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Archiv "Pathogenese maligner Keimzelltumoren des Hodens" (09.09.2005)

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M

aligne Keimzelltumoren des Ho- dens (TGCT, „testicular germ cell tumours“) repräsentieren den häufigsten soliden Tumor des jun- gen Mannes zwischen dem 20. und 40.

Lebensjahr (15). Aus bisher ungeklär- ten Gründen steigt die Inzidenz in den USA und Europa kontinuierlich an und beträgt zurzeit in Deutschland et- wa 7,6 pro 100 000 männliche Einwoh- ner pro Jahr (3, 49). Welche auslösen- den Ursachen den TGCT zugrunde lie- gen, ist bisher unbekannt. Ob eine in- fektiöse Genese, etwa im Sinne einer Virusinfektion die Entstehung malig- ner Keimzelltumoren beeinflusst, ist noch ungewiss (18, 19). Auch die Ur- sprungszelle der TGCT ist ungeklärt.

Die meisten Forschungsergebnisse stim- men darin überein, dass TGCT entwe- der von primordialen Keimzellen oder von primären Spermatozyten hervor- gehen. Erstere stammen aus dem extra- embryonalen Mesoderm, gelten als

„Mutter aller Stammzellen“ und sind Vorläuferzellen von Gameten, die die Genitalorgane in der frühen Phase der Embryogenese besiedeln. Die Letztge-

nannten sind hingegen Abkömmlinge von Spermatogonien, besitzen eben- falls ein hohes Stammzellpotenzial, re- präsentieren jedoch unreife Keimzel- len in der ersten meiotischen Teilung (7, 12).

Ungeachtet dieser Debatte herrscht Übereinstimmung darüber, dass testi- kuläre intratubuläre Keimzellneopla- sien (IGCNU, „intratubular germ cell neoplasia unclassified type“) die Vor- läuferläsionen invasiver TGCT reprä- sentieren (37). Fangen die neoplastisch transformierten Keimzellen an, Tubuli seminiferi zu durchbrechen und das benachbarte Stroma zu infiltrieren, entwickeln sich invasive seminomatö- se und/oder nichtseminomatöse Keim- zelltumoren (embryonale Karzinome, Teratome, Dottersacktumoren und Chorionkarzinome). Dabei ist die Ent- stehung reifer Teratome wissenschaft- lich sehr interessant, weil diese in der

Regel aus aggressiven embryonalen Karzinomen hervorgehen, selbst aber aus unterschiedlichen, jedoch vollstän- dig ausdifferenzierten Zellpopulatio- nen bestehen. Dieses Phänomen weist darauf hin, dass die neoplastischen TGCT-Zellen über eine hohe Diffe- renzierungspotenz verfügen, die sich in einem geeigneten Entwicklungsfeld vollständig entfalten kann. Diese In- terpretation stimmt mit den Ergebnis- sen experimenteller Studien überein.

In-vitro-Experimente zeigten bei- spielsweise, dass Vitamin-A-Säure-De- rivate oder Valproat durch Aktivie- rung des Retinoidrezeptors oder durch Hyperacetylierung der Histonproteine zur Differenzierung embryonaler Kar- zinomzellen führen können (9, 17). In vivo wurde nachgewiesen, dass sich maligne Keimzellen eines pigmen- tierten Mäusestamms nach der Appli- kation in die Blastozyste einer Albi- nomaus in die innere Zellmasse der Empfängerblastozyste integrieren und vollständig ausdifferenzieren. Es ent- wickelt sich eine gesunde chimäre (graue) Maus (4, 32). Aus diesen Daten

