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Archiv "Im „Haus der Engel“: Medizinische Betreuung auch für die Bevölkerung" (24.09.1993)

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des Mittelohres sowie diverse, weit fortgeschrittene Turnare bilden das Raupt-Aufgabengebiet des HNO- Arztes, zu dessen Diagnostik endo- skopische Untersuchungen, Ohrmi- kroskopie sowie Audiometrie gehö- ren.

..,.. Die Gynäkologie wird von ei- nem der 13 Sanitätsoffiziere der Re- serve geleitet; seine diagnostischen Möglichkeiten umfassen Sonogra- phie, Laparoskopie, Pelviskopie so- wie mikroskopische Beurteilung von Abstrichen.

..,.. Dermatologie- und Venerolo- gie - von den Behandlungszahlen her sollten die beiden Fachbezeichnun- gen eigentlich in umgekehrter Rei- henfolge aufgeführt werden. Unspe- zifische Urethritis und Gonorrhoe sind die beiden häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Aber auch Pyoderrnien und Skabies sind täglich erhobene Diagnosen, letztere vor allem bei den einheimischen Pa- tienten, die rund 10 Prozent der Kranken stellen.

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BLICK INS AUSLAND

..,.. Ostheosynthese von Kiefer- frakturen und plastische Korrekturen von Gesichtsverletzungen sind Her- ausforderungen für die beiden Zahn- ärzte, die darüber hinaus auch des- halb häufig frequentiert werden, weil einige Länder ihre Soldaten mit sehr sanierungsbedürftigem Zahnstatus in die Blauhelm-Mission entsandt ha- ben.

..,.. Im Labor bilden parasitologi- sche Stuhluntersuchungen, Untersu- chungen von Blutausstrichen auf Ma- laria und Kontrolle der Trinkwasser- hygiene die Besonderheiten dieses Einsatzes.

..,.. 15 bis 20 Tonnen Sanitätsma- terial verbraucht das Deutsche Hos- pital Phnom Penh pro Monat. Dem Apotheker stellt sich nicht nur die Aufgabe der Medikamentenbeschaf- fung; auch alles andere Sanitätsmate- rial wird hier umgeschlagen. So wer- den, da eine Reparatur oder der Er- satz von defekten Geräten im Land selbst meist unmöglich sind, nahezu alle wichtigen Geräte als Reservebe-

Im "Haus der Engel"

Medizinische Betreuung auch für die Bevölkerung Ich hatte die Frage gefürchtet -

und da kam sie, auf dem Flughafen von Phnom Penh, von einem sympa- thischen indonesischen UNTAC-Sol- daten in seinem grünen Tarnanzug.

Wir warten auf unseren Abflug, in glühender Hitze und beträchtlichem Lärm: eine dunkelgrün gestrichene Transportmaschine (ohne Hoheits- zeichen) geht an den Start; aus einer französischen Maschine quellen gro- ße Mengen an Soldaten heraus (bei den Franzosen war Kontingentwech- sel); unsere Luftwaffen-Boeing wird mit dem Gepäck der zurückkehren- den Soldaten beladen; ein UNTAC- Wasserwerfer kurvt herum; im Hin- tergrund dutzende von weiß gestri- chenen Hubschraubern der UNT AC

- und da fragt mich dieser Indone- sier: "And when are you Germans going to open up a "House of An- gels" in Bosnia ?"

Glücklicherweise brauchte ich ihm die verfassungsrechtlichen Pro-

bleme im Zusammenhang mit Artikel 24 und Artikel 87 a des Grundgeset- zes nicht zu erklären, denn er ver- stand meinen Hinweis auf die psy- cho-politischen Gründe, aus denen zum Beispiel auch die USA sich nicht mit eigenen Soldaten an der UNO- Truppe in Kambodscha beteiligen.

Und es wiederholte sich die Beob- achtung, die man in Gesprächen mit deutschen und anderen Soldaten in Phnom Penh bereits gemacht hatte:

Ein erstaunlich hoher politischer Bil- dungsgrad. Es gibt nur eins, was noch mehr zu bewundern ist: Das ist die schier unglaubliche Motivation.

Auch die Offiziere betonen immer wieder die hohe Einsatzbereitschaft und Improvisationsgabe der deut- schen und anderen Sanitätssoldaten, die in dem ungewohnten Klima und dem keineswegs zweckmäßigen Ge- bäude (ein ehemaliges Dozenten- Wohnheim der Universität Phnom Penh) ein Lazarett aufgezogen ha- Ar2456 (32) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993

stand noch einmal geführt, um konti- nuierliche Arbeit zu gewährleisten.

Von der guten Logistik der Deut- schen profitieren auch andere an der Blauhelm-Mission beteiligte Natio- nen; sie beziehen Teile ihres Sani- tätsmaterials ebenfalls aus der deut- schen Apotheke.

