.

Auch den Hörsaal des Lan- genbeck-Virchow-Hauses hat die Projektleitung in seinen ursprünglichen Zustand von 1915 zurückversetzt. Bauzeit- liche Formen und fehlende Verkleidungen wurden im Originalstil reproduziert und Farben und Blattgold neu aufgetragen. Ganz besonde- res Augenmerk legte die Pro- jektleitung auf die Decke des Hörsaals. Diese bestand früher aus Glas und wurde so natürlich beleuchtet. Die heu- tige Decke ähnelt der frühe- ren zwar sehr. Das einfallen- de Licht ist jedoch künstlich, da das Gebäude um zwei Stockwerke erweitert wurde und kein Tageslicht mehr ein- fallen kann. Die Konstrukteu- re verwendeten stattdessen Sicherheitsgläser mit Tages-

lichthinterleuchtung. In da- durch gewonnenen Räumen im vierten und fünften Ober- geschoss sollen sich künftig Tausende von Ärztinnen und Ärzten fortbilden. Auch die Nähe zur Charité, zum Max- Planck-Institut für Infekti- onsbiologie und zum Deut- schen Rheuma-Zentrum soll den Gesellschaften zufolge dazu beitragen, „Wissensströ- me im Haus zu bündeln“.

Internationale Tagungen Wie in früheren Jahren plant die Berliner Medizinische Ge- sellschaft, ihre traditionellen Fortbildungsaktivitäten wei- terzuführen. „Ich bin davon überzeugt, dass das Langen- beck-Virchow-Haus auch für internationale Tagungen und Seminare ein guter Standort

ist“, betont der BMG-Vorsit- zende Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut Hahn. Denn Berlin sei auch für osteuropäische Ärzte gut zu erreichen, deren Nachhol- bedarf historisch bedingt be- sonders groß sei. Auch Prof.

Dr. med. Michael Ungethüm, Geschäftsführer vom Aesculap setzt bei den Weiter- und Fort- bildungen der Akademie auf die Strahlkraft der Hauptstadt:

Berlin sei eine Stadt, die zum

„Dialog in der Welt der Medi- zin“ einlade und in der „Trends entstehen und Zeichen gesetzt werden“, gibt sich der Vorsit- zende der Geschäftsleitung der Aesculap AG überzeugt. Erst- mals „strahlen“ kann das neue Medizinzentrum am 28. Okto- ber – bei der Verleihung des Robert-Koch-Preises.

Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann Martina Merten

S

chwülheiße Luft liegt über dem Voltadelta. Die Wellblechdächer des Hos- pitals bieten zwar Schatten vor der Äquatorsonne, heizen aber die Luft im Wartebe- reich der Ambulanz noch weiter auf. Patienten dösen auf Holzbänken vor sich hin, bis sie zur Behandlung aufge- rufen werden. Eine jüngere Patientin, eingehüllt in die bunten Stoffe Westafrikas, hat bei der Anmeldung „Un- terleibsschmerzen“ angege- ben, wird als minder schwerer Fall eingestuft und wartet vor der Tür des Medical Assis- tant. Als sie nach Aufruf in den kahlen Raum tritt, wird sie kurz nach ihren Sympto- men befragt, und der Assis- tant kommt rasch zu Diagno- se und Therapie: PID (pelvic inflammatory disease), also Antibiotika und Paraceta- mol. Ist es beiläufige Höflich- keit oder der irritierende An- blick der stehenden Frau, die augenscheinlich Schmerzen hat, ihr wird jedenfalls ein Stuhl angeboten: „Bitte set- zen Sie sich.“ „Das geht nicht wegen der Hand“, erklärt die Frau kleinlaut. Assistant und Schwester stutzen: „Wegen welcher Hand?“ „Ja, die da unten!“ Den Assistant be-

schleicht eine dumpfe Ah- nung, dass hier ein Problem besteht, das eher der Doktor lösen sollte, und wechselt in mein Ambulanzzimmer:

„Doktor, können Sie mal eine Patientin sehen, da ist etwas nicht in Ordnung mit dem Unterleib.“

Ein Arzt für alles

Folgendes stellt sich heraus:

Die Schwangerschaft ging wohl aus einem außerehelichen Ver- hältnis hervor und war daher unter größtmöglicher Ge- heimhaltung ausgetragen wor- den. Zwei Tage zuvor war die Fruchtblase geplatzt und eine Hand zum Vorschein gekom- men. Die junge Frau berichte- te erst am nächsten Tag ihrer Mutter davon. Ein Besuch im

Krankenhaus wurde in Erwä- gung gezogen, aber dafür muss- te erst Geld und eine Fahr- gelegenheit mit dem Busch- taxi organisiert werden, das braucht Zeit . . . Einen Tag später steht die Frau vor mir, und bei der Untersuchung wird das ganze Desaster offen- bar: eine bläulich verfärbte Faust hängt aus der Vulva, schon hat sich auf dem Hand- rücken eine Hautblase gebil- det. Zugegebenermaßen: Ich bin nicht gut im Hören kindli- cher Herztöne – gehört habe ich sie jedenfalls nicht –, auch keine Kindsbewegungen zu spüren, kein Sonogerät weit und breit.

Bei der Diagnose Armvor- fall bei intrauterinem Frucht- tod rät die tropenchirurgische Literatur in Afrika zu einer

destruierenden Operation: das tote Kind bergen, Sectio ver- meiden wegen der Gefahr der Narbenruptur bei der nächsten Schwangerschaft.

Aber ich habe keine Blond- Heidler-Säge oder einen Simp- son-Perforator. Also doch Sectio, um einer Uterusruptur zuvorzukommen. Alle be- kommen Bescheid: die Me- chaniker vom Generator- häuschen, das OP-Team, die Hebammen – aber alles ohne Eile wie sonst, da ist ja kein Segen mehr drin.

Die Spinale gesetzt, gewa- schen, dann an den Tisch: ein Arzt für alles. Ein sonder- bares Gefühl der Frustra- tion: der falsche Eingriff am falschen Patienten. Die Entwicklung des Kopfes ist schwierig, aber irgendwie ge- lingt sie doch. Und dann der Schrei, das typisch quäkende Rabäääh eines Neugebore- nen. Wir trauen weder Augen noch Ohren, aber ohne Zwei- fel: das Kind lebt, und zwar ziemlich lautstark. Zehn Tage später werden Mutter und Kind wohlauf entlassen, auch die blaue Faust ist wieder rosig. Die Mutter hat ihrem Kind einen Namen gege- ben: „Wonderful“.

Dr. med. Martin Joos

Seit 2003 veröffentlicht das Deutsche Ärzteblatt regelmäßig Arztgeschichten – zunächst aus der Literatur, seit Heft 3/2004 vorwiegend Beiträ- ge aus der Leserschaft.

WonderfuI

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