Pathogenese maligner

Keimzelltumoren des Hodens

Stefan Schweyer1, Afshin Fayyazi2

Zusammenfassung

Die Inzidenz maligner Keimzelltumoren des Ho- dens (TGCT, „testicular germ cell tumours“) nimmt in Industrieländern aus bisher ungeklär- ten Gründen stetig zu. Dass eine Fehlentwick- lung der männlichen Genitale häufig mit malig- nen Keimzellneoplasien des Hodens korreliert, führte zur Hypothese des testikulären Dysgene- sie-Syndroms (TDS), dem angeborene chromo- somale Störungen (genetische Defekte wie 45,XO/46,XY) oder exogene Faktoren (Umwelt- faktoren wie Östrogenüberschuss) zugrunde liegen könnten. Das testikuläre Dysgenesie-Syn- drom führt zur Differenzierungsstörung von Keimzellen, die infolge aberranter epigeneti- scher Veränderungen maligne transformiert werden und so zur Entstehung von testikulären intratubulären Neoplasien (IGCNU, „intratubu- lar germ cell neoplasia unclassified type“) bei- tragen. Werden zusätzlich genetische Defekte erworben, gehen die intratubulären Neoplasien

in invasive maligne Keimzelltumoren des Ho- dens über. Um die Gefahr eines zweiten malig- nen Keimzelltumors im kontralateralen Hoden besser abschätzen zu können, sollten neben der Erfassung neoplastischer Keimzellen auch ande- re Manifestationsformen der testikulären Dys- genesie registriert und im histopathologischen Befund dokumentiert werden.

Schlüsselwörter: Keimzelltumor, Hodenkarzi- nom, Krebsentstehung, Pathogenese, moleku- lare Medizin

Summary

Pathogenesis of Malignant Germ Cell Tumours of the Testis

Malignant germ cell tumours (TGCT) of the testis are the most common solid malignancies of young men, the incidence of which has risen dramatically over the last century. The known

association of male reproductive abnormali- ties, such as cryptorchidism, and the develop- ment of testicular germ cell cancer leads to the hypothesis of testicular dysgenesis syndrome (TDS). According to this hypothesis TDS is aetiologically linked to chromosomal aberra- tions (e. g. 45,XO/46,XY) or exogenous factors leading to a disturbance of germ cell diffe- rentiation and hereby to the development of intratubular germ cell neoplasia (intratubular germ cell neoplasia unclassified type, IGCNU) consecutively. The progress of IGCNU to inva- sive TGCT depends on chromosomal aberrati- ons. To estimate the risk of a second TGCT in a contralateral testis, not only the neoplastic germ cells but also the different characteristics of the TDS should be documented in a histopa- thological report.

Key words: germ cell tumour, testicular carci- noma, development of cancer, pathogenesis, molecular medicine

1Abteilung Pathologie (Direktor: Prof. Dr. med. Heinz-Jo- achim Radzun), Georg-August-Universität, Göttingen

2Institut für Pathologie (Chefarzt: Priv.-Doz. Dr. med. Afs- hin Fayyazi), Städtisches Klinikum, Pforzheim

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kann gefolgert werden, dass der gene- tische Hintergrund von TGCT-Zellen trotz maligner Transformation immer noch intakt ist, sodass sie sich unter be- stimmten Entwicklungsbedingungen vollständig differenzieren und somit ihre maligne Potenz verlieren können.

Basierend auf dieser Schlussfolgerung stellt sich die Frage, wie maligne Keim- zellen bei fehlenden oder zumindest nicht biologisch relevanten chromoso- malen Aberrationen entstehen kön- nen.

Pathogenese intratubulärer Keimzellneoplasien

Eine fehlerhafte Entwicklung und man- gelhafte Funktion des männlichen Ge- nitalsystems korreliert mit malignen Keimzellneoplasien des Hodens. Hier- auf basiert die Hypothese des testi- kulären Dysgenesie-Syndroms (TDS,