Ein Fazit der ersten Monate:

Fachliche Herausforderungen stellen sich den Ärzten im Deutschen Hospi- tal Phnom Penh täglich neu; ihre er- folgreiche Bewältigung unter völlig anderen Arbeitsbedingungen und die internationale Zusammenarbeit bei der bisher größten UN-Mission füh- ren zur Zufriedenheit bei der Arbeit.

Freude am Helfen ruft die Dankbar- keit der kambodschanischen Bevöl- kerung hervor, die aus allen Teilen des Landes das Deutsche Hospital ansteuert, eines Landes, das sich nach zwanzig Jahren Krieg nichts an- deres wünscht, als endlich in Frieden zu leben.

Stabsarzt Dr. med. Stefan Eßer, Phnom Penh

ben, dessen Leistungsfähigkeit nun- mehr dem eines deutschen Kreis- krankenhauses kaum noch nachsteht.

Dabei sind selbst Dinge wie eine re- gelmäßige Versorgung mit Elektrizi- tät und Wasser keineswegs selbstver- ständlich; immer wieder erzählt wird die Geschichte der ersten Augenope- ration, bei der ein Sanitätssoldat das benötigte Glasauge schließlich schlicht und einfach auf dem Markt in Phnom Penh kaufte; Duschen gibt es nur in einem Zelt, das zweimal am Tage für die weiblichen Soldaten re- serviert werden muß; und wegen der politischen Spannungen im Zusam- menhang mit der Wahl mußten in den letzten Wochen auch die Aus- gangsmöglichkeiten eingeschränkt werden (in Phnom Penh herrscht ab 22 Uhr Ausgangssperre, auch für die Zivilbevölkerung).

Es ist bekannt, daß der eigentli- che Auftrag der sanitätsdienstliehen Versorgung der UNTAC-Soldaten schon bald ausgeweitet werden muß- te. Am Anfang stand die Überlegung, daß die im Pariser Abkommen ver- einbarte Entwaffnung der nicht weni- ger als vier "Privatarmeen" in Kam- bodscha sanitätsdienstlich betreut

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THEMEN DER ZEIT

werden mußte. Außerdem war vor- auszusehen, daß 8 000 UNO-Fahr- zeuge Unfälle unter der Zivilbevölke- rung verursachen würden; so wurden auch deren Opfer zu „Berechtigten"

erklärt Daß ein Sanitätssoldat der UNO bei Gefahr für Leib und Leben niemanden zurückweist, stand schon in den Richtlinien der Vereinten Na- tionen. Und so kommt es, daß die Wachkompanie für das deutsche La- zarett in Phnom Penh, die von den Ghanesen gestellt wird, inzwischen Anweisung hat, pro Stunde 15 kam- bodschanische Zivilisten einzulassen, die in der sogenannten „Hütte" — ei- ner für diesen Zweck errichteten Ambulanz — von zwei Ärzten unter- sucht und behandelt werden; das macht 120 bis 150 Patienten am Tag, die dem deutschen Lazarett in Phnom Penh inzwischen den Ehren- titel „Haus der Engel" eingebracht haben. Wobei es nicht so sehr „engel- haft" zugeht: Man muß nämlich auf- passen, daß die einheimischen Pa- tienten die ihnen verabreichten Ta- bletten auch wirklich einnehmen — sonst landen sie in kürzester Zeit auf dem Markt in Phnom Penh.

Es geht einem der Gedanke durch den Kopf, ob sich die ausländi- schen Soldaten nicht wie eine Besat- zungsmacht vorkommen und sich auch so gerieren: Sie sind körperlich größer gewachsen als die meisten Kambodschaner, tragen Uniform, fe- ste Stiefel, eine Pistole, haben in ih- ren Fahrzeugen in dem von Ver- kehrsschildern, Verkehrsregeln und Ampeln offensichtlich völlig freien Phnom Penh natürlich die Überhand über den sonstigen Straßenverkehr.

„Alte Hasen" erklären einem den

„Fortschritt" in Phnom Penh am Straßenbild: Es wird viel gebaut, die Müllberge werden kleiner (eine funktionierende Müllabfuhr gibt es bisher ebenso wenig wie etwa Strom- rechnungen), aber die durchschnittli- che Zahl der Passagiere pro Moped ist seit dem Eintreffen der UNTAC von fünf bis sieben auf etwa drei zu- rückgegangen — die Zahl der „Zwei- Moped-Familien" wächst. Im Ge- spräch weisen sie alle den Vorwurf der „Besatzungsmacht-Mentalität"

zurück, sondern bekennen sich zu ih- rer Verantwortung gegenüber die- sem geplagten Volk. Wo sie Macht

BLICK INS AUSLAND

ausüben können, um diesem Volk zu helfen, da tun sie es. So hat der deut- sche Oberstarzt als Chief Medical Officer kurzerhand seine eigene Straßenverkehrsordnung für die 16 000 UNTAC-Soldaten eingeführt:

Höchstgeschwindigkeit in Phnom Penh 40 km/h (mehr erlauben die Schlaglöcher sowieso kaum), Alko- holgrenze 0,6 Promille — und die er- sten UNTAC-Soldaten sind denn auch prompt schon ihren Führer- schein losgeworden.

Wertvolle Erfahrungen

Zwei andere Dinge sollen nicht unerwähnt bleiben. Das eine ist die Schwerfälligkeit der UNO-Bürokra- tie, über die insbesondere die Apo- theker Klage führen. Sämtliche Arz- neimittel müssen über die UNO über New York bestellt werden, die sie dann dort in der Welt einkauft, wo sie am billigsten zu haben sind — und das dauert und dauert und dauert.

Einige der nationalen Kontingente haben sich schlichtweg darüber hin- weggesetzt (so wie die Holländer, die Franzosen, die Pakistaner und die Bulgaren, die auch gleich ihre eige- nen Ärzte mitbrachten; da geht die Sache viel schneller). Für das deut- sche UNTAC-Kontingent stehen dem die haushaltsrechtlichen Vor- schriften entgegen. Hier lobt der deutsche Chief Medical Officer das Auswärtige Amt, das mit Hilfe einer Zuweisung von einer halben Million DM pro Jahr die Betreuung der kam- bodschanischen Zivilbevölkerung überhaupt erst möglich machte. Aus- gangspunkt war aber Japan, das die ganze Sache in Gang brachte mit ei- ner Arzneimittelspende von nicht weniger als 43 Tonnen.

Hier sei ein Seitenblick auf die Gesundheitsstatistik Kambodschas erlaubt. Die Arztdichte beträgt 1:15 600, die Zahnarztdichte 1:96 300; die Lebenserwartung für Männer 47, für Frauen 50 Jahre; die Säuglingssterblichkeit liegt bei 13,1 Prozent.

Das Zweite sind die Erfahrun- gen, die deutsche Sanitätsoffiziere und -soldaten in Kambodscha sam- meln konnten und die bei möglichen

künftigen Einsätzen dieser Art ande- ren zugute kommen werden — bis hin zu den Grenzfällen in der Medi- zin, die in Deutschland kaum noch denkbar sind. Man erinnert sich un- willkürlich an die Diskussionen über das Reizwort „Triage" bei Fortbil- dungskursen nicht nur der Bundes- wehr, sondern auch der Ärztekam- mern. In Phnom Penh sitzt minde- stens ein deutscher Sanitätsfeldwe- bel, der nun diesen Ernstfall einmal wirklich erlebt hat: vier Beatmungs- geräte, aber fünf Unfallopfer, und die Entscheidung: Bei wem wird abge- schaltet? (Darüber entscheiden drei Ärzte). Zwar steht, wie schon er- wähnt, der Flughafen Phnom Penh voll von UNO-Hubschraubern, für das ausgeklügelte System der medizi- nischen Evakuierung (im UN-Mili- tär-Jargon MEDEVAC) — aber: das nächste Kreiskrankenhaus ist eben nicht nur 17 km entfernt, sondern die nächstgelegene Maximalversorgung befindet sich in Bangkok, und dies ist per Düsenflugzeug eine Flugstunde entfernt. Jener junge Sanitätsfeldwe- bel hat jedenfalls dringend des Ge- spräches mit dem Militärpfarrer be- durft, der dem deutschen Lazarett in Phnom Penh zugeordnet ist — Er- fahrungen, die man niemandem wünscht, aber die vielleicht wer weiß wem einmal zugute kommen werden.

Ein letztes: Oberstarzt Dr. Fraps hat bereits grünes Licht, nach dem Ablauf des UNO-Mandats in Kam- bodscha ab 15. September 1993 alles, was dann noch übrig ist, nach eige- nem Gutdünken zu verteilen. Das deutsche Lazarett in Phnom Penh stellt zur Zeit einen Wert von 15 Mil- lionen DM dar. Haushaltsrechtlich ist es eigentlich unmöglich, daß der Bundesverteidigungsminister diesen Wert einfach verschenkt. Das Ent- wicklungshilfeministerium oder das Auswärtige Amt müßte es ihm ab- kaufen. Eine Hilfsorganisation wäre gefragt, die bereit ist, es zum Nutzen der Einwohner von Phnom Penh wei- terzubetreiben — was allerdings auch mit Problemen verbunden ist:

Wer kann mit den aus Deutschland stammenden Geräten umgehen? Wie wird die Ersatzteilversorgung gesi- chert? Offerten sind auf der Hardt- höhe in Bonn sicherlich willkom- men . . . Günter Burkart A1-2458 (34) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993

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