„testicular dysgenesis syndrome“) (21, 34, 46). Es wird angenommen, dass TDS eine Grunderkrankung ist, die verschie- dene, klinisch und/oder morphologisch erfassbare Reproduktionsstörungen mit unterschiedlichen Schweregraden her- vorrufen kann. Zu Erscheinungsformen des TDS gehören funktionelle Störun- gen wie abnorme Spermatogenese, ana- tomische Fehlentwicklungen wie Hy- pospadie und Kryptorchismus, aber auch diverse histopathologische Verän- derungen von Mikrolithiasis bis hin zu malignen Keimzellneoplasien des Ho- denparenchyms (Tabelle) (21, 47). Der Zusammenhang dieser vielen Manife- stationen des TDS lässt sich am besten bei Patienten mit Intersexualsyndro- men (beispielsweise gemischte Gona- dendysgenesie: 45,X0, 46XY oder And- rogenresistenz) beobachten, bei denen überdurchschnittlich häufig Hypospa- die, Kryptorchismus und/oder TGCT vorkommen (1, 39, 45).

Chromosomal bedingte Intersexual- syndrome sind jedoch sehr selten, und ihre Inzidenz ist im Gegensatz zur Inzi- denz des TDS konstant, sodass sie nicht als Ursache testikulärer Dysgenesien infrage kommen können, zumal Pa- tienten mit TGCT und/oder anderen Erscheinungsformen des TDS meist ei- nen unveränderten Chromosomensatz aufweisen (47). Bei TGCT-Patienten

ohne Intersexualsyndrome stellten Hoei-Hansen und Kollegen bei 11,5 Prozent der Fälle eine signifikant ge- störte Spermatogenese fest. Interessan- terweise fanden sich in kontralateralen Hodenbiopsaten dieser Patienten rela- tiv häufig Tubuli seminiferi mit Mikro- kalzifikation (6 Prozent), undifferen- zierten Sertoli-Zellen (4,6 Prozent), Sertoli-Zellknötchen (13,8 Prozent) und/oder IGCNU (8,7 Prozent) (Abbil- dung) (21). Dies führte zur Annahme, dass die Ursachen des testikulären Dys- genesie-Syndroms primär nicht in gene- tischen Veränderungen im Sinne von Mutationen zu suchen sind. Stattdessen könnten eher aberrante epigenetische Modifikationen von so genannten CpG-Inseln und/oder Histonproteinen innerhalb unterschiedlicher DNA-Re- gionen mit konsekutiver Hoch- oder

Herunterregulation diverser Proteine, die eine Differenzierung von Keimzel- len beeinträchtigen und so zur Entste- hung von IGCNU beitragen, die Ursa- che sein. Im Zusammenhang mit dieser Hypothese zeigte sich, dass Methylie- rung von CpG-Inseln und Acetylierung von Histonproteinen nicht nur für die Differenzierung nichtneoplastischer Keimzellen, sondern auch für die Rei- fung maligner Keimzellen entscheidend sind (17, 48).

Es ist unbekannt, wie solche epige- netischen Modifikationen die Entste- hung von IGCNU im Einzelnen beein- flussen. Die Tatsache, dass große trans- kontinentale Unterschiede in der Inzi- denz von TGCT bestehen (10/100 000 Männer/Jahr in der Schweiz versus 0,6/100 000 Männer/Jahr in China) und die Zahl von Neuerkrankungen in rei- chen Industrieländern stetig zunimmt (5,5 im Jahr 1992 versus 7,6 im Jahr

2002 in Deutschland), spricht nach der Auffassung von Epidemiologen für die Rolle von exogenen Faktoren in der Pathogenese von IGCNU (3, 32, 47). Der wichtigste exogene Faktor scheint Östrogen zu sein. Ein relativer Überschuss an Östrogenen in der Frühschwangerschaft könnte die Ent- wicklung der Gonaden negativ beein- flussen. Infolgedessen werden Keim- zellen in ihrer normalen Differenzie- rung gestört. Dieser Differenzierungs- stillstand führt zur Entwicklung von IGCNU. In betroffenen Tubuli semini- feri verharren die undifferenzierten Keimzellen bis zur Pubertät, in der sie unter Einwirkung von Hormonen und anderen bisher unbekannten Kofakto- ren wie beispielsweise eine kalorien- reiche Ernährung im Kindesalter ihre maligne Transformation vollziehen

können (47, 51). Obwohl viele epide- miologische Studien einen Östrogen- überschuss oder eine kalorienreiche Ernährung im Kindesalter als Risi- ken identifiziert haben, konnten bisher keine experimentellen/klinischen Stu- dien nachweisen, dass diese exogenen Faktoren für den Anstieg der Inzidenz von TGCT tatsächlich ausschlagge- bend sind.

Pathogenese invasiver

testikulärer Keimzelltumoren

Ungeachtet dieser Debatte über epi- genetische Veränderungen bei der Entstehung von IGCNU und ihre Aus- löser konnten einige chromosomale Aberrationen festgestellt werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Übergang der IGCNU in invasive TGCT bedeutsam sein sollen. Ein kon-

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005 AA2405

´ Tabelle ´

Erscheinungsformen des testikulären Dysgenesie-Syndroms

Funktionelle Störungen abnorme Spermatogenese mit verminderter Samenqualität

Anatomische Fehlentwicklungen Hypospadie, Kryptorchismus Histopathologische Veränderungen Mikrolithiasis

unreife Tubuli seminiferi mit unreifen Sertoli-Zellen ausschließlich Sertoli-Zellen

Leydigzellknoten

testikuläre intratubuläre Neoplasien

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sistent vorkommendes Ereignis von in- vasiven TGCT scheint die Aberration des Chromosom 12 zu sein. So lässt sich in etwa 80 Prozent der TGCT eine Überpräsentation und in 8 Pro- zent der TGCT eine Amplifikation be- stimmter Regionen des kurzen Armes von Chromosom 12 (Isochromosom 12p) nachweisen. In etwa 40 Prozent der TGCT können auch Aberrationen des langen Armes von Chromosom 12 – häufig in Form einer Deletion in den Regionen 12q13 und 12q22 – ermittelt werden (10, 36, 38). Es wird vermutet, dass diese chromosomalen Aberratio- nen zur Proliferationsenthemmung und Apoptosedefizienz und somit zur

Vollendung der malignen Transforma- tion von Keimzellen beitragen. Tat- sächlich befinden sich auf Chromosom 12 wichtige Gene, die am Zellzyklus beteiligt sind wie Zyklin D2 und die Zyklin-abhängige Kinase (CDK, „cyclin dependent kinase“) CDK4, Onko- proteine wie K-ras und antiapopto- tische Proteine wie DAD-R (11, 22, 40, 46, 50, 54). Über welche Mechanismen diese von Chromosom 12 kodierten Gene in TGCT zur Proliferationsent- hemmung und Apoptosedefizienz der neoplastischen Keimzellen beitragen, wurde jedoch bisher nicht geklärt. Das zentrale Ereignis der Apoptosedefizi- enz in TGCT ist die Inaktivierung von

p53, das als funktionsloses Wildtyp- Protein in neoplastischen Keimzellen vorkommt. Der Funktionsverlust von p53 ist offensichtlich von Aberrationen des Chromosoms 12 unabhängig (Ab- bildung) (5).

Das Protein p53 ist ein Transkripti- onsfaktor, der bei DNA-Schädigung im Zellkern akkumuliert und durch Induk- tion des CDK-Inhibitors p21 zum Ar- rest in der G1-Phase des Zellzyklus führt. Wird der DNA-Schaden nicht korrigiert, aktiviert p53 den program- mierten Zelltod (Apoptose). Die Alte- ration (Deletion/Mutation) von TP53, dem p53-codierenden Gen, ist die häu- figste genetische Veränderung bei hu- manen Malignomen. Im Gegensatz da- zu weisen einige Malignome ein norma- les p53 auf, das aber durch eine Überex- pression von mdm-2 („murine double minute 2“) (55), einen fehlenden Trans- portmechanismus in den Zellkern (31) oder virale Proteine inaktiviert wird (16). Für TGCT konnte jedoch keiner der genannten p53-inaktivierenden Mechanismen nachgewiesen werden.

Hypothetisch kann die Inaktivierung von p53 in TGCT durch Proteine wie Zytokine hervorgerufen werden. So blockiert in Leukämie-Zelllinien Inter- feron-γ (IFN γ) die p53-vermittelte Apoptose (28, 29).

Ausgehend von diesen Befunden und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das IFN-γ-Gen auf dem langen Arm von Chromosom 12 liegt und mög- licherweise durch Aberrationen in die- sem Chromosom alteriert sein kann, un- tersuchten die Autoren die Expression von IFN γ und dessen Rolle bei der Apoptosedefizienz maligner Keimzell- tumoren. Es wurde nachgewiesen, dass die neoplastischen Keimzellen nicht nur IFN γexprimieren und sezernieren, son- dern auch durch die Induktion des CXC- Chemokins IP-10 auf Tumor-assoziier- ten Gefäßendothelien zur Rekrutierung IFN-γ-positiver T-Lymphozyten in den Tumor führen (41). Dagegen zeigten sich die malignen Keimzellen gegen- über dem endogenen IFN γresistent, so- dass IFN γ bei der Apoptosedefizienz von TGCT keine Rolle spielt (42). So bleibt die Verknüpfung zwischen chro- mosomalen Aberrationen und p53-In- aktivierung beziehungsweise Apoptose- defizienz in TGCT weiterhin ungeklärt.

Mikroskopische Erscheinungsformen des „testicular dysgenesis syndrome“ (TDS)

a) Mikrolithiasis (Pfeil) im Zentrum eines Hodenkanälchens mit reifen Sertoli-Zellen; b) undifferenzierte Tu- buli seminiferi (Pfeile) mit unreifen Sertoli-Zellen; c) Tubuli seminiferi mit Sertoli-cell-only-Syndrom; d) Ley- digzell-Knoten (Pfeil) in Nachbarschaft zu unreifen Tubuli seminiferi; e) Hodenkanälchen (Pfeil) mit einer in- tratubulären Keimzellneoplasie (IGCNU); f) invasiver Keimzelltumor (Pfeil) in der Nähe einer intratubulären Neoplasie

a

c

e

b

d

f

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Die hohe Relevanz der TGCT ist jedoch nicht nur auf ihren modellhaften Charakter für Differenzierungsstudien zurückzuführen, sondern vor allem darauf, dass TGCT eine der wenigen soliden Tumor- gruppen repräsentiert, die auch in fortgeschrittenen Sta- dien kurativ behandelt wer- den kann. Das Medikament, das die Prognose maligner Keimzelltumoren revolutio- nierte und die Überlebensrate von Patienten mit einem me- tastasierten Keimzelltumor von 5 Prozent auf 80 Pro- zent erhöhte, ist Cisdiammin- dichloroplatin (CDDP, Cis- platin, ) (14, 20). Obwohl be- kannt ist, dass CDDP durch Verknüpfungen innerhalb ei- nes DNA-Stranges („intra- stand cross linking“), zwischen

benachbarten DNA-Strängen (inter- stand cross linking) und zwischen DNA und Proteinen zur Blockade des Zellzy- klus und dadurch zur Apoptose von Tu- morzellen führt (13), existieren bisher wenige Untersuchungen zu den anti- proliferativen und proapoptotischen Signalpfaden, die durch CDDP beein- flusst werden. An murinen TGCT-Zell- linien aktiviert CDDP das Protein p53 und löst so eine p53-vermittelte Apop- tose aus (30). Obwohl einige Autoren postulieren, dass eine Transaktivierung von p53 auch für die CDDP-induzier- te Apoptose in humanen TGCT ver- antwortlich ist (8), fanden Burger und Mitarbeiter, dass die Ausschaltung der p53-Funktion in humanen TGCT-Zell- linien den Apoptose-induzierenden Ef- fekt von CDDP keineswegs beeinträch- tigt (6).

Daher wird vermutet, dass die zy- tostatische Wirkung von CDDP zumin- dest teilweise von p53 unabhängig ist.

Untersuchungen zu diesen p53-unab- hängigen Signalpfaden können sowohl zur genaueren Charakterisierung mög- licher Angriffsziele für chemotherapeu- tische Strategien als auch zur Auf- klärung molekularer Mechanismen bei- tragen, die durch eine pathologische Blockade oder Aktivierung an der Ent- stehung maligner Keimzelltumoren des Hodens beteiligt sind.

In multizellulären Organismen wer- den Proliferation, Differenzierung und Apoptose von Signalen beeinflusst, die von intra- oder extrazellulären Media- toren stammen. Für eine suffiziente in- terzelluläre Kommunikation müssen diese Signale koordiniert werden. Die

„mitogen-activated protein kinase“- (MAPK-)Superfamilie repräsentiert eine Schaltstelle, die durch die Phos- phorylierung von Wachstums- oder Zy- tokinrezeptoren sowie chemischen oder physikalischen Stressfaktoren ak- tiviert werden kann. Drei unterschied- liche MAPK-Signalwege wurden bis- her beschrieben: 1) JNK („c-Jun pro- tein kinase/stress activated protein kinase“), p38 und ERK („extracellular signal-regulated kinase“). Nach Phos- phorylierung können diese Proteine unterschiedliche Enzyme, Transkripti- onsfaktoren oder Zytosklettproteine aktivieren und so verschiedene, partiell gegensätzliche biochemische Prozesse beeinflussen. Die primäre Wirkung, al- so die Aktivierung einer bestimmten MAP-Kinase, hängt von Zelltyp und Grad der Zelldifferenzierung ab (2, 27, 52). So kann die Phosphorylierung von ERK nicht nur eine wichtige Rolle in Proliferation und Differenzierung, son- dern auch bei der Apoptoseregulation unterschiedlicher Zellpopulationen spie- len (23–26, 35, 53).

Um mögliche Signaltransduktions- wege zu charakterisieren, deren Inhi- bition oder Aktivierung zur Apoptose- defizienz in TGCT führen, untersuch- ten die Autoren die humane embryo- nale Karzinom-Zelllinie NCCIT auf Gene, die die Apoptose regulieren. Es wurde nachgewiesen, dass in nicht be- handelten TGCT-Zellen MEK in einer überwiegend inaktiven Form vorliegt, im Verlaufe der CDDP-induzierten Apoptose jedoch stärker phosphory- liert wird. Funktionelle Analysen zeig- ten, dass infolge der Phosphorylierung von ERK die Exekutor-Caspase 3 akti- viert und dadurch die Apoptose der TGCT-Zellen ausgelöst wird. Eine we- sentliche Beteiligung der Caspase-9- abhängigen mitochondrialen oder der Caspase-8-abhängigen extramitochon- drialen Apoptose-Signalkaskade wur- de nicht beobachtet. Diese Ergebnis- se zeigen, dass die p53-unabhängige CDDP-induzierte Apoptose in TGCT- Zellen durch die Aktivierung eines MAPK-Signaltransduktionsweges ver- mittelt wird (43, 45). Im Umkehr- schluss kann vermutet werden, dass die Inaktivierung des MAPK-Signaltrans- duktionsweges beispielsweise durch Phosphatasen eine mögliche Ursache der Apoptosedefizienz in TGCT dar- stellt.

Manuskript eingereicht: 15. 7. 2004, revidierte Fassung angenommen: 19. 10. 2004

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2404–2407 [Heft 36]

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005 AA2407

Mehrschrittentstehung von malignen Keimzelltumoren Grafik

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3605 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Afshin Fayyazi Institut für Pathologie

Städtisches Klinikum Pforzheim Kanzlerstraße 2–6

75175 Pforzheim

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